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4 METHODISCHES VORGEHEN

4.4 D ATENAUSWERTUNG

4.4.1 Hermeneutische Inhaltsanalyse von Bildungsdokumenten

Wie am Anfang dieses Abschnitts erwähnt, werden Dokumente in der Regel anhand von interpretativen Methoden analysiert (vgl. Mayring 2002: 47). Nach Glaser stehen für die Interpretation von Dokumenten solche Verfahren der qualitativen Forschung zur Verfügung wie z. B. „Qualitative Inhaltsanalyse“, „Tiefenhermeneutik“, „Objektive Hermeneutik“ oder

„Diskursanalyse“ (Glaser 2010: 371–372).

Die Auseinandersetzung mit diesen Verfahren hat unter Berücksichtigung der Fragestellung der vorliegenden qualitativen Forschung zu der Entscheidung geführt, die im Kapitel 4.2 aufgelisteten Bildungsdokumente mittels des hermeneutischen Verfahrens zu analysieren.

Dafür wird die Sequenzanalyse verwendet, die das Kernstück der objektiven Hermeneutik darstellt. Die objektive Hermeneutik wurde in den 1970er-Jahren von Ulrich Oevermann entwickelt67 und wird als wichtiges Instrument für die Auswertung qualitativer Daten, darunter auch Dokumente, verwendet (Brüsemeister 2008).

Die Sequenzanalyse zielt darauf ab, theoretische Erklärungen aus empirischen Daten zu generieren, indem sie die untersuchten Prozesse in Segmente zergliedert und jedes Segment auf seine möglichen Bedeutungen hin untersucht (vgl. Brüsemeister 2008: 199). Bei der Interpretation eines jeden Segmentes werden solche Segmente, die später generiert wurden und erst später im Dokument erscheinen, nicht herangezogen. Der äußere Kontext hingegen,

„also alles, was zwar in den Rahmen des Dokuments gehört, ihn affiziert, aber nicht in ihm ausgedrückt wird, kann und soll maximal ausgeschöpft werden, da hiermit lediglich eine Erhöhung des zur Interpretation eingesetzten Wissens erreicht wird“ (Garz 2010: 256-257).

Die Auswahl dieser Auswertungsmethode für diesen Teil der empirischen Untersuchung liegt darin begründet, dass die für die Analyse gewählten Dokumente chronologisch und inhaltlich aufeinander aufbauen. Dementsprechend sind sie miteinander nicht vergleichbar. Aus diesem Grund erweist sich die qualitative Inhaltsanalyse (Mayring 2010), die auf der Entwicklung von Typologien und Kategorien beruht, für diesen Teil der empirischen Untersuchung als weniger geeignet. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass ein Ergebnis der Analyse in der Feststellung einer chronologischen Dynamik der institutionellen Faktoren besteht. Für die Erfassung dieser Dynamik wird die hermeneutische Sequenzanalyse als geeignet betrachtet.

Die für die Untersuchung ausgewählten Dokumente werden in chronologischer Reihenfolge analysiert. Jedes der zu analysierenden Dokumente wird in Segmente geteilt, die in der Regel

67Für eine ausführliche Darstellung zur „objektiven Hermeneutik“ siehe Brüsemeister (2008), Wernert (2009), Garz (2010).

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mit der bereits existierenden Kapitel- oder Paragraphenaufteilung der Dokumente übereinstimmen. Jedes Segment wird der Reihe nach auf potenzielle Einflussfaktoren für die Entwicklung interkultureller Kompetenz untersucht.

Ein Verfahren der „objektiven Hermeneutik“ wird auch für die Analyse des Interviews zum Bildungskonzept des Lehrstuhls für Deutsche Philologie eingesetzt.

4.4.2 Inhaltsanalyse von Leitfadeninterviews

Für die Analyse der Interviews mit Lehrenden und Studierenden wurde die Auswertungsstrategie herangezogen, die von Schmidt (2010) speziell für Leitfadeninterviews zusammengestellt wurde. Diese Auswertungsstrategie bezeichnet Schmidt in Anlehnung an Bos/Tarnai (1989 zit. nach Schmidt 2010) als eine Mischform der „hermeneutisch-interpretierenden“ und der „empirisch-erklärenden“ Inhaltsanalyse (Schmidt 2010: 473).

Im Vergleich zur Sequenzanalyse, die bei der Analyse von Dokumenten verwendet wird und bei der jede Sequenz für sich interpretiert wird, geht es bei der Auswertungsstrategie von Schmidt um die Ordnung und Zusammenfassung des Materials nach Themen und Einzelaspekten, die als Auswertungskategorien bezeichnet werden (Schmidt 2010: 473-474).

