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3. Der Ayodhya-Konflikt als parteipolitischer Interessenkonflikt

3.2. Das Ayodhya-Problem und die Standpunkte der nationalen

3.2.2. Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Janata Dal und

3.2.2.3. Die Taktik der BJP

Durch den Klärungsprozeß, der seit 1985 in der BJP stattge-funden hatte, hatten die Parteigremien, bei einer Zusammenar-beit mit der Janata Dal eine Reihe von Vorgaben zu berück-sichtigen. Im Gegensatz zu dem Zeitraum der Jahre 1977-1980 sollte es keine Verschmelzung mit anderen Oppositionsparteien geben, die "BJP wird ihre besondere Identität erhalten"

(Advani 1989a). Hingegen "entsprechen" (Advani 1989a) Ver-handlungen zum Zwecke von Wahlabsprachen ("seat adjustment") dem Herangehen der BJP. Die eigene Machtbasis realistisch einschätzend, erhob die Partei "nicht den Anspruch, gegenüber

dem regierenden Kongreß (I) eine Alternative zu sein" (Advani 1989b). Ihr Ziel sollte es bei den Wahlen stattdessen sein,

"(1.-M.S.) Rajiv Gandhi abzusetzen und (2.-M.S.) bei der Wahl eine beträchtliche Präsenz (von Sitzen-M.S.) zu erwerben"

(Advani 1989a). Damit wollte sie es ihr ermöglichen, auf die zukünftige politische Richtung Indiens Einfluß zu nehmen.

Hierzu muß man beachten, daß sie zu jenem Zeitpunkt nur zwei Sitze im Unterhaus besetzte.

Wie konnte nun die Partei eine besondere Identität projizie-ren und erhalten, ohne sie dann bei den Verhandlungen mit der Janata Dal aufzugeben? Hierbei diente ihr ihr Standpunkt zur Ayodhya-Frage. 1986 z. B. mußte Rajamata Scindia, die Vize-präsidentin in der BJP und VHP war, noch auf Widerspruch innerhalb der eigenen Reihen reagieren, wo kritisiert wurde, daß der "'Kongreß (I) von den VHP-Programmen profitieren' würde. -Antwort: 'Vielleicht. Unser (VHP-M.S.) Anliegen ist nicht an eine Partei gebunden. (... Daß) der Kongreß (I) aus der Hindu-Aufwallung Kapital schlägt, ist wirklich nicht sehr wichtig'" (Scindia). Und ungefähr zur selben Zeit machte der Parteipräsident der BJP, L. K. Advani, in einem Interview zu Ayodhya folgende Aussage: "Was zu dieser Frage geschehen ist, ist, daß es eine Entscheidung des Gerichts gibt, die von allen akzeptiert werden sollte, und wie eine jede Gerichts-entscheidung respektiert werden sollte. (...) Unser Stand-punkt ist der, daß die Entscheidung respektiert werden sollte" (Advani 1986d). Ein Jahr später wurde ein Bericht an die Nationalexekutive der Partei für eine Strategie der kom-menden Unterhauswahlen vorgelegt. In ihm wurde u. a. ange-mahnt, daß der "Standpunkt (der Partei) zur (...5.) Babri Masjid Frage konkretisiert (werden muß)" (BJP 1987). Im März 1989 legte nun Advani seinen neuen Standpunkt in einem Inter-view vor. Gefragt, ob die Ayodhya-Frage auf gerichtlichem Wege gelöst werden sollte, sagte er: "Gewiß nicht! Dies wäre Eskapismus. Dies würde bedeuten, vor einem Problem zu flüchten, um eine widerspenstige Minderheit zu

beschwichti-gen. Das ist falsch" (Advani 1989c). Im Juni 1989 nahm folglich die BJP ihre Resolution zu dieser Frage an.

Während mehrerer Gelegenheiten im selben Jahr forderte die BJP ihre Haltung zu dieser Frage heraus und äußerte sich entsprechend. Neben der Resolution von Palampur ragten zwei weitere Ereignisse heraus. In Delhi machte ein Führungskader der BJP den Standpunkt der Partei zum Ayodhya-Problem zum ersten Mal auf einer Großveranstaltung am 2. April deutlich.

Sie war den Feierlichkeiten des 100. Geburtstages des Begrün-ders der RSS, Hedgewar, gewidmet. Während dieser sprach auch der ehemalige Parteipräsident der BJS und BJP sowie Außen-minister der Janata-Party-Regierung, A. B. Vajpayee. In der öffentlichen Meinung Indiens steht er langläufig für das Image eines Liberalen seiner Partei. So überreichte ihm z. B.

1992 der Präsident der Republik den "Padma Vibushan"-Orden.

Vajpayee löste mit seiner Rede nun in der Öffentlichkeit einen Schock aus: "Vajpayees Rede ließ mich den Mund offen halten" (Singh, T.). Er forderte die Übergabe des Geländes der Moschee, das "unzweifelhaft den Hindus gehört" ('Janam Bhoomi ...'). Zur Rolle des Islams sagte er dann: "Wenn einige Leute darauf bestehen, daß ihre Religion von ihnen verlangt, Bildnisse und religiöse Kultstätten anderer zu zerstören (damit war der Tempel gemeint, der vormals dort gestanden haben soll-M.S.), dann müssen sie in diesem Land ihre Gewohnheiten ändern. Sie werden ihren Glauben mit dem indischen Ethos harmonisieren müssen" (-In: Jagarana Prakashana, 50). Folglich wurde Vajpayee von der Journali-stin, die von der Veranstaltung berichtete, als "Hindu Bulldozer" (Singh, T.) bezeichnet. Zwei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens richteten auf diese Rede hin offene Briefe an Vajpayee.

