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11.5.1 DIE MIT DEN §§398 FF UND 779BGB ZUSAMMENHÄNGENDEN FRAGEN DER

ZWANGSVOLLSTRECKUNG

Nach den §§ 398-413 BGB kann der Gläubiger eine Forderung durch einen Vertrag auf einen anderen737 übertragen.738 Zur Wirksamkeit der Abtretung ist die Mitwirkung des Schuldners nicht vorgeschrieben,739 obwohl der neue Gläubiger im eigenen Interesse den Schuldner von der Abtretung unterrichten wird. Sonst muss der neue Gläubiger jede später erfolgende Vereinbarung über die Forderung gegen sich gelten lassen.740 Abtretbar sind alle Forderungen und sonstigen Rechte, es sei denn, dass einer solchen Abtretung das Gesetz, ein Vertrag oder die Natur des Schuldverhältnisses widersprechen.741 Weiter ist die teilweise Abtretung einer Forderung möglich, wenn die Abtretung durch übereinstimmende Erklärung nicht ausgeschlossen ist und der Schuldner nicht unzumutbar beschwert ist. Eine spezielle Form der Zession ist die Sicherungsabtre-tung, deren Zweck die Sicherung einer Forderung des Zessionars gegen den bisherigen, nunmehr abtretenden Gläubiger ist.742 Dabei wird der neue Gläubiger nur nach außen hin zum Eigentümer der Forderung, im Innenverhältnis besteht lediglich ein Treuhandverhältnis. Eine im Kre-ditwesenbereich besonders wichtige Unterart der Abtretung ist die Lohnabtretung, bei der ein Schuldner den pfändbaren Teil seines Ge-haltes an den oder einen der Gläubiger oder an einen Treuhänder ab-tritt.743 Damit wird bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Pfändungen), die nach dem Datum der Abtretung erfolgen, sichergestellt, dass eine Lohnpfändung ins Leere geht.744 Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Abtretung offen gelegt oder eine sog. „stille“ ist. Auch eine künftige

736 Vgl. BVerfG in Strafverteidiger 1993, S. 465 Sp. 2.

737 Auf den neuen Gläubiger oder Zessionar.

738 Forderungsabtretung oder Zession.

739 Siehe auch Kornblum S. 1296 ff.

740 So auch der BGH im Urteil vom 13.3.1975 in der NJW 1975, S. 1160.

741 Zu den nichtabtretbaren Forderungen zählen u. a. unpfändbare Forderungen sowie höchstpersönliche Forderungen.

742 Vgl. BGH vom 21.11.1985 in BB 1986, S. 276.

743 Vgl. § 400 BGB.

744 Vgl. die Anforderungen des BGH an die Abtretung in NJW 1989, S. 2381 und NJW 1992, S. 2626.

Forderung (z.B. eine Lohnforderung aus einem noch nicht bestehenden Arbeitsverhältnis) kann abgetreten werden.745 Durch Vertrag (Kollek-tivvereinbarungen in Form von Tarifverträgen oder Betriebsvereinba-rungen usw. oder Einzelverträgen zwischen Arbeitgeber und Arbeit-nehmer) ist die Abtretung des pfändbaren Lohnes ausschließbar.746 Von einer solchen Vereinbarung werden auch bereits existierende Abtre-tungserklärungen erfasst. Eine trotz dieser vertraglichen Vereinbarung abgetretene Forderung bleibt wegen der Unzulässigkeit der Abtretung Bestandteil des Gläubigervermögens, so dass eine nach dieser unzu-lässigen Abtretung erfolgte Pfändung voll durchschlägt. Andererseits entsteht durch die Pfändung einer bereits abgetretenen Forderung kein Pfändungspfandrecht.747 Im Insolvenzverfahren genießen Lohnabtre-tungen Privilegien. Eine bereits gepfändete Forderung kann der Schuldner nicht abtreten, da er sonst dem Verfügungsgebot zuwider-handeln würde.748.

11.5.2 BEDEUTUNG DER STEUERKLASSEN UND DER FREIBETRÄGE IN DEN TABELLEN ZU §850 C ZPO BEI DER PFÄNDUNG DES EINKOMMENS DES SCHULDNERS