Aufgrund des Offenheits-Anspruchs, der die qualitative Forschung charakterisiert, werden die Auswertungskategorien nicht vor der Erhebung bestimmt und festgelegt, sondern erst aus dem erhobenen Material heraus entwickelt (vgl. Schmidt 2010: 474).

Schmidt (2010) unterscheidet fünf Schritte bei der Auswertung von Leitfadeninterviews:

„Kategorienbildung am Material. Entwickeln von Auswertungskategorien

Erstellen eines Auswertungsleitfadens

Kodierung des Materials

Quantifizierende Materialübersicht

Vertiefende Fallinterpretationen“ (Schmidt 2010: 474).

Die ersten vier Schritte werden bei der Auswertung der durchgeführten Interviews befolgt. Da es beim letzten Schritt um die vertiefende Analyse eines Einzelfalls zum Zweck der Überprüfung von Hypothesen geht, wird er im Rahmen dieser Arbeit ausgelassen, da das Ziel der Untersuchung in der Generierung von Hypothesen und nicht in ihrer Überprüfung besteht.

Im Folgenden werden die Schritte der Auswertung der Interviews mit Lehrenden und Studierenden vorgestellt.

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Vor der Auswertung wurden die Interviews von der Forscherin vollständig transkribiert68. Unter Berücksichtigung der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung wurde für die Verschriftlichung der Interviews die Standardorthographie69 (Kowal/O’Connell 2000: 441) gewählt. Nach dieser Transkriptionsart wird der Wortlaut der Redebeiträge nach den Regeln der gesprochenen Sprache verschriftlicht. Insbesondere für die qualitativen Analysen der Interviews erweist sich die Standardorthographie als angemessen, da ihr Vorteil in der erhöhten Lesbarkeit des Transkripts besteht, was eine Erleichterung sowohl für die Forscher als auch für die Leser ist. Die Tatsache, dass dabei die Besonderheiten des gesprochenen Wortes verlorengehen, stellt für diese Arbeit keinen bedeutenden Nachteil dar, da die prosodischen, parasprachlichen und außersprachlichen Verhaltensmerkmale nicht im Vordergrund der vorliegenden Untersuchung stehen.

Schon während der Transkription haben sich bestimmte gemeinsame Themen und Aspekte herauskristallisiert, die direkt in den Transkripten notiert wurden. Nach der Transkription erfolgte eine intensive Analyse des Materials. Unter Berücksichtigung der theoretischen Grundlagen und der Fragestellung der Untersuchung wurden nach der oben beschriebenen Methode in allen Interviewtranskripten Begriffe und Begriffskombinationen notiert, die später unter Überschriften zusammengefasst wurden. Mittels der Überschriften wurde ein Auswertungsleitfaden zusammengestellt. In einem nächsten Schritt wurden alle Interviews nach diesem Auswertungsleitfaden kodiert. Bei der Kodierung eines Falls wurden alle Textstellen identifiziert, die sich einer Auswertungskategorie zuordnen ließen (Schmidt 2010:

478). Im vierten Schritt der Auswertung der quantifizierenden Materialübersicht ging es um die Darstellung der Ergebnisse, die aus Häufigkeitsangaben zu bestimmten einzelnen Auswertungskategorien bestehen und eine Übersicht über die kodierten Fälle ermöglichen.

Den Antworten der Lehrenden wurden drei Themenbereichen zugeordnet: Verständnis interkultureller Begrifflichkeiten, Umgang mit interkulturellen Interaktionen, lehrbezogene Aspekte. In jedem dieser Themenbereiche wurden Kategorien formuliert, die wiederum in Unterkategorien gegliedert wurden (s. Tabelle 3). Den Antworten der Studierenden wurden fünf Themenfeldern zugeordnet: Verständnis der Begrifflichkeiten, Umgang mit indirekten interkulturellen Interaktionen, Umgang mit direkten interkulturellen Interaktionen und

68Der Terminus „Transkription“ wird auf die „Wiedergabe eines gesprochenen Diskurses in einem situativen Kontext mit Hilfe alphabetischer Schriftsätze und anderer, auf kommunikatives Verhalten verweisender Symbole“ (Dittmar 2002: 52) bezogen. O’Connell und Kowal (1995) definieren Transkription als „any graphic representation of selective aspects of speaking and of one or more persons‘ behaviour and setting concomitant with speaking“ (O’Connell/Kowal 1995: 646).

69Die Interviews können in diversen Arten verschriftlicht werden. Kowal und O’Connell (2000) unterscheiden vier Formen der Verschriftlichung: Standardorthographie, literarische Umschrift, „eye dialect“ und phonetische Umschrift (Kowal/O’Connell 2000: 441).

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studienbezogene Aspekte. Auch in diesen Themenfeldern wurden Kategorien und Unterkategorien formuliert (s. Tabelle 4).