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8  Diskussion

8.3  Optimierungsmöglichkeiten deutscher Packungsbeilagen

8.3.2  Sonstige Optimierungsmöglichkeiten

8.3.2.1 Stärkeres Hervorheben des Nutzens der Arzneimitteltherapie

Die Beschreibung des Nutzens wäre gemäß Kapitel 8.2.1.1 in deutschen Packungsbeilagen empfeh-lenswert, wobei dies auf einen Umfang von maximal 80 Wörtern begrenzt werden sollte.

Angaben zum Nutzen der Therapie werden zwar nicht explizit im Katalog der Pflichtangaben im § 11 des deutschen Arzneimittelgesetzes genannt, jedoch sind sie im begrenzten Umfang im Zusammen-hang mit einer patientenfreundlichen Beschreibung der verpflichtend aufzunehmenden „Stoff- und Indikationsgruppe“ beziehungsweise des Wirkmechanismus zulässig173 385. Dies trifft z.B. auf den Hinweis „erweitert die Blutgefäße und senkt dadurch Ihren Blutdruck“ zu, der die Blutdrucksenkung als Nutzen und Ziel der Behandlung nennt. Diese patientenorientierte Erklärung des Wirkmechanis-mus und Behandlungsziels ist im Sinne des Patienten, da die bloße Benennung der Stoff- und Indi-kationsgruppe den meisten Patienten wenig hilfreiche Informationen bietet.

Bei darüber hinausgehenden Angaben zum Nutzen der Behandlung würde es sich um „weitere Anga-ben“ nach § 11 AMG handeln173. Auch derartige Angaben sind unter Umständen rechtlich zulässig.

Das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union mit der Richtlinie 2001/83/EG lässt explizit weitere Informationen zu, sofern diese mit den Angaben der Fachinformation zu vereinbaren und für den Patienten wichtig sind, was auf den Nutzen der Arzneimitteltherapie zutreffen sollte156. Allerdings schränkt das AMG diese Angaben dahingehend ein, dass sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen müssen173. Vom deutschen Schrifttum und der Rechtsprechung werden beispielsweise die Compliance unterstützende Hinweise und Informationen zur Wirkungsweise auch im Vergleich mit anderen Therapien sowie zu Eigenschaften des Arzneimittels und zur Grundkrank-heit oder Begleitmaßnahmen als zulässige „weitere Angaben“ eingestuft327343376. Daher wären weiter-gehende Hinweise zum Nutzen der Therapie, wie die Bewertung der Wirksamkeit und das Einsetzen des Behandlungserfolges, aufgrund der von Berry et al. nachgewiesenen Steigerung der Therapiezu-friedenheit des Patienten durchaus als zulässig anzusehen1529.

Allerdings darf aus solchen Angaben keine überschießende Werbewirkung resultieren. Zwar kommt der Beschreibung von Nutzen und Wirkungsweise eine Werbewirkung zu, allerdings wird eine gewisse Werbewirkung bei „weiteren Angaben“ als zulässig und unvermeidbar bewertet373379. Gleich-zeitig darf durch die „weiteren Angaben“ die Allgemeinverständlichkeit nicht gemindert werden und eine ordnungsgemäße Anwendung muss gesichert sein, da dies ein wichtiger Schutzzweck der arznei-mittelrechtlichen Regelungen ist173385. Folglich dürfen aus den Erläuterungen auch keine nicht zuge-lassenen Indikationen ableitbar sein. Hinzu kommt, dass die „weiteren Angaben“ keinesfalls zu einer Verharmlosung von Arzneimittelrisiken führen dürfen343 378. Es sollte daher vermieden werden, Hinweise wie „nicht selten werden die Risiken des Präparats überbewertet und der Nutzen unter-schätzt“ oder „das Arzneimittel ist sehr gut verträglich“ als „weitere Angaben“ aufzunehmen.

Außerdem müssen „weitere Angaben“ in Übereinstimmung mit § 11 AMG deutlich abgesetzt und abgegrenzt erscheinen, was durch eine Anordnung am Ende der Packungsbeilage und Einfügung eines Trennstrichs gegeben wäre385.

Zum Teil wird im Schrifttum angenommen, dass eine Anordnung „weiterer Angaben“, die im direkten Zusammenhang mit einer Pflichtangabe stehen und diese vertiefen, zusammen mit diesen Pflichtanga-ben zulässig ist385. Allerdings wäre dies nur möglich, wenn keine Gefahr einer Ablenkung von den Pflichtangaben besteht. Da durch zusätzliche Angaben der Textumfang der Pflichtangaben zunehmen würde, kann hierdurch die Auffindbarkeit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Angaben erschwert werden, weshalb dies sorgfältig abgewogen werden muss1462. Aus diesem Grund ist die vorgeschlagene Begrenzung des zu ergänzenden Textumfangs erforderlich, damit der mögliche positive Einfluss auf die Behandlungszufriedenheit und die Compliance nicht negiert wird1462152715291531.

