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Die Grundhaltung der Janata Dal zu einer Zusammenarbeit

3. Der Ayodhya-Konflikt als parteipolitischer Interessenkonflikt

3.2. Das Ayodhya-Problem und die Standpunkte der nationalen

3.2.2. Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Janata Dal und

3.2.2.2. Die Grundhaltung der Janata Dal zu einer Zusammenarbeit

Positionen in der Janata Dal zum Ayodhya-Problem

Aus dem oben beschriebenen inneren Verhältnis der Janata Dal läßt sich schlußfolgern, daß in dieser Partei keine verbind-liche Meinung über das Herangehen an die Ayodhya-Frage be-stand. Dieses Dilemma verstärkte sich noch dadurch, daß mit der BJP Wahlabsprachen zu treffen waren, wollte man das Pri-märziel der Wahlen, Rajiv Gandhi abzuwählen, erreichen. Die Ayodhya-Frage wurde in diesem Zusammenhang insofern für alle Parteien bedeutsam, da sie als Gradmesser für das gesamtpoli-tische Kräfteverhältnis diente.

Chandra Shekhar, der im Zeitraum von November 1990 bis Juni 1991 Premierminister Indiens werden sollte, stellte zunächst das Herangehen an die Frage der Konsolidierung der Opposi-tionskräfte wie folgt dar: "Das Volk Indiens ist vollkommen

vom Kongreß (I) desillusioniert. Es ist vollständig von der regierenden Partei entfremdet, und es will einen Wandel.

(...) So haben wir verschiedene Kräfte konsolidiert, die eine gemeinsame Perspektive auf grundlegende, vor der Nation stehende Fragen teilen. Diese Parteien (Nationale Front-M.S.) bilden den Kern gegen den Kongreß (I). Danach werden wir versuchen, Abstimmungen und Allianzen mit anderen politischen Parteien zu treffen (BJP und KPI-M.S.), damit die Stimmen, die gegen den Kongreß (I) sind, nicht geteilt werden, und damit der Kongreß bei den Wahlen geschlagen werden kann. Das ist unser oberstes Ziel und niemand sollte stocken, daß zu sagen. Dies ist die Aufgabe der Opposition: die regierende Partei zu schlagen" (Shekhar 1989a). Begonnen hatten die Gespräche zwischen den Oppositionsparteien mit einem gemein-samen Treffen im September 1987 in Surajkund (Haryana).

Linksparteien kamen aufgrund der Teilnahme der BJP nicht dazu. Treibende Kraft dieses Treffens war Devi Lal. Ein erster Erfolg, eine Einheit der Oppositionskräfte zu errei-chen, war die gemeinsame Kundgebung von Lok Dal (B) und BJP am 9. März 1988 in Neu-Delhi am "Boat Club". Durch die Teil-nahme V. P. Singhs wurde sein Herangehen an die Frage einer gemeinsamen oppositionellen Plattform deutlich: Er hielt sich die Option gegenüber Kommunisten und BJP offen. Denn er hatte gleichzeitig die von den Linksparteien am 9. Dezember 1987 eingeleitete Kampagne sowie deren Aufruf zum Generalstreik vom 15. März 1988 unterstützt.

Konkretisiert wurden die Verhandlungen zwischen Janata Dal und BJP in einem Treffen am 31. Mai 1989 zwischen Devi Lal und A. B. Vajpayee. Hier prägte Devi Lal das Prinzip, das dem Lohias ähnlich war, für die nächsten Wahlen: "Das Hauptkrite-rium wird in jedem Wahlkreis, in jedem Unionsstaat lauten, welcher Kandidat oder welche Partei am fähigsten dazu ist, den Kongreß herauszufordern" (Irony tinges ...). Das bedeu-tete, daß die BJP, die ihren stärksten Einflußbereich in Madhya Pradesh, Rajasthan, Delhi und Himachal Pradesh hat, in

diesen Staaten antreten sollte. Sie überließ der Janata Dal den Wahlkampf in Uttar Pradesh und Bihar. Die weiteren Ein-zelheiten hatten dann die Parteiorganisationen in den Unions-staaten auszuhandeln. Ein Problem über Absprachen mit den Kommunisten sah die Janata Dal nicht, da "die Einflußzonen der BJP und CPI (M) sich einander ausschließen, und keine Partei wird nach der anderen trachten" (Hegde). Die CPI (M) hatte ihren größten Einfluß in West-Bengalen. Dort trat sie auch an.

