• Keine Ergebnisse gefunden

Eigene Erfahrungen des Verfassers aus seiner Tätigkeit als Bewährungshelfer

Der Verfasser hat neben seinen rund ein Dutzend Weisungsbearbei-tungen bzw. –betreuungen auch im Rahmen der allgemeinen Bewäh-rungsunterstellungen etwa fünfzig Schuldenregulierungen/ Lohnver-waltungen, ohne spezielle Weisungen des Bewährungsrichters, allein aufgrund seiner eigenen Erkenntnisse, nach denen er zum Beginn der Betreuungszeit eine Sanierung der wirtschaftlichen Verhältnisse für erforderlich hielt, übernommen und in positivem Sinne durchgeführt.

Damit hat er nach seiner Ansicht etwa dass vier bis fünffache dieser Leistungen, wie sie während seiner aktiven Tätigkeit üblich waren, ü-bernommen bzw. erbracht. Der relativ umfangreiche Komplex der Sa-nierungen wurde von ihm aufgrund von zwei wichtigen Erkenntnissen, trotz der vielen Mehrarbeit, übernommen: Bereits zu Beginn seiner Dienstzeit hatte der Verfasser erkannt, dass bei weit mehr als der Hälfte der ihm unterstellten Probanden die angehäuften Verbindlichkeiten so viele Hürden auftürmten, die es erforderlich machten, sich um ihre Regulierung zu bemühen, nicht nur wegen der Ordnung der wirtschaft-lichen Verhältnisse, sondern auch wegen der Erfolgsaussichten der Strafaussetzungen durch die Bewährungstätigkeit an sich. Dazu be-durfte es einer zeitaufwendigen intensiveren Betreuung der Probanden, um die Bewährungszeit positiv zu beenden. Das führte zu einer vom Dienstherrn tolerierten ständigen Ausweitung der geleisteten Arbeits-zeiten. Neben der Schuldenregulierung herkömmlicher Art wurde auch die Lohnverwaltung mit der Kontovollmacht des Bewährungshelfers und die Umschuldung und Abtragung über einen Resozialisierungsfonds oder einen Bewährungshilfeförderungsverein praktiziert. Dabei war die Höhe der zu regulierenden Schuldsummen in Einzelfällen nicht

ausschlagge-bend, sondern es kam auch sehr auf die Umstände des Einzelfalles an.764 Die Probanden mit sanierungsbedürftigen Verbindlichkeiten kamen seinerzeit nicht aus speziellen Tätergruppen, sondern stammten aus dem gesamten Spektrum der Straftäter, abgesehen von der geringen Anzahl der mit Weisungen gem. § 56 c II Nr. 1 StGB Unterstellten, die besonders häufig u. a. auch wegen Unterhaltspflichtverletzung verurteilt waren. Die Betreuung der Probanden mit Schuldenregulierungen im weitesten Sinne erfolgte im Rahmen der allgemeinen Bewährungshilfe, da die eingesetzten Bewährungshelfer teilweise über erhebliches spe-zielles Fachwissen im Bereich der finanziellen Sanierung verfügten.765 Dabei lag das Schwergewicht der Regulierungstätigkeit häufig nicht bei der Entschuldung, sondern bei der Motivationsarbeit in Form der Ver-mittlung positiver Lebensinhalte, da ein Großteil der Probanden wegen ihrer hohen Schulden keinen Sinngehalt mehr in ihrem Leben sah, für den anzustrengen sich lohnte. Die Probanden waren größtenteils bereits mit der Erfassung der Verbindlichkeiten und der zutreffenden Be-schreibung der finanziellen Situation hoffnungslos überfordert, ge-schweige denn zu schriftlicher Kontaktaufnahme und zur Abfassung rechtlich einwandfreier Angebote an die Gläubiger fähig. Dieses Klientel musste erst wieder aus seiner erworbenen Passivität gelöst werden.

