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Soziologische Faktoren Kultur

Groß- und Kleinfamilien

4.3 Analyse und Bewertung der kaufverhaltensrelevanten Faktoren

4.3.1 Externe Einflüsse

4.3.1.2 Soziologische Faktoren Kultur

Der Begriff Kultur, der in Kap. 4.2.1.3.1 ausführlich beschrieben wurde, umfasst Merkmale, die eine Gesellschaft und ihr Zusammenleben kennzeichnen. Hierunter fallen u. a. Werte, ethische und Verhaltensnormen, Traditionen, aber auch Produkte und Dienste, die von dieser Gesellschaft produziert oder besonders geschätzt werden (Solomon et al. 1999, S. 377). Ebenso wie im Fall der allgemeinen Umfeldbedingungen wäre eine Beschreibung der gesamten deutschen Kultur im Rahmen dieser Arbeit zu umfangreich. Es soll daher hier eine Beschränkung auf zentrale Faktoren stattfinden, welche auf junge Erwachsene und deren (Bio-) Kaufverhalten besonders stark einwirken. Hier spielt vor allem der Wertewandel, der seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu beobachten ist, eine zentrale Rolle. Dieser manifestiert sich jeweils zunächst bei der Jugend, die sich unter anderem durch ihre Wertvorstellungen von anderen Gesellschaftsmitgliedern abgrenzt. Hieran lässt sich auch ein unterschiedliches Konsumverhalten junger Erwachsener erkennen. Da auch die Lebens- und Denkweise junger Erwachsener

anhand der Werte erkennbar sind und diese daher zentrale Faktoren zum Verständnis der Zielgruppe darstellen, wird die Entwicklung des Wertewandels bis hin zum heutigen Status im Folgenden ausführlich beschrieben und daraus folgernd dessen Auswirkungen auf das Bio-Kaufverhalten junger Erwachsener betrachtet.

Die Wertorientierungen in Deutschland wandelten sich, einhergehend mit der Säkularisierung vor allem seit Mitte der 1960er Jahre stark (Noelle-Neumann 2001).

Überwiegend von jungen Menschen wurde eine individuellere Lebensführung propagiert, die weniger von Gott oder dem Staat sondern eigenverantwortlich bestimmt sein sollte. Zunehmend tauchte der Wunsch auf, die Anpassung zu überwinden und das Leben stärker zu genießen. Das Einfügen in eine allgemeine gesellschaftliche Ordnung wurde immer seltener als erstrebenswertes Ziel angesehen. Leben sollte nicht mehr nur Anstrengung, sondern vor allem auch Genuss bieten (ebenda). Die damit sinkende Bereitschaft zu Anpassung und Leistung sowie nachlassender Respekt vor Autoritäten, führten gleichzeitig zu wachsenden Befürchtungen, die soziale Ordnung könne mangels der Einhaltung gesellschaftlicher Verhaltensnormen gefährdet sein (Klages 1975). Eine Zunahme an Kriminalität jüngerer Täter und gleichzeitig abnehmende Leistungsbereitschaft aufgrund des Wunsches nach Genuss deuteten sich an und verstärkten die Kritik an dieser Entwicklung (Gensicke 2002, S. 139f.). Diese ablehnende Haltung, insbesondere von Entscheidungs- und Verantwortungsträgern, war nach Gensicke (2002, S. 140) jedoch kontraproduktiv, sie blockte das Engagement der jungen Menschen ab, statt es umzusetzen und zu nutzen. Hierdurch schlug deren Reformbegeisterung z. T. in destruktive Frustration um. Dennoch setzte sich das gesellschaftliche Streben nach individueller Entscheidungsfreiheit durch. Während zu Beginn des Wertewandels das wirtschaftliche Umfeld florierte, sah sich die Jugend nun einem wachsenden Leistungsdruck gegenüber, der durch die fortschreitende Globalisierung, die sich verschlechternde Wirtschaftslage und die Konkurrenz um Arbeitsplätze ausgelöst wurde (ebenda). Als Folge wurde in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wiederholt die Notwendigkeit diskutiert, das Individuum in seiner Freiheit zu unterstützen, da es durch die moderne Leistungsgesellschaft überfordert sei (Beck 1986 b). So hat der junge Mensch heute zwar gesellschaftspolitisch Entscheidungs- und Handlungsfreiheit, kann diese aber aufgrund des starken Leistungsdrucks nicht nutzen, bzw. lebt ständiger Angst, sich