Die BJP argumentierte, daß Rama ein Nationalheld sei. Das Engagement um "Janmabhumi" sei daher Ausdruck des nationalen Willens, einen Invasoren (Babar) zu bekämpfen. Und sie drückte in diesem Zusammenhang ihr 'Unverständnis' darüber

aus, warum die anderen Parteien dann den Bau des Rama-Tempels verhindern wollen. Sie verglich in diesem Zusammenhang dieses Vorhaben mit dem Aufbau des Tempels von Somnath (Gujerat), wo mit staatlicher Sanktion in den ersten Jahren der Unabhängig-keit ein angeblich von Mohammed v. Ghazni zerstörter Tempel wieder errichtet worden war. Die BJP unterstützte die Forde-rung der VHP. Sie übernahm einen Großteil ihrer Argumente.

Danach appellierte die BJP an die Moslems, das Gelände als Akt der Freundschaft und des "guten Willens" (Vajpayee 1989b) freiwillig den Hindus zu überlassen. Sie bot sich an, die Moschee mit modernster Technik weg zu bewegen. Auch die BJP würde sich für eine "friedliche" (Vajpayee 1989b) Lösung des Problems und für Gespräche aussprechen. Kommt dies nicht dazu, liegt das an einem fehlenden Verständnis der Anderen für diese 'natürliche' Forderung. Die BJP zweifelte den Sinn eines gerichtlichen Verfahrens an, ohne sich zunächst außer-halb der Gerichtsbarkeit zu stellen: "Wenn ich sage, daß Gerichte dieses Problem nicht entscheiden können, dann meine ich, daß in solchen sensiblen Angelegenheiten wie diesem, wo die Gefühle (und dazu religiöse) großer Teile der Bevölkerung berührt sind, es sehr schwierig sein wird, die Entscheidung des Gerichts durchzusetzen" (Vajpayee 1989b). Die bisherige Behandlung der Ayodhya-Frage war für die BJP ein weiteres Indiz für die seit 1947 betriebene Politik des 'Appeasements' gegenüber den Moslems (Mathur/Malhotra 1989a). Mit diesen Äußerungen hatte die BJP ihren Standpunkt zur Ayodhya-Kontro-verse öffentlich dargelegt, ohne daß sie das Vorhaben der VHP selbst forcieren mußte: "Ich möchte auch klar stellen, daß die BJP als solche nicht eine Partei in der Kampagne ist, obwohl Mitglieder der BJP in ihrer Eigenschaft als Individuen mit ihr verbunden sind" (Vajpayee 1989b). Somit wurde auch die Teilnahme des Parteipräsidenten der BJP, L. K. Advani, an einer "Shila-Puja"-Zeremonie am 5. Oktober 1989 begründet (siehe Foto im Anhang).

Die BJP hatte ebenfalls inzwischen in einer Sitzung ihrer Nationalexekutive am 23. Juli 1989 ihr Parteiprogramm um den von der Wahlkommission lt. des im "Representation of the People Act, 1951" geforderten Absatz ergänzt. In ihm ver-pflichtete sich die Partei zu den Grundsätzen der indischen Verfassung (siehe 4. 1. 4. 2.). Darüber hinaus versicherte Advani dem Spitzenkandidaten der Opposition, V. P. Singh, in einem Brief, die "Ayodhya-Frage nicht zu einem Wahlthema machen zu wollen. Maßgebliche Kreise würden diesbezüglich versuchen, Verwirrung zu stiften, um die Aufmerksamkeit von den brennenden Problemen zu lenken" (BJP will ...).

Das brennende Problem war die Abwahl Rajiv Gandhis, über dieses Primärziel bestand Einigkeit zwischen beiden Parteien.

Meinungsverschiedenheiten, die innerhalb der Janata Dal ange-sichts des VHP-Programms zu den Absprachen mit der BJP Anfang Oktober 1989 entstanden, waren nur zeitweiliger Natur. Janata Dal: "Rajiv muß gehen. (...) Wir müssen gewinnen. Wir müssen diese Regierung zu Fall bringen" (Shekhar 1989b, 18). BJP:

"Soweit es unsere Partei betrifft, ist unser Standpunkt klar, daß es dem Kongreß nicht erlaubt werden sollte, wieder an die Macht zu kommen" (Vajpayee 1989c). Der Vorzug der zwischen beiden Parteien gemachten Wahlabsprachen (engl. "seat adjustment") war es, daß keine Partei, im Gegensatz zu den Jahren 1977-1980 ihre Integrität aufzugeben brauchte. Und jede einzelne Oppositionspartei konnte sich auf diesem Wege die größten Chancen bewahren, die jeweils meist mögliche An-zahl von Abgeordneten im Parlament haben zu können. Damit war auch ihre jeweilige Chance am größten, die weiteren Prozesse zu ihren Gunsten beeinflussen zu können.

3.2.3. Die Strategie der Kongreßpartei zu den Wahlen