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Wie vorstehend bereits ausgeführt, ist seit dem Jahresbeginn 1977 mit dem nach intensiven Diskussionen über eine Reform der Freiheitsstrafe verabschiedeten StVollzG als Vollzugsziel die Resozialisierung93 defi-niert.94 Wichtige Anregungen zum StVollzG beruhten auf der Arbeit einer vom Bundesminister der Justiz 1967 aus den Kreisen der Strafvoll-zugspraktiker, -wissenschaftler und Bundestagsabgeordneten berufe-nen 18-köpfigen, später 19-köpfigen, Strafvollzugskommission,95 der als namhafte Kriminologen u. a. auch die Professoren Schü-ler-Springorum und Müller-Dietz angehörten. Bemerkenswert an den Vorschlägen der Kommission ist die Tatsache, dass sich ihre in den Beratungen vertretenen Grundsätze nicht niedergeschlagen haben und die nach den Beratungen erwarteten Vorschläge und Hoffnungen nicht berücksichtigt wurden, sondern sich mehr oder weniger für eine Modernisierung der DVollzO aussprach. Das manifestierte sich u. a. auch bei der Festlegung des Vollzugszieles im KE im Vergleich mit der ein-schlägigen Nr. 57 der DVollzO.: „Der Vollzug der Freiheitsstrafe soll dazu dienen, die Allgemeinheit zu schützen, dem Gefangenen zu der Einsicht zu verhelfen, dass er für begangenes Unrecht einzustehen hat, und ihn wieder in die Gemeinschaft einzugliedern. Der Vollzug soll den Willen und die Fähigkeit des Gefangenen wecken und stärken, künftig ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu führen.“ Im folgenden Absatz 2

90 Vgl.Wittig, S. 77.

91 Vgl. Sydow , S. 46; Fn. 78.

92 Vgl. Wittig , S. 78.

93 Strafjuristen verstehen unter Resozialisierung die Wiedereingliederung des Verurteilten in die existierende Gesellschaft.

94 Siehe Fußnote 6.

95 Vgl. dazu den „Erste(n) Arbeitsentwurf eines Strafvollzugsgesetzes“, übergeben dem BMJ 1971. Aus diesem Arbeits-entwurf entwickelte das BMJ einen vorläufigen ReferentenArbeits-entwurf, der nach Abstimmung mit den Länderjustizverwal-tungen 1973 zur Einbringung eines Entwurfes eines Strafvollzugsgesetzes (RE StVollzG) im Bundestag führte.

setzmäßiges und geordnetes Leben zu führen.“ Im folgenden Absatz 2 wird dann ausgeführt: „Zur Erreichung dieser Ziele soll der Vollzug auf die Persönlichkeit des Gefangenen abgestellt werden, soll dessen schädlichen Neigungen entgegenwirken und günstige Ansatzpunkte ausnützen.“ 96 Auch in dieser DVollzO Formulierung ist bereits zu er-kennen, dass vom größten Teil der Strafgefangenen erwartet wurde, dass ihr Verhalten nach der Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt von den Einwirkungen des Vollzuges bestimmt wurde, also eine gewisse Wiedereingliederung in die Gesellschaft. 97 Der damalige BMJ Hans-Jochen Vogel äußerte sich 1979 dazu wie folgt im Geleitwort zu Helmut KURY: Strafvollzug und Öffentlichkeit:

„Straffällige Menschen nach der Strafverbüßung wieder in die Gesell-schaft einzugliedern ist eine Aufgabe, die keineswegs nur im Interesse des Straffälligen selber liegt, sondern zugleich ein bedeutender Beitrag dazu, dass und damit eine Beeinflussbarkeit der veränderlichen Größen bei Rückfallstraftaten erwartet bzw. unterstellt und folglich eine ver-minderte Rückfallkriminalität erhofft wurde.“98 Diese unterstellten tä-terspezifischen Persönlichkeitsmerkmale wurden unter dem Begriff

