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1 INTERKULTURELLE KOMPETENZ: THEORIEN, KONZEPTE,

1.2 K ULTURBEGRIFF

Die Bestimmung des Kulturbegriffs, der dem Konzept „interkulturelle Kompetenz“ zugrunde liegen soll, stellt einen umstrittenen Aspekt in der Interkulturalitätsforschung dar. Im Folgenden werden die meistdiskutierten Theorien zum Kulturbegriff im interkulturellen wissenschaftlichen Diskurs skizziert. Anschließend werden daraus Schlussfolgerungen für die Bestimmung des Konzepts interkultureller Kompetenz, der dieser Arbeit zugrunde liegen soll, formuliert.

1976 stellt Williams fest, „culture“ sei eines der zwei oder drei kompliziertesten Wörter in der englischen Sprache. Ein Grund dafür sei die komplexe historische Entwicklung des Kulturbegriffs in den europäischen Sprachen, die er in seinem Buch Cultural Keywords (1983) zusammenträgt. So wurde das deutsche Wort „Kultur“, Williams (1983) zufolge, aus dem Französischen entlehnt. Seine wichtigste Bedeutung im Deutschen war die der „civilization“:

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erstens im abstrakten Sinne eines allgemeinen Prozesses, „zivilisiert“ oder „kultiviert“ zu werden, zweitens die von den Historikern der Aufklärung festgelegte Bedeutung der

„civilization“ als eine Beschreibung eines langjährigen Prozesses der menschlichen Entwicklung. Eine Änderung der Bedeutung brachte Herder mit seinem Werk „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ (1784-1791): „Nichts ist so unbestimmt wie dieses Wort und nichts ist trügerischer als seine Anwendung auf alle Nationen und Zeitperioden“15.

Ein anderer Grund für die Schwierigkeit, eine allgemein geltende Definition für „Kultur“ zu finden, liegt nach Williams (1976) in der Verschiedenheit der disziplinären Perspektiven, die auf „Kultur“ gerichtet werden. Jedes Forschungsgebiet verfolgt unterschiedliche Zwecke und Ziele der Analyse und gelangt somit zu verschiedenen Konzepten. Allerdings können sich auch Vertreter der gleichen Wissenschaftsdisziplinen auf keine gemeinsame und allgemein akzeptierte Definition von Kultur einigen. Auch in Bezug auf Interkulturalität sind differierende, manchmal gegensätzliche Kulturkonzepte zu finden. „Den“ allgemeingültigen Kulturbegriff gibt es nicht, wie Bolten bemerkt (Bolten 2007: 10).

Im interkulturellen Diskurs lässt sich eine Einigkeit darüber feststellen, dass der sogenannte

„enge“ Kulturbegriff, der auf Kunst und „Geisteskultur“ eingegrenzt ist und Kultur als Repräsentant des Schönen, Wahren und Guten oder als Bildung versteht, für die Auseinandersetzung mit Interkulturalität aufgrund seiner Beschränktheit unzureichend ist.

Stattdessen plädieren die meisten Interkulturalitätsforscher (z. B. Bolten 2007;

Nünning/Nünning 2008) für den erweiterten Kulturbegriff. Bei der Bestimmung des erweiterten Kulturbegriffs wird zwischen dem „traditionellen“, in einigen Ansätzen als

„geschlossen“ bezeichneten und dem „prozesshaften“ oder „offenen“ Kulturbegriff unterschieden (Bolten 2007; Khan-Svik 2008; Beer 2013).

Der „traditionelle“ oder „geschlossene“ Kulturbegriff versteht Kultur als ein ziemlich stabiles, kohärentes und in starren nationalen Grenzen verortetes System. Die meisten Vertreter dieses Konzepts gehen von einer essentialistischen16 Auffassung aus und definieren Kultur als ein mehrdimensionales Konstrukt, das aus einer Anzahl von Merkmalen, die sich empirisch erfassen lassen und die aus Kenntnissen, Werten, emotionalen und Verhaltensroutinen oder Gewohnheiten einer Gruppe von Menschen bestehen. Die Gesamtheit dieser Merkmale, die ein weitgehend strukturiertes Ganzes darstellt, wird in unterschiedlichen wissenschaftlichen Konzepten als „Ordnung“, „Struktur“, „Muster“ (pattern) oder „Orientierungssystem“

15Zitiert nach Herder, Werke in zehn Bänden, Band 6, Bollacher (Hrsg.) (1989).

