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E INFLUSS DES B ILDUNGSKONZEPTS DES L EHRSTUHLS FÜR D EUTSCHE P HILOLOGIE AUF DIE

5 DARSTELLUNG UND INTERPRETATION VON ERGEBNISSEN. KONTEXTUELL-

5.2 E INFLUSS DES B ILDUNGSKONZEPTS DES L EHRSTUHLS FÜR D EUTSCHE P HILOLOGIE AUF DIE

Die Analyse des Bildungskonzepts am Lehrstuhl für Deutsche Philologie basiert auf dem Dokument „Darstellung des Lehrstuhls für Deutsche Philologie“ 75, dem „Bericht des Lehrstuhls für Deutsche Philologie über die akademische Mobilität“ und auf einem Leifadeninterview mit einem Leitungsmitglied des Lehrstuhls.

Das Hauptziel des Lehrstuhls besteht laut der „Darstellung des Lehrstuhls für Deutsche Philologie“ und dem Interview in der Gewährleistung eines effizienten Studienprozesses der deutschen Sprache. Im Rahmen des Deutschstudiums sollen den Studierenden theoretische und praktische Kenntnisse vermittelt und Kommunikationsfähigkeiten in der deutschen Sprache entwickelt werden. Ein großer Wert wird außerdem auf die Vermittlung von Strategien des autonomen Lernens gelegt.

„Wenn sie [die Studierenden] über bestimme Strategien, Techniken verfügen, wie man selbständig weiter studieren kann, dann können sie sich das schon leisten [autonom weiter zu lernen], aber wenn man nicht über die Grundbasis verfügt, wenn man keine Ahnung davon hat, wie die Sprache funktioniert und welchen Prinzipien grammatische Regeln und die Syntax folgen, so kann man keinesfalls die Wortstruktur erreichen oder sich logisch äußern“ (Interview).

Man beobachtet also einen Versuch der Umsetzung von im Kapitel 5.1. dargestellten Modernisierungsmaßnahmen der Hochschulbildung im Kontext des Bologna-Prozesses.

Ein weiteres Ziel des Lehrstuhls, das im Kontext des Bologna-Prozesses von großer Bedeutung ist, bezieht sich auf die Steigerung der Mobilität der Studierenden und Lehrenden

75 http://www.upsc.md/new/facultati-2/limbi-si-literaturi-straine/catedra-filologie-germana/ (abgerufen am 27.02.2015)

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(s. Kapitel 5.1).

„Zu diesem Zweck werden unterschiedliche wissenschaftliche, didaktische und kulturelle Aktivitäten organisiert, die zur Steigerung der Mobilität und Motivation und zur Persönlichkeitsbildung der zukünftigen Deutschlehrer beitragen sollen“ (Bericht des Lehrstuhls über die akademische Mobilität).

Laut dem „Bericht des Lehrstuhls über die akademische Mobilität“ war die Entwicklung eines breiten internationalen Netzwerks von Anfang an ein wichtiges Ziel des Lehrstuhls für Deutsche Philologie. Schon im Gründungsjahr 1996 hat der Lehrstuhl aufgrund eines Kooperationsabkommens zwischen dem moldauischen Bildungsministerium und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland einen Partnerschaftsvertrag mit dem Deutschen Akademischen Auslands-Dienst geschlossen. Infolge dieses Vertrags waren in der Zeit von 1997 bis 2010 neun DAAD-Lektoren für eine Dauer von jeweils einem bis zu fünf Jahren an dem Lehrstuhl tätig. Außerdem haben DAAD-Vertreter mehrmals am Lehrstuhl Vorträge gehalten und DAAD-Assistenten Seminare angeboten. Darüber hinaus wurden dem Lehrstuhl im Rahmen des Partnerschaftsvertrags mit dem DAAD mehr als 200 Bücher gespendet, darunter Lexika, Lehrwerke, didaktische Materialien, Audio- und Videomaterialien, Zeitschriften aus dem Bereich der Literatur und Wirtschaft. Einen weiteren wichtigen Aspekt der Zusammenarbeit stellen die vom DAAD vergebenen Monats-, Semester- oder Jahresstipendien für Studierende und Lehrkräfte zu Studien- oder Fortbildungszwecken an deutschen Hochschulen dar.

