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4  Rechtliche Anforderungen an Packungsbeilagen

4.2  Anforderungen in der Europäischen Union

4.2.3  Österreich

4.2.3.3  Haftungsrechtliche Anforderungen nach österreichischem Recht

Schadensersatzansprüche aufgrund von Arzneimittelschäden können in Österreich zum einen aufgrund von Schutzgesetzverletzungen, aufgrund einer Vertragsverletzung bzw. basierend auf deliktischen Ansprüchen wegen schuldhaften und rechtswidrigen Verhaltens gemäß Allgemeinem Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) geltend gemacht werden. Zum anderen kommt die verschuldensunabhängige Haftung nach österreichischem Produkthaftungsgesetz in Frage (Abbildung 11).

Schadensersatzansprüche aufgrund:

Haftung aus Vertrag nach § 1295 ABGB in Verbindung mit

§ 1313a ABGB

verletztes Schutzgesetz in Verbindung mit

§ 1311 ABGB

Österreichisches

Produkthaftungs-gesetz (PHG)

Vertragsverletzung Inverkehrbringen eines

fehlerhaften Produktes Deliktische Haftung

nach § 1295 ABGB in Verbindung mit

§ 1315 ABGB Verletzung einer Verhaltenspflicht

Verletzung eines Schutzgesetzes Schadensersatzansprüche aufgrund:

Haftung aus Vertrag nach § 1295 ABGB in Verbindung mit

§ 1313a ABGB

verletztes Schutzgesetz in Verbindung mit

§ 1311 ABGB

Österreichisches

Produkthaftungs-gesetz (PHG)

Vertragsverletzung Inverkehrbringen eines

fehlerhaften Produktes Deliktische Haftung

nach § 1295 ABGB in Verbindung mit

§ 1315 ABGB Verletzung einer Verhaltenspflicht

Verletzung eines Schutzgesetzes

Abbildung 11: Mögliche Anspruchsgrundlagen zur Haftung bei Arzneimittelschäden in Österreich

Obwohl das deutsche Arzneimittelgesetz eine Vorbildfunktion für das österreichische Arzneimittel-gesetz (AMG) hatte, wurde darin explizit keine Spezialregelung für die Arzneimittelhaftung aufge-nommen613. Das österreichische AMG enthält jedoch als Schutzgesetze einzustufende Normen. Diese Rechtsnormen, deren Ziel es ist, bestimmte Rechtsgüter des Einzelnen zu schützen, bilden in Verbin-dung mit § 1311 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) eine Grundlage für eine ver-schuldensabhängige Haftung218. Schutzgesetzcharakter haben auch die Abschnitte des österreichischen AMG, die Anforderungen an die Packungsbeilage formulieren (§§ 16 und 16a-c AMG). Die schuld-hafte Verletzung dieser Schutznormen löst eine Haftung gemäß § 1311 ABGB mit Schadensersatzan-sprüchen des Geschädigten aus606613. Infolgedessen ist der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, die Anforderungen der §§ 16 ff. zu erfüllen und allen zulassungspflichtigen Arzneimitteln eine Packungsbeilage mit den geforderten Angaben beizulegen.

Anders als im deutschen Recht kann sich ein produktgeschädigter Verbraucher in Österreich außerdem auf vertragliche Ansprüche gegen den Hersteller berufen. Dies gilt auch, sofern kein direktes Ver-tragsverhältnis besteht, da zwischen dem Hersteller und dem Abnehmer ein Vertrag mit Schutzwir-kung zugunsten des privaten oder gewerblichen Endabnehmers angenommen wird614615. Schutzpflich-ten bestehen in Bezug auf absolut geschützte Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum417. Für den Hersteller ergibt sich in diesem Zusammenhang die Pflicht, sichere und beim bestimmungsge-mäßen Gebrauch sowie naheliegenden Fehlgebrauch gefahrlose Produkte herzustellen, was Aufklä-rungs- und Warnpflichten des Herstellers bedingt616617. Beispielsweise hatte ein Weinbauer in einem Fall vor dem obersten Gerichtshof einen Anspruch gegenüber einem Hersteller eines Desinfektions-mittels geltend gemacht, durch dessen Benutzung zur Reinigung seiner Anlagen der Wein ungenießbar geworden war. Das Gericht warf dem Hersteller vor, eine Warnung vor den Folgen zu hoch konzen-trierter Lösungen und geringer Nachreinigung pflichtwidrig unterlassen und einen Ausschluss dieses Produkteinsatzes sowie einen Hinweis auf die begrenzte Eignung nicht vorgenommen zu haben, ob-wohl ihm eine solche Verwendung und deren Folgen bekannt oder für ihn herleitbar waren618.