falsch zu entscheiden und damit seine Lebensgrundlage zu riskieren. Im Berufsleben herrscht aufgrund der großen Konkurrenz ein hoher Leistungsdruck, der konstant hohe Leistungen erfordert. Persönliches Versagen oder Krankheit können der Karriere ein jähes Ende bereiten und zum finanziellen und damit auch zum sozialen Abstieg führen, da mit dem Arbeitsplatz nicht nur das eigene Einkommen sondern ebenso das soziale Ansehen bedroht ist. Zu diesen Ängsten um die persönliche Karriere kommen wie oben beschrieben Bedrohungen durch Kriege und Terror sowie Umweltbelastungen überall in der Welt, denen kaum ein Mensch ausweichen kann.

Durch diese Bedingungen ist die individuelle Freiheit als ein von der Jugend angestrebter Wert in den Hintergrund gerückt, die Sicherung der eigenen Existenz wird hingegen wieder hoch bewertet, und so stellt Sicherheit heute einen sehr viel höher geschätzten Wert dar als in den Zeiten des frühen Wertewandels (Gensicke 2002, S. 140; Klages 1984).

Es zeigt sich, dass die dominierenden Werte jeweils den sich verändernden Rahmenbedingungen angepasst werden und damit ein fortschreitender Wertewandel stattfindet, bei dem die Jugend meist eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft einnimmt.

Von der eher gesellschaftskritischen Position des frühen Wertewandels und der 1980er Jahre ist sie derzeit eher in die gesellschaftliche Mitte gerückt (Hurrelmann et al. 2002, S. 19) und zeigt sich heute weniger rebellisch, dafür pragmatisch, leistungsbereit und sicherheitsorientiert aber durchaus optimistisch, was die persönliche Zukunft anbelangt. Trotz der vielfachen Bedrohungen findet sich kaum noch eine „No-Future“- oder „Null-Bock“-Haltung, vielmehr werden Chancen gesucht und ergriffen, vor allem von jungen Frauen (Hurrelmann et al. 2002, S. 19). Viele nähern sich in ihrem Karrierestreben den Männern an, allerdings nicht aus emanzipatorischen Gründen, sondern wiederum zur Sicherung der eigenen Zukunft.

Gesellschaftliche Aktivität junger Menschen findet aufgrund dieser erhöhten Anstrengungen im persönlichen Bereich jedoch ebenfalls eher im eigenen Umfeld statt. Übergreifende Reformen oder politische Anstrengungen werden von jungen Menschen heute kaum angestrebt. Auch andere umfassendere Ziele, die der eigenen Person keinen unmittelbaren Nutzen liefern wie der Umweltschutz, haben an Bedeutung verloren. Dieser steht heute wie auch oben beschrieben, im Gegensatz zu den 1980er Jahren nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses Jugendlicher und junger Erwachsener (Hurrelmann et al. 2002, S. 18). Der Umweltschutz scheint auch

deshalb an Bedeutung verloren zu haben, da angesichts der vielfachen Bedrohungen die Angst vor der Umweltzerstörung weniger im Vordergrund steht, als die Angst vor unmittelbaren Gefahren. So nahm bei Befragungen von 11.000 Kindern und Jugendlichen in den Jahren 1996 und 2001 die Zahl der Befragten, welche Angst vor Umweltzerstörung äußerten, von 31 % auf 20 % ab. Dementsprechend sank auch die Zahl derer, die Umwelt als wichtig einstuften, von 36 % auf 26 % (Fauth 2003).

