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Die Strategie des moldauischen Hochschulwesens im Kontext des Bologna-Prozesses 143

5 DARSTELLUNG UND INTERPRETATION VON ERGEBNISSEN. KONTEXTUELL-

5.1 E INFLUSS DES MOLDAUISCHEN H OCHSCHULKONZEPTS AUF DIE E NTWICKLUNG

5.1.1 Die Strategie des moldauischen Hochschulwesens im Kontext des Bologna-Prozesses 143

Bildungsentwicklung für die Jahre 2011–201571“.

5.1.1 Die Strategie des moldauischen Hochschulwesens im Kontext des Bologna-Prozesses

Die „Strategie der moldauischen Hochschulbildung im Kontext des Bologna-Prozesses“

(SHB) bestimmt die konzeptuellen Orientierungen und Modernisierungsmechanismen der moldauischen Hochschulbildung aus der Perspektive des Anschlusses an den Bologna-Prozess.

In der Darstellung des neuen Hochschulkonzepts spezifiziert die Strategie die sozialen Funktionen, die allgemeinen strategischen Ziele, die spezifischen Ziele und die Prinzipien der

70Strategia Invațamântului Superior din Republica Moldova in contextul Procesului de la Bolgona (2004) [rumänische Fassung von: Strategie der moldauischen Hochschulbildung im Kontext des Bologna-Prozesses].

71Strategia consolidată de dezvoltare a învăţământului pentru anii 20112015 (2010) [rumänische Fassung von:

Konsolidierte Strategie der Bildungsentwicklung für die Jahre 2011–2015]. Hier wird die Bezeichnung „Strategie der Bildungsentwicklung für die Jahre 2011–2015“ verwendet.

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Hochschulbildung sowie die Instrumente der Qualitätssicherung.

Soziale Funktionen der Hochschulbildung

Die in der Strategie benannten sozialen Funktionen der Hochschulbildung, die für die vorliegende Untersuchung Relevanz besitzen, sind:

„Dynamische Reproduktion, Bewahrung und Weitergabe wissenschaftlicher und kultureller Werte;

Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die Bereiche Wirtschaft und Kultur;

Entwicklung kreativer Persönlichkeiten;

Entwicklung der für die beruflichen und sozialen Tätigkeiten notwendigen Kompetenzen und Einstellungen;

Entwicklung eines Bewusstseins nationaler Identität;

Entwicklung nationaler Kultur und Förderung des interkulturellen Dialogs“ (SHB 2004, 2.1.).

Wie den Zitaten zu entnehmen ist, beziehen sich die sozialen Funktionen der Hochschule auf drei wichtige Aspekte: Entwicklung der Persönlichkeit einschließlich ihrer Sozial- und Berufskompetenz, Entwicklung von Wissenschaftskultur und Entwicklung von Nationalkultur.

Damit wird versucht, eine Verbindung zwischen Individuum, Gesellschaft und Wissenschaft zu schaffen. Für die Entwicklung interkultureller Kompetenz sind hier einige Aspekte als relevant hervorzuheben. Zunächst ist auf die Funktion hinzuweisen, die in der Entwicklung kreativer Persönlichkeiten besteht. Die Persönlichkeit des Individuums wird als ein entscheidender Faktor interkultureller Kompetenz betrachtet (s. Kapitel 1.5.1). Demzufolge spielt die Entwicklungsweise der Persönlichkeit eine grundlegende Rolle bei der Bewältigung interkultureller Situationen. Kreativität ist eine wichtige Voraussetzung interkultureller Kompetenz, da sie die Entwicklung von Strategien für die Aushandlung der Interkultur unterstützen kann (vgl. Kapitel 1.4).

