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Risiko- und Maßnahmenkommunikation in der Lieferkette chemischer Stoffe Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG)

Chance: Aktivierung und Verbesserung der Konzentration

B.6 Sichere Verwendung von Chemikalien

B.6.2 Risiko- und Maßnahmenkommunikation in der Lieferkette chemischer Stoffe Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG)

Tab. B 17: Informationsangebot des REACH-CLP-Biozid Helpdesk – Summen im Zeitraum 2010 - 2013

B.6.2 Risiko- und Maßnahmenkommunikation in der Lieferkette chemischer Stoffe Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG)

Mit dem Einfachen Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG)23 bietet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) eine Hilfestellung für die Beurteilung und die sichere Gestaltung von Tätigkeiten mit Gefahrstoffen an, die inzwischen auch als Anwendung für Smartphones und Tablets, sowie als Software für den Computer verfügbar ist. Das EMKG übersetzt Informationen zum Gefahrstoff und zur betrachteten Tätigkeit in eine überschaubare Zahl von Risikokategorien und in eine Maßnahmenstufe, deren Ausgestaltung dann in ei­

nem zweiseitigen Schutzleitfaden anschaulich beschrieben ist. Für dieses Vorgehen hat sich inzwischen interna­

tional die Bezeichnung „Control Banding“ etabliert. Control Banding Werkzeuge finden in der Gefährdungsbe­

urteilung zunehmend Verwendung, neben dem EMKG bietet z. B. die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) den GESTIS S toffmanager24 als Hilfestellung an. Sicherheitsfachkräfte haben die Möglichkeit mit diesen Instrumenten eine erste Einschätzung der Risiken bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu bekommen. Sie erlauben im betrieblichen Alltag ei ne transparente und belastbare Prioritätensetzung, z. B. für die Beschaffung von Schutzmitteln, die gezielte Durchführung von Arbeitsplatzmessungen und die jährliche Unterweisung der Beschäftigten. Spezielle Hilfsmittel, wie z. B. die Taschenscheibe und karte aus dem „EMKG Kompakt“ er­

leichtern die Kommunikation zwischen den an der Gefährdungsbeurteilung Beteiligten, wie z. B. Betriebs- und Personalräte.

23 www.einfaches-massnahmenkonzept-gefahrstoffe.de

Tabelle Tabelle

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B. Entwicklungen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit

Informationen für die Gefährdungsbeurteilung

Die Qualität der Ergebnisse aus Control Banding Werkzeugen hängt in erheblichem Maße von der Verlässlich­

keit der Informationen zum Gefahrstoff und zu den zu beurteilenden Tätigkeiten ab. Für das EMKG werden folgende Angaben benötigt:

– die gefährlichen Eigenschaften des Gefahrstoffes (Einstufung) und Grenzwerte – die gehandhabten Mengen (g/ml; kg/l oder t/m³),

– Angaben zur Staubigkeit (gering, mittel, stark) oder zum Freisetzungsvermögen (Siedepunkt/ Anwendungs­

temperatur bzw. Dampfdruck) des Gefahrstoffes

– Dauer (mehr oder weniger als 15 Min.) und Ausmaß (Spritzer oder flächiger Kontakt) einer möglichen Hautbelastung.

Die notwendigen Informationen zur Tätigkeit lassen sich bei einer Begehung der Arbeitsplätze leicht ermitteln.

Für die Angaben, die den Gefahrstoff betreffen, ist der Anwender hingegen auf die Gefahrenkennzeichnung und das Sicherheitsdatenblatt angewiesen. Verantwortlich für deren Qualität ist das Unternehmen, das den Stoff oder das Gemisch als Hersteller oder Importeur in Verkehr bringt. Leider ist in vielen Fällen eine Diskrepanz zwi­

schen den Ansprüchen an ein gutes Sicherheitsdatenblatt und der tatsächlichen Qualität für wesentliche Anga­

ben zu beobachten.25 Dies hängt auch damit zusammen, dass ein chemisches Produkt am Ende einer ganzen Lieferkette von Ausgangsstoffen und Vorprodukten steht, deren Hersteller ebenfalls zur Gefahrenkennzeich­

nung und zur Abgabe eines Sicherheitsdatenblattes an gewerbliche Kunden verpflichtet sind. Die Informationen des Vorlieferanten sind häufig die einzige Basis für die sicherheitsrelevanten Angaben zum Endprodukt! Die für die Gefährdungsbeurteilung Verantwortlichen können Einstufung und Grenzwerte zwar auch in einschlägigen Datenbanken, z. B. GESTIS26, abfragen, im Regelfall aber nur für chemische Stoffe. Eine Qualitätssicherung für die Angaben zur Einstufung von Gemischen – und diese kommen als chemische Produkte an Arbeitsplätzen wesentlich häufiger vor – ist hingegen in der alltäglichen Arbeitsschutzpraxis kaum möglich. Dies scheitert neben den notwendigen Kenntnissen zur Einstufung von Gemischen häufig bereits an unzureichenden Informa­

tionen zur chemischen Zusammensetzung des Produktes.

Mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung

Mit der Europäischen Chemikalienverordnung Nr. 1907/2006 (REACH) werden bis 2018 die Prüf- und Infor­

mationsanforderungen zum Schutz von Mensch und Umwelt für alle Stoffe vereinheitlicht, die mit mehr als einer Tonne jährlich in der EU in Verkehr gebracht werden. Dies betrifft mehr als 35.000 verschiedene Stoffe, für die Hersteller und Importeure in der aktuellen Übergangsfrist risikorelevante Informationen zusammentra­

gen und fehlende Prüfungen auf gefährliche Eigenschaften durchführen müssen. Art und Umfang der Informati­

onsverpflichtungen hängen bei der REACH-Registrierung von der jährlichen Produktionsmenge ab. Mit Einfüh­

rung der REACH-Verordnung hat sich auch das Sicherheitsdatenblatt verändert. Das erweiterte Sicherheitsda­

tenblatt (eSDB) enthält im Anhang die Expositionsszenarien, die für den Stoffsicherheitsbericht abgeleitet wur­

den. Im Idealfall kann ein Expositionsszenarium vom Arbeitgeber oder anderen fachkundigen Personen unmit­

telbar als „mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung des Herstellers oder Inverkehrbringers“ genutzt werden. Diese ist seit 2005 in der Gefahrstoffverordnung verankert, um vor allem Klein- und Mittelbetrieben die Anwendung der gesetzlichen Vorgaben zum Arbeitsschutz zu erleichtern. Sie setzt aber voraus, dass die Angaben im erwei­

terten Sicherheitsdatenblatt den Qualitätskriterien entsprechen, die in der TRGS 400 beschrieben sind.

25 Mayer-Figge, Qualität von Sicherheitsdatenblättern – Anspruch und Wirklichkeit, StoffR 2013, 52

26 www.dguv.de/dguv/ifa/Gefahrstoffdatenbanken/GESTIS-Stoffdatenbank/index.jsp

Ableitung von Expositionsszenarien

Ein Expositionsszenarium beschreibt die Bedingungen für eine sichere Verwendung eines registrierten Stoffes während seines gesamten Lebenszyklus. In der Regel wird ein Stoff für verschiedene Verwendungen eingesetzt, bei denen es zu Belastungen für Mensch und Umwelt (Exposition) kommen kann. Für die Anwendung am Ar­

beitsplatz wird die aus Messergebnissen oder Rechenmodellen abgeschätzte Expositionshöhe mit der aus toxi­

kologischen Daten abgeleiteten Wirkungsschwelle (Derived No-Effect Level, DNEL) verglichen. Das betrach­

tete Verhältnis von Expositionshöhe und DNEL wird als Risk Characterisation Ratio (RCR) bezeichnet. Ist dieses Verhältnis kleiner eins, gilt die Verwendung des Stoffes als sicher. Die Arbeitsschutzmaßnahmen, die notwendig sind, um Belastungen unterhalb des DNEL zu gewährleisten, sind dann Teil des Expositionsszenari­

ums im Sicherheitsdatenblatt. Für die Darstellung der betrachteten Tätigkeiten werden standardisierte Prozess­

kategorien (PROC) verwendet.

Herausforderung Informationsweitergabe

REACH lässt mittelfristig eine deutliche Verbesserung der Datengrundlage für die Bewertung der Risiken von chemischen Stoffen erwarten, die auch dem Schutz der Beschäftigten zugutekommt. Je differenzierter Risiken und Maßnahmen beschrieben sind, desto präziser kann der Arbeitsschutz an die Erfordernisse zum Schutz der Gesundheit angepasst werden. Jedoch vergrößern die Vorgaben von REACH den Informationsumfang in der Lieferkette erheblich. Die erweiterten Sicherheitsdatenblätter für registrierte Stoffe sind manchmal mehrere 100 Seiten stark! Generierung und Qualitätssicherung dieser Daten wird zur Herkulesaufgabe für Unternehmen und Aufsichtsbehörden. Während die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) bei den REACH-Registrierungs­

dossiers für chemische Stoffe zumindest für 5 % der eingereichten Unterlagen eine stichprobenartige Qualitäts­

sicherung vorsieht, ist bei mehreren Millionen chemischer Gemische auf dem europäischen Markt eine systema­

tische und unabhängige Überprüfung der Sicherheitsdatenblätter durch die Vollzugsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten kaum zu leisten. Schon in der Vergangenheit wurde die Qualität vieler Sicherheitsdatenblätter immer wieder bemängelt. Das ist fatal, denn sie sind Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung zigtausender Arbeitsplätze an denen mit Gefahrstoffen umgegangen wird.