16Essentialismus von lat. essentia „Wesen“. Für „Essentialisten“ ist Kultur an einen gemeinsamen essentiellen Kern von Merkmalen gebunden (Beer 2013).

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bezeichnet (vgl. Beer 2013: 56).

Die Anzahl der Ansätze, die von einer solchen Kulturauffassung ausgehen, ist im wissenschaftlichen Diskurs kaum übersehbar. Zu erwähnen sind allerdings die bei interkulturellen Ansätzen am meisten herangezogenen Kulturkonzepte von Hofstede (z.B.

1993), Trompenaars und Hampden-Turner (1993), Hall (z.B. 1985) sowie Thomas (2003b), die die Eigenschaften verschiedener Kulturen anhand bestimmter Kategorien, Ebenen, Dimensionen, Standards klassifizieren, um damit einen Vergleich der Kulturen möglich zu machen. In ihren Konzepten werden Kulturen klar voneinander abgegrenzt, mit Nationen oder ethnischen Gruppen gleichgesetzt und als mehrschichtig betrachtet, wobei angenommen wird, dass die äußeren Schichten sicht- und veränderbar, während die inneren unverändert und unsichtbar sind.

Diese Kulturkonzepte werden im interkulturellen Diskurs mehrfach zitiert, analysiert und unterschiedlichen Untersuchungen, Forschungen und kulturvergleichenden Studien zugrunde gelegt.

Gleichzeitig sind sie seit längerer Zeit auch Gegenstand wiederholter Kritik. Die verbreitetsten Kritikpunkte betreffen die essentialistische Betrachtung und Gleichsetzung von Kultur mit Nation oder Ethnizität. Kritisiert wird dabei vor allem die klar lokalisierte, statische, generalisierende und homogenisierende Auffassung von Kultur, die den kulturellen Pluralismus nicht berücksichtigt und Stereotypisierungen fördert (vgl. Hansen 2009; Rathje 2003; 2010; Straub 2007; Knapp-Potthoff 1997; Kotthoff 2002). Ein anderer Aspekt, der auf Kritik stößt, stellt das deterministische Verständnis von Kultur dar, demzufolge Kultur als ein zentraler Prägungsfaktor des menschlichen Wesens betrachtet wird. Außerdem werden diese Konzepte im Zuge der Globalisierung als veraltet und mit der aktuellen Weltdynamik nicht mehr kompatibel betrachtet (vgl. Rathje 2003; Straub 2007; Bolten 2010;).

Im Kontext der zunehmenden globalen Mobilität sagen viele Autoren (z.B. Drechsel et al.

2000; Olwig/Hastrup 1997; Appadurai 1996) die Auflösung der Nationalstaatlichkeit vorher und betrachten Kultur und Raum nicht mehr als Einheit. In diesem Zusammenhang gibt es unterschiedliche „offene“, „prozessorientierte“ oder „deterritorialisierte“ Konzepte, die von der Auffassung ausgehen, dass Kultur ein Interaktionsprodukt, Fluxus oder ein offener Raum ist, der sich (z. B. durch Migrationsbewegungen, Globalisierung etc.) permanent verändert und auch widersprüchliche Phänomene integriert.

Anfänge eines prozessorientierten, dynamischen Kulturkonzepts sind bei Geertz (1973) zu finden. Geertz definiert Kultur als “symbolic action” und fasst sie als ein von Menschen gesponnenes Bedeutungsgewebe auf: „man is an animal suspended in webs of significance he himself has spun, I take culture to be those webs.“ (Geertz 1973: 5). Kulturentstehung und

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wandel verbindet Geertz mit einem Prozess der Aneignung, Anwendung und Interpretation von Zeichensystemen (Geertz 1973).

Eine ähnliche Auffassung von Kultur vertreten du Gay et al. (1997), indem sie Kultur in einem Prozess der Bedeutungsproduktion darstellen. Sie gehen davon aus, dass Kultur untrennbar mit der Rolle ihrer Bedeutung in der Gesellschaft verbunden ist. Ihnen zufolge ist Kultur das, was uns ermöglicht, Dinge zu verstehen. Aber wie funktioniert die Bedeutungsproduktion?

