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7  Gestaltungsmöglichkeiten für Packungsbeilagen

7.2  Einfachheit der Packungsbeilagen

7.2.1 Terminologie und Wortwahl

Grundsätzlich sollte die Packungsbeilage weitgehend frei von Fremdwörtern bzw. Fachtermini sein1318

13191320. Solche Begriffe sollten nur verwendet werden, wenn diese bereits in den allgemeinen Sprach-gebrauch übergegangen sind wie der Begriff „Antibiotikum“ 1321. Auch Begriffe wie „chronisch“ oder

„Nierenversagen“ sowie „Koma“ bereiteten weniger als einem Drittel der befragten Patienten in einer Untersuchung von Greif Verständnisschwierigkeiten1322. Die Angabe von Fachtermini kann außerdem erforderlich sein, wenn die Verständlichkeit für den Patienten durch eine Umschreibung eher vermin-dert und der Inhalt unpräziser wird. Sind Fachbegriffe erforderlich bzw. unvermeidbar, so sollten diese in einfacher Sprache erklärt werden1323132413251326.

Der Fachbegriff sollte lediglich als Ergänzung folgen und damit nicht das zentrale Informations-element darstellen, beispielsweise in Klammern hinter der patientenfreundlichen Erklärung108511361327. Soweit möglich sollten Beispiele oder Symptome bei Angabe einer bestimmten Krankheit genannt werden, um das Verständnis zu erleichtern und Fehlinterpretationen zu vermeiden9071328.

Die fehlende Kenntnis medizinischer Fachtermini vieler Patienten, insbesondere der Patienten mit niedrigerem Bildungsstand, konnte in zahlreichen Untersuchungen bestätigt werden12921329 13301331. Sie kann zu einer fehlerhaften Deutung der Begriffe sowie zu einer dadurch bedingten generellen Angst der Patienten führen13321333. Beispielsweise werden Begriffe wie Atherosklerose, hypertoner Blutdruck, Gravidität oder parenterale Gabe von den Patienten vielfach falsch interpretiert90 1334 1335 1336. In der Untersuchung von Lehrl et al. mit deutschen Packungsbeilagen wurde der Begriff hypertoner Blut-druck von über 20 Prozent der befragten Patienten als sehr guter BlutBlut-druck gedeutet. Parenterale Gabe wurde von den Patienten teilweise mit oraler Applikation verwechselt1336. Nur etwa 36 Prozent der 245 befragten Patienten konnten in einer Studie von Shaughnessy in den USA den Begriff Diuretikum korrekt erklären1334. Auch eine Untersuchung der Verständlichkeit von in deutschen Packungsbeilagen gängigen Fachtermini der im Jahr 2005 verordnungsstärksten Arzneimittel konnte diese Verständnis-schwierigkeiten bestätigen. So konnte keiner der befragten Patienten die Begriffe Synkope, Palpitationen oder Arthralgie korrekt erklären. Auch zahlreiche andere Termini wie Myalgie, Pruritus oder Angioödem konnten von mehr als 90 Prozent der Patienten nicht richtig gedeutet werden1322. Eine Vermeidung bzw. patientenfreundliche Umschreibung der medizinischen Fachtermini führte in Untersuchungen zu einer besseren Verständlichkeit von Packungsbeilagen93 11091327. Hohgräwe konnte im Jahr 1988 durch Vermeiden von Fremdwörtern in Packungsbeilagen etwa 72 Prozent verständige Leser der zumeist älteren befragten Personen hinzugewinnen93. Zudem wird von einem positiven Ein-fluss auf die Patienten-Compliance ausgegangen1337. Ebenso sollten Abkürzungen in Packungsbeilagen vermieden bzw. entsprechend für den Patienten definiert werden, da der Patient die Abkürzungen nicht zwangsläufig kennt und versteht133813391340.

Weiterhin sollten im Text möglichst einfache, kurzsilbige und im allgemeinen Sprachgebrauch häufig verwendete Wörter eingesetzt werden, da diese leichter von den Patienten verstanden und die Instruk-tionen folglich leichter behalten werden1341134213431344. Dies konnte eine Studie von Marks et al. aufzei-gen, in der die 222 befragten Kinder bei Verwendung gängiger Wörter signifikant höhere