Ein anderer Partner des Lehrstuhls sind seit mehr als zehn Jahren das Goethe-Institut aus München und seine Filiale in Bukarest. Das Goethe-Institut unterstützt den Lehrstuhl mit Buchspenden, Weiterbildungskursen für Lehrkräfte sowohl in Deutschland als auch in Rumänien, methodischen Seminaren im Rahmen der Staatlichen Pädagogischen Universität und der Staatlichen Universität in Chișinău.

Auch arbeitet der Lehrstuhl seit mehr als zehn Jahren mit dem Verein „Belarussisch-Deutsche Begegnungen e.V.“ zusammen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit konnten die Studierenden des Lehrstuhls an unterschiedlichen Projekten in Deutschland teilnehmen.

Mit der Organisation „Moldova Kulturkontakt e.V.“ besteht seit 2006 eine Zusammenarbeit.

Auch diese Organisation unterstützt den Lehrstuhl mit Buchspenden und Geldbeträgen für die Teilnahme der Studierenden an Konferenzen und am Programm der vom Lehrstuhl organisierten „Woche der deutschen Sprache und Kultur“.

Alle Mitarbeiter des Lehrstuhls sind Mitglieder des Verbandes „Deutsche Sprache“ und bekommen dessen in Deutschland herausgegebene Zeitung.

Seit 2002 kooperiert der Lehrstuhl mit der internationalen Organisation „Akzente Salzburg“.

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Einen wichtigen Schwerpunkt der Zusammenarbeit stellt der Studentenaustausch dar. In diesem Kontext besuchen beispielsweise österreichische Studierende den Lehrstuhl, interagieren dabei mit moldauischen Studierenden, stellen ihr Land vor, halten Vorträge. Die Studierenden des Lehrstuhls können an unterschiedlichen Projekten in Salzburg teilnehmen.

Die internationale Zusammenarbeit wird vom Lehrstuhl insofern als positiv geschätzt, als sie eine bedeutende Unterstützung beim Lehren und Lernen der deutschen Sprache darstellt.

Besonders hervorgehoben wird die direkte Kommunikation mit Muttersprachlern. Andere Vorteile der internationalen Zusammenarbeit des Lehrstuhls werden wie folgend formuliert:

„Die Veranstaltung unterschiedlicher Aktivitäten unter Teilnahme von Muttersprachlern aus den Ländern, deren Sprache studiert wird, trägt viel zur Steigerung der Motivation der Studierenden des Lehrstuhls für das Studium der deutschen Sprache und Kultur bei;

die Teilnahme an Seminaren und Sommerschulen, die Studienstipendien und die in den deutschsprachigen Ländern organisierten Projekte steigern die Mobilität der Studierenden;

Aktivitäten solcher Art tragen zur Erweiterung des kulturellen Horizonts der teilnehmenden Studierenden bei;

die Teilnahme an internationalen Programmen stellt eine wichtige Möglichkeit zur Knüpfung neuer Kontakte und zum Abschluss neuer Verträge dar;

dank der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Organisationen wurde der Lehrstuhl mit technischen Mitteln ausgestattet, die eine Unterstützung im pädagogischen Prozess darstellen;

die Spenden von Büchern, Lehrwerken und audiovisuellen Materialien unterstützen die Organisation des Lehr- und Lernprozesses im Rahmen des Lehrstuhls;

dank der von den deutschsprachigen Institutionen bereitgestellten Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements können sich sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden über die aktuellsten Ereignisse aus dem deutschsprachigen Raum informieren“(Bericht des Lehrstuhls für Deutsche Philologie über die akademische Mobilität).