Die Pfändung und Überweisung der Einkommensanteile des Schuldners nach den Vorschriften der §§ 850 ff ZPO 749 hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zu der wichtigsten Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers entwickelt. Dabei wird mit staatlichen Machtmitteln ein privatrechtlicher Anspruch750 durchgesetzt. Die pfändbare Höhe des zumeist „Lohn“ ge-nannten in Geld zahlbaren Einkommens eines Beamten, Arbeitnehmers oder Ruheständlers bestimmt sich in der Regel nach der Tabelle des § 850 c ZPO, wobei eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen, auch aus anderen Gesetzesnormierungen751 zu beachten ist. Eine der wichtigsten dieser Regelungen ist das Wahlrecht von Eheleuten gem. § 26 EStG hinsichtlich dem Recht die Wahl der steuerlichen Veranlagung. Bei der möglicherweise denkbaren erheblichen Steuerrückerstattungen ist es einsichtig, das die Gläubiger daran interessiert sind, bei dieser Ent-scheidung „mitzureden“. Steuererstattungen sind kein Arbeitseinkom-men und gehören somit uneingeschränkt zur Insolvenzmasse. Wenn bei einem Schuldner ein mit ihm in intakter Ehe lebender Ehepartner ver-sucht, aufgrund der z. B. für das Jahr 2007 erfolgten Steuerklassenwahl und dem daraus abgeleiteten einkommensteuerrechtlichen Splitting-verfahren, zu einer Verkürzung der auf den Ehepartner entfallenden Steuerlast zu kommen, so hätte üblicherweise der Insolvenzverwalter seinerseits versucht, dem Insolventen die Steuerklasse mit der höchsten Steuerlast überzubürden, um für sein Klientel möglichst hohe Beträge zusätzlich abzuschöpfen.752 Diese Wahlmöglichkeit billigt ein Teil der Literatur dem Insolvenzverwalter/Treuhänder zu. Es gibt jedoch auch gegenteilige Auffassungen.753 Diese Ansicht geht davon aus, dass der Verwalter oder Treuhänder ein solches Recht lediglich im gleichen

745 Siehe BGH in JZ 1965, S. 722 bzw. NJW 1965, S. 2197.

746 Vgl. § 399 BGB.

747 Siehe BGHZ 56. 339.

748 Vgl. § 829 I S. 2 ZPO.

749 Vgl. §§ 850 IIIV; 850 a – 850 i ZPO.

750 Nachweis dafür ist ein sog. vollstreckbarer Titel.

751 Vgl. z. B. §§ 51 ff SGBI.

752 Siehe dazu die Entscheidung des BFH in BstBl.II, 2000 S. 573.

753 Vgl. AG Essen vom 10.2.2004 in ZInsO S. 401.

fange benutzen durfte, wie es der Schuldner auch gedurft hätte. Daher gelte jedoch nach § 1353 BGB eine Verpflichtung, Vermögensschäden von den Eheleuten bzw. Partnern abzuhalten.

Das pfändbare Einkommen des insolventen Schuldners berechnet sich auch im Insolvenzverfahren gem. § 36 I S. 2 InsO nach § 850 c ZPO, wobei der Insolvenzverwalter/Treuhänder die Rolle des Einzelzwangs-vollstreckungsgläubigers nach § 36 IV S. 2 InsO wahrnimmt. Die ein-gearbeiteten Freibeträge der Pfändungstabellen zu § 850 c ZPO finden auch Anwendung bei solchen Schuldnern, bei denen die typischen Aufwendungen generell nicht entstehen.754 Der BGH hat kürzlich entschieden, dass bei solchen Sachverhalten die Pfändungstabellen lediglich unter den Voraussetzungen der §§ 850 c IV; 850 f II + III bezw.

850 f I ZPO abgeändert werden können.755

Es werden hinsichtlich der Berechnung des eigenen Einkommens der Angehörigen des Schuldners nach § 850 c IV ZPO die unterschiedlichsten Ansichten vertreten, von Teilbeträgen des Sozialhilferegelsatzes (20 – 90 %) bis zur vollen Summe des Pfändungsfreibetrages nach § 850 c ZPO. Es kristallisiert sich zunehmend die Auffassung heraus, dass bei Berechnungen dieser Art seit der letzten Gesetzesänderung des § 850 c ZPO auch die Angehörigen des Schuldners Anspruch auf den vollen Betrag des Pfändungsfreibetrages für den Lebensunterhalt haben. Die diversen Ansichten zu diesem nach wie vor höchst streitigen Fragenkomplex sind äußerst differenziert.

Sehr viele der von der Sozialleistungsgesetzgebung auch für Probanden bereitgestellten Leistungen (Lohnersatzleistungen) sind antragsabhän-gig und sind leicht von ihrem Leistungsumfang her zu „manipulieren“. So sind viele Leistungen der Höhe nach umschrieben mit einem Bezug auf die Nettoeinkünfte. Eine leichte Möglichkeit, sich höhere Einkünfte zu verschaffen, besteht darin, dass der spätere Leistungsempfänger wäh-rend seiner „aktiven Arbeitszeit“ sich die Lohnsteuerklasse 3 oder zu-mindest 4 eintragen lässt, weil durch diese geringe Aufwandshöhe der betreffende Proband einfach mehr an Nettoeinkommen bezieht. Der Unterschied zwischen Abzügen nach den Steuerklassen 1, 3, 4 oder 5 ist schon enorm. Nachteile hat solche Umorientierung nicht, da der Steu-ertarif immer von einer gemeinsamen Besteuerung ausgeht und damit also nach Ablauf des Steuerjahres aufgrund der Steuererklärung der Steuerbetrag, ganz gleich, welche Steuerklasse eingetragen ist, immer der gleiche der Höhe nach sein wird. Andererseits bekommt der Betreffende aufgrund der von seinen Einkünften einbehaltenen Abzüge (Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) den höheren Nettobetrag der Sozialleistungen.

