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Der Themenbereich der Schulden von Privatpersonen oder –haushalten, besonders durch von Banken ausgelegte Kredite zur Finanzierung langlebiger Gebrauchsgüter in den Industrieländern, wird seit etlichen Jahren in zunehmendem Maße in der Fachöffentlichkeit diskutiert, da die Zahl der davon Betroffenen seit den sechziger Jahren ständig auffallend zunimmt. Die Ver- und Überschuldung hat zwischenzeitlich für unsere Gesellschaft eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für unser heutiges Zusammenleben gewonnen.

Die Inanspruchnahme von fremder Kaufkraft, allgemein als Kredit be-zeichnet, ist mittlerweile ein nicht zu unterschätzender volkswirtschaft-licher Beitrag zu unserem gesellschaftlichen Leben, die sowohl Vor- als auch Nachteile in sich vereinigt. Ihre Rechtsgrundlage findet das

„Schuldenmachen“ in dem Schuldverhältnis des BGB. Dieses ist jedoch nicht der erste Fundort dafür, sondern bereits im Neuen Testament wird ausführlich darauf eingegangen.281 Danach ist das „Schuldenmachen“

das Kontrastück zum „Schätze sammeln auf Erden“ und Sparen und Schuldenmachen sind zwei Seiten der gleichen Münze und gefährden das Wohl des Menschen durch die Gefahr sein Selbst verlieren zu können.282 Jedes „Schuldenmachen“ ist ein „Sparakt“, da, wenn nicht „vorgespart“, durch die Abwicklung des Kredites „nach- oder abgespart“ wird. Damit ist nichts darüber gesagt, dass eine Kreditaufnahme nicht auch ein materielles „Schnäppchen“ sein kann.

Unter dem Begriff Schulden werden sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die in einem Haushalt entstehen können, subsummiert. Dabei wird die Aufnahme von Finanzkrediten als Schuldenaufnahme bzw. Verschuldung bezeichnet. In diesem Zusammenhang sind Kredite generell Schulden, jedoch müssen Schulden nicht in jedem Falle Kredite sein.283 Obwohl bislang kein einheitliches Vokabular zum Vehikel Schulden existiert,

278 S. Claußen, S. 3 ff.

279 Siehe Klein 1987 a+ b, S. 514 ff.

280 Beispielhaft seien hier die Kürzungen bzw. Einsparungen im Sozialbereich angeführt, wie: Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe, teilweise Einsparung bei den Beiträgen der von der Bundesagentur für Arbeit bzw. ihren Vorgänge-rinnen übernommenen Rentenversicherungsbeiträgen, die „vorübergehende“ Aussetzung oder Kürzung der jährlichen Rentenanpassung sowie allgemeine Senkung der Alters, von Todes wegen und Erwerbsunfähigkeitsrenten gem. dem Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.3.2001, BGBl. I S. 403 – Altersvermögensgesetz vom 26.6.2001, BGBl. I S.

1310 und eine verschärfte Anrechnung der Lebensversicherungen und sonstiger Werte auf die Anspruchsgrundlagen der Arbeitslosen [Hartz IV bzw. Alg II].

281 Matthäus 6, Verse 19 f. ; Lukas 12, Verse 13 ff..

282 Matthäus 16, Verse 25 f..

283 So auch die Verbraucherkreditrichtlinie der EG vom 22.12.1986 (Amtsblatt der EG 1987, L 42/48), Art. 1 II Lit. a:

„Natürliche Person, die bei den von dieser Richtlinie erfassten Geschäften zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer be-ruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.“

werden doch die nachstehend aufgeführten Definitionen in der Literatur fast einheitlich benutzt.

Primärschulden bestehen in erster Linie aus Energie und Mietschulden, also aus Ausgaben, die quasi die Haushaltsgrundlage bilden und diesen funktionsfähig trotz der Schulden erhalten, d. h. sie sind Voraussetzung dafür, dass der Schuldner einen Haushalt unterhalten kann.

Unter dem Begriff der Sekundärschulden fasst man vorzugsweise Ver-sicherungsschulden, Bankkredite, Ratenkäufe, Versandhausrechnun-gen, Hypotheken- und Grundschulden, Unterhaltsschulden und Steuer- bzw. Sozialversicherungsverbindlichkeiten zusammen.

Unter Krediten versteht man in diesem Zusammenhang die für eine bestimmte Zeit, d. h. also befristet zur Verfügung gestellte, gewerbliche Kaufkraft, wobei noch weiter Unterscheidungen getroffen werden im Hinblick auf bankbezogene und bankneutrale Verschuldung.

4.2.1 VERSCHULDUNG

In unserem marktwirtschaftlichen System ist Verschuldung ein zur Ausweitung des Absatzes mit Absicht eingesetztes Mittel zur Steuerung des Marktes. Da Verschuldung nicht nur von einer relativ hohen Anzahl von privaten, sondern auch von juristischen Personen aller Art, Kom-munen und dem Staat bewusst eingesetzt wird, gilt sie durchaus nicht als abweichendes Verhalten, sondern als mehr oder weniger Normalität.

Im Jahre 1994 finanzierten Private284 in der Bundesrepublik Deutschland rd. 363,2 Mrd. DM im Wege des Kredites.285 Dabei betrifft das Thema

„Ver- und Überschuldung“ fast alle Bürger, da sie durch Alltagsgeschäfte wie Telefon- oder Kreditkartenrechnungen an Kreditlinien gekoppelt sind. So hat statistisch gesehen jeder Bundesbürger Konsumentenkre-dite in Höhe von etwa 1705 € aufgenommen,286 was unter anderem dazu führte, dass im Juli 2004 die Zahl der Verbraucherinsolvenzen auf 4245 Fälle anstieg.287 Nur wird diese Verknüpfung in der Gesellschaft in der Regel nicht gesehen, obwohl folgende Begriffsbestimmung existiert:

“Verschuldung ist jede Form des Eingehens von Verbindlichkeiten“.

