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Mikrosoziologische Faktoren des Konsumverhaltens

4 Zielgruppe junge Erwachsene

4.2 Das Bio-Kaufverhalten der Zielgruppe junge Erwachsene

4.2.1 Theoretische Ansätze zur Erklärung des Kaufverhaltens

4.2.1.3 Soziologische Modelle des Kaufverhaltens

4.2.1.3.2 Mikrosoziologische Faktoren des Konsumverhaltens

Bei den mikrosoziologischen Faktoren handelt es sich um die nähere soziale Umwelt des Konsumenten. Diese definiert sich durch verschiedene Formen von Gruppen.

Als eine Gruppe bezeichnet man solche Personenmehrheiten, die in wiederholtem,

nicht zufälligen Kontakt zueinander stehen (Lewin 1963, S. 182ff.). Weitere Merkmale einer Gruppe können sein (Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 433f.):

• Eine eigene Identität, d. h. Mitglieder und Außenstehende sehen die Gruppe als eine Einheit.

• Eine soziale Ordnung, in welcher die Mitglieder eine bestimmte Position einnehmen.

• Bestimmte Verhaltensnormen, welche alle Mitglieder einhalten.

• Werte und Ziele, die die Mitglieder teilen.

Es wird unterschieden in Primärgruppen und Sekundärgruppen. Primärgruppen sind kleine, informelle Gruppen, deren Mitglieder einen engen, häufig emotional fundierten Kontakt haben. Zu den Primärgruppen zählen z. B. Bezugsgruppen wie der Freundeskreis und die Familie. Sekundärgruppen sind große Gruppen, deren Mitglieder häufig formal und weniger eng miteinander in Verbindung stehen. Zu den Sekundärgruppen zählen u. a. Kollegenkreise, Vereine und politische Gruppierungen. Weiterhin teilen sich die Primär- und Sekundärgruppen in Mitgliedschafts- und Fremdgruppen. Einer Mitgliedschaftsgruppe gehört ein Individuum an, Fremdgruppen liegen hingegen außerhalb der unmittelbaren Umwelt, das Individuum gehört ihnen nicht an, kann aber dennoch von dieser Gruppe beeinflusst werden. Innerhalb einer Mitgliedschaftsgruppe kann es eine tatsächliche, auch psychisch empfundene oder aber eine nur nominelle Mitgliedschaft geben.

Letztere kommt allerdings aufgrund der spezifischen Eigenschaften von Primärgruppen ausschließlich bei den Sekundärgruppen vor (Bänsch 2002, S. 98f.;

Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 434f.). Einen Überblick über die mikrosoziologische Untergliederung in Gruppen gibt Abbildung 8.

Abbildung 8: Mikrosoziologische Gruppeneinteilung

Primärgruppen

(enger Kontakt, emotional) z. B. Familie, Freunde…

Sekundärgruppen

(formeller Kontakt, distanziert) z. B. Vereine, Parteien…

Mitgliedschafts-gruppen

(faktisch)

Mitgliedschafts-gruppen (nominell)

Fremdgruppen Gruppen

(Personenmehrheiten mit wiederholtem, nicht zufälligen Kontakt zueinander)

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 435

Eine Besonderheit unter den „Gruppen“ stellt die Bezugsgruppe dar. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Gruppe im klassischen, oben erklärten Sinn, sondern um einen Begriff aus der Sozialpsychologie, der auf Hyman (1942) zurückgeht. Die Bezugsgruppe stellt eine Referenzgruppe dar und übt damit ebenfalls einen großen Einfluss auf das Kaufverhalten aus. Referenzgruppen besitzen eine normative Funktion, sie legen damit für das Individuum fest, was „richtig“ und was „falsch“ ist.

Hieran kann sich der Konsument orientieren und sein Handeln und Denken vergleichen bzw. an ihnen ausrichten. Bei Bezugsgruppen kann es sich um Mitgliedschafts- oder um Fremdgruppen aber auch um Einzelpersonen handeln.

Jede Gruppe, die für das Individuum normative oder Vergleichsfunktion (Mann 1972, S. 65ff.) einnimmt, ist eine Bezugsgruppe.

Im Folgenden sollen die verschiedenen Formen von Gruppen und ihr Einfluss auf das Kaufverhalten näher dargestellt werden.