Für die Entwicklung interkultureller Kompetenz sind aus dieser Darstellung folgende Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Bedeutung akademischer Mobilität in dieser Hinsicht wurde bereits im Kapitel 5.1. erläutert. Weitere positive Faktoren lassen sich in der Auseinandersetzung des Lehrstuhls mit den Vorteilen der akademischen Mobilität sehen und in den Versuchen, diese Vorteile durch die internationale Zusammenarbeit zu gewinnen. So können viele der hier genannten Aspekte zur Vermittlung interkultureller Kompetenz beitragen: Herstellung von Kontakten mit Muttersprachlern; Steigerung der Motivation der Studierenden; Erweiterung des kulturellen Horizonts der Studierenden; Förderung der internationalen Weiterbildung der Lehrenden; Ausstattung des Lehrstuhls mit aktueller Fachliteratur; Verfolgung aktueller Ereignisse im deutschsprachigen Raum.

Explizit jedoch wird die Entwicklung interkultureller Kompetenz in den beiden Dokumenten

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nicht als Ziel des Studiums festgelegt. Die Diskussion dieses Aspekts wurde von der Forscherin im Gespräch mit der Interviewten aus dem Leitungsteam des Lehrstuhls angeregt.

In der Antwort auf die Frage nach dem Stellenwert interkultureller Kompetenz im Kontext des Germanistikstudiums am Lehrstuhl für Deutsche Philologie betont die Interviewpartnerin die Rolle interkultureller Kompetenz:

„[Die interkulturelle Kompetenz spielt] [e]ine sehr wichtige Rolle. Wenn man über mehr Wissen, über mehr Mentalitäten verfügt, mehrere Kulturen dann vergleichen könnte, dann wird der Mensch dadurch reicher, dann empfindet er anders, man nimmt seine eigene Kultur wahr, wenn man schon andere Kulturen auch besser verstanden hat, Kenntnis darüber schon hat, man ist wissbegierig, wie in den anderen Kulturen die Sitten und Bräuche sind oder sogar die Grußformel sind, oder wie man bei den anderen Kulturen isst, Feste feiert.“ (Interview).

Die hier benannten Aspekte interkultureller Kompetenz – fremdkulturelles Wissen, Entwicklung der Persönlichkeit durch direkte interkulturelle Kontakte, Bewusstmachung eigener kultureller Prägung, interkultureller Vergleich, interkulturelles Verständnis und Neugier – sind auch im Konzept interkultureller Kompetenz der vorliegenden Arbeit zu finden. In der hier zitierten Definition wird jedoch der Akzent auf kognitive Aspekte und auf den interkulturellen Vergleich gelegt, während die vorliegende Untersuchung von einem Komplex von Faktoren auf situativ-interaktiver und auf persönlich-kultureller Ebene einschließlich des Zusammenspiels kognitiver, affektiver, perzeptiver und verhaltensbezogener Aspekte ausgeht. Außerdem geht diese Arbeit davon aus, dass der interkulturelle Vergleich und die Feststellung von Unterschieden für die Entwicklung interkultureller Kompetenz nicht ausreichend sind; von großer Bedeutung ist vielmehr auch die Auseinandersetzung mit der Perspektivenvielfalt interkultureller Interaktionen (vgl. Kap. 2.3.2 und 2.3.3).

Des Weiteren wird in dem Interview darauf hingewiesen, dass die interkulturelle Kompetenz zwar ein bekannter Begriff im Rahmen des Lehrstuhls ist und Landeskunde und Kommunikation aus interkultureller Perspektive vermittelt werden, die Interkulturalität wird jedoch nicht immer explizit thematisiert.

„Der Begriff ‚interkulturelle Kompetenz‘ ist schon unseren Studenten sehr bekannt. Ich sage schon, man kann diesen Begriff verwenden, wir verwenden das sehr oft, aber es ist nicht unbedingt nötig, jedes Mal es zu benennen oder zu betiteln. Wir machen interkulturelle Landeskunde, Kommunikation, aber nicht jedes Mal sagen wir jetzt machen wir ‚interkulturell‘“ (Interview).

