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Eine der von den Schuldnerberatungen seit Beginn ihrer Einrichtung an auch wahrgenommenen Tätigkeitsbereiche war die Vermittlung von auf die Überschuldungskrisen ausgerichteten Methoden und Maßnahmen der Prävention, um die Klientel zu befähigen, den nachgesuchten Bedarf an Beratung abzubauen, indem durch effektive Maßnahmen sowohl die Gläubiger in ihrem Geschäftsgebaren u. a. die altbekannte Bonitäts-prüfung wiedereinführten, als auch den Schuldnern die Maximen des Wirtschaftens nahe zu bringen und u. a. die Sparsamkeit zu beachten und das Einkommen auszuweiten und aufzustocken.539 Durch diese prophylaktische soziale Arbeit wird es den Trägern der Schuldnerbera-tungen überhaupt erst ermöglicht, der Klientel den Umgang mit ihren Mitteln zu reflektieren und durch diese Informationsvermittlung den Beratungsbedarf so zu minimieren, dass überhaupt der restliche Bedarf bereitgestellt und finanziert werden kann.

8.12.1 PRÄVENTIONSSTRATEGIEN

Die Kriminologie lieferte ursprünglich die Ideologie und Terminologie für den Bereich der Prävention, beispielsweise die Begriffe der General- und der Spezialprävention. Mittlerweile sind diese strategischen Interven-tionen so ausgebaut, dass die benutzten Begriffe eigenverantwortlich entwickelt wurden und werden und so in die Lage versetzt werden, drohende Notlagen zu erkennen und durch den Einsatz adäquater Me-thoden zu vermeiden. Es werden, je nach theoretischer Ausrichtung, diverse Präventionsstrategien unterschieden,540 und zwar541 personen-bezogene, die sich auf die Verhaltensmerkmale von Einzelpersonen ausgerichtet haben und die sich bemühen, die bekämpften Störungen unter Außerachtlassung des sozialen Umfeldes durch ständig weiter-entwickelte und kontrollierte, zumeist beraterische Eingriffe zu verhin-dern; weiter sog. strukturbezogene, mit primärbezogener und auf die

538 Der Proband handelt dann wie ein ansehnlicher Prozentsatz der Bundesbürger und wie fast alle sog. Öffentlichen Hände, ohne dass es immer jeweils zu einer nicht beherrschbaren Überschuldung führt.

539 Vgl. Reifner 1979, S. 214.

540 Vgl. Faltermeier 1993, S. 730.

541 Vgl. Viefhues, S. 730.

Veränderungen restriktiver bzw. lebenshemmender Situationen ausge-richteter sozialer Auffälligkeiten, aber auch die Unterscheidung nach primärer, sekundärer und tertiärer Präventionen. Primäre Prävention ist in ihren Eingriffen auf die Vermeidung negativer Verhaltensweisen ausgerichtet, während sekundäre Prävention frühzeitig drohende Schäden erkennen und positiv behandeln soll und tertiäre Prävention die Verhinderung sozialer Falschzustände (sozialen Fehlverhaltens) zur Aufgabe hat.

8.12.1.1 THEORETISCHE PRÄVENTIONSANSÄTZE

Unter dem Begriff Prävention wird heute weitreichend all das an Maß-nahmen zusammengefasst und verstanden, dass auf das Verhüten bzw.

Vermeiden von verfestigten Fehlverhaltensmustern ausgelegt ist.

8.12.1.2 PRÄVENTION IN DER ANSICHT VON SCHULDNERBERATERN UND

SCHULDENREGULIERERN

In Kreisen der Schuldnerberater und –regulierer werden die unter-schiedlichsten Ansichten über Prävention vertreten, u. a. auch die, dass Präventionsbemühungen nach den bisherigen Erfahrungen in der Regel ins Leere stoßen, evtl. allerdings Wirkung im Bereich des Legistischen zeigen und immer mit ihren Ansätzen beim Entwicklungsstand des Probanden/Klienten beginnen müssen.542