Hierbei ist jedoch wiederum zu beachten, dass die Jugend sich nicht als eine homogene Gruppe mit übereinstimmenden Werten betrachten lässt. Nach einer Unterteilung im Rahmen der 14. Shell Jugendstudie (Hurrelmann et al. 2002, S. 19f.), spaltet sich die Jugend im Alter von 15-25 Jahre derzeit in zwei Lager: Eines mit guten Aussichten auf ein erfolgreiches Leben und eines, in dem sich eher die möglichen Verlierer der Gesellschaft befinden.

Das erste Lager setzt sich zusammen aus zwei Gruppen, die jeweils ein Viertel der deutschen Jugend repräsentieren, die sog. „selbstbewussten Macher“, und die

„pragmatischen Idealisten“. Bei den „selbstbewussten Machern“ handelt es sich um eine Aufsteigergruppe aus der breiten sozialen Mitte, in der beide Geschlechter gleichermaßen repräsentiert sind. Sie sind besonders leistungsorientiert, mit dem Ziel einer verantwortlichen Position und gesellschaftlichen Ansehens. Soziales Denken ist der Leistung untergeordnet. „Pragmatische Idealisten“ sind eine Gruppe aus dem Bildungsbürgertum, die mehrheitlich (zu 60 %) aus Frauen besteht. Sie sind ebenfalls leistungsorientiert, jedoch stehen hier die Ideale, die sie im Leben verfolgen im Vordergrund. In dieser Gruppe sind Themen wie Armut, Ausländerfeindlichkeit und Umweltschutz relevant, sie setzt sich häufig noch aktiv für gesellschaftliche Ziele ein.

Im zweiten Lager finden sich die „robusten Materialisten“ und die „Unauffälligen“.

Angehörige dieser Gruppen sehen weniger optimistisch in ihre Zukunft. Die Leistungsanforderungen überfordern sie häufig. Während die „Unauffälligen“ darauf jedoch eher mit Resignation reagieren, demonstrieren die „robusten Materialisten“, eine überwiegend männliche Gruppe, vorgegebene Stärke. Sie agieren häufig unsozial und entgegen der gesellschaftlichen Regeln und schauen auf andere, vermeintlich schwächere Gruppen herab. Dies äußert sich im Zusammenhang mit (politischer) Unzufriedenheit oft in radikalen Haltungen wie Ausländerfeindlichkeit

und manifestiert sich auch in gewalttätigen Handlungen (Hurrelmann 2002, S. 20f.).

Solch variierende Reaktionen auf die Anforderungen des Umfeldes zeigen sich auch in anderen Studien. Reis (1997) wies nach, dass mit Problemen oder schwierigen Situationen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen je nach Persönlichkeit und Sozialisation (u. a. der Erziehung im Elternhaus) unterschiedlich umgegangen wird.

Demnach reagieren weniger gefestigte junge Menschen durch resignatives Abwehrverhalten, während die selbstbewussteren sich Problemen stellen und diese durch bestimmte Strategien zu bewältigen versuchen (Reis 1997).

Zwar existieren wie aufgeführt mehrere Gruppen, es können jedoch auch übergreifende Trends festgestellt werden. So zeigt sich insgesamt eine klare Tendenz zu einer Kombination aus alten und neuen Werten (BBDO 2004, Gensicke 2002, Gehling 1995 und 1996). Zu den zu Beginn des Wertewandels angestrebten Idealen wie Individualität und freiheitlichem Denken, kamen in den 1980er Jahren mit dem Hedonismus eher egozentrische, materielle Werte hinzu. Seit den 1990er Jahren weicht dieser Egoismus jedoch zunehmend emotionalen ideellen Werten wie Liebe, Freundschaft und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Lebensweisen, die sich aber meist auf das eigene Umfeld beziehen. Diese werden mit den ehemals radikal abgelehnten traditionellen Werten wie Fleiß, Ordnung und Sicherheit kombiniert. Bedingt wird dies durch die stetig steigende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die einen ebenfalls wachsenden Anspruch an eine gute (Aus-) Bildung mit sich bringt (Linssen et al. 2002, S. 64f.). Jede weitere Generation setzt einen Ausbildungsstandard, den die nachfolgende Generation mindestens ebenfalls zu erreichen, wenn nicht zu übertreffen sucht. Auch die geforderten Qualifikationen haben sich im Zuge der wachsenden Konkurrenz um Arbeitsplätze erhöht. Je besser qualifiziert ein Bewerber ist, desto eher bekommt er den angestrebten, bzw.