„Resozialisierung“ zusammengefasst und in dem neuen StVollzG mit äußerstem Vorrang ausgestattet. Daher sieht auch Schöch99 in der in § 2 weiter postulierten Vollzugsaufgabe des Schutzes der Gesellschaft (Allgemeinheit) vor weiteren Straftaten keine gravierende Verwässe-rung.100 Das weitere Vollzugsziel der DVollzO „Sühne“ spielt ebenfalls im StVollzG nur noch eine geringe Rolle, wie auch Uhlitz101 im Hinblick auf

§ 3 KEStVollzG darlegt.102

Nach Kerner sieht das StVollzG zwar für den Normalvollzug eine Art Behandlungsvollzug vor, ohne diesen zur zentralen Aufgabe des Voll-zugsvorganges zu bestimmen,103 während das BVerfG neben der Reso-zialisierung des Täters den „Schuldausgleich“, die „Prävention“, die

„Sühne“ und „Vergeltung für begangenes Unrecht“ als angemessene Strafsanktion sieht.104 Die einzelnen Bundesländer entwickelten jeweils eigene Modelle zur Resozialisierung.105

Dieses vom Gesetzgeber vorgegebene Vollzugsziel ist allerdings bis heute nicht von der Bevölkerung übernommen worden.106 Vielmehr ergab die jüngste Studie im Sommer 2003, dass neben dem legislativ vorgegebenen Ziel die von der Bevölkerung gewünschten Aspekte Si-cherung und Abschreckung aufblühen.107

96 Vgl. DVollzO Nr. 57 Abs.1.

97 Vgl. S. 7.

98 Siehe dazu die kommentierte Rückfallstatistik von Jehle et. al, 2003.

99 Siehe Fn. 17.

100 Siehe Schöch 1982, S. 86.

101 Siehe Uhlitz, S. 282.

102 Vgl. Uhlitz S. 283: „Durch die Proklamierung nur eines Behandlungszieles in § 3 KE werden die heute in Nr. 57 DVollzO angesprochenen Vollzugsziele des „Schutzes der Allgemeinheit“ und der „Sühne“ nicht aus der Welt geschafft. Sie sind einem Strafvollzug vorgegeben und immanent, der auf einem Strafrecht beruht, dass noch immer vom SchuldSühne-Prinzip beherrscht wird und sich vom Vergeltungsgedanken noch nicht befreit hat.“

103 Vgl. Kerner 1982, S. 392 f.

104 Siehe BVerfG in NJW 1977, S. 1525 ff.

105 Siehe dazu: Schwind / Steinhilper.

106 Siehe dazu Kury 1995, S. 84 ff.

107 Vgl. Klocker, S. 92 f.

Über die Legalbewährung von Straffälligen nach der Einwirkung straf-rechtlicher Sanktionen gibt eine vom BMJ herausgegebene Studie über die „kommentierte Rückfallstatistik“ Aufschluss.108 Die wichtigsten Er-gebnisse dieser Studie finden sich in deren Einleitung: „Für die meisten strafrechtlich in Erscheinung tretenden Personen bleibt die Straffälligkeit ... ein einmaliges Ereignis. ... Sofern eine erneute strafrechtliche Reak-tion erfolgt, führt dies überwiegend nicht zu einer vollstreckten Frei-heitsentziehung; die meisten Rückfälle werden milder geahndet. Die zu einer freiheitsentziehenden Sanktion Verurteilten weisen ein höheres Rückfallrisiko auf als die mit milderen Sanktionen Belegten. Die Be-währungsstrafen schneiden gegenüber vollzogenen Freiheits und Ju-gendstrafen deutlich besser ab. Die Strafgefangenen werden zwar ü-berwiegend erneut straffällig, die Mehrheit kehrt jedoch nach Entlassung nicht wieder in den Strafvollzug zurück.“109 Weiter wird festgestellt:

„dass die Rückfallquote in starkem Maß altersabhängig ist“,110 und: „Die Rückfallrate sinkt kontinuierlich mit dem Alter, und zwar bei allen Sanktionsarten ...“.111