Typisch für dieses Klientel war die normalerweise recht hohe Ver-schuldung und die große Anzahl von verschiedenen Gläubigern, sowie die bisherige Abstinenz zu sozialarbeiterisch ausgerichteten Schuld-nerberatungsstellen. Im Laufe der diversen Betreuungsverläufe gewann der Verfasser die Überzeugung, dass eine erhebliche Arbeitseinsparung bei einem früheren Betreuungsbeginn möglich gewesen wäre.

Die Zusammenarbeit mit den verschiedensten Behörden, gesellschaft-lichen Organisationen aller Art, Arbeitgebern und Ausbildungsbetrieben, Wohnungsgebern, Gläubigern usw. war aufgrund der guten Kontakte des Verfassers in seinem ländlichen Bezirk, logistisch nicht besonders gut erschlossen, von Anbeginn gegeben, so dass erhebliche Entschei-dungen auf dem „kleinen Dienstweg“ durch diese persönlichen Bezie-hungen ohne langwierigen Schriftverkehr erledigt werden konnten. Auch die Lösung der sonst schwierigen Fragen der Arbeitsaufnahme und der Unterkunftsbeschaffung gelang durch diese Kontakte häufig befriedi-gend schnell. Das zentrale Problem der Entschuldung wurde (nach ge-wissen Anlaufschwierigkeiten) in Zusammenarbeit mit dem damals noch bestehenden „Resofond“ beim nds. MdJ und der „Cura“ bewältigt, da diese Stellen regelmäßig Umschuldungskredite bereitstellten, um die nach einem etwaigen Schuldenerlass verbliebenen restlichen Schulden abzuwickeln.766 Die Betreuung der Sanierungsfälle war auch deshalb generell überaus zeitintensiv, weil neben den Kontakten mit den Probanden, dem Gericht usw. hier auch zusätzlich solche mit der Familie, den Gläubigern, diversen Ämtern und dergleichen gepflegt bzw.

unterhalten werden mussten.767 Das bedingte u. a., dass die Zahl der zu

764 Die Verbindlichkeitssummen beliefen sich auf Beträge zwischen 750 und 839 000 DM [19711986].

765 Das gleiche Ergebnis findet sich auch in der Niedersächsische Planungskommission auf S. 33 f.

766 Die „Cura“ ist ein sog. Förderverein der Bewährungs und Straffälligenhilfe und der Gefangenen und Entlassenenfürsorge und wird ehrenamtlich von hauptamtlichen Mitarbeitern zumeist der sozialen Dienste der Justiz zum Zwecke der Geld-beschaffung für die Straffälligenhilfe betrieben.

767 Der Verfasser erfuhr aufgrund seiner behördlichen Anbindung mit seit 1974 ressortmäßiger Zuordnung zur Justiz bei der Erledigung seiner Aufgaben wegen seiner „Systemzugehörigkeit“ große Akzeptanz bei Behörden im weitesten Sinne und bei Gläubigern.

betreuenden Probanden erfahrungsgemäß eine gewisse Größe nicht überschreiten durfte, um zu vermeiden, dass sich die Betreuungstä-tigkeit auf oberflächliche Bemühungen bei denjenigen Probanden kon-zentrierte, die „pflegeleicht“ waren und zu denen ein guter Kontakt bereits aufgebaut war. Ein tragfähiges Vertrauensverhältnis zwischen Bewährungshelfer und Probanden erforderte ständige Erreichbarkeit, so dass schon eine kurzfristige Arbeitsüberlastung des Betreuers die

„Zwangsbeziehung“ zu scheitern drohen ließ.768 Weiter durfte die Größe und die Infrastruktur des Bezirkes der Bewährungshilfe nicht außer Acht gelassen werden, um sicherzustellen, dass auch die Fahrleistung zur jeweils rechtzeitigen Kontaktaufnahme in den Randbezirken zur Ver-fügung gestellt werden konnte.

