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Sozioökonomische Analyse in der REACH-Verordnung

E. Entwicklung des A rbeitsschutzrechtes

E.1 Staatliches Recht

E. Entwicklung des Arbeitsschutzrechtes

E. Entwicklung des A rbeitsschutzrechtes

Neben der Darstellung der Veränderungen im staatlichen Recht (Unterkapitel E.1) wird im Unterkapitel E.2 kurz auf die Entwicklung des Vorschriftenwerkes der Unfallversicherungsträger eingegangen.

E.1 Staatliches Recht

Die Bundesregierung steht für eine Politik, die sich für ein modernes leistungsfähiges und effizientes Arbeits­

schutzsystem einsetzt.

Arbeit fördert die Entwicklung der Persönlichkeit und gibt Kraft und Selbstvertrauen. Andererseits ist die Ar­

beitswelt von heute schnell, fordernd und zunehmend anspruchsvoller. Belastungen wie Jobunsicherheit, zu geringe Entlohnung, mangelnde Wertschätzung, Monotonie, aber auch Leistungsdruck und die Erwartung stän­

diger Erreichbarkeit können auf Dauer die Gesundheit der Beschäftigten gefährden. Im Lichte dieser und immer neuer – gerade auch psychisch wirkender – Belastungsstrukturen ist ein effizienter Arbeitsschutz der Schlüssel zur Vermeidung negativer gesundheitlicher Folgen und Ansporn zu Leistung und beruflichem Erfolg. Eine zu­

kunftsgerichtete Rechtsetzung entlang vorhandener und neuer arbeitsbedingter Belastungsstrukturen ist hierfür eine wesentliche Voraussetzung. Im Berichtszeitraum hat die Bundesregierung weitere in Zusammenarbeit mit den Ländern und den Unfallversicherungsträgern weitere wichtige Fortschritte bei der Neuordnung des Arbeits­

schutzrechts erzielt. Nachfolgend werden Gesetze und Verordnungen mit den wichtigsten inhaltlichen Ände­

rungen angeführt.

Änderung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG)

Das ArbSchG ist durch das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen – BUK Neuor­

ganisationsgesetz – geändert worden. Es wurde klarstellend hervorgehoben, dass der Gesundheitsbegriff unteil­

bar ist und neben der physischen auch die psychische Gesundheit umfasst. Ferner wurden in den Katalog mögli­

cher Gefährdungsfaktoren ausdrücklich auch „psychische Belastungen bei der Arbeit“ aufgenommen. Damit bringt das Arbeitsschutzgesetz jetzt eindeutig zum Ausdruck, dass psychische Belastungen bei der Arbeit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind und beseitigt hierzu bisher noch vorhandene Unsi­

cherheiten in der Rechtsanwendungspraxis. Schutzmaßnahmen werden dem Arbeitgeber nur insoweit abver­

langt, als Gefährdungen für die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten durch die Arbeit auftre­

ten. Auch die Bildschirmarbeitsverordnung, die Biostoffverordnung (BioStoffV) und die Verordnung zur ar­

beitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) enthalten jetzt entsprechende Klarstellungen. Für die übrigen Ar­

beitsschutzverordnungen sind inhaltsgleiche Ergänzungen ebenfalls vorgesehen, bzw. werden geprüft.

Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)

Die technische Sicherheit von Produkten und Anlagen ist für den Arbeitsschutz von besonderer Bedeutung.

Viele Produkte finden auch im Arbeitsleben Verwendung; ihre sichere Gestaltung ist der erste wichtige Schritt zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit. Zentrale Rechtsvorschrift in diesem Zusammenhang ist das Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicher­

heitsgesetz – ProdSG) vom 8. November 2011 (BGBl. I S. 2178 ff.). Das Produktsicherheitsgesetz trat am 01.

