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Seit Jahrzehnten schon betreiben private Finanzdienstleister gegen hohe Gebühren „Schuldenregulierung“ für Überschuldete. In fast jeder Zei-tung machen diese Gewerbetreibenden für sich Reklame, wobei aus ihren Anzeigen deutlich abzulesen ist, dass es sich um gesetzwidrige Tätigkeiten handelt. Wegen ihrer Strafbarkeit und dazu als Offizialdelikt müsste eigentlich diesen Tätern ständig die Staatsanwaltschaft im Ge-nick sitzen. Davon ist jedoch in der Realität kaum etwas zu spüren. Der interessierte Beobachter muss daher z. Z. den Eindruck gewinnen, die InsO habe für diese Art „Finanzhaie“ gegenüber den Schuldnern eine neue Möglichkeit für ein legales „Fell über den Kopf ziehen“ geschaffen, nachdem bereits vor dem 1.1.1999 die durchweg strafbaren Methoden der Regulierer gegenüber den Schuldnern kaum Verfolgungsmaßnah-men des Staates auslösten. Das seinerzeit und auch jetzt noch überaus häufig außerhalb des Bereiches der InsO angewandte, strafrechtlich als Betrug, Täuschung bzw. Erregung einer Täuschung, auch Wucher und fast immer den Tatbestand des § 291 StGB erfüllendes Verhalten, zu wertende Handeln scheint die StA nicht zu interessieren. Vielleicht schreckt auch die Schwierigkeit des Nachweises des strafbaren Handelns die Behörde ab. So kam und kommt es immer wieder vor, dass den Schuldnern, die finanziell am Ende sind, noch die letzten Beträge ab-gegaunert werden.618

9.5.1 ENTSCHULDUNGSPRAXIS (MÖGLICHKEITEN ZUR SCHULDENREGULIERUNG)

BEI PROBANDEN DER BEWÄHRUNGSHILFE

Die wichtigste Frage bei der Aufarbeitung einer Weisung nach § 56 c StGB ist zunächst die nach den einsetzbaren speziellen Sanierungs-möglichkeiten, um das klar erkennbare Ziel der Schuldenregulierung619 zu erreichen. Es stellt sich die Frage, welche Methoden bei der Ein-schätzung (Berücksichtigung) der Schuldenhöhe einsetzbar sind, wenn diese Hilfe wirksam sein soll, unter Beachtung umfassender Kenntnisse der wirtschaftlichen Situation und der auf Freiwilligkeit beruhenden Bereitschaft des Probanden seine finanziellen Angelegenheiten zu

618 Vgl. Kühne, HansHeiner, S. 411 ff.

619 Als Ziel ergibt sich der Abbau der Schuldverbindlichkeiten in einem klar umrissenen Zeitraum.

geln. Von der Bewährungshilfe geleistete Schuldnerberatung ist, zu-mindest zu Beginn, zu fast 100% auch Überzeugungs- (Motivations-) arbeit, da ein Großteil der Probanden im Grunde kein Interesse an der Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse hat, aus der sicherlich nur zum Teil zutreffenden Überzeugung, „es habe sowieso alles keinen Zweck“. Dabei beachtet der Proband in der Regel nicht, dass es durch die Hilfestellung des Schuldnerberaters bedingt sehr viel einfacher zu re-gulieren geht. Wie wichtig und außerdem erfolgreich eine solche insti-tutionalisierte Schuldnerberatung ist (sein kann), haben schon Eh-len/Knauthe herausgearbeitet.620 Auch Schmitt setzt sich vehement für die Schuldnerberatung als Aufgabe der Bewährungshilfe ein.621

9.5.1.1 SCHULDENREGULIERUNG ALS AUFTRAG UND AUFGABE

Einer der Arbeitsschwerpunkte der Bewährungshilfe, und hier besonders zu Beginn der Bewährungszeit, ist die Einleitung und Durchführung der existenzsichernden Maßnahmen, um die wirtschaftlichen und finanziel-len Grundlagen für die Resozialisierung des Probanden zu schaffen.