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RECHT

Der Gesetzgeber regelt im heutigen Strafrecht u. a. die in der Straf-aussetzung zur Bewährung (§ 56 d StGB) verankerten Auflagen (§ 56 b StGB)112 und Weisungen (§ 56 c StGB)113 sowie die selbständigen Weisungen nach dem Jugendstrafrecht (§ 10 JGG). Mit ihnen und den Zusagen des Probanden werden der Ablauf des Bewährungsprozesses sowie die Zusammenarbeit mit den Probanden, Bewährungshelfern und den Bewährungsrichtern stark vorstrukturiert. Die so gegebenen Mög-lichkeiten, dem Verurteilten Hilfen zur Resozialisierung, neben seinem häufig die soziale und finanzielle Situation nicht gerade verbessernden Strafverfahren, zukommen zu lassen, sind häufig der Grund für eine Aussetzung der erkannten Strafe.114 Diese Weisungen, „ein weiteres Mittel zur Einwirkung auf den Täter“,115 haben sich mittlerweile von ihren Anfängen aus zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Strafzieles Resozialisierung entwickelt und ihren rechtlichen Charakter stark ge-ändert. Weisungen unterliegen einem Anordnungsnachrang, da sie nur eingesetzt und angeordnet werden dürfen, wenn der verurteilte Straf-täter sie als Hilfestellung benötigt.116 Die Weisungen, die eindeutig einen spezialpräventiven Charakter haben, sind nur zulässig,117 aber auch geboten, wenn sie dem Verurteilten ein „Rückgrat“ verleihen, d. h.,

108 Vgl. Jehle 2003 b.

109 Vgl. Jehle 2003 b S. 7.

110 Vgl. Jehle 2003 b, S. 39.

111 Vgl. Jehle 2003 b, S. 45.

112 Nach § 56 b I 1 StGB können dem verurteilten Straftäter Auflagen mit repressiver (unterdrückender) Eigenschaft gemacht werden, wobei nach Lackner/Kühl Rn. 1 + 4 zu § 56 b StGB „Die Auflagen ... der Genugtuung für das begangene Unrecht [dienen], sie haben repressiven Charakter“. Wie Meier auf S. 111 darlegt, übernehmen die Auflagen „strafähnliche „ Aufgaben.

113 Ob das Gericht nach den §§ 56 c + 56 d StGB neben Auflagen auch Weisungen erteilt, liegt in seinem Ermessen; siehe Tröndle/Fischer, diverse Auflagen, Rn. 3 zu § 56 b.

114 Siehe dazu Dölling, S. 86/89.

115 Vgl. Schönke/Schröder/Stree Rn. 1 zu § 56 c StGB.

116 Vgl. dazu die Regelung des § 56 c StGB.

117 Siehe dazu: Russ, Rn 1 zu § 56c und Horn Rn 5 zu § 56c.

wenn er ihrer bedarf, um in Zukunft straffrei zu leben,118 und ihm ihre Befolgung zumutbar ist.119 Weisungen sind also richterlich angeordnete Ge- und Verbote,120 die in die Lebensführung des Verurteilten eingreifen und durch die von ihnen bewirkten positiven Änderungen die Resoziali-sierung unterstützen.121 Die Vorstellung des Gesetzgebers führt aller-dings zu Problemen,122 wenn die Weisungen schon das Verhalten des Straffälligen im Vollzug steuern sollen; denn der Lauf der Bewäh-rungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Strafaussetzungsentschei-dung.123 Das kann daher ein Zeitpunkt sein, zu dem der Proband sich noch in der JVA aufhält.124 Der Weisung besonderer Art “Bewährungs-hilfe“ ist darüber hinaus ein weiterer Nachrang vorbehalten: So darf sie erst angeordnet werden, wenn andere Weisungen gemäß dem nicht abschließenden Katalog in § 56 c StGB nicht ausreichen und der Ver-urteilte nur durch Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers von (weiteren) Straftaten abgehalten werden kann.125 Die Auflagen sind im Gesetz im Gegensatz zu den Weisungen nach § 56 c II StGB nicht ab-schließend (im Gesetz als „namentlich“ bezeichnet) aufgeführt. Das Gericht ist daher berechtigt, auch weitere, ihm sinnvoll dünkende Weisungen als quasi „Sozialarzt“126 zu erteilen, wenn es feststellt, dass der Verurteilte zur Erreichung des Bewährungszieles dieser Hilfe be-darf.127 Dabei „muss das Gericht bei der Auswahl und Konkretisierung der Weisungen die von der Verfassung vorgegebenen Grenzen beach-ten.“ Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bewährungshelfer und dem Probanden regelt der § 56 d III, Satz 1 und 2 StGB.

