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Eine Idee nimmt Gestalt an: Die hauptsächlichen Tätigkeiten

2. Der Ayodhya-Konflikt als religiöser Werte- und Machtkonflikt 41

2.2. Die Vishva Hindu Parishad (VHP)

2.2.2. Eine Idee nimmt Gestalt an: Die hauptsächlichen Tätigkeiten

Die erste große Tagung der VHP fand im Januar 1966 statt. Die VHP verabschiedete eine Verfassung. Sie wurde zu einer eigen-ständigen Organisation und als solche unter dem "Societies Registration Act XXI von 1860 (Punjab Amendment) Act 1957" in Delhi im Jahre 1966 unter der "Nummer S 3106" registriert.

Die VHP beschloß die Einsetzung eines treuhänderischen Aus-schusses sowie eines leitenden Rates. 1970 wurde zur Fällung schneller Entscheidungen ein "Ständiger Ausschuß" gebildet.

Der Hauptsitz der VHP wurde für Delhi vereinbart. Auf dieser Tagung wurde auch folgende Praxis in der Arbeit der VHP deut-lich. Danach sollte die Ausdifferenzierung der Tätigkeiten der VHP erst über die Annahme von Resolutionen bzw. (neuen) Mantras auf den Konferenzen der Organisation der kommenden Jahre erfolgen.

Innerhalb eines 20jährigen Zeitraum erfolgte die stetige Aus-dehnung der VHP, was u. a. in der personellen Aufstockung ihrer leitenden Gremien seinen Ausdruck fand. Die VHP wurde zu einer durchorganisierten Vereinigung. Ihr stehen ein Präsident (derzeit V. H. Dalmia), sechs Vizepräsidenten sowie ein Generalsekretär (derzeit Ashok Singhal) vor. Die Organi-sation der VHP ist in Indien in fünf Zonen aufgeteilt (Nord, Zentral, Ost, Süd und West) und diese wiederum in Regionen;

Provinzen oder Staaten und Distrikte. Um "jedes Dorf errei-chen zu können" (Bhagwat 1990a), wurden weitere kleinere Ein-heiten geschaffen, die jeweils einen Bevölkerungsanteil von

100.000 umfassen sollen und deren Arbeit von hauptamtlichen Funktionären überwacht wird. Die Auslandstätigkeit der VHP wurde nach Kontinenten aufgeteilt (Amerika, Europa, Afrika und Mittlerer Osten, Südostasien). Die Nachbarstaaten Indiens wurden als zur nationalen Struktur zugehörig gezählt, inner-halb dessen jedoch separat behandelt.

Im Hauptsitz der VHP in Delhi-Ramakrishnapuram wird die Arbeit der VHP entsprechend der verschiedenen Tätigkeiten in 18 Sekretariate, dem jeweils ein Sekretär vorsteht, aufge-teilt; u. a. Verbreitung des Dharmas, Kuhschutz, soziale Dienste, Dharmacharyas (Klerus), Frauen, Jugend, Sanskrit, Feste, Yoga, Ausland, Organisation, Öffentlichkeit. Die VHP finanziert sich über Spenden und Mitgliedsbeiträge (sog.

Hitchintak), die derzeit 2000,- Rupien hoch sind.

Zu den hauptsächlichen Tätigkeitsfeldern der VHP gehörte die Propagierung der "Hindu-Einheit". Sie konnte damit maximal erwarten, daß 85 % der indischen Bevölkerung auf ihren Appell reagiert. Auf der Konferenz der VHP des Jahres 1969 wurde folglich das Mantra "Alle Hindus sind Brüder" angenommen. Des weiteren wurde beschlossen, die Unberührbarkeit abzuschaffen.

Bereits drei Jahre zuvor steckte die VHP ihr anderes Haupttä-tigkeitsfeld ab: Die Durchführung von Konversionen zum Hin-duismus. Dies richtete sich zunächst vor allem auf die Moslems. Denn wie die VHP behauptet, hat "deren bloßer Wandel des Glaubens ihnen nicht ihre grundlegende Hindu-Identität geraubt" (Seshadri 1988, 75). Im Verständnis der VHP war die bis dahin bestehende formale Unmöglichkeit, Konversionen durchführen zu können, ein Grund für die Schwäche der "Hindu-Gesellschaft". Folglich setzte sie auch alles daran, die vor allem im Nordosten des Landes aktiven christlichen Missiona-re, zu verdrängen.