Die Aufnahme eines separaten Abschnitts zum Nutzen der Behandlung, wie dies in den USA für orale Kontrazeptiva vorgeschrieben ist, erfordert für deutsche Packungsbeilagen die Änderung von Gesetzen173204. Da aber die bisherigen Regelungen genügend Spielraum für „weitere Angaben“ lassen, ist eine derartige Änderung von Rechtsnormen als nicht erforderlich und aufgrund der Zunahme des Textumfangs als nicht sinnvoll zu bewerten.

8.3.2.2 Hervorheben positiver Effekte der Compliance und/oder Folgen der Non-Compliance

Vorbild für diesen Optimierungsansatz bilden die Anforderungen in Österreich, die explizit auch Warnungen auf mögliche Schädigungen oder Gefährdungen vorschreiben infolge einer Nichtbeach-tung der Anweisungen der Packungsbeilage. Derartige Angaben sind in Österreich für das Kapitel Warnhinweise vorgesehen und werden gemäß Kapitel 5.3 vom Fachpersonal gewünscht180.

Da sowohl in den Richtlinien der Europäischen Union wie auch im § 11 AMG nur von Warnhin-weisen oder Gefahren von unerwünschten Folgen des Absetzens gesprochen wird, liegt es in der Ver-antwortung des pharmazeutischen Unternehmers, in diesem Abschnitt entsprechende Hinweise aufzu-nehmen156173. Hinweise auf mögliche negative Konsequenzen einer Non-Compliance sind als zulässig und haftungsrechtlich erforderlich zu bewerten343. Dies betrifft Angaben:

zum Abhängigkeitspotential von Benzodiazepinen bei Langzeitanwendung

zur Resistenzbildung bei Unterdosierung eines Antibiotikums

zur Reizung der Speiseröhre bei Bisphosphonat-Einnahme infolge einer falschen Anwendung.

Aber auch ein genereller Hinweis, dass der Therapieerfolg bei einer von den Angaben der Packungs-beilage abweichenden Anwendung des Arzneimittels beeinträchtigt wird, ist denkbar. Berücksichtigt man allerdings den rein protektiven Charakter dieses Hinweises, so ist in Übereinstimmung mit verschiedenen Untersuchungen gemäß Kapitel 7.5.1 eine positive Darstellungsperspektive zu empfeh-len15351542. Dadurch kann eine überzeugendere Wirkung erzielt werden, so dass die positiven Effekte einer Einhaltung der Anweisungen herausgestellt werden sollten und nicht die negativen Konse-quenzen einer Non-Compliance. Derartige Hinweise sollten idealerweise direkt in dem jeweils geeig-neten Abschnitt der Packungsbeilage erscheinen, um deren Beachtung hervorzuheben. Außerdem sollte auch hier der Umfang der Hinweise auf beispielsweise ein bis zwei Sätze begrenzt sein.

8.3.2.3 Informationen zur Überwachung des Therapieerfolges

Auch Angaben zur Überwachung des Therapieerfolges wurden, wie im Kapitel 5.3 und 6.3 erwähnt, explizit vom Fachpersonal und von den Patienten für Packungsbeilagen gewünscht und deren Ergän-zung wäre grundsätzlich als sinnvoll zu bewerten.

Zum Teil sind solche Angaben bereits in den behördlich empfohlenen allgemeinen Hinweisen am Anfang einer deutschen Packungsbeilage enthalten, denn der Patient wird im Falle rezeptfreier Arznei-mittel an den Arzt verwiesen, wenn sich sein Beschwerden nach einer vom Wirkstoff abhängigen Zeit nicht bessern oder sogar verschlechtern128. Jedoch ist ein Verschieben dieses Hinweises zu den Dosie-rungsangaben empfehlenswert, da seine Inhalte die Therapiedauer betreffen und diese Angaben bei rezeptfreien Arzneimitteln ohnehin zumeist im Kapitel Dosierung wiederholt werden1625 1626. Damit werden Redundanzen und folglich eine Steigerung des Textumfangs vermieden. Zudem ist der Nutzen der behördlich vorangestellten allgemeinen Hinweise, wie im Kapitel 8.2.1.1 beschrieben, fragwürdig.