überhaupt einen Arbeitsplatz. Dieser wachsende Druck bewirkt eine zunehmende Tendenz unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, jegliche Bildungschancen wahrnehmen und nutzen zu müssen (ebenda, S. 65). Im Zusammenspiel mit den gleichzeitig immer länger gewordenen Ausbildungszeiten, führt dies jedoch auch zu einer wachsenden Erwartungshaltung bezüglich der späteren Erwerbstätigkeit. Junge Menschen sehen in der Erwerbsarbeit einerseits eine Entlohnung der vorher geleisteten Bildungsanstrengung, andererseits die Möglichkeit, sich durch die Arbeit beruflichen Erfolg, ein gutes Einkommen, soziale

Anerkennung und damit eine erhöhte Sicherheit in ihrem Leben zu schaffen (Brake 2003, S. 285ff.). Der gleichzeitig gesteigerte Wunsch nach emotionalen Beziehungen, Gemeinschaft, Nähe und Liebe ist dabei ebenfalls Ausdruck des Bedürfnisses nach Stabilität und Sicherheit, führt jedoch gleichzeitig zu einem schwierigen Balanceakt zwischen dem Wunsch nach familiärem Zusammenleben und der Verwirklichung der beruflichen Pläne und anderer individueller Interessen.

Vor allem für Frauen ist die abnehmende Akzeptanz einer Hausfrauen-Tätigkeit bei gleichzeitigem Wettbewerb um die knappen Arbeitsplätze ein Konkurrenznachteil.

Meist sind es auch weiterhin die Frauen, die der Dreifachbelastung von Haushalt, Kind(ern) und Beruf ausgesetzt sind, während die Männer ihre Karriere ungehindert verfolgen können (Brake 2003, S. 247). Die Ansprüche an Flexibilität und Mobilität, die vor allem für gehobene Positionen gelten, erhöhen den allgemein hohen Druck für die jungen Frauen dabei außerordentlich, da sie dem Wunsch nach Familie im allgemeinen entgegenstehen. Die sinkende Anzahl der in traditionellen Familienstrukturen lebenden Personen zeigt dabei einerseits die Auswirkungen dieser Entwicklung, andererseits aber auch, dass die berufliche Unabhängigkeit für die jungen Frauen kein Luxus, sondern genauso Notwendigkeit ist, wie für die Männer. Eine „Versorgung“ durch den Ehemann kann heute nicht mehr als gewährleistet angesehen werden, sondern bildet eher die Ausnahme, so dass sich jungen Frauen kaum Alternativen zum Kampf um einen Arbeitsplatz bieten.

Angesichts dieser Verhältnisse ist es nicht verwunderlich, dass übergreifenden gesellschaftlichen Bedürfnissen wie dem Umweltschutz wenig Raum im Denken und in den Werten junger Erwachsener eingeräumt ist, sondern sich diese eher konkret auf die eigene Person beziehen. Angesichts der zunehmenden Komplexität und Schnelllebigkeit unserer Zeit, die eine Überforderung der jungen Erwachsenen mit sich bringt, müssen sich gesellschaftliche Fragen dem Streben nach guten Lebensbedingungen für sich selber und das persönliche Umfeld unterordnen (Hurrelmann et al. 2002, S. 20f.; Gehling 1995, S. 177ff.).