Wird nun ein Verbraucher infolge eines mangelhaften Produkts geschädigt, so haftet der Hersteller wegen einer positiven Vertragsverletzung. Der Hersteller hat folglich seine vertragliche Leistung durch Bereitstellung eines Produkts erbracht, allerdings war die Leistung z.B. infolge einer fehler-haften Packungsbeilage nicht ordnungsgemäß, wodurch Rechtsgüter des Anwenders verletzt wurden417. Vor Gefahren, die dem Verbraucher bekannt sind, oder ungewöhnlichen Risiken muss hin-gegen zur Erfüllung der dem Hersteller auferlegten Hinweispflicht nicht gewarnt werden619620.

Selten wird in Produkthaftungsfällen eine Ersatzpflicht auf Normen gestützt, die einen Anspruch ohne Bestehen eines Vertrages bei rechtswidriger und schuldhafter Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts wie Leben oder Gesundheit begründen. Es handelt sich dabei um die deliktische Haftung gemäß §§ 1295 ff. ABGB313318. Grund dafür ist, dass der Hersteller zumeist selbst nicht der Schuldner ist, sondern der Schuldner ist meist ein Angestellter. Für dessen Verschulden haftet der Hersteller so-fern kein Vertrag angenommen wird nur eingeschränkt nach § 1315 ABGB. Er wäre nur haftbar, wenn es sich bei dem Angestellten um eine ungeeignete oder wissentlich gefährliche Person handelt. Daher werden Ansprüche in der Regel unter Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach § 1295 ABGB geltend gemacht in Verbindung mit § 1313a (besondere Gehilfenhaftung)318. Da-nach haftet der Hersteller für jedes Verschulden seiner Gehilfen, z.B. seiner Angestellten, und der Geschädigte wird außerdem besser gestellt621. Dem Hersteller obliegt zudem neben der allgemeinen Sorgfaltspflicht gemäß § 1297 ABGB eine erhöhte Schutz- und Sorgfaltspflicht nach § 1299 ABGB, da er als Fachmann anzusehen ist313622. Maßgeblich ist daher die branchenübliche Sorgfalt eines Her-stellers623. Sofern dieser gefährliche Produkte in den Verkehr bringt, hat er stets dafür Sorge zu tragen, dass niemand geschädigt wird624625626. Daraus resultieren Instruktionspflichten analog dem deutschen Recht. Den pharmazeutischen Unternehmer trifft außerdem eine Produktbeobachtungspflicht, die ins-besondere aufgrund seiner ins-besonderen Fachkenntnis z.B. die Aufnahme neuer Warnungen beinhaltet.

Eine weitere Grundlage für eine Haftung bildet das österreichische Produkthaftungsgesetz (PHG) vom 21. Januar 1988, welches auf Arzneimittel anwendbar ist und eine verschuldensunabhängige Haftung statuiert220. Es wich zunächst in einigen Punkten von den europäischen Vorgaben der Produkthaftungs-richtlinie ab, wurde jedoch nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (EU) mit dem EWR-Anpassungsgesetz in eine richtlinienkonforme Fassung überführt211627. Die Haftung für infolge des fehlerhaften Produkts eingetretene Schäden an Personen oder Sachen trifft nach § 3 PHG primär den Hersteller, jedoch auch den Quasi-Hersteller, der als Hersteller auftritt, indem er seinen Namen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt313 628. Ein in den Verkehr gebrachtes Produkt ist nach dem österreichischen PHG und analog der EU-Produkthaftungsrichtlinie fehlerhaft, sofern die Sicherheitserwartungen eines typischen Verbrauchers zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erfüllt sind629630631.

Das österreichische PHG bedingt insofern Instruktionspflichten des Herstellers, deren Verletzung wegen fehlender oder mangelhafter Instruktion oder unzureichender Warnung vor gefahrbringenden Eigenschaften zur Fehlerhaftigkeit des Produkts führen kann632 633. Zu diesen Instruktionspflichten gehört es, den Verbraucher auf gefährliche Eigenschaften des Produkts hinzuweisen sowie vor einem bestimmungswidrigen vorhersehbaren Fehlgebrauch zu warnen634 635 636. Beispielsweise hatte es ein Hersteller von Ohrstöpseln, die auch über Apotheken vertrieben wurden, pflichtwidrig unterlassen, die Verwendung durch Personen nach Radikaloperationen auszuschließen. Außerdem fehlten Warnungen vor möglichen Folgen einer falschen Anwendung wie eines zu weiten Eindringens in den Gehörgang.