Verständnis-leistungen zeigten1345. Außerdem dauerte die kognitive Verarbeitung seltener Wörter in der Unter-suchung von Foss signifikant länger, als bei Verwendung gängigerer Vokabeln1346. Auch die Verwen-dung langer Wörter sollte vermieden werden1347. Beispielsweise besteht ein von Fuchs entwickeltes Qualitätskriterium zur Beurteilung von Packungsbeilagen in dem Fehlen von Wörtern mit mehr als 20 Buchstaben1291. Weiterhin empfehlen zahlreiche Autoren, konkrete und damit anschaulich vorstellbare Wörter wie „sichtbar“, „doppelt“ oder „kühl“ gegenüber abstrakten Begriffen wie „speziell“ oder „be-trächtlich“ zu bevorzugen. Konkrete, anschauliche Wörter erleichtern die Informationsverarbeitung und förderten in Untersuchungen das Merken der erhaltenen Informationen1080 10961314 1337. Zu solchen Wörtern können schneller anschauliche Vorstellungen entwickelt werden als zu abstrakten Begriffen, und die Information kann folglich sowohl bildlich wie auch verbal verarbeitet werden1313. Übersteigt der Anteil abstrakter Substantive, zu denen zumeist Nomen mit den Endungen -ismus, -keit oder -ung gezählt werden, wie Mechanismus, Häufigkeit oder Bewertung, einen Wert von 31,25 Prozent, so wird ein Text gemäß Günther und Groeben als sehr abstrakt bezeichnet1348.

Werden im Text einzelne Begriffe wiederholt, so sollten gemäß Raynor stets die gleichen Wörter ver-wendet werden, da auch dies die Verständlichkeit und das Merken der Informationen durch den Patienten verbessert1321. Dieser Empfehlung schließen sich auch andere Autoren an134913501351. Darüber hinaus wird in verschiedenen Leitlinien zur patientenorientierten Gestaltung schriftlicher Arzneimittel-informationen nahegelegt, bei Verwendung von Zahlen im Text, z.B. zur Angabe der Dosierung, zur einfacheren Erkennbarkeit bevorzugt Ziffern einzusetzen. Auf die Angabe einer Zahl in Worten sollte möglichst verzichtet werden132413411344.

7.2.2 Satzstruktur und Grammatik

Zu empfehlen sind einfache und idealerweise nur ein Verb enthaltende Sätze, die von den Patienten ebenfalls leichter verstanden und deren Aussagen besser gemerkt werden1339 1341 1347 1352. Außerdem kann sich dies positiv auf die Motivation zum Lesen des Textes auswirken1353. Auf komplexe, aus mehreren Teilsätzen zusammengesetzte Sätze ist weitgehend zu verzichten, da diese die Lesege-schwindigkeit herabsetzen und das Verständnis erschweren1331 1338 1339 1351. Dies konnten eine Unter-suchung von Hamilton und Deese sowie eine Studie von Coleman bestätigen, in der einfache Satzkon-struktionen als verständlicher bewertet wurden und deren Inhalte von den Befragten besser gemerkt werden konnten als Satzgebilde mit eingebetteten Relativsätzen1354 1355. Fuchs empfiehlt daher in sei-nem Katalog von Qualitätskriterien für Packungsbeilagen die Verwendung von maximal zwei Teil-sätzen1291. Eine monotone Satzstruktur sowie zu kurze Sätze sind nach Ludwig jedoch zu vermeiden, da auch dies die Verständlichkeit mindern kann1314. Auch auf grammatikalisch schwierige Sprachmus-ter, wie Klemmkonstruktionen aus Partizipial- oder komplexen Nominalgruppen, die von Hoffmann in Packungsbeilagen identifiziert werden konnten, sollte verzichtet werden13391356.

Außerdem ist auf eine übersichtliche und einfache Wortstellung zu achten9071349. Eine die Verständ-lichkeit erschwerende komplexe Interpunktion und Klammersetzung sind ebenfalls zu meiden. Gemäß Amstad wird das Textverständnis umso mehr erschwert, je größer die Anzahl der umklammerten In-formationen ist1357. Daher wird von Autoren wie Raynor empfohlen, nur wenn dies unumgänglich ist, wenige Wörter in die Klammer zu setzen oder stattdessen mehrere Sätze zu bilden126012911321.