Die Ausführungen zeigen deutlich, welche Auswirkungen die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Jugend haben. Die dominierenden Werte entstehen zu einem Großteil aus den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Da diese wie oben beschrieben einen starken Druck auf junge Erwachsene erzeugen, spielt Sicherheit eine große Rolle im Denken junger Menschen in

Deutschland. Jedoch führt diese Werthaltung, in Verbindung mit anderen kulturellen Faktoren wie dem persönlichen Hintergrund und der Herkunft und Bildung durch das Elternhaus derzeit nicht zu einem Sicherheitsbedürfnis im Hinblick auf Umweltfragen und damit in einem verstärkten Bio-Lebensmittelkauf. Vielmehr wird klar, dass die derzeitige Kultur einen Konsum von Bio-Lebensmitteln durch junge Erwachsene nicht begünstigt. Der starke Druck, dem junge Menschen im Hinblick auf gleich mehrere wichtige Lebensbereiche wie ihre Ausbildung, den beruflichen Karrierestart und die beginnende familiäre Lebensplanung ausgesetzt sind, lässt die Bedeutung der Bio-Produkten zugrunde liegenden Werte in den Hintergrund treten. Aufgrund der vorherrschenden Angst um einen Arbeitsplatz und der größer werdenden Konkurrenz werden Zeit und Energie überwiegend in die eigene Bildung sowie den Aufbau eines sozialen Netzes zur Maximierung des persönlichen Sicherheitsempfindens investiert.

Für die Beschäftigung mit Umwelt und anderen übergeordneten gesellschaftlichen Themen bleibt daneben wenig Zeit, Energie und Interesse. Da sich die jungen Erwachsenen in unterschiedliche Gruppen aufteilen, unter denen sich auch solche mit einer stärkeren Betonung altruistischer Werthaltungen befinden, kann aber zumindest bei einem Teil der Zielgruppe eine entsprechend höhere Bereitschaft zum Kauf von Bio-Produkten vermutet werden.

Aufgrund der gezeigten Heterogenität der Werthaltungen junger Erwachsener soll auch das vielfach zur Erklärung des Konsumverhaltens verwendete Konzept der Alterskohorten hier keine Anwendung finden. Dieses basiert auf der Annahme, dass bei Mitgliedern einer Generation Ähnlichkeiten im Verhalten, ihren Einstellungen und Werthaltungen zu beobachten sind, die auf das Erleben gleicher Ereignisse zurückgeführt werden (Solomon et al. 1999, S. 353f.). Da jedoch wie oben beschrieben die Werthaltungen unterschiedlich sind, kann auch im Hinblick auf den Bio-Kauf von einer unterschiedlichen Affinität innerhalb der Generation der heutigen jungen Erwachsenen ausgegangen werden.

Soziale Milieus

Das Konzept der sozialen Milieus wurde in Kap. 4.2.1.3.1. detailliert dargestellt. Wie dort festgehalten, weist das soziale Milieu eines Konsumenten einen deutlichen Zusammenhang zu dessen Kaufverhalten auf. Als Kombination soziodemographischer Faktoren mit sog. weichen Merkmalen der psychologischen

Konsumforschung wie beispielsweise Wertvorstellungen und Lebensstilen (Bayer 1999, S. 134, Bodenstein/Spiller 1998), inkorporiert es sowohl die Werte als auch den Lebensstil von Konsumenten. Die Veränderungen der Werthaltungen und deren Auswirkungen wurden im vergangenen Abschnitt behandelt. Auch bei Lebensstilen wird ein enger Zusammenhang mit dem Ernährungsverhalten vermutet. So konnte nachgewiesen werden, dass sich Kinder und Jugendliche mit einem fernsehorientierten Lebensstil weniger gesund ernähren als solche mit einem sportorientierten Lebensstil. Ebenso wie der letztere, führt auch ein kulturorientierter Lebensstil, der sich durch Lesen, Musizieren und Theaterbesuche auszeichnet, bei Kindern und Jugendlichen zu einer gesünderen Ernährungsweise mit mehr Obst, Gemüse und Vollkornprodukten und einer größeren Resistenz gegenüber Drogen und Süßigkeiten, auch und vor allem außerhalb der häuslichen Kontrolle der Eltern, bei freier Wählbarkeit (Gerhards/Rössel 2002, S. 280ff.).