Dezember 2011 in Kraft und löste das bis dahin geltende Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) ab. Die umfassende Überarbeitung des GPSG war erforderlich geworden, nachdem im Jahr 2008 der europäische Ge­

setzgeber drei Rechtsakte verabschiedet hatte, die zusammen den so genannten „neuen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten“ bilden (New Legislative Framework – NLF). Zwei dieser Rechtsakte betrafen den harmonisierten Produktbereich und somit auch unmittelbar das GPSG, da mit dem GPSG elf europäische Har­

monisierungsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt sind. Der grundsätzliche Charakter des GPSG als zentrale Vermarktungs- und Sicherheitsvorschrift für Produkte ist im ProdSG erhalten geblieben, auch wenn es erheblich umfangreicher geworden ist und einen neuen Namen erhalten hat.

Wesentliche Neuerungen des ProdSG gegenüber dem GPSG betreffen vor allem folgende Aspekte:

– Das „Bereitstellen von Produkten auf dem Markt“ wird als zentraler Begriff eingeführt, das „Inverkehrbrin­

gen“ erhält eine neue Bedeutung.

– Der Begriff „Produkt“ wird neu definiert, Verbraucherprodukte bilden darin eine besondere Gruppe, der Begriff „Technische Arbeitsmittel“ entfällt.

– Ein eng an das europäische Recht angelehntes Konformitätsbewertungssystem wird eingeführt.

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– Das GS-Zeichen wird durch neue Bestimmungen gestärkt und dabei deutlicher gegen die CE-Kennzeich­

nung abgegrenzt.

– Die Marktüberwachungsbestimmungen werden an europäische Vorgaben angepasst.

Mit dem ProdSG ist die zentrale Bedeutung des GPSG für den Schutz von Beschäftigten und Verbrauchern bestätigt und nachhaltig gestärkt worden.

Änderung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

Vor Inkrafttreten der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) Ende 2008 fanden sich Vor­

schriften zur arbeitsmedizinischen Vorsorge in verschiedenen fachspezifischen Verordnungen (z. B. Gefahr­

stoffverordnung, Biostoffverordnung und Bildschirmarbeitsverordnung) sowie im Unfallverhütungsrecht. Die Überführung der Vorschriften in eine Verordnung und die einheitliche Regelung der Pflichten von Arbeitgebern und Ärzten Ende 2008 hatte zu mehr Transparenz und Rechtsklarheit geführt. Gleichwohl bestanden in der be­

trieblichen Praxis zum Teil noch Rechtsunsicherheiten, zum Beispiel zur Abgrenzung der Vorsorge von Eig­

nungs- bzw. Tauglichkeitsuntersuchungen. Am 31.10.2013 ist die Erste Verordnung zur Änderung der Arb-MedVV in Kraft getreten (BGBl. I, S. 3882). Sie bewirkt weitere Rechtsklarheit, stärkt das Recht der Beschäf­

tigten auf arbeitsmedizinische Vorsorge und nimmt Aktualisierungen im Anhang vor.

Arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein in der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie der Europäischen Union festge­

schriebenes Recht der Beschäftigten. Die ArbMedVV ist als Arbeitsschutzverordnung auf das Arbeitsschutzge­

setz gestützt. Sie richtet sich an Arbeitgeber und an Ärzte. Ziel ist, arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu verhüten. Darüber hinaus soll arbeitsmedizinische Vorsorge einen Beitrag zum Erhalt der Be­

schäftigungsfähigkeit leisten und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes genutzt werden.

Der Arbeitgeber muss einen Arbeitsmediziner bzw. eine Arbeitsmedizinerin oder einen Arzt bzw. eine Ärztin mit der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin mit der Vorsorge beauftragen. Meist ist das der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin (daher nachfolgend zusammenfassend als „Betriebsarzt“ bezeichnet). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsarzt vor Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge alle erforderlichen Auskünfte über die Arbeitsplatzverhältnisse geben. Erforderlichenfalls muss er eine Arbeitsplatzbegehung ermöglichen.