Bruns sah in den damals nicht sehr präzise „Bewährungsauflagen“ ge-nannten Weisungen „...eine neue, selbständige 3. Spur des modernen Kriminalrechts,“128 eine Bezeichnung, der die allgemeine Anerkennung versagt blieb, obwohl rein inhaltlich gesehen die Definition von Bruns, für die vom Gesetz als Hilfen eingestuften Weisungen,129 auch heute noch zutrifft. In diesem Zusammenhang bezeichnet Horn strafrechtliche Weisungen als Gesichtspunkt der ambulanten Verwahrung,130 während Stree die Meinung vertritt, Weisungen gewährleisteten den Schutz der Allgemeinheit,131 was sie im Bereich der Maßregeln auch sicherlich mit

118 Vgl. § 56 c I 1 StGB.

119 Vgl. Schönke/Schröder/Stree Rn 4 zu § 56c, nach dem in der Regel bei der Strafaussetzung Weisungen erteilt werden sollten und sie nicht, wie derzeitige Praxis, Seltenheitswert genießen.

120 Vgl. Horn Rn. 2 zu § 56 c StGB in Systematischer Kommentar StGB.

121 Vgl. Schönke/Schröder/Stree, Rn. 1 zu § 56 c StGB.

122 In diesen Fällen wird den Verurteilten häufig, bzw. fast immer, die Einhaltung der Anstaltsordnung als Weisung aus-drücklich gem. §§ 57 III S.1, 1. Halbsatz, 56 c StGB aufgegeben. Die Hilfefunktion dieser Art Weisung ist dabei darin zu sehen, dass der Verurteilte präventiv zu einem ordnungsgemäßen Verhalten in der JVA angehalten wird. Auch § 56 c I StGB widerspricht dieser Ansicht nicht, da gem. § 57 III S. 1, 1. Halbsatz StGB „entsprechend“ anzuwenden ist.

123 Siehe § 56 a II S.1 StGB.

124 So die herrschende Meinung in der Literatur, wie beispielsweise Schönke / Schröder / Stree 1982 und 1988 je Rdn 30 zu § 57.

125 Siehe § 56 d I StGB. Diese Norm regelt allerdings nur die Voraussetzungen der Anordnung der Bewährungshilfe, nicht ihren Umfang und ihr Ausmaß, da sie die Rechtsbeziehung zwischen Richter und Verurteiltem betrifft.

126 Vgl. Bruns, 1393 f.

127 Vgl. Schönke /Schröder/Stree, , Rn. 4 zu §§ 56 c StGB.

128 Vgl. Bruns 1959 a, S. 200.

129 Siehe § 56 c I 1 StGB.

130 Vgl. Horn, § 56 c. StGB.

131 Vgl. Schönke/Schröder /Stree 1982, § 68 b Anm. 1.

bewerkstelligen.132 Die ersatzlose Streichung des § 56 c StGB wurde von Dünkel / Spieß gefordert, zumindest soll jedoch ein Verstoß gegen die Weisungen nicht zum Widerruf zu führen.133 Im Jugendstrafrecht letzt-lich sichern die dort als Ge- und Verbote firmierenden Weisungen durch die Regelung der Lebensführung des Jugendlichen dessen Erziehung.

Wenn eine Weisung gegen sächliches oder Verfahrensrecht verstößt, ist sie gesetzwidrig. Ein solcher Verstoß liegt immer dann vor, wenn die Anordnung der Weisung im Gesetz nicht aufgeführt, unverhältnismäßig, über das eingeräumte Ermessen hinausgehend oder an den Verurteilten unzumutbare Anforderungen stellend, ist.134 Die Weisungen unterliegen generell nicht dem strafprozessualen Verschlechterungsverbot; 135 auch der BGH hat bis dato den in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Fragenkomplex nach 1982

nicht entschieden.136