Control Banding als Lösungsansatz

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA hat inzwischen auch erkannt, dass eine qualitätsgesicherte und verlässliche Kommunikation in der Lieferkette chemischer Stoffe eine wichtige Grundlage für die sachgerechte Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zur Sicherheit von Mensch und Umwelt ist.27 Gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten und Industrieverbänden hat die ECHA hierzu einen strategischen Plan, die CSR/ES-Road­

map, entwickelt. Die fünf Handlungsfelder der Roadmap fokussieren sich auf die Verbesserung der Qualität von Stoffsicherheitsberichten (CSR), von Expositionsszenarien (ES) und der Kommunikation entlang der Lieferkette von chemischen Stoffen.28 Die BAuA, die in ihrem Arbeitsprogramm 2014 - 2017 diesen Schwerpunkt eben­

falls aufgegriffen hat, sieht – wie bei der Gefährdungsbeurteilung – Control Banding-Ansätze als Schlüssel für eine deutliche Vereinfachung der Informationsgenerierung und -weitergabe zum Arbeitsschutz.29 Dabei sollen nicht nur die Ansätze des Einfachen Maßnahmenkonzeptes für Gefahrstoffe (EMKG), sondern auch andere erfolgreiche Ansätze wie das Produktinformationssystem GISBAU30 der Bau-Berufsgenossenschaft berücksich­

tigt werden. Es geht darum, unter REACH das Rad nicht neu zu erfinden, sondern erfolgreiche Konzepte aus dem Arbeitsschutz in das Repertoire der europäischen Chemikaliensicherheit zu übernehmen. Die BAuA ver­

fügt hier aufgrund ihrer fachlichen Verankerung sowohl in der europäischen Chemikaliensicherheit als auch im Arbeitsschutz über ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, das dazu beitragen kann, Arbeitsplätze in der Europä­

ischen Union menschengerecht, gesund und sicher zu gestalten.

27 http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/chemicals/documents/reach/review2012/index_en.htm

28 http://echa.europa.eu/de/csr-es-roadmap

29 www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/Infomaterial/I29.pdf

Nicht geprüfte Gefahrstoffe

Mit den aufgeführten Ansätzen kann der Informationsfluss in der Lieferkette deutlich verbessert werden und hierdurch eine Vielzahl von Klein- und Kleinstunternehmen von aufwändigen Recherchen für die Gefährdungs­

beurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen entlasten. Doch für etliche Fragen zur Gefährdungsbeurteilung bei chemischen Belastungen am Arbeitsplatz wird REACH in absehbarer Zukunft keine wesentlichen Beiträge leisten können. Stoffe, die mit weniger als 1 Tonne im Jahr produziert werden, unterliegen nicht der Registrie­

rung, es greifen aber zumindest die gesetzlichen Auflagen zu Einstufung, Kennzeichnung und Sicherheitsdaten­

blatt beim Inverkehrbringen, die sich im Wesentlichen auf eine Weitergabe der Erkenntnisse bezieht, die dem Hersteller oder Importeur bekannt sind. Prüfanforderungen sind hiermit jedoch nicht verbunden. Die ebenfalls 2005 eingeführten Vorgaben der Gefahrstoffverordnung, bei bislang noch nicht oder nur unzureichend geprüf­

ten Stoffen bestimmte Gefahreneigenschaften in der Gefährdungsbeurteilung als vorhanden anzunehmen bis entsprechende Testergebnisse vorliegen, sind in der Praxis noch nicht richtig angekommen. Dies betrifft vor allem neu entwickelte Stoffe in Forschungseinrichtungen und Start-up Unternehmen. Auch Wissenschaftler, die

B. Entwicklungen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit chemische Proben an andere Institute verschicken, werden rechtlich zum „Inverkehrbringer“ und haben Infor­

mationsverpflichtungen in ihrer „Lieferkette“.

Standardisierte Arbeitsverfahren

Noch schwieriger ist die Gefährdungsbeurteilung bei Fertigprodukten (Erzeugnissen) oder Arbeitsverfahren, die erst durch die Tätigkeit gefährliche Stoffe oder Gemische freisetzen. Dies betrifft in der Lieferkette von chemi­

schen Stoffen vor allem das Ende ihres Lebenszyklus, z. B. Tätigkeiten zum Recycling, die auch aufgrund der politischen Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung immer mehr an Bedeutung gewinnen. Hier gibt es we­

der Kennzeichnung noch Sicherheitsdatenblatt als Informationsquelle für die fachkundigen Personen. Obwohl durch REACH formal abgedeckt, ist hier vor allem die Rechts- und Regelsetzung im deutschen und europäi­

schen Arbeitsschutz gefordert. Auf der Grundlage von Feldstudien abgeleitete standardisierte Arbeitsverfahren sind hier das Mittel der Wahl für die „mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung“ und somit den Expositionsszenari­

en vergleichbar. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit sind die inzwischen auch in einer Technischen Regel verankerten Maßnahmenempfehlungen für Tätigkeiten in der Kunststoffverwertung.31 Im Rahmen ihres Forschungs- und Entwicklungsprogramms 2014 - 201732 führt die BAuA derzeit weitere Feldstudien für Arbeitsplätze in der

„grünen Ökonomie“ durch.

B.6.3 Sozioökonomische Analyse: Wirtschaftlicher Nutzen und gesundheitliche Risiken

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