Teilweise verliehen wir den Gegenständen Bedeutung durch die Weise, in der wir sie repräsentierten, und das wichtigste Mittel der Repräsentation innerhalb der Kultur sei die Sprache. Als Sprache verstehen Du Gay et al. nicht nur die schriftlichen und mündlichen Wörter, sondern auch jedes Repräsentationssystem – Photographie, Malerei, das Sprechen, das Schreiben, Abbildung mittels Technologie, Zeichnung –, das den Menschen erlaubt, Zeichen und Symbole zu nutzen, um was auch immer in der Welt existiert in Form von bedeutungsvollen Konzepten, Bildern oder Ideen darzustellen. Laut du Gay et al. stellt Kultur eine Interdependenz der fünf Variablen dar: (1) Repräsentation, (2) Produktion, (3) Konsumption, (4) Identität und (5) Regulierung, die den Kreislauf der Kultur bilden. Der Vorteil der kreisförmigen Darstellung besteht darin, dass es keinen festen Anfangspunkt gibt und alle fünf Variablen synergetisch agieren, um Bedeutung zu produzieren (du Gay et al.

1997: 13).

Andere Wissenschaftler verstehen Kultur als ein „diskursiv ausgehandeltes Konstrukt“ (Olwig/

Hastrup 1997: 1; Knapp-Potthoff 1997: 1994; Hüsken 2003: 17). Olwig und Hastrup entscheiden sich beispielsweise, den Kulturbegriff neu zu definieren, indem sie experimentelle und diskursive Räume erforschen (Olwig/Hastrup 1997: 3). Sie betrachten die Idee, Kulturen als getrennte, einmalige und bestimmten Orten zugehörige Entitäten begrifflich zu fassen, einerseits einfach als Mittel, um Ordnung in die sonst unordentliche Welt zu bringen, andererseits aber auch als ein Mittel um ein System zu entwickeln, im Rahmen dessen die kulturellen Unterschiede beobachtet und analysiert werden können (Olwig/Hastrup 1997: 1).

Sie sind der Meinung, dass der Raum umstritten sein kann und stimmen mit Michel de Certeau überein, dass „space is a practiced place“ (Michel de Certeau 1986: 117 zit. nach Olwig/Hastrup 1997). Demzufolge ist die Realität weniger in vorab festgelegten sozialen Strukturen oder durch feste Koordinaten eines semantischen Raums, als vielmehr in Praktiken definiert. Die Praktiken überlappen sich, überschneiden sich und verwischen die Grenzen des Raums (place) so weit, dass man bei der Analyse bestimmter Praktiken von einem durchgehenden globalen Raum sprechen kann (vgl. Olwig/Hastrup 1997: 4).

Ähnlich benutzt Knapp-Potthoff (1997: 194) das Konzept der

„Kommunikationsgemeinschaft“, um den Kulturbegriff und dessen Mehrdeutigkeit zu

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vermeiden. Unter „Kommunikationsgemeinschaft“ versteht sie „Gruppen von Individuen, die jeweils durch regelmäßigen kommunikativen Kontakt über etablierte Mengen am gemeinsamen Wissen sowie Systeme von gemeinsamen Standards des Wahrnehmens, Glaubens, Bewertens und Handelns verfügen“ (Knapp-Potthoff 1997: 194).

Die Globalisierungsanalyse von Appadurai (1996) setzt neue Ansichten von „cultures“ an, die im 21. Jahrhundert übertragene Bilder (images) produzieren und empfangen. Appadurai (1996) findet, dass sich der Nationalstaat in einer Krise befindet und dass der aktuelle Globalisierungsprozess zur „Deterritorialisierung“ der Identitäten in eine durch Wachstum der diasporischen öffentlichen Räume und durch globalen Fluss der Bilder (images), Finanzen, Technologien und Ideologien kulturell hybride Welt führen wird. Er ist der Ansicht, dass wir

„über die Nationen hinaus denken“, während wir uns eine Form der Souveränität vorstellen, die „Territorialität“ mit „Translokalität“ ersetzt (Appadurai 1996: 21).

