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Ohne Schuldenregulierung scheitert die Resozialisierung bzw. die Rehabilitation

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ESOZIALISIERUNG BZW

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EHABILITATION

Weiter ist die Fachöffentlichkeit sich einig, dass der in der Regel vor-handene Schuldenberg viele Straftäter in ihrer Resozialisierung behin-dert,512 ja, dass ohne eine erfolgreiche Sanierung eine gesellschaftliche Wiedereingliederung der Inhaftierten eigentlich nicht möglich ist.513 Aus eigener Erfahrung ist dem Verfasser aus langjähriger Tätigkeit bekannt, dass Probanden, die zunächst einen Teil der erkannten Strafe verbüßt haben, nach ihrer Entlassung514 aus dem Strafvollzug zu einem großen Teil entschuldet werden müssen, um die Bewährungszeit einigermaßen zweckentsprechend zu gestalten sowie häufig einen Widerruf zu ver-meiden.515 In vielen Gesprächen mit Praktikerinnen und Praktikern der Schuldenberatung der freien Wohlfahrtsverbände wurde immer wieder die Einschätzung dieser Fachleute artikuliert, dass ausschlaggebend für fehlgeschlagene Resozialisierungsbemühungen häufig verpatzte Regu-lierungen, fast immer die nicht vorhandenen wirtschaftlichen

509 Siehe dazu BTDrs. 7/918, S. 75. Vgl. Calliess et al: § 73 Rd.Nr. 14.

510 Vgl. Berner 1981, S. 110 f.

511 Nur in § 96 AE StVollzG ist ein kaum begründeter Gesetzesvorschlag für Entschuldungsmaßnahmen zu finden.

512 Siehe Spiegel 1978, S. 10/65 f. Auch Hinweis auf dieses Problem MüllerDietz 1977 S. 119; Schubert S. 421 ff; Schneider S. 581.

513 Vgl. Berner 1981 S. 110.

514 oder während des Vollzuges zur Absicherung auch der Angehörigen.

515 So auch bei Kerner 1977, S. 319 f.

tiven sind, oder einfacher formuliert: Notleidend gewordene Schulden in Höhe von über etwa 8000 bis 9000 €. Sie sind von normalen Bürgern in der Regel nicht mehr abzutragen, zumindest erscheinen sie den Schuldnern unüberwindbar und töten jede Regulierungsinitiative. Die Aussichten auf eine Wiedereingliederung des Verurteilten sind umso weniger erfolgversprechend, je höher sich die Schulden aufgetürmt haben. Man muss kein Wirtschaftsfachmann sein, um prognostizieren zu können, dass das Problem der Verschuldung dem größten Teil der Verurteilten unüberwindbare Hürden in den Weg legt.516 Eine dauernde Resozialisierung ist offenbar nur vorstellbar, wenn es dem Straftäter als Schuldner „in einer befriedigenden beruflichen Tätigkeit gelingt, wieder Selbstvertrauen zu gewinnen, finanziell unabhängig zu werden, eine Basis zur Familiengründung zu bekommen und sich über Berufskollegen sozial zu integrieren.“517 Das Vorhandensein von Schulden verhindert aber sehr oft soziale Integration, zumal auch die Pfändungsfreigrenzen nach dem 1.7.1992 / 1.7.2005 teilweise unterhalb der Sozialhilfesätze / Grundsicherungssätze liegen.518 Die Freigrenzen haben sich allerdings jeweils zum 1.1.2002 und 1.1.2005 größtenteils zu Gunsten der Schuldner geändert.519

Nun ist Verschuldung mitsamt allen damit zusammenhängenden nega-tiven Folgen wiederum in allen Bevölkerungsschichten gegeben,520 wobei soziale Randgruppen und damit auch Straffällige unter diesen Erscheinungen besonders leiden müssen.521 Wie schon Stehle feststellte, ist es ein „seltener Glücksfall,“ dass jemand aus der Verwandtschaft beim Schuldentilgen mithilft.522 Stehle sieht, wenn überhaupt, nur eine Hilfsmöglichkeit über die Ehefrau, da seinerzeit das geltende Recht, sowohl gesetzliche Regelung als auch Rechtsprechung, keine geeignete Hilfe in Form einer Schuldenregulierung zuließ.523 Weiter wurde eine institutionalisierte Schuldnerberatung, speziell auch für inhaftierte Straffällige, angeregt. Zu dieser Zeit (1970) war es bereits seit vielen Jahren Usus, dass die Bewährungshilfe ihrer überschuldeten Klientel mit einer qualifizierten Schuldnerberatung „unter die Arme griff“. Soweit mir bekannt, war die Bewährungshilfe überhaupt die erste Institution, die bereits ab den fünfziger Jahren flächendeckend eine Schuldnerberatung für ihre Probanden bereitstellte,524 was bereits in dem Strafrechtsre-formgesetz vom 4.8.1969 zu einer positiven Reaktion des Gesetzgebers führte.525 Diese „Vorreiterrolle“ versucht die Bewährungshilfe seit eini-gen Jahren wieder abzubauen, da es nach ihrer Ansicht nunmehr ge-nügend Schuldnerberatungsstellen bei anderen Sozialleistungsträgern gäbe, die auch die Probanden der Bewährungshilfe mitversorgen könnten, so dass Schuldnerberatung nicht mehr als „originäre Aufgabe

516 Siehe dazu nochmals Bach, Maelicke, Zimmermann und Freytag.

517 Vgl. Bundestagsdrucksache Drogenbericht S. 10.

518 Siehe dazu Sans, S. 381 385.

519 Vgl. Art. 1 G v. 13.12.2001, BGBl I S. 3638; G v. 24.12.2003, BGBl. I S.2954/55 und G v. 27.12.2003, BGBl. I S.

3022/3023.

