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2. Der Ayodhya-Konflikt als religiöser Werte- und Machtkonflikt 41

2.3. Die Ayodhya-Kampagne und der Aufstieg der VHP

2.3.3. Die Jahre von 1986 bis 1988: Periode "kompentativer

2.3.4.2. Das "Ram Shila Puja"- und "Shilanyas"-Programm

Zwei Wochen vor dem Beginn des "Ram Shila Puja"-Programms hatten auf einem als "historisch" (-In: Hindu Sinharjana ...) bezeichneten Umzug durch Delhi 1850 Sadhus (Mönche) dieses Programm der VHP unterstützt. Diese "Dharma-Yatra" endete am 22. September 1989 mit einer Kundgebung am "Boat Club" von New-Delhi, zu der mehrere hunderttausend Zuhörer kamen. Ein riesiges Bild vom zu bauenden Rama-Tempel, das hinter dem Kundgebungspodest angebracht worden war, überbrachte eine klare Botschaft. Die genaueren Planungen zu diesem Programm gingen auf Treffen der VHP zurück, die am 29. bis 31. März in Delhi, am 27. und 28. Mai in Haridwar und am 13. Juli 1989 in Ayodhya stattgefunden hatten.

Zum "Ram Shila Puja"-Programm war es nun vorgesehen, aus al-len indischen Gemeinden Ziegelsteine, die beim Bau des Tem-pels Verwendung finden sollten, auf Umzügen nach Ayodhya zu schicken. Kurz bevor dieses Programm begann, fand am 27. Sep-tember 1989 in Lucknow ein Treffen zwischen Verantwortlichen der VHP und dem Innenminister Indiens, Buta Singh, statt. Da-nach gestattete die Regierung dessen Durchführung. Die VHP erklärte sich im Gegenzug bereit, mit den jeweiligen Behör-den, durch deren Distrikt die Umzüge verlaufen, zusammenzuar-beiten und den Status quo in Ayodhya selbst zu bewahren (siehe auch 4. 1. 4. 2.).

Am 30. September begann die VHP nun dasjenige Programm, dessen Endpunkt die Grundsteinlegung des neuen Tempels in Ayodhya am 9. November bildete. Es war in seiner Organisation einzigartig. Zu seiner Durchführung kam der VHP das während

der vorherigen Jahre aufgebaute Netzwerk zugute. Die VHP hatte bereits ihre landesweite Organisation in etwa 650.000 Einheiten aufgeteilt, wobei eine Einheit jeweils eine Bevöl-kerungsgröße von 100.000 umfaßte. Diese, die sog.

"Prakhandas", wurden zum "Ram Shila"-Programm weiter in die

"Khandas" (je 10.000 Einwohner) und die "Upakhandas" (je 2.000 Einwohner) unterteilt. Damit sollten durch das Programm alle Städte und 300.000 Dörfer Indiens erfaßt werden können.

Insgesamt wurden 346.128 "Upakhandas" gebildet. Die 3.820 Leiter des Programms wurden in 213 Orten in einem insgesamt fünf Monate andauernden Ausbildungskurs für eine erfolgreiche Durchführung des Vorhabens geschult. 1.200 religiöse Führer wurden dazu zusätzlich mobilisiert, um gerade die Landbevöl-kerung (70 % der GesamtbevölLandbevöl-kerung) zu erreichen. Verschiede-ne Journalisten berichteten, daß dabei die VHP-Funktionäre oftmals wirklich noch agitieren mußten. Vielen war das Pro-gramm der VHP oder "die Geburtsstätte Ramas" in Ayodhya nicht bekannt (Tepid response ..., 'Ram rajya' ...).

In jeder "Upakhanda" sollte eine "Rama Shila Poja"-Zeremonie abgehalten werden. Während dieser wurden gewöhnlich fünf Zie-gelsteine, die für den Tempel in Ayodhya bestimmt waren, an-gebetet. In jedem Ziegelstein waren die Worte "Shri Ram" ein-gebrannt. Zunächst wurde davon ausgegangen, daß jeder Teil-nehmer dieser Zeremonie 1,25 Rupien für den Tempelbau spenden sollte. Später sollte dieser Betrag wenigstens von jedem Haushalt aufgebracht werden. Von dieser "Puja" ausgehend wur-den die Ziegelsteine mit wur-denen anderer Zeremonien in einem Block zusammengefaßt. Hier fand ein drei bis fünf Tage langes

"Shri Ram Mahayajna" ('Großes Opfer für Ram') statt (insgesamt an 4.251 Stellen). Von diesen Bezirkszentren aus setzten sich die Züge in Richtung Ayodhya in Bewegung. In der Hauptstadt Indiens, Delhi, z. B. gab es 3.812 Stellen an de-nen eine "Shila Puja" abgehalten wurde. Deren Zug mit Ziegel-steinen ("Shila Yatra") verließ mit denen von Haryana am 4.

November die Stadt in Richtung Ayodhya. Insgesamt sollen an

297.705 "Pujas" 109 Millionen Menschen teilgenommen haben und eine Summe von 82 Mill. Rupien (damals etwa 7 Mill. DM) auf-gebracht worden sein (Bhagwat 1990b).