Ferner heben immer mehr Forscher den Doppelcharakter von Kultur hervor und bezeichnen sie sowohl als Vorgang oder Prozess, in dem der Mensch seine Lebenswelt schafft, als auch als dessen Ergebnis. Aus der Wechselbeziehung zwischen Kultur und Individuum ergibt sich Kulturdynamik bzw. -wandel: Kultur stellt neben anderen „sozialen Aggregaten“ (Casper-Hehne 2009) einen wichtigen Rahmen für die Entwicklung des Individuums dar, gleichzeitig trägt das Individuum im Laufe dieses Prozesses zur Weiterentwicklung der Kultur bei.

Es lässt sich zusammenfassen, dass die interkulturelle Forschung von zwei Haupttendenzen bei der Bestimmung des Kulturbegriffs geprägt ist. Zum einen ist da der essentialistisch konzipierte Kulturbegriff, der mit Nation oder Ethnizität assoziiert wird, zum anderen das fließende, prozesshafte Kulturkonzept, in dem Symbole, Bilder und subjektive Interpretationen einen wichtigen Platz einnehmen und das von einer prinzipiellen Offenheit, Heterogenität, Pluralität und Mobilität von Kultur ausgeht. Doch welcher von diesen zwei Begriffen soll dem Konzept interkultureller Kompetenz zugrunde liegen? Der geschlossene Kulturbegriff wird aufgrund der klaren Abgrenzung und Lokalisierung von Kulturen als besser operationalisierbar bei der Vermittlung interkultureller Kompetenz angesehen. Die Zerstückelung der Welt ermöglicht es, Kulturen voneinander abzugrenzen, zu analysieren und zu beschreiben sowie kulturelle Differenzen festzustellen und Strategien im Umgang mit diesen Unterschieden zu entwickeln. Aus diesem Grund ist er, ungeachtet der in mehreren wissenschaftlichen Beiträgen geübten Kritik, weiterhin in einigen Forschungsansätzen sowie im öffentlichen Diskurs populär. Doch aufgrund der reduzierten und schemenhaften Darstellung sowie seines deterministischen und essentialistischen Charakters fördert dieser Kulturbegriff das Denken in Stereotypen und Nationalklischees und kann eher eine blockierende als eine fördernde Auswirkung bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz

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haben. Der prozesshafte Kulturbegriff hingegen bietet den Agierenden mehr „Freiheit“ in einer interkulturellen Situation. Für die interkulturelle Kompetenz können die deterritorialisierten, fließenden Kulturkonzepte besonders im Zusammenhang mit der Sensibilisierung für den Umgang mit Andersartigkeit, Multikulturalität, Heterogenität, Mehrfachzugehörigkeit, nicht zuletzt aber auch für die Vorbeugung gegen stereotypes Denkens von weiterem Interesse sein.

Zugleich kann allerdings die Auffassung von Kulturen als Kommunikationsgemeinschaften, diskursive Netzwerke, imaginäre Lebenswelten oder als Fluxus das Problem auslösen, dass praktisch jede menschliche Interaktion als interkulturell bezeichnet werden müsste (vgl. Rathje 2006: 8).

Roth (2004) plädiert für die Einbeziehung beider Begriffe bei der Auseinandersetzung mit Interkulturalität. Khan-Svik schlägt in dieser Hinsicht vor, „Nationalkultur als eine weitere Facette im Netzwerk der Kulturen, die individuell gelebt werden, zu betrachten“ (Khan-Svik 2008: 47). Die Tatsache, dass Nationalkultur nicht als etwas Homogenes, alle Mitglieder gleichermaßen Prägendes und Verbindliches angesehen wird, bedeutet nicht, dass sie überhaupt keinen Einfluss auf die kulturelle Prägung ihrer Mitglieder hat. Die politische Orientierung, die Gesetze, die geschriebenen und ungeschriebenen gesellschaftlichen Normen, das Bildungssystem, die wirtschaftliche Situation, die Medienpolitik eines nationalen Raums spielen immer noch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Denkmustern, Herstellung und Verbreitung kultureller Werte und Festlegung von Verhaltensnormen und prägen, wenn auch in unterschiedlichem Maße, ihre Angehörigen, die gleichzeitig auch in den Entwicklungsprozess dieser Aspekte involviert sind. Zu berücksichtigen ist weiterhin die Tatsache, dass Kulturen nicht in gleichem Maße von Globalisierung und Hybridisierung betroffen sind. Außerdem wird die Auffassung, dass durch Globalisierung die kulturelle Vielfalt verschwinden und eine Weltkultur, die westlich geprägt ist, entstehen wird, in Frage gestellt (Hannerz 1996). Hannerz kritisiert, dass Kulturen in unterschiedlicher Weise auf die globalen Einflüsse reagieren, was zum Wandel und zur Entstehung von neuen Kulturen führt.