Sodann ist die Betonung der Entwicklung nationaler Kultur, nationaler Identität und der Vermittlung kultureller Werte zu nennen. Diese Hervorhebung hängt vermutlich mit der im Kapitel 3.1 erwähnten Notwendigkeit der Bestätigung und Rechtfertigung der Existenz des unabhängigen Staates Republik Moldau bzw. der Lösung des Identitätsproblems zusammen, mit dem sich Moldau seit seiner Gründung konfrontiert sieht (s. Kapitel 3.1). Die Identitätsproblematik kann sich negativ auf die interkulturelle Kompetenz auswirken. Eine problematische nationale Identität kann Unsicherheit und geringes Selbstbewusstsein verursachen, was in einer interkulturellen Interaktion zu unsicherem Auftreten führen kann (vgl. Kap. 1.5.1). Aus diesem Grund ist es bedeutend, dass der Hochschulbildung ihre Rolle bei der Bildung nationaler Identität bewusst ist. Doch für die Feststellung des Einflusses dieser Bildungsfunktion auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz ist es notwendig zu wissen, mit welchen Konzepten in diesem hochkomplexen Prozess gearbeitet wird, d. h. wie nationale

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Kultur und nationale Identität definiert werden, welche Erscheinungen sie aufweisen, ob dabei Übereinstimmung mit dem Konzept nationaler Identität aus anderen gesellschaftlichen Diskursen besteht72. Auf diese Fragen liefert die Strategie allerdings keine Antwort. Die Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen Identität im Rahmen universitärer Bildung kann einerseits bei passender Konzept- und Methodenauswahl zur bewussten Wahrnehmung eigener kultureller Prägung, zur Relativierung eigener kulturell geprägter Überzeugungen, zur Erhöhung des Selbstbewusstseins beitragen und dadurch positive Bedingungen für die Entwicklung interkultureller Kompetenz schaffen. Andererseits kann eine mangelnde konzeptuelle Strategie die Identitätsproblematik noch mehr verschärfen, Stereotype festigen und zu Konflikten zwischen den zusammenlebenden kulturellen Gruppen führen.

Einen weiteren für die Entwicklung interkultureller Kompetenz relevanten Aspekt stellt die Funktion der Sicherung eines interkulturellen Dialogs im Kontext der Hochschulbildung dar.

Was unter interkulturellem Dialog zu verstehen sei, wird in der SHB nicht spezifiziert. Somit kann sein Einfluss auf die interkulturelle Kompetenz nicht direkt festgestellt werden. Sollte der interkulturelle Dialog hier im westeuropäischen Sinne als „Prozess des offenen und respektvollen Meinungsaustausches von Einzelnen und Gruppen unterschiedlicher ethnischer, kultureller, religiöser und sprachlicher Herkunft und Traditionen in einem Geist von gegenseitigem Verständnis und Respekt“ (Endres 2010: 6) definiert sein, so würden durch seine Förderung wichtige Aspekte interkultureller Kompetenz vermittelt (vgl. Kap. 1.3).

Allgemeine strategische Ziele der Hochschulbildung

Die allgemeinen strategischen Ziele der Hochschulbildung sollen der Strategie zufolge mit den Zielen der sozio-ökonomischen Entwicklung der Republik Moldau konvergent sein, denn die Hochschuleinrichtungen dienen als Zentren der Modernisierung, der technologischen und kulturellen Entwicklung sowie als Förderer nationaler und internationaler Werte:

„Modernisierung der Hochschulbildung – in dem Sinne, dass diese den Bildungs- und Wissensbedürfnissen der Gesellschaft entspricht – im Kontext eines wirtschaftlich wettbewerbsfähigen Marktes und einer auf den europäischen demokratischen Werten basierenden Gesellschaft;

Steigerung der Qualität der Hochschulbildung im Einvernehmen mit den europäischen und internationalen Standards;

Sicherung von Vergleichbarkeit und Kompatibilität des Hochschulsystems im Rahmen des europäischen Hochschulraums;

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Hochschulsystems auf internationalem

72Zu erwähnen ist hier die jahrelange Identitätsdebatte zwischen politischem Diskurs, Bildungswesen und Massenmedien in Moldau (s. Kapitel 3.1).