In der arbeitsmedizinischen Vorsorge berät der Betriebsarzt den Beschäftigten individuell über Wechselwirkun­

gen zwischen seiner Arbeit und Gesundheit und schlägt dem Arbeitgeber in der Folge der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Bedarf Verbesserungen der Arbeitsschutzmaßnahmen vor. Arbeitsmedizinische Vorsorge stellt eine Ergänzung der technischen und organisatorischen Arbeitsschutzmaßnahmen dar, die sie nicht ersetzen darf.

Bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten muss der Arbeitgeber Pflichtvorsorge veranlassen; die Teilnahme daran ist für den Beschäftigten Tätigkeitsvoraussetzung. Bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten ist das Angebot einer Angebotsvorsorge vorgeschrieben; der Beschäftigte kann das Angebot annehmen oder ohne Folgen ablehnen. Die Verordnung beschreibt in ihrem Anhang alle Anlässe für Pflicht- und Angebotsvor­

sorge. Der Anhang der ArbMedVV gliedert sich in vier Teile: Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen und sonstige Tätigkeiten. Die Unter­

suchungsanlässe waren eins zu eins aus den bis Ende 2008 für die arbeitsmedizinische Vorsorge geltenden Ar­

beitsschutzverordnungen und der Unfallverhütungsvorschrift „Arbeitsmedizinische Vorsorge“ (BGV A4) über­

nommen worden und wurden mit der Novellierung 2013 aktualisiert. Bedarf für eine arbeitsmedizinische Vor­

sorge kann aber nicht nur bei den im Anhang der ArbMedVV genannten, sondern bei grundsätzlich allen Tätig­

keiten bestehen. Hier greift das Instrument der Wunschvorsorge, das heißt Beschäftigten, die einen Gesund­

heitsschaden durch ihre Arbeit befürchten, ist arbeitsmedizinische Vorsorge zu ermöglichen. Wenn Beschäftigte beispielsweise einen Zusammenhang zwischen Beschwerden, zum Beispiel einer psychischen Störung, und ihrer Arbeit vermuten, kommt eine Wunschvorsorge in Frage.

Arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein sensibler Bereich im Arbeitsschutz. Die Offenlegung des Gesundheitszu­

stands und der Gesundheitsrisiken eines Menschen ist eine höchstpersönliche Angelegenheit, die einen ge­

schützten Raum benötigt. Körperliche und klinische Untersuchungen berühren das Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten, das auch das Recht auf Nichtwissen umfasst. Bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge darf es des­

halb keinen Untersuchungsautomatismus geben, körperliche und klinische Untersuchungen dürfen nicht gegen den Willen der Beschäftigten durchgeführt werden. Viele Betriebsärzte haben diese Aspekte in der Vergangen­

heit berücksichtigt. Einigen war jedoch beispielsweise nicht bewusst, dass die Grundsätze für arbeitsmedizini­

sche Vorsorgeuntersuchungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (sogenannte G-Grundsätze)

E. Entwicklung des Arbeitsschutzrechtes Seit dem 31.10.2013 wird über eine neue Terminologie und durch Klarstellungen noch besser als bisher ver­

deutlicht, dass es keinen Untersuchungszwang gibt. Der Begriff „arbeitsmedizinische Vorsorge“ hat den Begriff

„arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung“ ersetzt. Die geänderte ArbMedVV stärkt die sprechende und hö­

rende Medizin. Die Anamnese einschließlich Arbeitsanamnese ist eine wichtige Grundlage für jede arbeitsme­

dizinische Vorsorge. Der Betriebsarzt prüft, ob und gegebenenfalls welche Untersuchungen für eine gute Auf­

klärung und Beratung erforderlich sind und bietet diese den betreffenden Beschäftigten an. Vor Durchführung einer Untersuchung muss er den Beschäftigten über Inhalte, Zweck und Risiken der Untersuchung aufklären.

