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Die Strategie der Kongreßpartei zu den Wahlen und zum

3. Der Ayodhya-Konflikt als parteipolitischer Interessenkonflikt

3.2. Das Ayodhya-Problem und die Standpunkte der nationalen

3.2.3. Die Strategie der Kongreßpartei zu den Wahlen und zum

und Ausnutzung

In einer Demokratie, wie Indien sie ist, dominieren Parteien die Wahlen. Eine Ausnahme bilden unabhängige Kandidaten. Sie erreichten zwar bei den letzten Wahlen in einigen Wahlkreisen eine Anzahl von bis zu 100. Doch letztlich sind nur wenig von ihnen im Unterhaus vertreten, z. B. 9. LS (1985-89)- 5; 10.

LS (1989-91) - 12; 11. LS (1991-) - 1. Darüber hinaus gibt es in Indien lokale Parteien, die den einen oder anderen Wahl-kreis gewinnen können. Auch sie spielen jedoch bei der Aus-übung der Zentralmacht in Neu-Delhi keine Rolle, bzw. kann es den nationalen Parteien gelingen, lokale Kräfte in sich zu integrieren. Demnach sind es die nationalen Parteien Indiens, die die demokratischen Gremien in der Zentralmacht Indiens besetzen. "Sie stellen auf diesem Wege das Personal der engeren politischen Führung" (Ellwein, 181). Regierungs-parteien befinden sich somit in einer Doppelrolle. Einerseits sind sie, wie jede Partei gemäß ihres Programms, Ausdruck von Interessen in der Gesellschaft. Andererseits haben sie als Staatsorgan übergreifende Aufgaben wahrzunehmen, die über die eigentlichen Interessen ihrer Partei hinausgehen.

Andererseits ist eine Regierungspartei auch nicht allmächtig.

In den Staatsorganen sind nicht nur ihre Anhänger vertreten, und nicht alle von der Staatsmacht getroffenen Regelungen sind auf sie zurückzuführen.

Es ist kompliziert, im Falle einer Regierungspartei die Auffassung einer Partei zwischen der Partei im engeren Sinne und der Partei als Teil des Staatsmacht auseinanderhalten zu wollen. Dies um so mehr, als daß sich eine im Wahlkampf befindliche Regierungspartei nach den Wahlen wieder die Regierung stellen möchte. Sie verweist auf Erfolge der Regie-rung als Erfolge der Partei, die der Wähler daher wieder-wählen soll. Im allgemeinen gilt dann das Handeln der Partei,

die die Regierung stellt, auch als für die Partei insgesamt kennzeichnend. Oftmals ist der Regierungschef auch der Vor-sitzende derjenigen Partei, die sich nun um die Gunst des Wählers bemüht. Dadurch scheint eine Trennung zwischen beiden als nicht mehr möglich. Bei dem in der Arbeit zu behandelnden Problem wird die Unterscheidung zwischen den beiden Rollen einer Partei im nächsten Kapitel grundsätzlich relevant werden.

Das oberste Exekutivorgan der Kongreßpartei ist das 21 Mitglieder umfassende "Congress Working Committee". Es führt die "Politik und die Programme des 'Congress' und 'All-India Working Committee' und ist dem 'All-India Congress Committee"

rechenschaftpflichtig" (INC(I) 1977). Die vom AICC(I) verab-schiedeten Resolutionen werden, wie bei einer jeden Partei, nicht automatisch zum Regierungsprogramm. Dafür gab es in der Geschichte der Partei Beispiele, die hier jedoch nicht interessieren sollen.

Die grundsätzliche Strategie des Handelns staatlicher Stellen ist Gegenstand des nächsten Kapitels. Dort wird ersichtlich werden, was die Kongreßregierung angesichts des geplanten Programms der VHP unternahm. Ihre Aktivitäten hierbei liefen auf eine Schadensbegrenzung hinaus. Ist das Herangehen des Kongresses in seiner Rolle als Partei gemeint, so ist damit zunächst das Grundverständnis, das er von sich selbst hat, angesprochen. Zurückblickend auf seine über 100jährige Geschichte, betonte er seine historische Rolle, die er in Unabhängigkeitsbewegung gespielt hat und sieht sich "(als Verkörperung) des Genius Indiens" (INC(I) 1985, 21) schlecht-hin. Er vereint in diesem Zusammenhang dann jene Fähigkeit in sich, "unterschiedliche Meinungen zusammenzufügen, (... und deshalb) symbolisiert (er auch) nationalen Konsens bei entscheidenden politischen Fragen (INC(I) 1985 21, 30). Der Kongreß ist daher die Kraft, die durch ihre Verankerung in großen Teilen der Bevölkerung, so integrativ wirkt, daß er eine Lösung der Probleme bewerkstelligen kann. Er wäre dann

auch nur diejenige Partei, die das Ayodhya-Problem, wenn vielleicht auch nicht lösen, so jedoch eindämmen und eine

"konfrontative" (INC(I) 1985, 29) Entwicklung verhindern kann.

Das Jahr 1989 stand unter dem Zeichen der Unterhauswahlen.

Alle Parteien waren mit der Entwicklung einer Wahlstrategie beschäftigt. Keine Partei zeigte sich in der Lage, eine reale Einschätzung der politische Lage vorzunehmen. Somit versuchte zunächst der Kongreß, andere Themen zu betonen. In den Vor-jahren und im Wahljahr selbst, hatte es sich gezeigt, daß die Basis der Unterstützung der Partei immer schmaler wurde. Er verlor Wahlen zu den Parlamenten der Unionsstaaten sowie Kommunalwahlen. Doch die Partei nahm keine Analyse dessen vor. Dies war nur ein Ausdruck dafür, daß die innerpartei-liche Demokratie grundsätzlich untergraben worden war. Seit 1971 hatten in der Partei keine Wahlen mehr stattgefunden.