Die quer durch das Land ziehenden "Shila-Yatras" hatten in einer Reihe sensibler Gebiete Rückwirkungen auf die lokalen Verhältnisse. Auch in Orte, die bislang frei von Spannungen waren, wurden durch ein aggressives Verhalten der Teilnehmer der "Yatra" Unruhe gebracht. In 55 Orten brach innerhalb der Monate Oktober und November offene Gewalt aus. Die bislang schwersten Unruhen seit Erlangung der Unabhängigkeit ereigne-ten sich am 24. Oktober in Bhagalpur (Bihar), als eine

"Yatra" der VHP durch einen mehrheitlich von Moslems bewohn-ten Ortsteil kam. Inoffiziellen Angaben zufolge starben 1.000 Menschen. 90 % von ihnen waren Moslems (PUDR). Die VHP geriet für eine Fortführung der Kampagne unter Bedrängnis. Sie er-klärte sich aber zu einer Verringerung der Teilnehmerzahl an der "Shilanyas"-Zeremonie bereit. Bis zur ersten Novemberwo-che gelangten 150.000 Ziegelsteine nach Ayodhya. Auch über die im Ausland lebenden Inder, die mit der VHP liiert waren, wurden Ziegelsteine geschickt.

Die VHP-Funktionäre markierten am 2. November jene Stelle 60 m vor der Babri-Moschee in Ayodhya, auf der die Grundsteinle-gung ("Shilanyas") erfolgen sollte mit einer safranfarbenen

"OM"-Fahne. Hier sollte sich das Eingangstor (sog. "Singh-Dvar") zum Tempel befinden. Die Stelle gehörte jedoch zu jenem Gebiet, das vom Gericht als "strittig" deklariert worden war. Daraufhin fanden eine Reihe eilig anberaumter Ge-spräche zwischen Regierung und VHP statt. Die VHP machte deutlich, daß sie bereit ist, "ins Gefängnis" (Singhal 1990, 12) zu gehen, und "weder einer Änderung des Tags noch der Stelle" (Dixit) einwilligen wird. Ein anderer VHP-Funktionär aus Bombay gab auf die Frage, ob die für den 9. November an-gesetzte Zeremonie verschoben werden könne, zur Antwort: "Man muß handeln, wenn das Eisen heiß ist, oder überhaupt nicht.

Einige Tage entscheiden die Zukunft einer ganzen Nation, an

dem sie in einem Sprung weiterkommt. Der 9. November ist solch ein Tag. Die Stimmung der Hindus ist an einen Punkt ge-kommen, daß, wenn wir jetzt nicht unser Versprechen vom 9.

November einlösen, wir Jahre brauchen werden, um diese Stim-mung wieder zu beleben" (-In: Punwani). Die Regierung er-klärte schließlich nur das gesamte Grundstück, auf dem sich die Stelle befand, für "strittig" nicht aber die Stelle selbst (siehe: 4. 1. 4. 2).

Am 9. November, 9.30 Uhr begann die Zeremonie mit einer

"Bhumi Puja" (Anbetung der Erde der vorgesehenen Stelle). Die gesamte Zeremonie dauerte bis zum nächsten Tag, 13.35 Uhr an.

Während dessen wurde ein 2,13m x 2,13m großes und 2,13 m tiefes Loch ausgehoben. Zu denen, die den ersten Spatenstich tätigten, gehörte der Vorsitzende der RJMYS, Mahant Avaidyananth. Dabei erklärte er: "Dies ist nicht nur der Grundstein für den 'Ram Janambhumi'-Tempel, sondern es ist auch der Grundstein des Reichs der Hindus, das wir nun er-richten" (-In: Foundation of ...). Der erste Ziegelstein des Tempels wurde von einem Unberührbaren aus Bihar in das Erd-loch gelegt. An der Zeremonie selbst waren nur 1.000 Personen anwesend. Weitere Aktivisten der VHP und "Bajrang Dal"

hielten sich in Lagern vor der Stadt auf und verfolgten die Ereignisse an der Moschee über Bildschirme.

Am 11. November marschierten angeführt von Ashok Singhal meh-rere Sadhus (Mönche) in Richtung der Babri-Moschee, um mit den Bauarbeiten für den Tempel zu beginnen. Bereits zuvor hatte einer von ihnen, Vamdev Ji Maharaj, erklärt, daß sie

"sich friedlich verhalten werden. Sogar wenn wir aufgehalten werden sollten, werden wir keinen Anlaß zu Gewalt geben.

Falls keine Weisheit über die Regierung hereinbrechen sollte, und sie den Bau des Tempels verhindern sollte, so wird unser Kampf weiter gehen. Sein Beginn wird zur rechten Zeit ent-schieden werden" (-In: Shukla). Somit war dieser Akt eher symbolischer Natur, da die VHP über den Bau selbst noch nicht entschieden hatte. Die Regierung gestattete weiteres nicht,

und die Sadhus zogen sich zurück. Es wurde vereinbart, erst im Januar 1990 wieder zusammen zu kommen.

2.3.5. 1990: Die "Kar Seva" für den Rama-Tempel

2.3.5.1. Die Entscheidungsfindung über den Baubeginn des