Der Beschäftigte kann so sein Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen und selbst entscheiden. Das fördert ein vertrauensvolles Verhältnis zum Betriebsarzt und ist bei Untersuchungen, die mit erheblichen Eingriffen für die Beschäftigten verbunden sind (etwa Röntgenuntersuchungen) von besonderer Bedeutung. Biomonitoring und Impfungen sind weiterhin Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge; wie für körperliche oder klinische Untersuchungen gilt auch hier: nicht gegen den Willen des Beschäftigten. Selbstverständlich muss sich der Be­

triebsarzt auch bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge an die ärztliche Schweigepflicht halten.

Mit der Novellierung ist klargestellt worden, dass es bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge nicht um den Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen geht. Die für Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge gleichermaßen gültige Vorsorgebescheinigung ersetzt die bislang auszustellende Bescheini­

gung über das Untersuchungsergebnis. Neu ist, dass der Arbeitgeber nun auch im Falle von Angebots- und Wunschvorsorge eine Bescheinigung erhält und auch hierzu eine Vorsorgekartei führen muss. In der neuen Vorsorgebescheinigung gibt der Betriebsarzt an, wann und aus welchem Anlass ein Vorsorgetermin stattgefun­

den hat und wann ein weiterer Vorsorgetermin ansteht. Die Vorsorgebescheinigung enthält keine Aussage dazu, ob gesundheitliche Bedenken bestehen, dass die betreffende Person ihre Tätigkeit ausübt. Diese Aussage hat in der Vergangenheit zu Fehlinterpretationen geführt. Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge muss der Betriebsarzt allerdings auch weiterhin dazu nutzen, Verbesserungen der Arbeitsschutzmaßnahmen vorzu­

schlagen. Vorschläge können sowohl zugunsten des an der Vorsorge teilnehmenden Beschäftigten als auch zugunsten anderer Beschäftigter erfolgen. Arbeitsmedizinische Vorsorge leistet damit einen Beitrag zur Fort­

entwicklung des betrieblichen Arbeitsschutzes.

Wenn alle Arbeitsschutzmaßnahmen ausgeschöpft sind und der Betriebsarzt aus medizinischen Gründen einen Tätigkeitswechsel für den betroffenen Beschäftigten empfiehlt, muss der Beschäftigte der Mitteilung an den Arbeitgeber zustimmen.

Im Anhang der ArbMedVV wurde am 31.10.2013 für Tätigkeiten mit einigen krebserzeugenden oder erbgut­

verändernden Stoffen die rechtliche Grundlage für Pflichtvorsorge geschaffen. Bei der Angebotsvorsorge wur­

den beispielsweise Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten Belastungen des Muskel-Skelettsystems neu aufge­

nommen. Mit der Aktualisierung des Anhangs ist die arbeitsmedizinische Vorsorge an den Stand der Wissen­

schaft angepasst worden. Für alle übrigen Tätigkeiten kommt die Wunschvorsorge in Betracht. Damit ist ein guter Schutz der Gesundheit aller Beschäftigten gewährleistet.

Der Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed), der im Jahr 2009 gegründet wurde, hat das BMAS bei der Novel­

lierung der ArbMedVV beraten. Der AfAMed ist pluralistisch mit fachkundigen Vertretern der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Länderbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und weiteren fachkundigen Perso­

nen, insbesondere der Wissenschaft, besetzt und zählt zwölf Mitglieder. Zu seinen Aufgaben gehört insbesonde­

re, die ArbMedVV durch Arbeitsmedizinische Regeln (AMR) zu konkretisieren. AMR entfalten nach Bekannt­

gabe durch das BMAS im Gemeinsamen Ministerialblatt die sogenannte Vermutungswirkung. Das heißt, Ar­

beitgeber, die sich an die AMR halten, können davon ausgehen, dass sie die entsprechenden Anforderungen der ArbMedVV erfüllen. Weitere Aufgabe des AfAMed ist, Arbeitsmedizinische Empfehlungen (AME) auszuspre­

chen. In seiner ersten Berufungsperiode hat der AfAMed unter anderem AME zu den Themen „Psychische Ge­

sundheit im Betrieb“ sowie „Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit“ erarbeitet. Die Geschäfte des Ausschusses führt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Weitere Informationen zum AfAMed sind der BAuA-Homepage zu entnehmen1.

