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6 DARSTELLUNG UND INTERPRETATION VON ERGEBNISSEN

6.3.2 Interkulturelle Interaktionen in Moldau

Während im letzten Abschnitt der Schwerpunkt der Analyse auf die Wahrnehmung und auf Einstellungen und Verhaltensweisen in interkulturellen Situationen in Deutschland gelegt wurde, ist es Ziel dieses Abschnitts zu zeigen, wie die Lehrenden ihre eigene Kultur im Zusammenhang mit einer fremden Kultur wahrnehmen, welche Einstellungen sie gegenüber der eigenen Kultur haben und welche Strategien sie für die Gestaltung interkultureller Interaktionen an einem eigenkulturellen Ort entwickeln. Dafür wurden die Lehrenden gebeten, imaginär eine für sie fremde Person in Moldau zu begleiten. Eine Interviewte (L1) hatte solche Situationen bereits erlebt. Sie spricht in dem Interview in diesem Zusammenhang sowohl von ihrer erlebten Erfahrung als auch von zukünftigen ähnlichen Erfahrungen.

Bei der Analyse der Antworten fällt als Erstes die Identifikation der Lehrenden mit dem

„Volk“, dem Land oder den „Moldauern“ auf. So werden viele Aussagen über Moldau und seine Bewohner in der ersten Person Plural formuliert.

„Wir sind ein sehr gastfreundliches Volk.“ (L5De)

„Wir haben so viele Museen, so viele Parks, so grün, so schön.“ (L2De)

„Wir aber, Moldauer [...].“ (L3De)

Die Konstruktion der kollektiven Identität erfolgt in anderen Aussagen anhand des Possessivpronomens „unser/unsere“: „bei uns in Moldau“ (L5De), „unser Land“ (L3De),

„unsere Republik“ (L2De), „unser Markt“ (L1D), „unsere Verhaltensweise“ (L4Rum).

Zu erwähnen ist hierbei, dass einige Lehrende (L2, L5, zum Teil auch L3) sich bei ihren Darstellungen fast ausschließlich dieser kollektiven Ausdrucksformen bedienen und kaum Abstand von der eigenen kulturellen Gruppe nehmen. Im Gegensatz dazu sind in den Aussagen von L1 und L4 Distanzierungsversuche zu beobachten, indem sie von dem „Land“,

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den „Menschen“ oder den „Moldauern“ sprechen.

In Bezug auf die Darstellung eigener Kultur in einer interkulturellen Interaktion nennen die Lehrenden Strategien, die in folgende Kategorien eingeteilt werden können: a) Vorstellung eines positiven Bildes der eigenen Kultur; b) verallgemeinernde Beschreibung der Einwohner Moldaus; c) den Fremden selbst die eigene Kultur erleben lassen; d) Erläuterung von Hintergründen eigenkultureller Praktiken.

a. Vorstellung eines positiven Bildes der eigenen Kultur

Ein Ergebnis der Analyse stellt die Tatsache dar, dass alle befragten Lehrkräfte ihre Kultur in einer interkulturellen Situation von der besten Seite darstellen würden:

„Ich würde ihr die besten Seiten zeigen.“ (L2De)

„Natürlich werde ich zuerst versuchen, zu erzählen: alles besser, was in unserem Land ist.“ (L5De)

„Natürlich das Beste.“ (L1De)

Für die Interviewten scheint es eine Selbstverständlichkeit zu sein, einem Fremden über das eigene Land nur das Beste vorzustellen. Es kann dahinter eine Art allgemeiner gesellschaftlicher bzw. kultureller Strategie vermutet werden, sich nach außen von der besten Seite zu zeigen und einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Dies ist besonders bei L3 zu beobachten, die trotz der Hinweise auf die Probleme, mit denen sich die Republik Moldau konfrontiert sieht, „nur von den guten Sachen sprechen würde“.