146 Niveau“ (SHB 2004, 2.1.).

Schon bei oberflächlicher Lektüre der strategischen Ziele fallen die Stichworte „europäisch“

und „international“ auf, die die moldauische Hochschulbildung zukünftig prägen sollen. Bis auf das erste Ziel, in dem es darum geht, den Bildungs- und Wissensbedürfnissen der Gesellschaft zu entsprechen, beziehen sich sämtliche Ziele auf die Anpassung an die sogenannten europäischen oder internationalen Bildungsstandards. Diese Maßnahmen sind im Kontext des beabsichtigten Anschlusses an den Bologna-Prozess nachvollziehbar, doch lassen sie den Eindruck der Unterschätzung eigener Bildungstraditionen und der bedingungslosen Übernahme fremder Bildungskonzepte entstehen. Für die Entwicklung interkultureller Kompetenz können diese Anpassungstendenzen sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Die Anpassung der moldauischen Hochschulbildung an europäische Standards kann – vor dem Hintergrund langjähriger wissenschaftlicher und praktischer Auseinandersetzung mit interkultureller Kompetenz in den westeuropäischen Hochschulinstitutionen – einen Grundsatz für die Implementierung interkultureller Kompetenz als Bildungsziel an den moldauischen Hochschulen darstellen. Auch für die Umsetzung interkulturell ausgerichteter Bildungsziele können die Erfahrungen, Erfolge wie Misserfolge der am Bologna-Prozess beteiligten Hochschulen wichtige Informationsquellen in diesem Bereich darstellen. Da dieses Konzept allerdings die moldauische Bildungstradition überwiegend außer Acht lässt, besteht die Gefahr einer „Verehrung“ und „blinden“ Übernahme fremder Bildungstraditionen bei gleichzeitiger „Verachtung“ der eigenen. Unreflektierte

„Anpassung“ an eine fremde Kultur wird im interkulturellen Kontext als Hindernis für interkulturelle Kompetenz betrachtet, denn wenn sich in einer interkulturellen Interaktion die eine Seite bedingungslos an die andere anpasst, findet kein Aushandlungsprozess mehr statt (vgl. Kap. 1.3 und 1.5.2.2).

Spezifische Ziele der Hochschulbildung

Auf die Anpassung an europäische Bildungsstandards sind auch die spezifischen Ziele der Hochschulbildung in der SHB orientiert. Neben den konkreten Umstrukturierungszielen der Hochschulbildung wie „Einführung eines mit dem europäischen Rahmen vergleichbaren Qualifikationssystems, Einführung von ECTS (European Credits Transfer System), Organisation der Bildung in drei Zyklen“ bestehen weitere Ziele in der „Entwicklung von Curricula, Förderung der Mobilität der Lehrenden und Studierenden und Förderung der europäischen Dimension“ (SHB 2004, 2.1.).

Ein wichtiger Aspekt im Kontext der Entwicklung interkultureller Kompetenz ist in dieser Kategorie neben den strukturellen Änderungsmaßnahmen und der „Entwicklung von

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Curricula“, auf die im Kapitel 5.3 näher eingegangen wird, die „Förderung der Mobilität der Lehrenden und Studierenden“. Die Steigerung der Mobilität der Studierenden und der Lehrenden trägt zum einen zur Steigerung ihrer Chancen auf allgemein interkulturelle Erfahrungen außerhalb der Landesgrenzen bei, zum anderen zu mehr Möglichkeiten zu interkulturellen Interaktionen im akademischen Umfeld ihres jeweiligen Faches, was zur Steigerung interkultureller Kompetenz in ihrem berufsspezifischen Bereich beitragen kann.

Für Studierende und Lehrende der Fremdsprachen-Studiengänge sind Studien- bzw.

Weiterbildungsaufenthalte in den Ländern der studierten Sprachen von besonderer Bedeutung.

Die Einführung von Mobilitätsprogrammen in der moldauischen Hochschulbildung hat aufgrund der dadurch verbesserten Bildungsqualität, der Aufwertung der Rolle der Forschung und der Internationalisierung der Hochschulen auch indirekt eine positive Auswirkung auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz.

Prinzipien der Hochschulbildung

Die moldauische Hochschulbildung soll sich laut der SHB nach mehreren Prinzipien richten.

Im Rahmen dieser Arbeit sind folgende Prinzipien zu nennen:

„Gleichberechtigter Zugang zur Bildung;

Förderung des europäischen Humanismus;

Förderung der Partnerschaft zwischen Lehrenden und Lernenden;

Förderung des lebenslangen Lernens“ (SHB 2004, 2.1.).