1 www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Ausschuesse/AfAMed/Ausschuss-fuer-Arbeitsmedizin.html (Stand: 30.6.2014)

Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

Im Jahr 2002 wurden die damalige Arbeitsmittelbenutzungsverordnung und sieben weitere Verordnungen zum betrieblichen Arbeitsschutz und zur Anlagensicherheit durch eine einzige Verordnung, die Betriebssicherheits­

verordnung (BetrSichV), abgelöst. Änderungen sowohl während der Beratung des Regierungsentwurfs im Bun­

desrat (2001/2002) als auch in der Zeit danach führten zu erheblichen rechtlichen Problemen. Zudem verharren die Unfallzahlen bei Arbeitsmitteln weiterhin auf hohem Niveau. Das in § 20a ArbSchG vorgegebene Ziel eines einheitlichen und überschaubaren Regelwerks ist noch nicht erreicht, weil neben der BetrSichV immer noch arbeitsmittelspezifische Unfallverhütungsvorschriften bestehen. Ferner liegt derzeit keine rechtssicher ausgestal­

tete Basis für das inzwischen erarbeitete untergesetzliche Regelwerk vor.

Aus den vorstehenden Gründen hat das für die BetrSichV zuständige Bundesministerium für Arbeit und Sozia­

les (BMAS) bereits in 2010 damit begonnen, eine Neufassung der BetrSichV zu erarbeiten. Sie ist die erste größere Änderung der BetrSichV seit deren Erlass am 27. September 2002.

Die Neufassung hat eine ganzheitliche Lösung struktureller und rechtlicher Probleme der geltenden BetrSichV zum Ziel und basiert auf den Erfahrungen mit der Anwendung der BetrSichV seit 2002, den Beratungen im Ausschuss für Betriebssicherheit und zahlreichen Gesprächen in Expertenkreisen. Das der aktuellen BetrSichV zugrunde liegende Konzept einheitlicher Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Ar­

beitsmitteln und Anlagen wird beibehalten. Die bisher als nationale Besonderheit in einem besonderen Ab­

schnitt geregelten überwachungsbedürftigen Anlagen werden vollständig in das verbesserte einheitliche Ar­

beitsschutzkonzept auf EU-Basis integriert, und der Fokus wird auf alle Arbeitsmittel einschließlich der Indust­

rieanlagen gleichermaßen ausgerichtet. Die Anwenderfreundlichkeit der Verordnung wird dadurch erhöht, dass zentrale Regelungen als Schutzziele aus den bisherigen Anhängen der Verordnung in den verfügenden Teil übernommen werden, während Spezialregelungen für bestimmte Arbeitsmittel in die Anhänge verlagert werden.

Die Zahl der Anhänge wird von fünf auf drei reduziert. Insgesamt wird die Überschaubarkeit und Transparenz der Regelungen für den Arbeitgeber verbessert, die Regelungen werden auf wirksame und praxisgerechte Ar­

beitsschutzmaßnahmen hin ausgerichtet, und Doppelregelungen werden beseitigt.

Neu aufgenommen werden

– besondere Anforderungen, die den Zielen der Bundesregierung zur alters- und alternsgerechten Arbeit (de­

mografischer Wandel), zur Verringerung psychischer Belastungen sowie zur ergonomischen Gestaltung der Arbeit dienen,

– Regelungen, mit denen aktuellen Unfallschwerpunkten (Instandhaltung, Montage, Installation, besondere Betriebszustände (z. B. An-, Abfahr- und Erprobungsvorgänge), Betriebsstörungen, Manipulation von Si­

cherheitseinrichtungen) entgegengewirkt werden kann, und

– eine bessere Beschreibung der Schnittstelle zwischen den Anforderungen des Binnenmarkt-Produktrechts und des betrieblichen Arbeitsschutzes vor dem Hintergrund des neuen Produktsicherheitsgesetzes.