Nach Roth (2004) bedingt das Nebeneinander beider Kulturbegriffe neue Kriterien für die Bestimmung interkultureller Kompetenz: „Zu der früher ausreichenden Qualifikation

‚Kenntnis der Nationalporträts‘ ist die Forderung nach Orientierungsfähigkeit in schnell wechselnden und flexiblen Situationen getreten – und damit auch nach der Fähigkeit, das jeweils adäquate Verständnis von Kultur zu wählen.“ (Roth 2004: 224). Ihr zufolge ist es das Individuum, das abhängig von Kontext, Situation und Machtkonstellation die Entscheidung über seine im Fluss befindliche Identität trifft. Roth vergleicht Kultur „mit einem unsichtbaren Rucksack, den man zwar stets dabei hat, aber nur gelegentlich öffnet, um sich je nach Situation und Einschätzung seiner diversen Inhalte zu bedienen“ (Roth 2004: 223). In Hinsicht

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auf interkulturelle Kompetenz müssen die Agierenden die interkulturellen Situationen entsprechend identifizieren können, um fähig zu sein, mit differenzierten Konzepten an sie heranzugehen (vgl. Roth 2004: 224).

Für die vorliegende Arbeit können aus dieser theoretischen Darstellung zum Kulturbegriff folgende Schlussfolgerungen formuliert werden:

• Kultur lässt sich territorial nicht immer lokalisieren und ist schwer von anderen Kulturen deutlich abgrenzbar;

• Kultur zeichnet sich durch einen Doppelcharakter aus: Sie stellt einerseits einen Prozess des symbolischen Austauschs und der Bedeutungsproduktion und -aushandlung, andererseits deren Ergebnis dar;

• Kulturen befinden sich in einem ständigen Wandel, der durch Migration, Globalisierung, technische Entwicklungen, erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten bedingt ist;

• Kulturdynamik bzw. -wandel ergibt sich auch aus der Wechselbeziehung zwischen Kultur und Individuum: Kultur als kollektiver Speicher von Bedeutungen bildet neben anderen „sozialen Aggregaten“ (Casper-Hehne 2009) einen wichtigen Rahmen für die Entwicklung des Individuums, gleichzeitig trägt das Individuum im Laufe dieses Prozesses zur Weiterentwicklung der Kultur bei; Kultur wird nicht als eindeutige Determinierung des Individuums betrachtet;

• Ein Individuum kann im Laufe seines Lebens unter Einfluss mehrerer Kulturen, die sein kulturelles Netzwerk und seine kulturelle Identität bilden, stehen und somit in dem Entwicklungsprozess mehrerer Kulturen involviert sein; Nationalkultur bzw. ethnische Kultur können als einige Facetten dieses Netzwerks betrachtet werden. Ausgehend von der Annahme, dass die Untersuchungssubjekte der vorliegenden empirischen Forschung immer noch von einem Kulturbegriff ausgehen, der mit Nationalkulturen oder ethnischen Gruppen gleichgesetzt wird, wird bei der Darstellung der Datenauswertung Kultur auf diese zwei Ebenen behandelt. Bei der Interpretation der Ergebnisse und bei der Formulierung von Empfehlungen für die Integration interkultureller Kompetenz in die germanistische Ausbildung in Moldau wird jedoch von einem offenen und prozesshaften Kulturbegriff ausgegangen.

• In einer interkulturellen Interaktion 17 entscheidet das Individuum (bewusst oder unbewusst) abhängig vom Kontext und der Machtkonstellation18, welche Aspekte seiner kulturellen Identitäten im Vordergrund stehen sollen.

17Weitere Erläuterungen zum Begriff „interkulturelle Interaktion“ finden sich in Kapitel 1.3.

18Weitere Erläuterungen zum Begriff „Machtkonstellation“ finden sich in Kapitel 1.5.2.

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