Die Ayodhya-Frage nahm mit der Öffnung der Babri-Moschee für die allgemeine Durchführung des Rama-Kultes 1986 eine neue Dimension an. Noch war die öffentliche Unterstützung des VHP-Programms zu gering, als daß die nationalen Parteien sich ernsthaft mit dieser Frage auseinandersetzten.

Zwei wesentliche Strategien seitens der Janata Dal/Nationalen Front zur Ayodhya-Frage werden bis zu den Wahlen 1989 sicht-bar. Entweder wurde die Rolle des "Kongresses, die (er) zu einem wichtigen Teil" (JP 1986) bei der Öffnung des Eingangs-tores spielte, betont. So äußerte sich auch V. P. Singh: "Das (Ayodhya-)Problem ist eine Schöpfung (der Regierung). Es ist unsere Überzeugung, daß (sie es) für politische Zwecke erhalten will. Das Problem kann durch den guten Willen auf beiden Seiten gelöst werden" (Singh, V. P. 1988). Oder die Partei nahm immer seltener konkret zur Ayodhya-Frage Stel-lung. Im Januar 1988 verabschiedete die Janata Party ein klare Resolution und forderte, daß "im nationalen Interesse ein solch historisches Problem nicht aufgeworfen werden darf.

(...Sie plädierte) für die Verabschiedung eines Gesetzes, das den Status von Kultstätten auf den 15. 8. 1947 festschreibt und (spricht sich für) eine gerichtliche Lösung mit der Ein-setzung eines Sondergerichts aus" (JP 1988). Die VHP drückte dementsprechend wenige Tage später ihren "Schock" (VHP critices ...) über diese Resolution aus. V. P. Singh mahnte in zwei Briefen, die er im Laufe des Jahres 1989 an Rajiv Gandhi schickte, die "hohe Priorität dieses sehr dringlichen

Problems (an und kritisierte die bisher) ausweichende und halbherzige Reaktion der Regierung" (Singh, V. P. 1989a, b).

Mit dieser Kritik und dem "festen Glauben an Verhandlungen"

(NF 1989a, 75) wurde dem gegenüber nur noch gefordert, daß

"die Babri-Moschee nicht zerstört werden sollte (die VHP bot selbst bereits deren Ab- und Wiederaufbau an-M.S.). Zur selben Zeit sollten die Gefühle der Hindus für einen Tempel, der Gott Rama gewidmet ist, respektiert werden. (... Jedoch) sollte von keiner Seite voreilige Maßnahmen getroffen werden, solange der Fall im Gericht behandelt wird" (NF 1989a, 75).

Das Problem wurde heruntergespielt, als bald lösbar angesehen und die Rolle, die die BJP möglicherweise darin haben könnte, ebenfalls: "Künstlich geschaffene Hindu- und Moslemwellen werden nicht lange anhalten" (Dandavate); "Es gibt in allen Parteien kommunalistische Elemente. (...) Warum nur die BJP beschuldigen" (Shekhar 1989b, 18). Bzw. machte die Janata Dal weitgehende Zugeständnisse gegenüber der BJP, um durch eine Aufkündigung der Zusammenarbeit mit ihr nicht eigene Wahlchancen aufzugeben. So ging ihr Kandidat Rajmohan Gandhi erst nach einigem Zögern auf die Frage ein, warum die Janata Dal kein Verbot der Prozessionen der VHP forderte, wenn sie von sich behauptete, anders als der Kongreß zu sein: "(...) Ich bin selbst nicht in der Lage zu sagen, ob dies feige oder weise ist. Ich weiß es nicht" (Gandhi, Rajmohan 1989). V. P.

Singh hatte in einer Reihe von Wahlveranstaltungen, u. a. am 7. November gegenüber einer mehrheitlich moslemischen Zuhö-rerschaft in seinem Wahlkreis Fatehpur, angekündigt, am Tag der Grundsteinlegung nach Ayodhya zu gehen.: "Heute muß Indien gerettet werden, so daß niemand Angst haben muß.