Insgesamt werden deutliche Verbesserungen beim Arbeitsschutz bei gleichzeitigen Vereinfachungen und Ent­

lastungen für die Wirtschaft erreicht.

Zusammen mit der Neufassung der BetrSichV erfolgt auch eine Änderung der Gefahrstoffverordnung (Gef-StoffV) mit dem Ziel, vom Normenkontrollrat beanstandete Doppelregelungen zum betrieblichen Explosions­

schutz in der BetrSichV und der Gefahrstoffverordnung aufzulösen.

Neufassung der Biostoffverordnung (BioStoffV)

Anlass für die Neufassung der Biostoffverordnung vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2514) war die erforderliche Umsetzung der Richtlinie 2010/32/Eu (ABl. L 134/66 vom 1.6.2010). Diese Richtlinie – kurz Nadelstich-Richtlinie genannt – macht eine Rahmenvereinbarung rechtsverbindlich, die die europäischen Sozialpartner im Gesundheitsdienst (HOSPEEM und EGÖD) abgeschlossen haben. Ziel dieses Sozialpartnerabkommens ist der Schutz aller im Gesundheitswesen tätigen Personen vor Verletzungen durch spitze oder scharfe medizinische Instrumente. Bei solchen Verletzungen durch kontaminierte Instrumente besteht die Möglichkeit, dass sich die Beschäftigten mit Krankheitserregern infizieren, die durch Blut oder andere Körperflüssigkeiten übertragen werden können. Die Nadelstich-Richtlinie regelt damit Gefährdungen, die bereits Gegenstand der bisherigen Biostoffverordnung waren, weshalb die Umsetzung auch im Rahmen dieser Verordnung erfolgte. Gleichzeitig mit der Umsetzung der Richtlinie wurde die Biostoffverordnung auch strukturell und sprachlich überarbeitet und an die neueren wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen sowie an die Erkenntnisse aus der prak­

tischen Anwendung der bisherigen Verordnung angepasst. Aufgrund dieser umfassenden Änderungen wurde eine komplette Neufassung der Biostoffverordnung erforderlich.

E. Entwicklung des Arbeitsschutzrechtes

Wesentliche Neuerungen sind:

– Einführung der Kurzbezeichnung „Biostoff“ für den Begriff, „Biologischer Arbeitsstoff“, was in dem Kurz­

titel der Verordnung bereits angelegt und im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist;

– Anpassung der Begriffsbestimmung für Biostoffe an die Fortentwicklung der Biowissenschaften;

– Beschränkung des Schutzstufensystems auf Tätigkeiten in Laboratorien, in der Biotechnologie, in der Ver­

suchstierhaltung und in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes;

– Definition des Begriffs der Fachkunde, da diese an verschiedenen Stellen der Verordnung gefordert wird;

– Ergänzung des Anzeigeverfahrens durch ein Erlaubnisverfahren für Tätigkeiten mit hochpathogenen Biostoffen, um ein dem Gentechnikrecht vergleichbares Schutzniveau zu erreichen;

– Angleichen der Verordnung an die Weiterentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik, dies gilt insbesondere für die Anhänge II und III, in denen Anforderungen an Laboratorien sowie an Einrichtungen der Versuchstierhaltung und der industriellen Biotechnologie gefährdungsabhängig festgelegt sind;

– strukturelle und sprachliche Neugestaltung zur Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit, hierzu werden insbesondere inhaltlich zusammengehörige Regelungen, die in der alten Biostoffverordnung an verschiede­

nen Stellen geregelt waren, in eigenen Paragrafen zusammengefasst (z. B. die Grundpflichten und Regelun­

gen zu Betriebsstörungen).