Dabei ist allerdings zu fragen, wie weit die Regulierung zur Rückfall-vermeidung bzw. Wiedereingliederung beiträgt. Sicherlich erschwert eine fast aussichtslos erscheinende Verschuldung die angestrebte Re-sozialisierung.622 Die frühestmögliche Regulierung ist dabei besonders wichtig, da die verschuldeten Probanden immer wieder das Opfer sog.

„Kredithaie“623 werden. Diese Tatsache in Verbindung mit den Schwie-rigkeiten an den Arbeitsstellen, wo der Proband im Gefolge der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger neben der Lohnpfän-dung bis zum gesetzlich fixierten Mindestbetrag auch oftmals wegen der auf den Arbeitgeber zukommenden zusätzlichen Kosten durch die Pfändungen gekündigt wird, gelangt er schnell zu der Auffassung, ge-regelte Arbeit zahle sich nicht aus. Studien in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts stellten fest, dass ein großer Teil der Straf-täter, vorzugsweise auch die Strafgefangenen, überschuldet waren.624 Da die Schulden die Resozialisierung tangieren und evtl unmög lich machen, andererseits der Straftäter nach dem GG625 einen Anspruch auf Resozialisierung hat, steht dem Schuldner nicht nur die persönliche Schuldenregulierung, sondern auch die Vermittlung sozialer Hand-lungskompetenz zu.

9.5.1.2 HINDERNISSE IN BEZUG AUF DIE SCHULDENREGULIERUNG

Hindernisse auf dem Weg zu einer Schuldenregulierung sind neben einer ausreichenden Bereitstellung von qualifizierten Arbeitskräften der Ein-satz einer sinnvollen Büroausstattung, um die anfallenden Dienstge-schäfte mit einem Mindestmaß an Arbeitsaufwand erledigen zu kön-nen.626 Dazu gehört auch die Entwicklung und der Einsatz einer auf die

620 Vgl. Ehlen / Knauthe S. 237 f.

621 Vgl. Schmitt, S. 385 ff.

622 So u. a. Berner 1981 S. 110; Seebode 1983 S. 176; Zimmermann 1981 S. 57 f.

623 Diese „Haie“ versprechen das „Blaue vom Himmel“ herunter, u. a. problemlose Umschuldungen, leisten zu Wucherzinsen allerdings kaum etwas.

624 Vgl. u. a. Kühne 1982, S. 211.

625 Nach Art. 1 I i. V. m. Art. 20 und 28 GG besteht aus den Ansprüchen auf Schutz der Menschenwürde und den Staats-strukturprinzipien ein Anspruch auf Resozialisierung gegenüber dem Staat und im Gegenzug eine Verpflichtung des Straftäters auf Mitwirkung dabei. S. a. BVerfGE 35, 202 (236).

626 Hierzu gehört auch der Einsatz von adäquaten PCProgrammen; arbeitserleichternd ist auch die Benutzung von Datex J (J für jedermann). früher bekannt unter dem Begriff „Informationsdienst Bildschirmtext“.

Bedürfnisse der Schuldenregulierung im Bereich der Bewährungshilfe mit allen ihren Besonderheiten abgestimmten Problemlösungsmodali-täten.627 Weitere Gründe, die zu einer Reduzierung der Regulierungsfälle führen, ist der meist enorme Arbeitsaufwand für die Bewährungshelfer:

So erfordern beispielsweise Verhandlungen mit Gläubigern zur Schul-denreduzierung, die Überweisung oftmals sehr geringer Raten teilweise an eine Vielzahl von Gläubigern, die Aufstellung eines Tilgungsplanes und häufig eine Lohnverwaltung bei oftmals wenig sicheren Einkünften erhebliche Zeitinvestitionen, die für einen Bewährungshelfer als Ein-zelkämpfer die Schuldenregulierung zu einem aufwendigen und kräf-teverschleißenden „Job“ machen können. Daher werden von den Be-währungshelfern Schuldenregulierungen nur angegangen, wenn neben der Aussicht auf einen positiven Abschluss auch eine Entlastung im Hauptamt gewährt werden kann. Die ist leider normalerweise nicht möglich. Hinzu kommt, dass sich die Bewährungshelfer bei jeder ein-geleiteten Regulierung eine Unzahl von zusätzlichen Kontakt- und Verwaltungstätigkeiten einhandeln, die für mehrere Probanden mit den üblicherseits zur Verfügung stehenden Ausstattungen nicht geleistet werden können. Die dadurch eintretende Situation vermindert die Er-folgschancen weiterer Regulierungen dazu um ein Erkleckliches. In den letzten Jahren wurden zunehmend Arbeitsrichtlinien von Bankinstituten bekannt, wonach Probanden im Kreditgeschäft mit übermäßig hohen Kosten belegt werden sollten …. Die aufgetürmten Hindernisse bei den Schuldenregulierungen sind nicht auf Seiten der Gläubiger zu finden, sondern haben ihre Basis in den zu geringen zur Verfügung stehenden Geldmitteln der öffentlichen Hand für die Resozialisierungsaufgaben.