Die Betrachtung aller Bildungsakteure als gleichberechtigt stellt eine bedeutende Voraussetzung für die Entwicklung interkultureller Kompetenz dar, denn damit werden positive Bedingungen für die interkulturellen Interaktionen innerhalb des Bildungswesens geschaffen, die ein hohes vorbereitendes Potential für die interkulturellen Interaktionen außerhalb des Bildungswesens darstellen (vgl. Kap. 2.3.5).

Das Prinzip des Humanismus wird im moldauischen Bildungsdiskurs aufgefasst als Ausrichtung der Bildung auf die Persönlichkeitsinteressen, Anerkennung jedes Menschen als höchster sozialer Wert, Anerkennung der vorrangigen allgemeinmenschlichen Werte, Sicherung der freien Entwicklung der Persönlichkeit, Erziehung des Bürgersinns und des Patriotismus, vielseitige Entwicklung des geistig-menschlichen Potentials und Entwicklung der Kultur des Persönlichen (Konzept der Bildungsentwicklung 1994).

Die Persönlichkeit des Individuums wird als ein entscheidender Faktor interkultureller Kompetenz betrachtet (s. Kap. 1.5). Die Anerkennung der Einzigartigkeit des Individuums, die Zentrierung der Bildung auf seine Interessen und auf seine freie Entwicklung unterstützt die Förderung individueller Fähigkeiten und Talente und trägt somit zur Stärkung des

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Selbstbewusstseins des Individuums bei. Gleichzeitig lernen die Bildungssubjekte, die als einzigartige Individuen behandelt werden, auch die anderen so zu behandeln, was zu mehr Empathie, Toleranz und Verständnis in der Kommunikation führen kann.

Der Begriff „Partnerschaft“ deutet auf die Zusammenarbeit und Kooperation aller Beteiligten hin mit dem Zweck, gemeinsame Ziele zu erreichen. Eine Partnerschaft impliziert die Verminderung der Hierarchie sowie die Gleichberechtigung der Akteure, einen Dialog auf Augenhöhe und das Vermögen aller Beteiligten, Entscheidungen zu fällen. Im Bildungskontext dient das der Förderung solcher Kompetenzen wie: Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, Lösungen für Probleme finden, eigene Lernbedürfnisse wahrnehmen.

Diese Kompetenzen können wiederum zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Lernenden führen und die Entwicklung von Handlungsstrategien in interkulturellen Interaktionen unterstützen.

Die Entwicklung interkultureller Kompetenz ist untrennbar mit dem „lebenslangen Lernen“73 verbunden (s. Kap. 2.3). Wie im theoretischen Kapitel ausgeführt, kann interkulturelle Kompetenz aufgrund ihres prozesshaften, dynamischen Charakters und ihrer Abhängigkeit von einem ganzen Faktorenkomplex nie als vollständig erworben gelten, sondern bedarf permanenter Lernprozesse. Aus diesem Grund ist das Bewusstsein der Bedeutung lebenslangen Lernens für die interkulturelle Kompetenz von großer Bedeutung. Wichtig ist hierbei die Erkenntnis, dass das lebenslange Lernen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb von Lehr- und Lernarrangements stattfinden kann. Demzufolge ist es wichtig, bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz an der Hochschule auch Strategien zum autonomen Lernen außerhalb der Lehrveranstaltungen zu vermitteln.

Qualitätssicherung in der Hochschulbildung

Qualitätssicherung ist einer der wichtigsten Schwerpunkte des Bologna-Prozesses (Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: 24); dementsprechend viel Platz wird diesem Aspekt in der SHB eingeräumt. Die Qualität der moldauischen Hochschulbildung soll der SHB nach auf vier von der Kommission Delors 74 festgestellten Imperative beruhen: Lernen,

73Der Begriff „lebenslanges Lernen“ wird im europäischen Hochschulraum unterschiedlich definiert. Je nach nationalem Kontext wird er als Erwachsenenbildung, als Teilzeitstudium, Fernstudium, E-Learning, Abend- Wochenende-Unterricht verstanden (Fokus auf die Hochschule 2010: 35). In der SHB wird dieser Begriff jedoch nicht erläutert.