Bei der Umsetzung der Nadelstich-Richtlinie war festzustellen, dass diese wesentliche, übergreifende Ansätze des Arbeitsschutzes enthält, obwohl sie nur für den Krankenhaus- und Gesundheitssektor erlassen wurde. Diese Regelungen wurden aufgegriffen und für den gesamten Geltungsbereich der Biostoffverordnung – also für alle Tätigkeiten mit Biostoffen – verbindlich gemacht. Dazu gehören insbesondere

– die Verpflichtung, den Arbeitsschutz in die betriebliche Organisation sowie in die Arbeitsplanung und -gestaltung zu integrieren und die Beschäftigten und ihre Vertretungen, insbesondere den Betriebs- oder Personalrat, darin einzubinden;

– die Berücksichtigung der psychischen Faktoren;

– die Forderung, ein Sicherheitsbewusstsein zu schaffen sowie

– Aspekte, eine mögliche missbräuchliche Verwendung von Biostoffen betreffend.

Änderung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)

Die Gefahrstoffverordnung wurde 2013 im Wesentlichen in zwei Bereichen angepasst. Einerseits wurde das Risikokonzept für krebserzeugende Gefahrstoffe verankert und andererseits Anhang III mit speziellen Anforde­

rungen an Tätigkeiten mit organischen Peroxiden aufgenommen. § 12 mit Regelungen zu explosionsgefährli­

chen Stoffen und organischen Peroxiden wurde im Gegenzug aufgehoben. Die Neuregelungen sind am 23.07.2013 in Kraft getreten.

Risikokonzept für krebserzeugende Gefahrstoffe

Mit der Änderung 2013 wurde damit begonnen, das Risikokonzept für krebserzeugende Gefahrstoffe in die Gefahrstoffverordnung aufzunehmen.

Ziel des Risikokonzeptes ist die Offenlegung, welche Risiken beim kontrollierten Umgang mit krebserzeugen­

den Stoffen am Arbeitsplatz noch verbleiben, mit welchem Risiko, an Krebs zu erkranken dies verbunden ist und welche Maßnahmen vom Arbeitgeber zu ergreifen sind. Dabei wird zwischen dem Akzeptanz- und dem Toleranzrisiko unterschieden. Das Akzeptanzrisiko beträgt zunächst 4 : 10.000 und soll zu einem späteren Zeit­

punkt auf 4 : 100.000 abgesenkt werden. Das Toleranzrisiko beträgt 4 : 1000. Die Zahl 4 : 10.000 (beispielswei­

se) bedeutet, dass statistisch gesehen 4 von 10.000 Beschäftigten auf Grund einer 40-jährigen arbeitstäglich 8­

stündigen Exposition gegenüber einem krebserzeugenden Stoff an Krebs erkranken.

Die Risikozahlen wurden nach gründlicher Analyse von bekannten Alltags- und Arbeitsplatzrisiken vom Aus­

schuss für Gefahrstoffe (AGS) unter fachlichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung gesellschaftspoli­

tischer Erfordernisse gesetzt. Um diese Risikozahlen besser einordnen zu können sei angemerkt, dass etwa jeder vierte Mensch im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung entwickelt .

Für krebserzeugende Stoffe leitet der AGS stoffspezifische Expositions-Risiko-Beziehungen (ERB) als Beurtei­

lungsmaßstäbe ab. Die Ableitung erfolgt auf Basis von Ergebnissen aus Tierversuchen oder – seltener – auf

Basis epidemiologischer Daten und wird mit wissenschaftlich anerkannten Methoden durchgeführt.. Mit diesen ERB wird für den jeweiligen Gefahrstoff ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Höhe der Exposition und dem damit verbundenen Krebsrisiko hergestellt, so dass die Luftkonzentration für das vom AGS vorgege­

bene Akzeptanz- bzw. Toleranzrisiko direkt abgeleitet werden kann.

Solche ERB wurden bereits für einige krebserzeugende Stoffe fertig gestellt, weitere befinden sich in Arbeit.

Diese werden in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 910 „Risikowerte und Exposition-Risiko-Beziehungen für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ veröffentlicht.

Diese werden in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 910 „Risikowerte und Exposition-Risiko-Beziehungen für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ veröffentlicht.

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