520 Holzscheck/u.a. S. 58 ff; Möller , S. 30 ff; Korczak/Pfefferkorn, S. 143146; Zimmermann 1995, S. 277 f.

521 Als Beispiel nur: Moll/Wulf, S. 323.

522 Vgl. Stehle, S. 297.

523 Vgl. Stehle, S. 298.

524 Vgl. Freytag 1989, S. 2.

525 Siehe § 56 c I, II Nr. 1 StGB.

der Bewährungshilfe“526 angesehen würde. Eines der ersten Zitate dazu findet sich bei Zimmermann.527 Ein weiteres Argument aus den Reihen der Bewährungshilfe bezieht sich auf die geltend gemachte allgemeine Arbeitsüberlastung, wegen der die Schuldnerberatung nicht mehr ne-benbei leistbar sei, zumal in diesem Bereich ein enormer Fortbil-dungsbedarf zusätzlich Arbeitszeit fordere. Diese deutlich in die Dis-kussion eingebrachten Ansichten gehen m. E. mit der Rechtslage nicht konform, da sonst entgegen § 56 d StGB für die Bewährungshilfe bei einer solchen Handhabung lediglich die Aufsicht als Aufgabe übrig bliebe.528 Bei dieser Aussage dürften auch frühere Erkenntnisse über die Auswirkungen starker persönlicher Verschuldung auf eine erfolgreiche Resozialisierung529 außer Acht gelassen worden zu sein. Der eigentliche Grund für die befremdliche „Linksliegenlassung“ dürfte in der doch recht starken Arbeitsbelastung aus der Schuldnerberatung zu suchen sein,530 zumal seit einiger Zeit verstärkt Berichte aus der Bewährungshilfe kommen, wonach aus Ersparnisgründen alle „zusätzlichen“531 Tätigkei-ten abgebaut werden müssen. Im Übrigen sollte nicht verkannt werden, dass die Schwierigkeiten der überschuldeten Straftäter sich von denen der „normalen“ Klienten einer Schuldnerberatung doch eklatant unter-scheiden.532 533 Für die Mehrheit der verurteilten Rechtsbrecher schließt sich der verbüßten Freiheitsstrafe ein finanzielles Fiasko an, das eine erfolgreiche Resozialisierung wegen der auf absehbare Zeit das finan-zielle Leistungsvermögen des Straffälligen überfordert und dann un-möglich macht.

Schon der erste in Niedersachsen eingesetzte hauptamtliche Bewäh-rungshelfer Heinz Hesse534 erkannte und veröffentlichte seinerzeit als Erfahrungstatsache, dass seine Probanden einen „Sack voller Schulden“

bzw. („Schuldenberg“) mit sich herumschleppten und damit ihre Ein-gliederung stark erschwerten, evtl. blockierten.535 Wie Hesse in seiner Veröffentlichung allerdings ebenfalls nicht verkannte, fehlten ihm wis-senschaftlich stichhaltige Begründungen darüber, ob die Kriminalitäts-theorien mit ihren Thesen, finanzielle bzw. wirtschaftliche Schieflagen seien für die Entwicklung kriminellen Handelns ursächlich, auch wirklich zutreffen. Auch die psychische Komponente der Schulden beeinträchtigt

526 Protokoll der „Regionalen Fortbildung der Bewährungshilfe der Landgerichtsbezirke Göttingen und Hildesheim“ am 19.11.1997.(Beitrag eines Koordinators).

527 Vgl. Zimmermann1981, S. 75 ff: „Infolge ihrer allgemeinen Belastung sind die Bewährungshelfer jedoch nicht in der Lage, umfangreiche Regelungen durchzuführen.“

528 Siehe Dreher/Tröndle 1997; § 56.

529 Siehe Freytag, S. 33; Bach S. 112.

530 Vgl. dazu auch: Rohnfelder S. 100 ff : „Die Konsolidierung der Vermögensverhältnisse... –vom Arbeitsaufwand her gesehen, die zentrale Aufgabe der Bewährungshelfer im Rahmen der praktischen Sozialhilfe“.

531 Zum Beispiel : Beratungs und Hilfekontakte nur noch mit unterstellten Probanden und nicht mit früheren oder Angehö-rigen.

532Der Anteil der Schadenswiedergutmachungen bzw. Schadensersatzansprüche an den Schuldverbindlichkeiten bei Pro-banden geht bis zur Hälfte der Gesamtschulden. Die Regulierung dieser Forderungen bedeutet zugleich Aufarbeitung der Straftaten und sollte deshalb von Fachleuten für dieses Thema abgearbeitet werden. Auch fällt bei diesen Forderungen die Restschulderlassung nach der InsO weg.

533 So auch in Korczak 1992.

534 Herr Heinz Hesse war ab Sommer 1951 im Rahmen der vom neu gegründeten „Verein Bewährungshilfe“, Bonn – Bad Godesberg, durchgeführten Modellversuche „Bewährungsaufsicht“ als erster von drei Bewährungshelfern, die für das Land Niedersachsen vorgesehen waren, in ClausthalZellerfeld eingesetzt. Die weiteren dieser „Bewährungshelfer der ersten Stunde“, waren Herr Bewährungshelfer RolfChristian Saupe in Goslar und Herr Bewährungshelfer Gerhard Otto in Hameln.

535 Vgl. Hesse , S. 112. Ähnliche Erfahrungen publizierten Kühler , S. 87 und 97; Stehle, S. 292, Siekmann 1976, S. 239 ff.

und Kosubek, S. 101 ff.

die Resozialisierung deutlich und stellt sich als ein bedeutendes Ein-gliederungshemmnis dar.