Die im Text verwendeten Sätze sollten möglichst kurz sein. Verschiedene Autoren empfehlen daher, dass Sätze aus maximal 15 bis 20 Wörtern bestehen sollten, da sonst die Verständlichkeit gemindert wird (Tabelle 27)13231338 1344 1358. Diese Obergrenze empfahl auch die alte „readability guideline“ aus dem Jahr 1998, während die im Kapitel 4.2.1.2 beschriebene aktuelle „readability guideline“ keinen bestimmten Grenzwert nennt und nur generell kurze Sätze empfiehlt1359. Sätze mit mehr als 25 Wörtern gelten nach Schneider als schwer verständlich1351. Eine Untersuchung von Coleman ergab, dass kür-zere Sätze signifikant besser verstanden wurden als längere. Coleman hatte für den Vergleich drei Versionen eines wissenschaftlichen Textes mit jeweils durchschnittlich 39, 23 sowie 15 Wörtern pro Satz erstellt und mit 90 Personen auf Verständlichkeit getestet1360. Auch die Studie von Keeran und Bell mit 389 Befragten konnte ein besseres Verständnis bei Verwendung kürzerer Sätze aufzeigen1361. Außerdem sollte jeder Satz generell nur eine Botschaft bzw. Fragestellung behandeln1080132613381362.

Tabelle 27: Verständlichkeit in Abhängigkeit von der Wortanzahl pro Satz nach Schneider1351 Bewertung der Verständlichkeit Wörter pro Satz

Sehr leicht verständlich Bis 13 Leicht verständlich 14-18

Verständlich 19-25 Schwer verständlich 25-30

Sehr schwer verständlich 31 und mehr

Um das Verstehen und das Behalten der Informationen durch den Patienten zusätzlich zu erleichtern, wird von Hoffmann und Worrall sowie von Doak et al. empfohlen, am Satzanfang den Kontext und anschließend den eigentlichen Hinweis aufzuführen, wie: „Damit Sie das Risiko eines Schlaganfalls vermindern, sollten Sie Ihre Ernährung umstellen“1338 1363. Dagegen befürworten die aktuelle

„readability guideline“ sowie Sless und Wiseman in deren Leitlinien, zunächst die Handlungsan-weisung und erst anschließend die Erklärung zu liefern bzw. den Kontext darzulegen, da die Instruk-tion die wichtigere InformaInstruk-tion für den Patienten darstellt1581364.

Autoren wie Kanouse und Hayes-Roth sowie Ley regen zudem an, allgemein bekannte Informationen bevorzugt vor neuen Informationen am Satzanfang aufzuführen, um die Informationsverarbeitung der neuen Hinweise zu erleichtern10051096 1179. Perfetti und Goldman zeigten, dass das Erinnern von Infor-mationen gefördert werden kann, wenn die InforInfor-mationen im Zusammenhang mit einer zuvor präsen-tierten Einleitung standen und infolgedessen mit diesem Hintergrundwissen verknüpft wurden1365. Außerdem wird von Morrow et al. in deren Kriterienkatalog zur patientenfreundlicheren Gestaltung von Arzneimittelinformationen empfohlen, die wichtigsten Hinweise möglichst am Satzanfang bzw.

im Hauptsatz aufzuführen. Dies soll das Verstehen und Merken der Hinweise unterstützen1339.

Zu vermeiden ist eine unpersönliche Ausdrucksweise aufgrund von Passivkonstruktionen (Tabelle 28)

1320 1324 1339 1366. Coleman konnte aufzeigen, dass aktiv formulierte Sätze leichter und besser gemerkt werden können als passive Formulierungen1354. Auch bei Savin und Perchonock konnten sich die 20 Befragten an aktiv formulierte Sätze besser erinnern als an Passivkonstruktionen1367. Jedoch sind Dolinsky et al. der Auffassung, dass die Verwendung von Passivformulierungen sinnvoll ist, wenn die Aufmerksamkeit des Patienten auf einen bestimmten Gegenstand gelenkt werden soll1341. Ein Beispiel wäre die Anweisung: „Die Notaufnahme des nächst erreichbaren Krankenhauses ist umgehend

aufzu-suchen, wenn Sie zu viele Tabletten eingenommen haben“. Generell zu bevorzugen sind daher Im-perativsätze, mit denen der Patient direkt angesprochen wird10961321. Allerdings empfiehlt Hartley, ne-gierte Imperativsätze sowie allgemein Verneinungen nur begrenzt einzusetzen1313 1368. Just und Carpenter konnten diesbezüglich aufzeigen, dass derartige Formulierungen schwerer zu verarbeiten sind als affirmative Sätze1369. Verneinende Formulierungen sollten auf Aussagen reduziert werden, bei denen das Vermeiden einer bestimmten Handlung besonders hervorgehoben werden muss oder keine affirmative Formulierung möglich ist132113391341. Auf doppelte Negationen ist generell zu verzichten1351. Auch auf den in Packungsbeilagen häufig verwendeten Nominalstil zur syntaktischen Komprimierung, gekennzeichnet durch Substantivierungen wie „Anwendung“ oder „Behandlung“, ist möglichst zu verzichten1316 1370. In der Studie von Coleman wurden den 60 Befragten entweder zehn Sätze mit ge-häuften Nominalisierungen oder entsprechende Sätze unter Verwendung der Verbform präsentiert. Die Befragten konnten sich die Mehrzahl der zehn präsentierten Sätze signifikant leichter und besser mer-ken, wenn die Nominalisierungen durch Verbalphrasen ersetzt worden waren1355. Zudem empfiehlt Schuldt, die für den Nominalstil charakteristischen unpersönlich formulierten Präpositionalgefüge, wie