Ein Hinweis zur Überwachung des Therapieerfolges wäre jedoch auch für rezeptpflichtige Arznei-mittel geeignet, da es sich nicht immer um eine Langzeittherapie handelt, bei der der Arzt regelmäßig aufgesucht wird. So ist es auch für diese Arzneimittel wichtig, dass der Patient angewiesen wird, den Arzt bei ausbleibender Besserung oder Verschlechterung der Symptome beispielsweise bei einer Antibiotikatherapie aufzusuchen. Diese Hinweise sollten direkt bei den jeweils betreffenden Pflicht-angaben ergänzt werden, was bei Relevanz arzneimittelrechtlich zulässig und haftungsrechtlich erfor-derlich ist173343.

8.3.2.4 Kennzeichnung schwerwiegender Nebenwirkungen

Grundsätzlich ist das Hervorheben schwerwiegender Nebenwirkungen zu befürworten und sollte in deutschen Packungsbeilagen stärker berücksichtigt werden, was auch beispielsweise Fuchs empfiehlt76

121712911435. Dies kann rechtlich erforderlich sein, um dem Patienten die Bedeutung der Warnung sowie die Schwere der Gefahr und folglich den Handlungsbedarf zu vermitteln214414 425. Außerdem erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass die Hinweise gesehen werden, was wiederum das Merken unterstüt-zen kann133913531402. Hierzu werden in der Literatur gemäß Kapitel 7.3.2 zahlreiche Möglichkeiten zum Hervorheben wichtiger Informationen beschrieben.

Ein Kennzeichnen und Hervorheben schwerwiegender Nebenwirkungen ist zwar nicht im Artikel 59 der Richtlinie 2001/83/EG oder im § 11 des Arzneimittelgesetzes explizit gefordert, wird jedoch

sowohl in der „readability guideline“ als auch in den Textvorlagen des BfArM nahegelegt128156158173. Es ist demzufolge als rechtlich zulässig zu bewerten, schwerwiegende Nebenwirkungen separat zu kennzeichnen. Allerdings ist die in der „readability guideline“ empfohlene Methode zum Hervorheben schwerwiegender Nebenwirkungen gemäß Kapitel 7.3.3 durch die daraus resultierenden Wiederho-lungen kritisch zu bewerten1402. Dagegen lassen die Textvorlagen des BfArM dem pharmazeutischen Unternehmer die Möglichkeit, das Kapitel zu Nebenwirkungen für das jeweilige Arzneimittel geeignet zu strukturieren128. Um beispielsweise die von Fuchs und Götze beschriebene geeignetere Kennzeich-nung der Nebenwirkungen besser umsetzen zu können, sollten die Vorgaben der „readability guideline“ angepasst werden1402. Da diese Leitlinie nur unverbindlichen Rechtscharakter hat, ist eine Anpassung der Anordnung der Nebenwirkungen abweichend von der „readability guideline“ rechtlich zulässig281 1627. Dass die behördlichen Leitlinien damit den Stand der Wissenschaft abbilden, kann darüber hinaus nicht belegt werden, zumal die Datenlage mehr für das Hervorheben schwerwiegender Nebenwirkungen im Text anstatt einer Wiederholung spricht1462.

Außerdem sollten stets konkrete Handlungsanweisungen beim Auftreten schwerwiegender Neben-wirkungen erteilt werden, da die Patienten sonst die erforderlichen Handlungen und mögliche Folgen bei deren Unterlassung nur schwer einschätzen können1469. Dies wurde bereits von verschiedenen Au-toren für Packungsbeilagen empfohlen76 1217 1396. Eine solche Angabe von Handlungsanweisungen ist rechtlich erforderlich, sofern ein möglicher Schaden bei Unterlassen der Handlungen resultieren könnte, da der pharmazeutische Unternehmer alle zur Schadensverhinderung und -minderung notwen-digen Hinweise zu erteilen hat385414.

8.3.2.5 Verwendung gleicher Wörter bei Begriffswiederholungen

Zu empfehlen ist weiterhin die Verwendung einheitlicher Begriffe in Packungsbeilagen bei Begriffs-wiederholungen wie dies auch andere Autoren bereits nahegelegt haben13211350. Auch in diesem Punkt bestehen Schwachstellen in den Textvorlagen der QRD-Gruppe sowie des BfArM, weil diese zum einen den Begriff „Gebrauchsinformation“ gemäß § 11 AMG als Überschrift der Packungsbeilage vorschreiben und im Folgetext den Begriff „Packungsbeilage“ verwenden128162 173. Eine einheitliche Nomenklatur ist zu empfehlen, entweder durch generelle Verwendung des Begriffs „Packungsbei-lage“, was neben der Änderung der Vorlagen der QRD-Gruppe sowie des BfArM auch eine Änderung im § 11 AMG erforderlich macht, oder indem nur das Wort „Gebrauchsinformation“ benutzt wird.