Familie

Die Familie ist eine der prägendsten Gruppen, die ein Individuum umgeben. Nach Moschis (1985) sind Familienmitglieder demnach auch die Primärbezugsgruppe, welche das Kaufverhalten am stärksten beeinflusst. Es wird unterschieden in die Herkunftsfamilie, die aus Eltern und Geschwistern besteht und in die selber mit Ehepartner und ggf. Kindern gebildete Familie.

Herkunftsfamilie

Von dieser gehen entscheidende Sozialisationswirkungen aus (Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 430). Innerhalb der klassischen Herkunftsfamilie mit Eltern und Kindern gibt es sowohl sehr ausgeprägte gefühlsmäßige Bindungen, die sich in einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl äußern, als auch eine festgelegte Rollenverteilung, in der die Eltern klar den Erziehungsauftrag innehaben (Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 436f.). Durch diese Rollenverteilung werden die Konsumentscheidungen grundsätzlich zunächst von den Eltern getroffen.

Gleichzeitig dienen diese als Erzieher und Vorbild für die Kinder, was dazu führt, dass das elterliche Konsumverhalten zunächst übernommen wird. So stellen die Eltern auch eine Art „Sozialisationsagenten“ dar, indem sie aus den Einflüssen der weiteren sozialen Umgebung die für die eigenen Kinder bzw. die Familie relevanten herausfiltern (Solomon et al. 1999, S. 318f.). Für Kinder sind die Eltern der Schlüssel zum Verständnis der sie umgebenden Welt. Sie sind die Personen, an denen das Kind sich orientiert, bis aus dem Erlebten und Erlernten eine eigene Meinung gebildet werden kann. Dies soll am Beispiel der Religion verdeutlicht werden. So existieren in einer Gesellschaft meist mehrere Religionen nebeneinander. Ein in diese Gesellschaft geborenes Kind nimmt i. d. R. jedoch, geprägt durch das tägliche Erleben der Eltern sowie durch deren Vorbild- und Erziehungsfunktion, den Glauben der Eltern an. Sie leben dem Kind im Alltag ihren Umgang mit Religion vor, von ihnen erlernt es die Grundlagen, das Wissen über die Existenz des Glaubens, dessen Art und Ausprägung. Ebenso werden auch andere Ansichten, etwa zum gesellschaftlichen Leben oder zum Konsum von den Eltern übernommen. Erst nach und nach erschließt sich dem Kind, dass über das Wissen und die Lebensweise der Eltern und der eigenen Familie hinaus noch viele weitere Varianten existieren und es hinterfragt die Ansichten der Eltern. Im Hinblick auf das Konsumverhalten bedeutet dies, dass zunächst beobachtet und damit auch erlernt wird, welche Produkte

konsumiert werden und welche nicht. Das Konsumverhalten der Eltern wird damit zunächst akzeptiert und übernommen (Solomon et al. 1999, S. 318f.). Jedoch bildet sich mit zunehmendem Alter mehr und mehr eine von den Eltern unabhängige Meinung aus. Entsprechend treffen Kinder bereits ab einem Alter von acht Jahren eigene Kaufentscheidungen (Sumner 1989). Besonders im Teenageralter entwickeln sie mehr und mehr eigene Konsummuster, die jedoch zunächst auf bestimmte Produkte wie Kleidung, Süßigkeiten, Knabberartikel u. ä. fokussieren (Institut für Jugendforschung 2001). Den Auswirkungen des Alters und der Zusammensetzung der Familie bzw. des Haushaltes trägt die Einteilung in unterschiedliche Lebensphasen des in Kap. 4.1.2 beschriebenen Familienlebenszyklus Rechnung.

Anhand der verschiedenen Phasen können Veränderungen im Konsumverhalten antizipiert und erklärt werden. Da der Familienlebenszyklus bereits erläutert wurde, soll hierauf in diesem Zusammenhang nicht erneut eingegangen werden. Von Bedeutung sind jedoch die fortlaufenden Veränderungen hinsichtlich der gesellschaftlichen Strukturen und damit auch der Zusammensetzung der Familien, die sich auf das Konsumverhalten bedeutend auswirken.

Eigene Familie

Die mit dem (Ehe-) Partner und den Kindern gebildete eigene Familie beeinflusst das Kaufverhalten ebenfalls beträchtlich. Hierbei sind die Rollen der einzelnen Familienmitglieder beim Einkauf entscheidend. Nach wie vor gibt es deutliche Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen Frau und Mann. Innerhalb einer Partnerschaft oder Familie ist die Frau eher entscheidend am Kauf von solchen Produkten beteiligt, die alltäglich benötigt, bzw. im Haus verwendet werden. Trotz Emanzipation und Berufstätigkeit ist immer noch sie diejenige, die einen Großteil der Nahrungsmittel, Alltagsgegenstände und Konfektionskleidung für die Familie kauft.