12.1.1 DAS FINANZIELLE PROBLEM DES PROBANDEN AUS DER SICHT DES

BEWÄHRUNGSHELFERS

In der Betreuungsarbeit mit den Probanden lernte der Verfasser sehr intensiv die Probleme kennen, die die Straftäter mit ihren finanziellen Schwierigkeiten hatten. Dabei fielen besonders die gesellschaftlichen Wiedereingliederungsprobleme bis zu völliger Ausgrenzung, Kontakt- schwierigkeiten mit finanziell potenten Mitmenschen usw. auf. Weitere Schwerpunkte waren die mangelnde Freizeitgestaltung, aber auch Suchtprobleme und Behördenkontakte. Rohnfelder weist daraufhin, dass Bewährungshelfer bei der Problembearbeitung in diesem Bereich über-fordert sind.769 Diese Vielzahl der Probleme sind vergleichsweise sehr unterschiedlich in ihrer Gewichtung bei ihrer Bearbeitung und Ausräu-mung. Allerdings lassen sich auch nicht ohne weiteres Abstufungen der Probleme ihrer Schwierigkeit nach aufstellen. Die aus den Antworten zu dem Fragebogen770 abgeleiteten Gewichtungen erlauben gewisse Mög-lichkeiten, um einen Stellenwert für die durch die finanziellen Schwie-rigkeiten hervorgerufenen Hemmnisse zu bestimmen. Die Verschuldung als Eingliederungsproblem par excellence wird in jedem Fragebogen als starke Hemmschwelle angesprochen. Die Bewährungshelfer sind of-fenbar alle bemüht, bei ihren Schuldenregulierungsangelegenheiten nicht nur die Hilfsmaßnahmen nach der ZPO durchzuführen, die kaum zu einem Ergebnis führen, sondern viel mehr versuchen sie im Metho-denweg der Moratorien, ggf. auch nur durch einfache Stundung der Zahlungen, die Vollstreckung von den Probanden zu nehmen und damit auch die Ausdehnung der Vollstreckungskosten einzudämmen. Bei den finanziellen Zielen der Bewährungshelfer handelt es sich offenbar vor-zugsweise auch darum, den Probanden klarzumachen, dass auch bei der Zahlung von kleineren Beträgen, wenn sie konsequent eingehalten werden, auf die Dauer Erleichterung zu erreichen ist. Auch ist bei den Bewährungshelfern ein Bestreben nicht zu übersehen, die Vollstre-ckungsmaßnahmen der Gläubiger „auszuhebeln“. Z. Z. ist es ja noch bei den Gläubigern üblich, sobald ein vollstreckbarer Titel vorliegt, ohne Rücksicht auf entstehende zusätzliche Kosten in den ersten Jahren der Vollstreckungstätigkeit den Schuldner „kahl zu pfänden“. In dieser An-gelegenheit hat sich auch durch Inkrafttreten der InsO und der damit automatisch möglichen Vollstreckungsschutzmaßnahmen noch nicht viel

768 Ähnflich auch die Niedersächsische Planungskommission in S. 33 f.

769 Vgl. Rohnfelder, S. 60 ff.

770 Siehe Kap. 15.1 dieser Arbeit.

geändert. Was allerdings besonders auffällt ist in diesem

Zusammen-hang das fast vollständige „Einschlafen“ der Steuererstattungsanspruchspfändungen.