Deshalb gehe ich übermorgen nach Ayodhya, um einen Weg für eine friedliche Lösung zu finden" (Singh, V. P. 1989d). Er ging schließlich nicht nach Ayodhya. In einem Interview daraufhin angesprochen, sagte er: "'Ayodhya heißt Faizabad.

Allgemein als Faizabad bekannt'. -Reporter: 'Aber die Leute haben den Eindruck gewonnen, daß sie eigentlich zur Stelle

gehen wollen, wo sich die Moschee befindet'. -V. P. Singh:

'Zu dieser Zeit hatten sie bereits ihren Grundstein gelegt.

Was hätte ich machen können. Und wenn sie eine friedliche Lösung haben wollen. Ich meine, man muß sehen, wo man weiterhin noch etwas dafür machen kann'" (Singh, V. P.

1989d). Er hatte selbst nicht den Eindruck, daß dieses Pro-blem auch einen Einfluß auf die Wahlen haben könnte: "Nein, ich denke nicht, daß der Kommunalismus ein Thema der Wahlen ist. Bei ihnen geht es um die Integrität und die Einheit des Landes" (Singh, V. P. 1989e).

Problematisch gestaltete sich angesichts der Verhandlungen mit der BJP und dem faktischen Schweigen zur Ayodhya-Frage nun das Verhältnis der Janata Dal zu den moslemischen Führern. Die Janata Dal war auch auf deren Unterstützung an-gewiesen, um die Chancen bei den Wahlen vergrößern zu können.

Eine Mobilisierung von "Moslem-Stimmen" kann unter gewissen Umständen in maximal 100 Wahlkreisen bedeutsam werden. Bei ihnen kann, bei einem möglichen Gleichgewicht zweier Kandi-daten, letztlich mit einem Appell an die Moslem-Identität die Balance zugunsten des eigenen verlagert werden. Im Sommer 1989 gab es zunächst für die Partei in dieser Frage eine Niederlage. Der Abgeordnete der Janata Dal im Unterhaus und Vorsitzende des BMMCC, Syed Shahabuddin, trat aus der Partei aus und gründete am 21. August 1989 eine neue Partei, die Insaaf-(Gerechtigkeits-)Partei. Durch die Verhandlungen mit der BJP wäre es für die Moslems nicht mehr möglich, die Janata Dal zu wählen (Shahabuddin 1989b). Seine Einschätzung lautete: "Janata Dal und Kongreß sind Parteien des Status quo. ... (Sie sind) hochkastig, elitär (und) nicht wahrhaft 'national' (... und leisten nur noch) Lippenbekenntnisse für die säkulare Ordnung" (Shahabuddin 1989c, e). Er rief nun die

"moslemischen Inder (auf), ihren Wahlkampf (...) für die Ent-wicklung einer politischen Strategie zu benutzen, (...) damit sie zählen und die politischen Entscheidungen beeinflussen"

(Shahabuddin 1989e). Das war nichts anderes, als der Versuch,

einen moslemischen Stimmblock zu schaffen, womit er die Pola-risierung nach Religionsgemeinschaften weiter forcierte. Dies unterhöhlte erst recht die bestehende Staatlichkeit, als daß er sie mit diesem Schritt stärkte, was er angab zu wollen. V.

P. Singh versicherte darauf, daß die Janata Dal "den säku-laren Traditionen, die in der indischen Verfassung verankert sind, vollständig verpflichtet ist (Singh, V. P. 1989c). Ein ähnlich lautender Passus war dann Inhalt eines "schriftlichen Abkommens" (Bukhari 1990), das zwischen V. P. Singh und dem Imam der Jama-Masjid von Delhi und führenden Vertreter des AIBMAC, Bukhari, im November 1989 vor den Wahlen abgeschlos-sen wurde. Daraufhin richtete der Imam sich mit dem folgenden Appell an die Wähler: "Angesichts ihres Manifestes, der Poli-tik und den Zusicherungen denke ich, daß die Janata Dal (Nationale Front) eine bessere Alternative gegenüber dem regierenden Kongreß ist. Deshalb appelliere ich an das indische Volk, die Kandidaten der Janata Dal (und der Linksfront ...) zu unterstützen" (Bukhari 1989). Damit hatte V. P. Singh eine weitere bedeutende Persönlichkeit auf seine Seite ziehen können.