Der Geschädigte, der am Ohr operiert war, hatte die Ohrstöpsel in zu dünner Form und zu tief in den Gehörgang eingeführt, so dass der Ohrstöpsel sich nur schwer entfernen ließ und Schmerzen verur-sachte637. Die Gefahr wurde als für den Hersteller vorhersehbar gewertet.

Die nach dem österreichischen PHG erforderlichen Hinweise in Instruktionstexten müssen sich eben-falls am Stand der Wissenschaft und Technik orientieren und an der am wenigsten informierten und damit am meisten gefährdeten Benutzergruppe ausgerichtet sein638639. Die Warnhinweise müssen ein-deutig, deutlich erkennbar sowie allgemeinverständlich formuliert sein und das spezielle Risiko in seiner ganzen Tragweite möglichst eindrucksvoll schildern640. Die erforderlichen Warnhinweise müssen besonders deutlich ausfallen, sofern die potentiellen Schadensfolgen schwer sind oder die Gefährlichkeit nicht offensichtlich ist640. Die Instruktion muss dadurch geeignet sein, das Risiko einer Rechtsgutverletzung auszuschließen641. Vor unvorhersehbaren oder absurden Gebrauchsarten oder Gefahren, die im Erfahrungswissen eines typischen Abnehmers liegen, muss hingegen nicht gewarnt werden und der Hersteller muss hierfür auch nicht rechtlich einstehen642643634644.

Die aus dem österreichischen PHG ableitbaren Instruktionspflichten gelten jedoch nicht zwangsläufig durch Erfüllung gesetzlicher Anforderungen z.B. mit der Zulassung eines Arzneimittels als umgesetzt.

Das Produkt sowie die Instruktionen können dennoch fehlerhaft sein613. Ist der Fehler jedoch auf eine zwingende Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung zurückzuführen, die dem Hersteller keine Alternative lässt, so ist eine Entlastung des Herstellers möglich606. Als solche Rechtsvorschriften werden auch die Normen der Verordnungen über die Gebrauchsinformation angesehen606. In diesem Fall kann der Geschädigte lediglich Ansprüche gegen den Rechtsträger geltend machen606. Eine Ent-lastung ist ferner denkbar, sofern der Fehler zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte.

Umstritten ist, ob bereits eine Packungsbeilage, die lediglich fehlerhafte Angaben enthält, wie eine falsche Dosierungsanleitung, und damit erst eine falsche Anwendung des eigentlich sicheren Produkts bedingt, eine Haftung nach dem österreichischen PHG auslösen kann417. In der österreichischen Rechtsliteratur wird die Haftung für derartige Auskunftsfehler zumeist abgelehnt, da das geistige Werk selbst nicht als Produkt im Sinne des PHG angesehen wird645. Solche Fälle werden eher der Verschul-denshaftung, die ein Verschulden des Auskunftsfehlers voraussetzt, zugeordnet305. Haftbar nach PHG sind hingegen Schäden, die direkt durch das geistige Werk entstehen645.

Weitere Instruktionspflichten leiten sich aus dem österreichischen Produktsicherheitsgesetz (PSG) ab, das der Umsetzung der EU-Produktsicherheitsrichtlinie dient213. Gemäß PSG sind zum einen Hinweise auf mögliche Gefahren der Produktanwendung sowie Warnhinweise zur Vermeidung der Risiken er-forderlich. Außerdem wird eine Produktbeobachtungspflicht des Herstellers statuiert. Das PSG kommt auch in Österreich allerdings nur für jene Aspekte und Risikokategorien zur Anwendung, die im österreichischen Arzneimittelgesetz nicht dem Ziel des PSG entsprechend geregelt sind646.

Außerdem sind spezielle Regelungen des österreichischen AMG zu beachten. Werden Arzneimittel entgegen den §§ 16, 16a und 16b des österreichischen AMG oder einer entsprechenden Verordnung fahrlässig oder schuldhaft in den Verkehr gebracht, so ist dies eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe belegt ist179 611. Außerdem kann die Versagung der Zulassung resultieren179. Auch irreführende oder den Tatsachen widersprechende Angaben sind im österreichischen AMG unter-sagt647. Zudem kann eine Haftung nach dem österreichischen Strafrecht resultieren, wenn vorsätzlich oder fahrlässig ein Totschlag oder eine Körperverletzung nachweisbar ist219.

4.2.3.4 Heilmittel- und wettbewerbsrechtliche Anforderungen nach österreichischem Recht