74 Der Bericht ist das Ergebnis weltweiter Analysen und dreijähriger Beratungen der Internationalen Kommission

„Bildung für das 21. Jahrhundert“, die sich aus Lehrern, Forschern, Studenten, Regierungsvertretern und Angehörigen von Nichtregierungsorganisationen zusammensetzte. Der Bericht plädiert für eine starke internationale Zusammenarbeit bei Bildungsfragen. Ein „Vier-Säulen-Modell“ soll auf die Bildungsbedürfnisse des 21. Jahrhunderts antworten: Lernen, zusammenzuleben; Lernen, Wissen zu erwerben; Lernen zu handeln;

Lernen für das Leben. Fundament muss eine breit angelegte Grundbildung sein, die vor allem die Fähigkeit zu lebensbegleitendem Lernen vermitteln soll (Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: 24).

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zusammenzuleben; Lernen, Wissen zu erwerben; Lernen zu handeln; Lernen für das Leben (SHB 2004, 2.3.2).

Die Qualität der Hochschulbildung sei von der Qualität ihrer Komponenten bestimmt: Qualität der Ressourcen; Qualität des Potentials; Qualität der Prozesse (Methoden); Qualität der Ergebnisse (SHB 2004, 2.3.2).

Im Folgenden werden die Qualitätsvorstellungen für drei Komponenten dargestellt, die für die Gewinnung neuer, für die vorliegende Arbeit relevanter Erkenntnisse als wichtig erachtet werden: Qualität der menschlichen Ressourcen, Qualität der didaktischen Methoden, Qualität der Forschung.

Qualität der menschlichen Ressourcen

Der Qualität der menschlichen Ressourcen wird im Kontext der Qualitätssicherung der Hochschulinstitutionen eine wichtige Rolle beigemessen. Die Qualität der Hochschullehrkräfte sei von den Auswahlverfahren, den Weiterbildungsangeboten (einschließlich Auslandsweiterbildungen), von der Motivation, der Durchführung von Forschungs- und Bildungsprojekten und vom Umfang der Lehrverpflichtung abhängig. Die Qualität des universitären Lehrpersonals sollte sich infolge der Einführung von Austauschprogrammen für Lehrkräfte – sowohl unter moldauischen Universitäten als auch zwischen moldauischen und ausländischen Universitäten – verbessern. Im Kontext der Hochschulbildung ist die Einschätzung der menschlichen Ressourcen als grundlegende Faktoren der Bildungsqualität entscheidend. Die Investition in die Steigerung ihrer Motivation und in ihre Weiterbildung insbesondere durch Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus dem In- und Ausland kann sowohl die Entwicklung ihrer interkulturellen Kompetenz als auch die Implementierung interkulturell ausgerichteter Ziele in den Bildungsdokumenten und folglich in den Unterricht zur Folge haben, da die interkulturelle Perspektive in den Weiterbildungsmaßnahmen des Bologna-Prozesses einen wichtigen Platz einnimmt (Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010).

Wie in Kapitel 2.6.2.2 ausgeführt, wird den Lehrkräften im Entwicklungsprozess interkultureller Kompetenz eine wichtige Rolle beigemessen. Von ihren Qualifikationen, Kompetenzen und Erfahrungen hängt es ab, wie dieser Prozess gestaltet und organisiert wird.

Im moldauischen Bildungswesen tritt die Rolle der Lehrenden noch größer auf, und zwar aufgrund der jahrzehntelangen Betrachtung der Lehrenden als „allwissend“ und als „Besitzer des wahren Wissens“, die stets Recht hatten und deren Aussagen nie zu hinterfragen waren (s.

Kap. 3.2). Aus diesen Gründen sind Reformen im Bereich der Aus- und Weiterbildung der Lehrenden im Prozess der Modernisierung und Anpassung an die europäischen Bildungstendenzen von großer Bedeutung. Die in dem Konzept angegebenen

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Weiterbildungsziele beziehen sich zwar nicht direkt auf eine interkulturelle Vorbereitung, können auf diesem Weg jedoch positive Bedingungen darstellen.