„bei Unterbrechung der Behandlung“, sowie komplexen Funktionsverbgefüge, wie „Nebenwirkungen können in Erscheinung treten“, zu vermeiden9071371.

Tabelle 28: Beispiele zur Optimierung der Satzstruktur/Grammatik907 1349 1351 1372

Zu vermeidende Textform …. Empfohlene Textform ….

Passivformen Aktivformen (Imperativsatz)

z.B.: „Die Tabletten werden mit einer Mahlzeit ein-genommen.“

z.B. „Nehmen Sie die Tabletten mit einer Mahlzeit ein!“

Klemmkonstruktionen zwei getrennte Sätze

z.B. „Die durch eine Wechselwirkung mit den oben genannten Arzneimitteln verursachte Blutdruckstei-gerung muss ärztlich behandelt werden.“

z.B. „Die gleichzeitige Anwendung mit den oben genannten Arzneimitteln kann zu einer Blutdruck-steigerung führen. Diese BlutdruckBlutdruck-steigerung muss ärztlich behandelt werden.“

negierter (negativer) Imperativ affirmativer Imperativ z.B. „Nehmen Sie die Tabletten nicht auf vollen

Magen ein!“

z.B. „Nehmen Sie die Tabletten auf leeren Magen ein!“

elliptische Satzkonstruktion persönlichere Formulierung (Imperativ) z.B. „Gebrauchsinformation aufmerksam lesen!“ z.B. „Lesen Sie diese Gebrauchsinformation

auf-merksam!“

unpersönliche Formulierung durch Gebrauch von Verben abgeleiteter Adjektive mit Suffix „-bar“

persönliche Ausdrucksweise

z.B. „Die Tabletten sind teilbar.“ z.B. „Sie können die Tabletten teilen.“

unpersönliche Formulierung durch Gebrauch des Pronomens „es“

persönliche Ausdrucksweise z.B. „Es ist zu beachten, dass die Tabletten mit

aus-reichend Wasser eingenommen werden müssen.“

z.B. „Bitte beachten Sie, dass Sie die Tabletten mit ausreichend Wasser einnehmen müssen.“

In Packungsbeilagen werden als Mittel der unpersönlichen Ausdrucksweise außerdem häufig ellipti-sche Satzkonstruktionen eingesetzt, die der verkürzten Darstellung dienen und durch die Auslassung bestimmter Satzelemente gekennzeichnet sind907 1366. Dies ergaben Untersuchungen von 119 deutschen Packungsbeilagen durch Schuldt, einzelner deutscher Packungsbeilagen durch Mentrup sowie von 104 deutschen Packungsbeilagen durch Neubach24 9071366. Hierzu zählen die an die Allgemeinheit

gerich-teten Hinweise „Gebrauchsinformation aufmerksam lesen“ und „Nicht einnehmen!“. Ferner wurden in den untersuchten Packungsbeilagen unpersönliche Redewendungen durch Gebrauch abgeleiteter Ad-jektive mit dem Suffix „-bar“ oder durch Verwendung des Pronomens „es“ als Verweis auf einen Nebensatz oder eine Infinitivgruppe oder durch Gebrauch des unpersönlichen Subjektes „man“ gebil-det24907 1366. Auch verblose Sätze oder unpersönlich formulierte Infinitivkonstruktionen wurden gefun-den9071373. Auf derartige Konstruktionen, die den Kommunikationspartner nicht explizit benennen, ist in Packungsbeilagen gemäß Mentrup möglichst zu verzichten1366. Anstelle dessen empfiehlt Schuldt, eine konsequent persönliche Ausdrucksweise sicherzustellen9071373.

Außerdem empfiehlt Fuchs, Sätze im Konjunktiv in Packungsbeilagen möglichst zu vermeiden, da diese unkonkret formuliert sind und die Verständlichkeit des Textes weiter erschweren1291.