Hingegen wird die Kaufentscheidung für Produkte oder Dienstleistungen, die kostspieliger sind bzw. außerhalb des Hauses verwendet werden, eher vom Mann beeinflusst (Kotler/Bliemel 1999, S. 315; Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 454;

Bodenstein/Spiller 1998, S. 54). Hingegen zeigt sich eine immer weiter zunehmende Tendenz, bei Entscheidungen, die im Zusammenhang mit Produkten von großer Bedeutung für die Familie stehen oder mit Gütern, die gemeinsam genutzt werden, auch zusammen zu bestimmen. Während diese Entscheidungen früher ebenfalls vom Mann dominiert wurden, werden sie heute von beiden Partnern getroffen.

Jedoch zeigt sich, dass familiäre Kaufentscheidungsprozesse in verschiedene Phasen unterteilt werden können, die in unterschiedlichem Maße von den einzelnen Familienmitgliedern beeinflusst werden. So kommt der erste Anstoß zum Kauf bestimmter Produkte wie z. B. Bausparverträge häufig von Frauen. Die Entscheidung, welcher Vertrag schließlich abgeschlossen wird, kann dann wiederum vom Mann oder gemeinsam entschieden werden.

Es hat sich zudem herausgestellt, dass je nach den einzelnen Produkteigenschaften entweder Frauen, Männer oder auch die Kinder stärker Einfluss auf die Kaufentscheidung nehmen (Meffert/Dahlhof 1980, S. 34ff.; Böcker/Thomas 1983, S.

250f.; Böcker 1987, S. 20ff.). So können beim Autokauf ästhetische Details wie Farbe, Innenausstattung usf. von der Frau stärker beeinflusst werden, Fahrleistung und andere technische Eigenschaften hingegen vom Mann.

Auch die Kinder beeinflussen direkt und indirekt die Kaufentscheidungen von Familien. Direkt werden Eltern durch konkret geäußerte Wünsche der Kinder veranlasst, bestimmte Produkte wie z. B. Spielzeug, bestimmte Nahrungsmittel o. ä.

zu kaufen (Atkin 1978), indirekt werden manche Entscheidungen durch die bloße Anwesenheit von Kindern im Haushalt notwendig. Eine Familie mit Kindern im Babyalter wird beispielsweise kaum ohne den Kauf von Windeln auskommen. Je älter die Kinder werden, desto mehr selbständige Kaufentscheidungen treffen sie.

Die Produkte, die sie selber für ihren persönlichen Bedarf benötigen, kaufen Jugendliche weitgehend allein, jedoch beeinflussen sie auch weiterhin den Konsum der gesamten Familie. Bei modernen technischen Geräten ist dieser Einfluss z. T.

aufgrund des eigenen Interesses an der Anschaffung und der oft hohen Fachkompetenz Jugendlicher sehr hoch (nach einer Untersuchung der Verlagsgruppe Bauer aus dem Jahr 1996 betrug der Anteil der Jugendlichen an der Kaufentscheidung bei Stereoanlagen bspw. 60 %, bei Computern 54 % und bei Fernsehern 52 %, ebenda). Auch bei der Wahl bestimmter Marken oder Produktneuheiten ist der Einfluss von Jugendlichen besonders stark.

Es ist jedoch zu beobachten, dass die klassische Familie mehr und mehr von einer zunehmenden Anzahl an Singles, Paaren ohne Kinder, Alleinerziehenden und Patchwork-Familien abgelöst wird. Diese veränderten Strukturen lassen sich u. a. an

den Haushaltsgrößen ablesen. So steigt die Anzahl der Ein- und Zwei-Personenhaushalten kontinuierlich an, wodurch Deutschland sich mittlerweile zu einem der Länder mit der geringsten Haushaltsgröße entwickelt hat. Abbildung 9 zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Anzahl der Personen pro Haushalt seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Während 1900 im Durchschnitt fast fünf Personen und im Jahr 1950 immerhin noch drei Personen in einem Haushalt lebten, liegt die durchschnittliche Anzahl der Personen pro Haushalt derzeit bei nur noch rund zwei Personen.

Abbildung 9: Veränderung der Haushaltsgröße in Deutschland seit Anfang des 20.

Jahrhunderts