„Obwohl unser Land die letzte Position, was Wirtschaft angeht, in Europa nimmt, würde ich trotzdem dieser Person nur von guten Sachen erzählen.“ (L3De)

Die Lehrenden versuchen, dafür Begründungen zu finden. Zunächst betonen sie die Schönheit der Sehenswürdigkeiten und der Landschaften der Republik Moldau:

„Erstens, unsere Republik ist sehr schön. Obwohl ich eine Ukrainerin bin, bin ich Patriotin. Ich liebe mein Land. Wir haben so viele Museen, so viele Parks, so grün, so schön.“ (L2De)

„Bei uns in Moldau gibt es sehr viele künstlerische Plätze, und da kann man sehr viele Sachen zeigen. […] Es gibt sehr schöne Sachen, z.B. Orheiul Vechi, Kirchen, Kloster.“ (L5De)

Während L2 und L5 einfach auflisten, was sie einer fremden Person über Moldau zeigen oder erzählen würden, setzt sich L1 reflektierend mit dieser Frage auseinander. Sie nennt zwar, wie die anderen auch, eine Reihe von Sehenswürdigkeiten, doch sie stellt eine Bedingung für die angemessene Wahrnehmung Moldaus durch die Interaktionspartner, und zwar betont sie die Bedeutung positiver Einstellungen und die Offenheit für Neues.

„Ich finde, es gibt bei uns sehr viel, was wir zeigen können. Besonders, wenn die Gäste von Anfang an positiv eingestellt sind. Das ist ganz gut. […] Natürlich auch die Museen, die Konzerthallen, die Parks, manchmal auch die schönen Straßen. Dann unser Markt ist ganz attraktiv, diese Vielfalt, die man dort hat. Ich finde die Natur in unserem Land sehr schön. Immer wenn es die Möglichkeit

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besteht, dann ist es ganz gut, irgendwohin zu fahren: aufs Land, in den Wald. Das würde ich nächstes Mal den Gästen zeigen.“ (L1De)

b. Verallgemeinernde Beschreibung der Einwohner Moldaus

Auch bei der Beschreibung der Einwohner Moldaus bedienen sich die Lehrenden kollektiver Zuschreibungen. Sie verwenden dabei die Bezeichnungen „Wir“, das „Volk“ oder „die Moldauer“.

„Wir sind ein sehr gastfreundliches Volk.“ (L5De)

„Das Volk ist durch Gutherzigkeit, Freundschaft, Gastfreundschaft gekennzeichnet.“ (L3De)

In den meisten Interviews werden dabei keine Differenzierungen auf unterschiedlichen kulturellen Ebenen gemacht. Sie stellen ein allgemeines, stereotypes Bild von Moldauern vor.

Die Gültigkeit ihrer Zuschreibungen wird dabei nicht infrage gestellt. Vermutlich geht es dabei um ein gesellschaftlich tradiertes kulturelles Bild, da die Merkmale, die die Lehrenden nennen, Gemeinsamkeiten aufweisen.

In der Antwort von L2 ist jedoch eine Darstellung von Diversität zu beobachten, indem sie die Menschen als „verschieden“ beschreibt und sowohl positive als auch negative Eigenschaften nennt. Ihre Differenzierung bezieht sich eher auf die individuelle und nicht auf die kulturelle Ebene.

„Verschieden. Einige sind nett, lachend; andere sind böse, nervös, erzogen, nicht-erzogen, klug, dumm.“ (L2De)

Bei vielen Interviewten werden die Beschreibungen der Einwohner Moldaus von Vergleichen und Gegenüberstellungen mit Vertretern der deutschen Kultur begleitet. So stellt beispielsweise L5 Unterschiede in der Lebensweise und in der Kultur der Gastgeberschaft in Moldau und in Deutschland fest.

„Wenn man zu einer Bauernfamilie geht, bekommt man das Beste, was im Haus ist, bekommt der Gast. In Deutschland, glaube ich, ist es nicht so. Sie sind nicht so wie wir. Bei uns gibt es immer viel Essen. Bei einem Kaffee kann man viel besprechen in Deutschland. Bei uns mit viel Essen. Wir verschwenden immer viel Zeit. Wir wissen nicht, wie wir die Zeit verbringen sollen.“ (L5De)

In ihrer Aussage stellt L5 kulturelle Praktiken von Moldau und Deutschland gegenüber, ohne sie direkt zu bewerten. Indirekt ist im ersten Teil der Aussage eine Bevorzugung eigenkultureller Praktiken im Vergleich zu denen in Deutschland zu beobachten. Der zweite Teil weist allerdings auf eine kritische Einstellung gegenüber einigen moldauischen kulturellen Eigenschaften hin, mit denen sie sich auch identifiziert.

Ein Vergleich zwischen Moldau und Deutschland ist auch in der Antwort von L3 zu finden. Im Gegenteil zu L5 ist hier eine deutliche Wertschätzung moldauischer kultureller Praktiken gegenüber denen in Deutschland zu beobachten.