12.1.2 DIE FINANZIELLEN PROBLEME DER PROBANDEN AUS SICHT DER

BETROFFENEN

Eine ganz andere Sichtweise hat hingegen der Proband gegenüber seinen Verbindlichkeiten. Das wichtigste Kriterium ist daran festzuma-chen, dass die weitaus meisten Probanden Schwierigkeiten haben, mit ihren Einkünften überlegt zu wirtschaften. Vor allen Dingen ist auch der Spannungsbogen bei ihnen erheblich geringer belastbar, und sie neigen ganz offensichtlich dazu, schon bei kleinen Rückschlägen „alles hinzu-schmeißen“ und die Schuld an ihrer finanziellen Misere auf Dritte zu schieben. Die Bewährungshilfe als Teilbereich der Straffälligenhilfe verlangt eine recht differenzierte Sichtweise, besonders bei Einschät-zung der finanziellen Probleme der Probanden. Aber auch die eigene Einschätzung der Probanden hinsichtlich ihrer finanzwirtschaftlichen Situation ergaben eine große Übereinstimmung mit den Ansichten und Einsichten der Bewährungshelfer. Den Probanden ist durchaus klar, dass ihre Eingliederung in die Gesellschaft Schwierigkeiten bereitet, die durch die Geldschulden lediglich zusätzlich verstärkt wurden. Dabei ergab sich, empirisch abgesichert, dass die Schuldverbindlichkeiten, die zu Dau-erbelastungen führten, den deutlich festgelegten Rahmen der üblichen Wiedereingliederungshilfe erheblich sprengten. Zwar unterscheiden sich die Höhen der Schuldenbeträge bei den einzelnen Schuldnern durchaus.

Wie bereits mehrfach ausgeführt, sind sie häufig so immens, dass im Grunde eine Wiedereingliederung dieser Straftäter wegen ihrer Schuldverbindlichkeiten aussichtslos erscheinen muss. Wenn man die empirischen Untersuchungen über die Belastung mit Schulden bei den Probanden in den letzten 40 Jahren verfolgt, so stellt man fest, dass es ohne Rücksicht darauf, wie gravierend der „Schuldenberg“ auch er-scheinen mag, im Grunde nicht auf diesen ankommt; denn, auch wenn der Straftäter entweder aus eigener Veranlassung oder unter „sanftem Druck“ von Verwandten, Bekannten oder Freunden und nicht zuletzt von den Sozialarbeitern, die mit seinem Fall befasst sind, wenn der Straftäter mit allen Kräften seine Schulden abbaut, sind nach allen zugänglichen Untersuchungen bei der gegenwärtigen Rechtslage die finanziellen Schwierigkeiten nicht nennenswert zu verringern. Die Verurteilten werden, so lange der § 367 BGB greift, um jeden Cent gebracht, den sie oberhalb der Pfändungsfreigrenze verdienen. Da sie auf diese Art und Weise eine Besserung ihrer wirtschaftlichen Situation nicht sehen kön-nen, wird auch ihr Selbstwertgefühl stark in Mitleidenschaft gezogen und die Motivation zum Schuldenabtrag ständig reduziert. Über die psychi-schen Anstrengungen bei dieser Art Schuldentilgung wird in der BewHi 1973, S. 336 - 338 von einem Betroffenen berichtet. Schon im ersten Anhörungsprotokoll von Bach wurde ganz eindeutig der Begriff „Be-zahlung von Schulden“ als die generelle Schwierigkeit genannt, ohne dass es darauf ankam, wie die unterschiedlichen Schuldenbeträge aufgelaufen waren.771 Es bleibt also festzuhalten, dass die Probleme bei der Resozialisierung auf die Verschuldung als zentrales Problem zu-rückzuführen waren. Obwohl der Begriff der Verschuldung immer wieder

771 Vgl. Bach, S. 116/117.

gebraucht wurde, gibt es in den letzten Jahren meines Wissens keine Studien, deren Ergebnisse darauf schließen lassen, dass der Verschul-dungsgrad eines Straftäters zwangsläufig zu einem neuen Strafverfah-ren (Rückfall) fühStrafverfah-ren muss. Ein solcher Kausalzusammenhang, von der Größe der Schuldsumme eines Schuldners auf die Begehung einer neuen Straftat auf die Schuld des Täters zu schließen, ist aus der mir zugän-lichen Literatur nicht abzuleiten. Nach den ständig erneut gewonnenen Erkenntnissen der Straffälligenhilfe machen sich die drückenden Schulden der Straftäter zunächst in Form einer erheblicher Erschwernis bei der Wiedereingliederung bemerkbar. Sie machen sie jedoch nicht gänzlich unmöglich.