8.12.1.3 PRÄVENTION IN DER SICHT DER KLIENTEN

Die Klientensicht unterscheidet sich von der der diversen Berater deut-lich.543 Üblicherweise werden die Schuldverbindlichkeiten den Klienten erst negativ bewusst und verinnerlicht, wenn Zwangsvollstreckungs-maßnahmen eingeleitet sind. Der Zeitraum zwischen der erstmaligen Schuldenaufnahme und den Zwangsmitteln beläuft sich nach den per-sönlichen Erfahrungen des Verfassers auf rd. fünf Jahre. Die Klienten sehen ihren Bedarf an Prävention vorzugsweise in ihrer Unkenntnis der Modalitäten bei Leih- und Leasing-, Bürgschafts- und Kreditverträgen, allgemeinen Geldbeschaffungskosten und fehlender Haushaltsplanung begründet. Zur Vermeidung von Missverständnissen und allgemein mangelnder Information (Unklarheit) wäre das Ziel präventiven Han-delns in der Eliminierung von Informationsdefizitbereichen zu sehen.

8.12.1.4 PRÄVENTIVE EINKOMMENS UND BUDGETBERATUNG IN DER

BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

Zu den alltäglichen Verrichtungen im Rahmen der Familienverbände und der privaten Haushalte zählt auch der verantwortungsbewusste Umgang mit Geld. Dieser Bereich ist in vielen Familien noch dergestalt tabuisiert, dass dies Thema weder in den Familien noch in auf diesemSektor tätigen Beratungsstellen angesprochen und erörtert wird, obwohl die Öffent-lichkeitsarbeit der Schuldnerberatungsstellen immer mehr der Schwel-lenängste abbaut und dadurch in zunehmenden Masse Einzelberatungen solcher Familien ermöglicht. Dabei werden in diesem Bereich ständig neue Entscheidungen544 über die Beschaffung und Verwendung ihrer

542 Siehe Reiter, S. 28.

543 Vgl. Reiter, S. 30 ff (36).

544 Zu diesen Entscheidungen gehören solche über den Konsum (Verbrauch) der Einkünfte, das Sparanlage und das Vor-sorgeverhaltens.

finanziellen Ressourcen erforderlich und getroffen. Dabei zählen zu den wichtigsten die über die Aufnahme und Abtragung von Schulden, da

„Jeder 2.-3. Haushalt in Deutschland schon einmal Schulden gehabt ...“

(hat).545 Betroffen von dieser gesellschaftlich relevanten Situation waren und sind Haushalte jeder sozialen Schichtung, auf denen dann die Folgen dieser Verschuldung liegen und in mühsamen Schritten abgebaut wer-den müssen. Diese Tatsache ließ wer-den Wunsch aufkommen, stärker präventiv dem Kumulieren einer Ver- in eine Überschuldung entge-genzuarbeiten.546 Als Ergebnis führte das zweijährige Bundesmodell-projekt „Einkommens- und Budgetberatung für Familien“ (eibe) in Rostock ab 1994 erstmals eine Förderung im Bereich der primären Prävention durch Beratung, Aufklärung sowie wirtschaftlicher Selbst-entscheidungskompetenz und Bildung auf diesem Sektor durch, 547 nachdem in dem Gutachten zur Situation der Ver- und Überschuldung in der Bundesrepublik Deutschland548 nochmals vorgeschlagen wurde, eine präventive Einkommens- und Budgetberatung zumindest modellhaft bereitzustellen, wenn nicht auf Dauer zu institutionalisieren, wie aus den ersten Tätigkeitsberichten dieser Beratungsstellen abzulesen ist.549