Da sich die Zugehörigkeit zu einem sozialen Milieu über Faktoren definiert, die wie dargestellt auch einzeln für das Kaufverhalten von Bedeutung sind, ist zu vermuten, dass auch das Bio-Kaufverhalten junger Erwachsener sich mit Hilfe der sozialen Milieus bestimmen lässt. Auf die Bedeutung der Zugehörigkeit junger Erwachsener zu bestimmten sozialen Milieus für das Bio-Kaufverhalten wird daher im Rahmen der folgenden Ausführungen eingegangen.

Sowohl die Alterszusammensetzung als auch die Einstellung zu Ernährung und speziell zu Bio-Produkten unterscheiden sich zwischen den Milieus. Junge Erwachsene finden sich vor allem in den vom Sinus Institut aufgestellten sozialen Milieus Moderne Performer, Experimentalisten und Hedonisten (Sinus 2002a). Die Modernen Performer lassen sich zur unkonventionellen Leistungselite zählen. Ihre Ernährung ist genuss- und gourmetorientiert. Wie in allen gehobenen Milieus ist hier der Anteil der Gesundheitsorientierten vergleichsweise hoch. Die Experimentalisten sind besonders spontan, bei ihnen spielt Individualität eine größere Rolle, der sich auch Ihre Ernährung anpassen muss. Das Interesse an Ernährung und gesunden Lebensmitteln ist sowohl bei den Experimentalisten als auch bei den Hedonisten gering. Bei letzteren kommt es vor allem darauf an, dass das Essen schmeckt und nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Die jungen Hedonisten, die eher zur Unter- und Mittelschicht gehören, sind spaßorientiert und konsumieren wie auch die Mitglieder

anderer unterer Milieus häufiger Fast Food als die gehobenen Milieus. Gegenüber Bio-Lebensmitteln sind Hedonisten negativ eingestellt (Sinus 2002b).

Die Neigung der Mitglieder der verschiedenen Milieus speziell zum Kauf von Bio-Lebensmitteln wurde vom Sinus-Institut im Jahr 2002 anhand einer Zielgruppenanalyse für den Öko-Ernährungs-Markt untersucht (Sinus 2002b). Hierzu wurden zunächst die Einstellungen zum Thema Ernährung ermittelt, daraus eine (Öko-) Ernährungs-Typologie erstellt und diese schließlich im Hinblick auf die Sinus-Milieus analysiert. Als Datenbasis dienten die 3SC Trend- und Milieuforschung von Sinus Sociovision (repräsentativ für die deutsche Wohnbevölkerung ab 14 Jahren, n = 2.047) und die Typologie der Wünsche Intermedia vom Burda Advertising Center (BAC) (repräsentativ für die deutsche Wohnbevölkerung ab 14 Jahren, n = 10.155).

Folgende Merkmale dienten in dieser Untersuchung zur Einteilung in Milieus:

• Lebenswelt (Werte, Lebensstile, Wunsch- und Leitbilder, Alltagsästhetik)

• Soziodemographie (Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf, Einkommen u. a.)

• Marktverhalten (Einkaufsorte, Produktpräferenzen)

• Einstellungen zu Preis, Qualität, Marken

• Produktinteressen, Freizeitverhalten

• Mediaverhalten (Print, TV, Online, Musik) (Sinus 2002b)

Die Studie teilt die Konsumenten zunächst in drei Gruppen mit spezifischer Einstellung zu Lebensmitteln und Ernährung ein.

Gruppe 1

Für die erste Gruppe ist Essen eine notwendige Voraussetzung zum Leben, stellt allerdings keinen Wert an sich dar. Es besteht wenig Interesse an Ernährung, Nahrungsmittel sind für diese Gruppe anderen Gütern in der Relevanz untergeordnet. Mitglieder finden sich vor allem in den Milieus der Unterschicht, der Unteren Mittelschicht aber auch der Mittleren Mittelschicht (Traditionsverwurzelte, DDR-Nostalgische, Konsum-Materialisten und Hedonisten). Mit den Hedonisten findet sich hier auch eine Gruppe, in der sich vermehrt junge Erwachsene befinden.