9.5.1.3 ZEITPUNKT DER SCHULDENREGULIERUNG

Wie bei einer „normalen“ Schuldnerberatung ist der Beginn einer Schuldenregulierung auch im Arbeitsalltag eines Bewährungshelfers in der Regel das “Einfahren der Ernte“.628 Dieser Beginn ist auf einen Zeitpunkt zu terminieren, zu dem alle vorgeschalteten Arbeitsabschnitte erledigt sind und insbesondere der Schuldenstand und die zur Regu-lierung zur Verfügung stehenden Mittel präzise festgestellt bzw. die zukünftige finanzielle Situation des Probanden verbindlich eingeschätzt wird und einigermaßen sicher zur Umschuldung zur Verfügung steht.629 Eine Regulierung ist umso erfolgreicher und sinnvoller, je frühzeitiger sie begonnen wird. Bedauerlicherweise kann zu einem solch frühen Zeit-punkt das genaue Ausmaß der Regulierung noch nicht vollständig fest-stehen. Erst muss daher alles an Gerichts-, Anwalts- und Schadenser-satzkosten festgestellt sein, und erst ab jetzt sollte ggf. Kontakt zum Gläubiger aufgenommen werden, wenn dieser sich nicht aktuell ge-meldet oder Zwangsvollstreckungsschritte unternommen hat. Wie dem bisher Ausgeführten zu entnehmen ist, erfordert die finanzielle Sanie-rung von dem Probanden enorme Anstrengungen, sowohl auf dem Ar-beitszeit- wie Arbeitssektor, bis zum Ende der Bewährungszeit, ja, manchmal sogar darüber hinaus. Dabei soll die Schuldenregulierung nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse ins Positive verkehren,

627 Dazu zählen das Berechnen von Vergleichs und Ratenzahlungsangeboten, die Auswertung des Familienbudgets und u. a.

die Prüfung von Ansprüchen auf Sozialleistungen und Ähnliches.

628 Vgl. Best 1982 S. 248 f und Best 1991 Rdn. 6 f vor § 71.

629 Vgl. Seebode 1983, S. 176.

dern auch den Probanden befähigen, die gesellschaftlichen Normen zu verinnerlichen630 und ihm so ermöglichen, ein Leben in sozialer Ver-antwortung ohne strafbare Handlungen zu führen.

9.5.1.4 ERFORDERLICHES ARBEITSKRÄFTEPOTENTIAL FÜR EINE

SCHULDENREGULIERUNG

Wenn eine Schuldenregulierung begonnen wird, muss auch die not-wendige Kapazität an Arbeitskraft zur Einsatzreife vorhanden sein, da eine zögerliche Bearbeitung der Korrespondenz fast immer zu Schwie-rigkeiten mit den Gläubigern führt. Auch sollte nicht übersehen werden, dass zur Schuldenregulierung auch die Bereitstellung von qualitativ hochwertiger Arbeitskraft (Prüfung der Forderungen usw. ) gehört. Die Arbeitsüberlastung der Bewährungshelfer als hemmender Umstand bei den Entschuldungen war schon vor 30 Jahren beschrieben worden631 als

„die zähflüssige Mühsamkeit einer solchen Schuldenregulierung“, die sich der Laie kaum vorzustellen vermag (Wagner).632