Der AICC(I) tagte unter der Präsidentschaft Rajiv Gandhis unregelmäßig, so daß wichtige Informationen von der Basis nicht mehr an die Führung gelangten. Politische Entschei-dungen wurden hingegen im Ad-hoc-Verfahren getroffen. Im Wahljahr nun versuchte sie mit verschiedenen Maßnahmen, die Initiative wieder zu erlangen. Dazu gehörten ein gesetzlich verankerter Ausbau der Rechte örtlicher Volksvertretungen und Erweiterung der Arbeitsbeschaffungs- und Armutsbekämpfungs-programme. In den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Jawaharlal Nehru sah er die Möglichkeit, durch den einfachen Verweis auf diese charismatische Führerpersönlichkeit, für die jetzigen Wahlen wieder Nutzen ziehen zu können. In den Augen der Partei bot "die Opposition keine lebensfähige Alternative" (No viable ...). Rajiv Gandhi bezeichnete sie auch als "Feinde der Nation" (Opposition nation's ...). Und die Partei reklamierte das Prinzip des Säkularismus für sich.

Auf die Palampur-Resolution der BJP verweisend, wurde für den Kongreß die Verpflichtung der Janata Dal zum säkularistischen Prinzip fragwürdig: "(Andere) politische Parteien sind

wissentlich oder unwissentlich Instrumente des Fundamentalis-mus geworden" (Gandhi, Rajiv 1989a, 444). Im Wahlmanifest der Kongreßpartei wurde daraufhin sogar festgestellt, daß "eines der Hauptthemen bei diesen Wahlen die Zukunft des Säkularis-mus ist" (INC(I) 1989a, 23). Zunächst sah sie aber keine Möglichkeit, im Falle Ayodhyas zu intervenieren: "Wir werden für die Rechte der Hindus, der Moslems, Christen, Sikhs, Parsen und Jainisten ... aller Religionen unseres Landes kämpfen. Aber wenn irgendein Problem kompliziert wird und ein Streit darum entsteht, wer worauf Anspruch hat. Weder können wir das entscheiden, noch sind wir darauf vorbereitet"

(Gandhi, Rajiv 1989b). In Ayodhya stellte noch keine Partei grundsätzliche Verfassungsprinzipien in Frage. Damit sah auch die Kongreßpartei keine Notwendigkeit eines besonderen Handlungsbedarfs. Vielmehr ergab sich aus der Doppelrolle, in der sich der Kongreß als Regierungspartei befand, auch eine Doppelstrategie. Die Regierung, insbesondere ihr Innen-minister, Buta Singh, war mit den Formalien des Erhalts des Status quo beauftragt. Dies gelang mehr oder weniger. Daneben versuchte sie nun aus der in der Ayodhya entstandenen Lage, politisches Kapital zu schlagen. Die Partei legte sich in Bezug auf Ayodhya nicht fest und versuchte somit, Anerkennung von seiten der Hindus und der Moslems zu erfahren.

Rajiv Gandhi eröffnete den Wahlkampf seiner Partei am 3.

November 1989 im 6 km von Ayodhya entfernt liegenden Faizabad. Hier rief er die Menschen dazu auf, "den Kongreß zu wählen, falls sie das 'Ram Rajya' (Reich Ramas) haben wollen.

(...) Es ist nur der Kongreß, der dem Land das 'Ram Rajya' zurückbringen kann" (Rajiv promises ...). Nun hatte auch Mahatma Gandhi in seiner politischen Philosophie den Begriff des "Ram Rajya" verwandt. Später deutete Rajiv Gandhi, als er gefragt wurde, welches "Ram Rajya" er mit seiner Rede gemeint habe, auf die politischen Traditionen der Kongreßpartei und damit wohl auf Mahatma Gandhi. Doch blieb eine gewisse Ambivalenz zurück, die die Partei im Grunde genommen seit

langem verfolgte. Indira Gandhi weihte den "Bharat Mata"-Tempel von Haridwar ein, 1984 zog die Partei mit Losungen in den Wahlkampf, die die RSS "belustigte" (Seshadri 1985). Auch 1989 verfuhr die Kongreßpartei nicht anders. Das politische System Indiens sollte demnach durch "Tausende Jahre des Säku-larismus" (Gandhi, Rajiv 1989a, 439) begründet sein. Rajiv Gandhi sprach von "der Glorie unserer Zivilisation, (...) von 5000 Jahren lebendiger Erfahrung (und betonte im selben Atem-zug), wir sind ein Volk, wir sind eine Nation, wir sind ein Land und wir haben eine gemeinsame Staatsbürgerschaft"

(Gandhi, Rajiv 1989a, 438). Folgende Bemerkungen von ihm hätten auch im RSS-Sprachrohr "Organiser" gestanden haben können: "Die Intelligenz ist oft durch ein fremdes Gedanken-gut beeinflußt und tendiert dahin, die indischen Werte und die Kultur, die die Prüfung der Zeit bestanden haben, zu ignorieren. Die ausländischen Medien werden durch diejenigen, die sie kontrollieren dazu gebraucht, ihr diese Tendenz zu geben. 'Wir haben uns daran gewöhnt, auf unsere Geschichte durch die Blickwinkel von anderen zu sehen'. ... Die wirk-liche Bedrohung, vor der wir heute stehen, rührt von einer 'fremden Kultur' her, die 'materialistisch' ist und gegen unser kulturelles Erbe und die ganze Menschheit gerichtet ist. (...) 'Jeder will wirtschaftliche Erfüllung. Aber die moralischen Werte scheinen schnell zu verschwinden'"

(Intelligentsia swayed ...; PM's call ...).