Eine weitere Grundlage für die Zusammenfassung der Strömungen im Hinduismus wurde mit der Entwicklung eines Verhaltenskode-xes (Achar Samhita) gelegt. In dem zunächst 1979 in Allahabad

verabschiedeten gehörten dazu die täglichen Gebete, u. a. das Suryapranam (Gebet zum Sonnenaufgang) und das Studium der Bhagavadgita. Die Hindus sollten in ihrem Hause eine Gottheit ihrer Wahl in einem Schrein aufstellen und vor dem Haus einen Tulsi-Baum, der auch auf dem Emblem der VHP abgebildet ist, pflanzen. Visitenkarten und Briefe waren demnach mit der heiligen Silbe "Om" zu bedrucken (Six Do's ...). In einem Artikel, der an in England lebende Inder gerichtet war, wurde u. a. mit der Befolgung dieser und anderer Regeln die Lösung von innerfamiliären Konflikten insbesondere zwischen den El-tern und ihren Kindern vorhergesagt (Ruparelia, P.).

Die weitere Institutionalisierung ihrer Arbeit erreichte die VHP durch die Verwirklichung von sozialen Diensten, den Bau von Tempeln, Schulen, Krankenhäusern und Büchereien. (Hierzu wurde u. a. auch die Organisation "Seva Bharati" geschaffen.) Eine Erhöhung ihres Status in der Gesellschaft erzielte sie mit der Organisation von Kampagnen, Veranstaltungen von Fe-sten sowie von großen Opferzeremonien, in denen die Idee der Hindu-Einheit realisiert werden sollte (siehe auch 2. 4. 2.

2.). Damit erreichte die VHP seit Ende der 70er Jahre erstma-lig eine Basis unter den Massen. Mit den im November/Dezember 1983 durchgeführten "Ekatamata Yatras" vollzog sie schließ-lich einen Wandel in ihrer bisher verfolgten Taktik und setzte einen neuen Anfangspunkt. Die "Ekatamata Yatras" stel-len in ihrem Versuch, alle Strömungen des Hinduismus inner-halb einer Zeremonie zu einen, ein völlig neues Merkmal im Hinduismus dar. Ihren Bezugspunkt untereinander bildete dabei diejenige Quelle, die lt. Ideologie der RSS eine überirdische Dimension angenommen habe und aus der alle hinduistischen Strömungen gemeinsam gespeist würden: die Mutter-Göttin Indien. In zwei Haupt- und 47 Nebenprozessionszügen wurde, jeweils angeführt von einem Bildnis der "Mutter Indien", Wasser aus dem Fluß Ganga quer durch ganz Indien transpor-tiert. Die eine Haupt-"Yatra" führte von Haridwar im Norden nach Rameshwaram im Süden des Landes und die andere von

Gangasagar in West-Bengal nach Somnath in Gujerat. Beide Züge begannen am selben Tag und trafen sich in Nagpur (auch Haupt-sitz der RSS). Täglich legten sie jeweils 100 km zurück.

Durchschnittlich alle 25 km (250 Orte) machten die Züge Halt, während dessen ein "Darshan" (Verehrung) des Gottesbildes der

"Bharat Mata" und des für heilig gehaltenen Wassers der Ganga stattfand. Daneben wurde das Wasser der Ganga mit dem Wasser des jeweiligen Ortes ausgetauscht, das dann in einem weiteren Krug zusammen mit dem Wasser der vorherigen Orte bis zum End-punkt der "Yatra" transportiert wurde. Insgesamt absolvierten die "Yatras" eine Strecke von über 50.000 km. Mit dieser Kam-pagne setzte die VHP konsequent ihre seit der Gründung ver-folgte Re-interpretation des Hinduismus um.