Obwohl die interkulturellen Begriffe häufig verwendet seien, kämen sie im Curriculum noch nicht sehr oft vor und würden nur an einigen Stellen erwähnt. Trotzdem sei es wichtig, den Studierenden interkulturelle Kompetenz zu vermitteln. Die Bedeutung interkultureller Kompetenz wird mit der Integration in die EU und der Anpassungsnotwenigkeit an die

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‚europäische Denkweise‘ begründet.

„Jawohl, ziemlich wichtig, [...] denn wir streben danach, uns in Europa zu integrieren, deswegen ist es auch für uns von großer Bedeutung. Interkulturelles Denken auch, alles im Vergleich, die Denkweise der Europäer..., unsere Denkweise muss auch verändert werden“ (Interview).

Darüber hinaus bestehe zu diesem Thema ein Austausch mit anderen Lehrstühlen, an denen interkulturelle Kompetenz wissenschaftlich untersucht wird.

„Außerdem gab es dieses Thema im parallelen Lehrstuhl. Da hat jemand zum Thema

‚Interkulturelle Kommunikation im Englischunterricht‘ eine Doktorarbeit geschrieben. Sie hat einen Kursus im Masterstudiengang angeboten. Deswegen hat das Thema an Attraktivität gewonnen“

(Interview).

Interkulturelle Kompetenz sei auch am Lehrstuhl für Deutsche Philologie ein Forschungsthema.

„Ja, in den letzten Jahren gab es drei, vier Diplomarbeiten zu diesem Thema, und zwei unserer Lektorinnen haben sich dieses Thema ausgewählt“ (Interview).

Interkulturalität stelle allerdings keinen Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls dar. Die Forschungsschwerpunkte liegen laut dem Bildungskonzept des Lehrstuhls in folgenden Bereichen:

„Etymologische Analyse und Spezifik des linguistischen Bereiches der deutschen Sprache;

Verbesserung des Lehr- bzw. Vermittlungsprozesses der deutschen Sprache im Kontext der traditionellen und klassischen Methodologie;

kontrastive Untersuchung des Phänomens Literatur“ (Darstellung des Lehrstuhls für Deutsche Philologie).

Interkulturelle Kompetenz ist also kein explizit festgesetztes, sondern eher ein implizites Ziel des Germanistikstudiums am Lehrstuhl für Deutsche Philologie.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Bildungskonzept des Lehrstuhls im engen Zusammenhang mit den Richtlinien des Bologna-Prozesses und den Modernisierungsmaßnahmen der moldauischen Hochschulbildung steht. Einen starken Akzent setzt der Lehrstuhl auf die internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit Institutionen deutschsprachiger Länder. Wie schon im Kapitel 5.1. erläutert, stellen diese Aspekte positive Bedingungen für die Entwicklung interkultureller Kompetenz dar. Obwohl die Entwicklung interkultureller Kompetenz nicht als Ziel im Bildungskonzept des Lehrstuhls festgelegt ist, ist interkulturelle Kompetenz der Leitung des Lehrstuhls zufolge sowohl bei den Lehrenden als auch bei den Studierenden ein bekannter und oft benutzter Begriff. Darüber hinaus ist Interkulturalität das Thema einiger Diplomarbeiten am Lehrstuhl, und oft besteht ein Austausch zu interkulturellen Themen mit anderen Lehrstühlen der Fakultät. Trotzdem ist der

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Begriff noch sehr wenig in die Curricula des Lehrstuhls eingeführt und wird eher implizit vermittelt. Das Konzept interkultureller Kompetenz, von dem dabei ausgegangen wird, enthält aus dem Standpunkt der vorliegenden Untersuchung wichtige Komponenten, wird hier aber für die Entwicklung interkultureller Kompetenz als nicht ausreichend erachtet.

5.3 Der Stellenwert interkultureller Kompetenz in den Curricula