Qualität der didaktischen Methoden

Die Revision von Bildungswerten, die die Akzentverlagerung in der Hochschulbildung von bloßer Wissensvermittlung auf die Herausbildung grundlegender Fähigkeiten wie Selbstbildung, Selbstentwicklung, Reflexion, auf den Kompetenzerwerb verursacht habe, habe auch zur Revision der Bildungsmethoden geführt. Die neue methodisch-didaktische Tendenz solle auf Aktivität der Studierenden, auf aktive und interaktive Methoden, Vielfalt der Organisationsformen der Hochschulbildung, Verbindung der didaktischen Methoden und technischen Mittel und Entwicklung neuer Methoden, d. h. auf die Modernisierung der traditionellen Methoden insgesamt orientiert sein.

Der Prozess der Entwicklung interkultureller Kompetenz ist stark von den gewählten und angewandten Methoden und Strategien abhängig (vgl. Kap. 2.3). Da interkulturelle Kompetenz ein komplexes Konzept darstellt, das von kognitiven, perzeptiven, affektiven und verhaltensbezogenen Faktoren beeinflusst wird, würden nur auf Wissensvermittlung basierende Bildungsmethoden ihre Entwicklung verhindern. Die Ziele der Steigerung der Methodenqualität und der Akzentverlagerung auf die oben genannten Aspekte dagegen würden sich auf mehrere dieser Faktoren beziehen und somit den Entwicklungsprozess interkultureller Kompetenz erleichtern.

Qualität der Forschung

Die Qualität der Forschung wird in der SHB als obligatorische Komponente effizienter Qualitätsbildung betrachtet. Dies wird mit zwei Argumenten begründet: Hochschulen seien wichtige Strukturen der Wissensproduktion in unterschiedlichen Bereichen; die Hochschulforschung sei eine bedeutende Komponente der didaktischen Aktivität und ein Faktor zur Steigerung der Professionalität der Lehrerschaft. Diesem Aspekt wird auch bei der Umsetzung der SHB eine wichtige Rolle beigemessen: In diesem Sinne soll ein wissenschaftlich-methodisches Zentrum für die Erforschung der Modernisierungsprobleme der Hochschulbildung gegründet werden, das das Hauptziel der Schaffung einer wissenschaftlichen Grundlage für die Modernisierung und Integration der Hochschulbildung in den europäischen Hochschulraum verfolgen soll.

Die Hervorhebung der Rolle der Forschung bei der Steigerung der Bildungsqualität ist von großer Relevanz sowohl für die Hochschulbildung im Allgemeinen als auch spezifisch für die Entwicklung interkultureller Kompetenz. Neue Konzepte – wie die interkulturelle Kompetenz

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in Moldau eines ist – benötigen für ihre Umsetzung eine wissenschaftliche, an die Realitäten des Landes angepasste Grundlage. Durch Förderung der Forschung an den Hochschulen, durch nationalen und internationalen wissenschaftlichen Austausch im Rahmen wissenschaftlicher Projekte und Konferenzen wird der Zugang zu den neuesten Erkenntnissen des wissenschaftlichen Diskurses (einschließlich des Interkulturalitätsdiskurses) und damit die Produktion neuer Erkenntnisse bzw. die Entwicklung theoretischer Grundlagen für die Vermittlung interkultureller Kompetenz an moldauischen Universitäten gefördert.

Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf den Einfluss der SHB auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz Folgendes festhalten: Der Anschluss an den Bologna-Prozess hat grundlegende Änderungen im Konzept der moldauischen Hochschulbildung bedingt. Die Entwicklung interkultureller Kompetenz wird in der Strategie zwar nicht als Bildungsziel benannt; es wird allerdings die Förderung des interkulturellen Dialogs angestrebt, was einen bedeutenden Schritt in Richtung auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz darstellt.