Gruppe 2

Bei Konsumenten dieser Gruppe bestehen sowohl ein Bewusstsein für Qualität und Geschmack als auch der Wunsch nach Natürlichkeit und Naturbelassenheit sowie das Streben nach einem grundlegenden Wandel in der Erzeugung und dem Verbrauch von Nahrungsmitteln, hin zu mehr Ökologie und Nachhaltigkeit. Diese Gruppe findet man überwiegend in Milieus der Oberschicht, der Oberen Mittelschicht und der Mittleren Mittelschicht (Konservative, Etablierte, Postmaterielle, Bürgerliche Mitte). Es handelt sich also nicht um die Milieus, in denen Junge Erwachsene überwiegend vorkommen.

Gruppe 3

Hier herrscht Pragmatismus vor. Bio-Produkte und ökologische Landwirtschaft werden zwar nicht abgelehnt aber auch nicht als dringend notwendig erachtet. Essen ist für diese Konsumenten unproduktiv verwendete Zeit. Bequemlichkeit und Alltagserfordernisse entscheiden über die Wahl der Nahrungsmittel. Diese Konsumenten leben vor allem in den modern eingestellten Milieus aller Schichten, so finden sich mit den Modernen Performern Mitglieder der Oberschicht/ Oberen Mittelschicht ebenso in dieser Gruppe wie die Experimentalisten der Mittleren Mittelschicht und die Hedonisten der Unteren Mittelschicht/ Unterschicht. Diese Gruppe repräsentiert genau die Milieus, in denen sich die meisten jungen Erwachsenen befinden und lässt damit Rückschlüsse auf deren Einstellung zur Ernährung zu.

Die Einteilung der Gruppen zeigt bereits Tendenzen des Ernährungsverhaltens junger Erwachsener. Essen wird bei den meisten nicht allzu hoch bewertet, i. d. R.

scheint dieses Thema anderen untergeordnet zu sein. Eine genauere Investigation im Rahmen der dargestellten Studie des Sinus Instituts ermittelte die Einstellung der Befragten, explizit zu den Themen Ökologie und Ernährung, anhand einer Befragung zum Einkaufsverhalten und den Vorlieben der einzelnen Gruppen. Mittels einer Clusteranalyse wurde eine Ernährungsmarkt-Typologie entwickelt, die folgende Gruppen ergab:

(Die Gruppen bzw. Milieus, in denen sich vor allem junge Erwachsene finden, sind in der Tabelle 4 hervorgehoben.)

Tabelle 4: Ernährungs-Markt-Typologie des Sinus-Instituts (2002b)

Traditionelle 22 49% DDR Nostalgische 47%

Per-formern aber auch in der Oberschicht.

Gleichgültige 17 25 % Postmaterielle 25 % Hedonisten 21 % Bürgerliche Mitte

Überwiegend in den

Feinschmecker 11 21 % Etablierte

15 % Bürgerliche Mitte

Überwiegend in den oberen und mittleren Schichten.

Quelle: Eigene Darstellung, Daten: Sinus (2002b)

Die Studie zeigt, dass sich die Öko-Konsumenten vor allem im Konservativen und dem Postmateriellen Sinus-Milieu, aber auch in der Bürgerlichen Mitte befinden. Ihre Ernährungsmaximen sind v. a. Öko-Moral sowie Frische und Natürlichkeit. Insgesamt

Die Studie zeigt, dass sich die Öko-Konsumenten vor allem im Konservativen und dem Postmateriellen Sinus-Milieu, aber auch in der Bürgerlichen Mitte befinden. Ihre Ernährungsmaximen sind v. a. Öko-Moral sowie Frische und Natürlichkeit. Insgesamt