4.2.2 ÜBERSCHULDUNG

Auch für den Begriff der Überschuldung fehlt es an einer abschließenden, allgemeinverbindlichen, rechtlichen, soziologischen und/oder hauswirt-schaftlichen Bestimmung. Trotzdem hat sich herauskristallisiert, dass die nachfolgenden Begriffsbestimmungen verbindlich die Überschuldung beschreiben:

Unter dem Begriff „subjektive Überschuldung“ versteht man die Situa-tion, in der eine Person sich psychisch und finanziell überfordert fühlt und nicht in der Lage ist, ihre Schulden abzubezahlen; unter „relativer Überschuldung“ versteht man die Wirtschaftslage, in der die Einkom-mensreste trotz einer drastischen Reduzierung der zur Verfügung ste-henden Lebenshaltungskostenmöglichkeiten und der Verkleinerung des dem bis dato gepflegten Stils nicht mehr ausreichende

284 Vgl. BMFS, S. XXVIII. Danach betrifft die Überschuldung etwa 1,2 bis 2,0 Millionen Haushalte.

285 Deutsche Bundesbank 1995, S. 14 ff.

286 Vgl. Harms (dpa).

287 Quelle: Statistisches Bundesamt.

bestände nach Abzug der Mindestlebenshaltungskosten (als da sind Miete, Energie, Versicherungen, Grundnahrungsmittel, Mobilitätsberei-che in Form von öffentliMobilitätsberei-chen und privaten Verkehrsmitteln, Telekom-munikationsgeräte sowie Bekleidung) für eine fristgerechte Schuldenrückzahlung zur Verfügung stehen, und letztens versteht die Finanzwelt unter „absoluter Überschuldung“ die zunehmende Insolvenz, d. h., Einkommen und Vermögen der schuldnerischen Person reichen nicht mehr aus, um die bestehenden Verbindlichkeiten, auch nach Verkürzung der Zahlungshöhe, abzudecken.

Laut Reiter ist „Überschuldung ... dann gegeben, wenn trotz Reduzie-rung des Lebensstils der Einkommensrest nach Abzug der Lebenshaltungskosten (Miete, Energie, Versicherung, Grundnahrungsmittel, ÖPNV, Telefon, Kleidung etc.) nicht zur fristgerechten Schuldentilgung ausreicht.“ 288 , 289 Nach Groth liegt

“Überschuldung ... dann vor, wenn nach Abzug der fixen Lebenshaltungskosten (Miete, Energie, Versicherungen etc. zuzüglich Ernährung) der verbleibende Rest für die zu zahlenden Raten nicht ausreicht“, 290 während Koch/Reis formulieren „Überschuldung bezeichnet eine Situation, in der der Haushalt angesichts seiner Einkommensverhältnisse nicht mehr in der Lage ist, die Ausgaben für den Lebensunterhalt und sonstige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen“.291 Das Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition für den tatbeständlichen Begriff der Überschuldung sorgt mit dafür, dass es nur mit erheblichen Schwierigkeiten gelingt, zuverlässige Fakten zur Über-schuldung aufzutreiben. Verlässliches Zahlenmaterial ist nur zu Teilbereichen im Schuldenkompass der Schufa 2004 zu erlangen.292 Allerdings ist, unabhängig von der Anzahl, jeder überschuldete Haushalt für die betroffenen Haushaltsangehörigen eine überaus starke soziale Härte sowie finanzielle Not.

Schuldnern dieses Bereiches wird die Verschuldung teilweise sehr leicht gemacht,293 wie auch Korczak betont.294 Prozentual sind in West-deutschland rund 6,2 % und in OstWest-deutschland rund 12,5 % der Pri-vathaushalte überschuldet.295 Obwohl, wie leicht erkennbar, über-schuldete Haushalte über kein “überflüssiges“ Geld verfügen, versuchen

„Finanzdienstleister“ aller Schattierungen dennoch diesen Haushalten noch unnötige oder nicht vermittelbare Leistungen, angeblich ohne Si-cherheiten usw., zu verkaufen und so Provisionen „abzukochen“.296 In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Staatsanwaltschaften sich kaum bemühen diese Handlungen zu verfolgen, obwohl schon auf den ersten Blick erkennbar ist, dass Rechtsgeschäfte in diesem Bereich ohne eine Erlaubnis nach dem RBerG, und die wird fast immer nicht erteilt, eindeutig strafbar sind.297

288 Siehe Korczak 2003.

289 Siehe Reiter 1991, S. 30 + Reiter 1992.

290 Vgl. Groth 1988, S. 16.

291 Vgl. Koch/Reis 1987, S. 1.

292 Siehe Harms dpa. Bei etwa 40 Millionen Privathaushalten rd. 2,5 Millionen überschuldete Haushalte unterhalb der Pfändungsgrenze, dazu rd. 1,4 Millionen Haushalte mit Hypothekardarlehen.

293 Siehe dazu Backert, S. 11 f.

294 Vgl. Korczak 2001, S. XXII ff.

295 Vgl. Korczak 2001, S. XXV ff.

296 Siehe Kühne S. 411 ff.

297 Vgl. Kühne, S. 414 ff.