Viele der eingeführten Modernisierungsmaßnahmen stellen wichtige Grundsätze für die Entwicklung interkultureller Kompetenz dar, darunter: Qualitätssicherung, gleichberechtigter Zugang zur Bildung, Mobilität der Studierenden und der Lehrenden, Entwicklung nationaler Kultur und nationaler Identität, Entwicklung kreativer Persönlichkeiten.

Es bestehen allerdings Aspekte, die Hindernisse bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz darstellen können. So können beispielsweise nicht wissenschaftlich fundiert eingesetzte Strategien zur Entwicklung nationaler Kultur und nationaler Identität zur Entwicklung von Ethnozentrismus und stereotypen Vorstellungen führen, die den Prozess der Entwicklung interkultureller Kompetenz verhindern können. Ein weiterer negativer Aspekt besteht im Streben nach völliger Anpassung des moldauischen Hochschulwesens an die europäische Bildungstradition, in der Befürwortung aller Elemente, die „europäisch“ und

„international“ sind, und in der Leugnung der eigenen Tradition, die zahlreiche positive Bildungselemente enthalten mag: Das Streben der Anpassung an die fremde Kultur und die Leugnung der eigenen Kultur kann sich negativ auf die interkulturelle Kompetenz auswirken (s. Kap. 1.4).

5.1.2 Die Strategie der Bildungsentwicklung für die Jahre 2011–2015

Die „Strategie der Bildungsentwicklung für die Jahre 2011–2015“ (SBE) (2010) stellt ein fundamentales bildungspolitisches Dokument dar, das die Entwicklungsausrichtungen des moldauischen Bildungssystems aus der Perspektive der Integration in die Europäische Union definiert.

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Die Strategie ist auf der Grundlage mehrerer in den Jahren 2003-2010 entstandener Bildungsdokumente und -programme entwickelt worden und setzt die Politik der Bildungsentwicklung – unter Berücksichtigung aktueller politischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Bedingungen – in Moldau fort. Die SBE stellt die Situation des moldauischen Bildungswesens und den Stand der Umsetzung der Modernisierungsaktionen in der Zeit dar, in der auch die Daten der vorliegenden Untersuchungen erhoben wurden.

In der SBE wird festgestellt, dass die Reformprozesse des Bildungssystems in der Hochschulbildung viel intensiver gewesen sind als auf anderen Bildungsebenen. Die wichtigsten durchgeführten Maßnahmen sind:

„Verbesserung des gesetzlichen und normativen Rahmens gemäß den Vorschriften des Bologna-Prozesses;

Umsetzung der Vorschriften des Bologna-Prozesses (Zyklen I und II) in allen moldauischen Hochschuleinrichtungen durch Entwicklung neuer Studienpläne, Modernisierung von Curricula, Förderung der Mobilität der Lehrenden und Studierenden, Umsetzung einiger Elemente studentischer Selbstverwaltung;

Einführung von Berufsberatungs-Angeboten für die Studierenden und Erleichterung des Einstiegs in das Berufsleben, Bildung erster Zentren für studentische Berufsberatung;

Sicherstellung des Hochschulzugangs für Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien, für Behinderte, für Zugehörige aller ethnischen Gruppen“ (SBE).

Wie zu bemerken ist, sind seit dem Anschluss der moldauischen Hochschulbildung an den Bologna-Prozess mehrere Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt worden; die meisten davon waren in der „Strategie der moldauischen Hochschulbildung im Kontext des Bologna-Prozesses“ geplant worden. Sehr viele der durchgeführten Maßnahmen beziehen sich auf die normative, strukturelle und organisatorische Ebene. Für die Entwicklung interkultureller Kompetenz können aus diesen Maßnahmen keine direkten Rückschlüsse gezogen werden. Der

Wie zu bemerken ist, sind seit dem Anschluss der moldauischen Hochschulbildung an den Bologna-Prozess mehrere Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt worden; die meisten davon waren in der „Strategie der moldauischen Hochschulbildung im Kontext des Bologna-Prozesses“ geplant worden. Sehr viele der durchgeführten Maßnahmen beziehen sich auf die normative, strukturelle und organisatorische Ebene. Für die Entwicklung interkultureller Kompetenz können aus diesen Maßnahmen keine direkten Rückschlüsse gezogen werden. Der