9 S

TAATLICHE

H

ILFSANGEBOTE UND

E

NTSCHULDUNGSPROGRAMME FÜR ÜBERSCHULDETE

S

TRAFFÄLLIGE

Im Bereich der freien Wohlfahrtspflege und der kommunalen Instituti-onen sind eine Vielzahl von Stellen tätig, die die Schuldnerhilfe zu ihrem Aufgabenbereich rechnen. Teilweise wenden sich diese Organisationen an sämtliche Schuldner, teilweise allerdings auch mit speziellen Ange-boten an diverse Schuldnergruppen wie den Straffälligen. Im Rahmen der Erledigung ihres gesetzlichen Auftrages einer Gesamtbetreuung der Probanden bzw. der Klientel führt die Straffälligenhilfe auch des Öfteren Gesamtsanierungen einschließlich der bekannten Schuldenregulierung durch. Dabei geht die Straffälligenhilfe davon aus, dass diese Hilfsor-ganisationen mögliche Hilfen von den speziellen Vereinen der Straffäl-ligenhilfe erhalten. Diese Organisationsformen haben zweifelsohne den Vorteil, dass ihre Tätigkeit zielgerichtet die Klientel aus der Straffälli-genhilfe erfasst und dadurch, dass diese Hilfsorganisationen präzise auf straffällig gewordene Klientel ausgerichtet sind, ihre zur Verfügung ge-stellte Unterstützung auf das gesamte Spektrum der sozialen Probleme des Schuldners zu leisten im Stande ist. Es ist einsichtig, dass die Maßnahmen dieser Hilfsorganisationen nur sinnvoll sein können, wenn zuvörderst die Fragen der Unterkunft, einer entlohnten Tätigkeit und einer Verankerung im sozialen Umfeld positiv geklärt sind. Ist dies er-folgt, greift die staatliche Hilfe (zumeist) in Form eines Fondsmodells.550 Dabei wird aus den Mitteln dieses Fonds die sofortige Zahlung aller

545 Vgl. BMFSFJ, S. 7.

546 Siehe dazu: Groth / Peters; „Schuldenkoffer“; Stiftung Verbraucher Institut.

547 Vgl. Ansprache der BMFSFJ Frau Nolte, auf der 1. Fachtagung der Einkommens und Budgetberatung am 13.11.1995; S.

3 und S. 5, 7 sowie 16.

548 Vgl. Korczak 1995, S.. 13.

549 Vgl. EibeHeft Nr. 1, S. 3.

550 Siehe in diesem Zusammenhang die Ausführungen in Kap. 9.1.3.

Verbindlichkeiten des Straffälligen551 in Form eines Darlehens bewirkt.

Die Fondsadministration regelt die Schuldenfrage einschließlich der Rückzahlungen an den Fonds. Der Straffällige hat mit seinen Gläubigern nichts mehr zu verhandeln und in der Regel ist zugleich auch die Ent-schuldung der Angehörigen erfolgt. An der Jahrtausendwende arbeiteten etwa ein Dutzend solcher Fonds in der Straffälligenhilfe der Bundesre-publik Deutschland. Die von ihnen vertretenen Programme sind bei-spielhaft beschrieben.552 Aber nicht nur Umschuldungsfonds in staatli-cher Trägerschaft arbeiten in der Straffälligenhilfe, sondern auch private Träger „tummeln“ sich in den verschiedenen Bereichen der Straffälli-genhilfe, wobei die verschiedensten rechtlichen Konstruktionen einge-setzt werden. Einen der ersten teilprivaten Stiftungsfonds beschreibt Siekman.553 Die Fonds leisten im Bereich der Schuldenregulierung Er-hebliches, u. a. dadurch, dass sie aus ihrem Vermögensstamm Geld-mittel zur Verfügung stellen, bei Banken und Sparkassen Umschul-dungsmittel verbürgen und so den Schuldnern realistische Möglichkeiten für einen finanziellen Neubeginn einräumen. Dazu äußern sich positiv Lumma und Berner.554 Auch nach ihrer Ansicht kommt in der Betreuung verschuldeter Straffälliger den Bewährungshelfern eine überaus wichtige Aufgabe zu. Es wird dabei darauf hingewiesen, dass eine enorme Be-lastung für die einzelnen Bewährungshelfer entsteht, wie auch aus der Subsumierung der Bearbeitungsschritte einer Schuldenregulierung ab-lesbar ist. Entlastungsangebote für die Sozialarbeiter im Justizdienst sind nur äußerst selten. Bei den Studien bzw. Berichten über die Ar-beitsbelastung der letzten Jahrzehnte werden lediglich bei Schmitt Hilfsangebote einer zentralen Schuldnerberatung erwähnt.555