Unabhängig von dieser behördlich bedingten uneinheitlichen Nomenklatur sollten auch die pharma-zeutischen Unternehmer bei der Formulierung von Packungsbeilagen im Sinne des Patienten verstärkt auf eine einheitliche Begriffswahl achten.

8.3.2.6 Verwendung kurzer Sätze in der Packungsbeilage

Packungsbeilagen sollten gemäß Kapitel 7.2.2 kurze und einfache Sätze enthalten. Dies haben auch zahlreiche andere Autoren nahegelegt.

Wie im Kapitel 8.2.3 beschrieben, ergeben sich Schwachstellen auch diesbezüglich bereits aus den Textvorlagen des BfArM und den QRD-Vorlagen, da diese Sätze enthalten, die weit über die von ver-schiedenen Autoren generell empfohlene Satzlänge von 15 bis 20 Wörtern hinausgehen162 401 13511358.

Beispiele für deren Kürzung sind in Tabelle 35 aufgeführt. Analog zu zuvor geschilderten Opti-mierungsoptionen könnte aus rein rechtlicher Sicht von diesen Textvorlagen abgewichen werden. Das BfArM wird allerdings die Übernahme der Textvorlagen zumeist einfordern, was es dem pharma-zeutischen Unternehmer in der Praxis erschweren könnte, davon abzuweichen1628.

Darüber hinaus sind auch die pharmazeutischen Unternehmer gefordert, die in den Guidelines verlang-ten kurzen Sätze und Stichpunkte konsequenter umzusetzen. Eine präzisere Definition eines kurzen Satzes beziehungsweise Stichpunktes, wie sie in der alten „readability guideline“ von 1998 noch be-stand, ist in diesem Zusammenhang bedeutend zielorientierter als die unpräzise Formulierung vom Januar 20091581359.

Tabelle 35: Beispiele für eine mögliche Anpassung der Satzlänge von in den Textvorlagen des BfArM vorgegebenen Formulierungen128

Empfohlener Hinweis

Wort-anzahl

Mögliche Anpassung des Hinweises

Wort-anzahl

„Bitte informieren Sie Ihren Arzt oder Apotheker, wenn Sie andere Arzneimittel einnehmen/anwenden bzw. vor kurzem eingenommen/angewendet haben, auch wenn es sich um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt.“

26 „Informieren Sie Ihren Arzt oder Apotheker über alle in den letzten 30 Tagen ange-wendeten Mittel.“

15

„Informieren Sie bitte Ihren Arzt oder Apotheker, wenn eine der aufgeführten Nebenwirkungen Sie erheblich beeinträchtigt oder Sie Nebenwirkungen bemerken, die nicht in dieser Gebrauchsinformation angegeben sind.“

26 „Informieren Sie Ihren Arzt oder Apotheker bei aufgetre-tenen Nebenwirkungen“.

9

8.3.2.7 Hervorheben wichtiger Informationen

In Packungsbeilagen sollten besonders wichtige Informationen gemäß Kapitel 7.3.2 hervorgehoben werden, um Patienten hierauf stärker aufmerksam zu machen und das Merken der Hinweise zu unter-stützen. Diese Empfehlung wird auch von zahlreichen anderen Autoren erteilt133913531435.

Allerdings bestehen unterschiedliche Möglichkeiten zum Hervorheben von wichtigen Angaben. Zum einen wird eine speziell umrahmte Box mit hinterlegter Schattierung empfohlen1394 1404 1408. Das ver-mindert jedoch den Kontrast zum Hintergrund und folglich die Leserlichkeit. Die in einem Kasten enthaltenen Informationen können wiederum von den Patienten übersehen werden1409 1410. Alternativ wird Fettdruck einzelner Schlüsselbegriffe empfohlen, wobei das immer wieder in Stufenplantexten praktizierte fett drucken ganzer Teilsätze beziehungsweise Sätze oder komplexe Hervorheben durch Fettdruck und Unterstreichungen unbedingt vermieden werden sollten16291630. Dies betrifft auch die von pharmazeutischen Unternehmern verfassten Texte1407.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nicht hervorgehobene automatisch gegenüber den hervorgeho-benen Angaben in der Auffindbarkeit zurücktreten. Dies könnte für den pharmazeutischen Unterneh-mer haftungsrechtliche Konsequenzen haben, wenn die Gefahr besteht, dass nicht hervorgehobene Hinweise infolgedessen übersehen werden oder diese Hinweise nicht mehr deutlich genug erteilt werden76. Daher sollte das Hervorheben stets auf die wichtigsten Informationen begrenzt werden.