Eine gleiche Einwirkungsmöglichkeit besteht auch bei einer drohenden Pfändung. Hier wird bei einer rechtzeitigen Umschreibung der Steuer-klasse von 3 auf 5 oder umgekehrt die Möglichkeit eingeräumt, dass dem Schuldner die hohen Steuerbeträge abgezogen werden, damit also der Betrag, der nach der Pfändungstabelle zu § 850 c ZPO einzubehalten ist, geringer wird, und der Schuldner dann im Rahmen des

754 So LG Leipzig (Beschluss vom 26.6.03; 12 T 2223/ 03) in InVo 2003, S. 489.

755 Siehe BGH in ZVI 2004 S. 44 und 46 (IX a ZB 207/03 und 226/03).

resausgleiches den ihm abgezogenen hohen Steuerbetrag erstattet erhält.

Für die Gläubiger der Probanden ist das Problem der Pfändung der Lohnersatzleistungen nach den Normen des § 54 SGBI bedeutungs-voll.756 Nach ihnen gelten die analog den Arbeitseinkünften gem. §§ 850 c und d ZPO vorgegebenen Pfändungsgrenzen757 auch für Lohnersatz-leistungen. Diese Regelung beruht u. a. auf der Tatsache, dass

Sozialleistungen vielfach die normalen Pfändungsgrenzen überschreiten und die Bezieher von Sozialleistungen nicht höhere Freibeträge als die Bezieher von Arbeitseinkommen zugebilligt erhalten sollen.

Die Gläubiger versuchen in einem „Wettlauf“ mit den anderen Gläubi-gern die Priorität der Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten zu erringen, nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“758

11.5.3 ASPEKTE DES ANFECHTUNGSGESETZES

Wenn ein Schuldner im Vorfeld oder bereits in der Verbraucherinsolvenz rechtsgeschäftliche Handlungen vollzieht, muss er ständig die Vor-schriften des Anfechtungsrechtes im Auge behalten. Der Schuldner muss sich davor hüten, im Verbraucherinsolvenzverfahren einen Gläubiger zu benachteiligen oder zu bevorzugen, da beide Handlungsweisen im Nachhinein noch eine Anfechtung ermöglichen.759 Nach dem Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens (Anfechtungsgesetz) i.d.F. v.

20.5.1898 (RGBl 709) m. spät. Änd. kann ein Gläubiger mit voll-streckbarem Schuldtitel, dessen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Schuldnervermögen nicht zur völligen Befriedigung geführt haben oder führen werden, bestimmte Rechtshandlungen des Schuldner durch eine Klage anfechten.760 Im Falle einer Insolvenz greift die Anfechtung nach § 129 InsO ein, wenn der Gläubiger nachweist, dass der Schuldner in der Absicht, den Gläubiger zu benachteiligen, diverse Rechtsgeschäfte abgeschlossen hat. Hier ist es wichtig, dass der Schuldner keine „win-digen“ Rechtsgeschäfte abschließt, generell jede Bevorzugung oder Benachteiligung des Gläubigers unterlässt, insbesondere keine Ver-mögenswerte „verschiebt“-.761 Nach der InsO sind die Anfechtungsfris-ten teilweise anders geregelt. In Insolvenzverfahren ist der Anfech-tungsgrund hauptsächlich vom § 130 InsO umrissen, ebenso wie der Anfechtungsgrund des § 131 InsO. Wenn ein Schuldner einem Gläubiger ohne echte „Gegen“leistung Vermögenswerte „zuschanzt“, ist der An-fechtungsgrund nach § 134 InsO gegeben. In dem Zusammenhang ist interessant, dass eine angestrebte Strafmilderung in einem solchen Falle keine Gegenleistung darstellt. Ein im Vorfeld der Verbraucherinsolvenz versuchter Schadensersatzabtrag bzw. die Erfüllung von

756 Vgl. Schreiber S. 280 f.

757 Vgl. die Begründung zum Entwurf des SGBI in BTDrs. 7/868 S. 32.

758 Vgl. Stehle S. 299.

759 Vgl. §§ 129146 InsO.

760 Solche anfechtbaren Rechtshandlungen sind u. a.: In der bekannten Absicht der Gläubigerbenachteilung abgeschlossene Verträge, weiter die im Jahr vor der Anfechtung abgeschlossenen entgeltlichen Verträge mit nahen Angehörigen oder Ehegatten sowie in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung erfolgte Schenkungen.

761 Die hauptsächlichsten Rechtshandlungen dieser Art sind: Entgeltliche Verträge mit dem Ehegatten oder nahen Ver-wandten und die im letzten Jahr vor der Anfechtung vorgenommenen Schenkungen (die Frist beträgt bei Ehegatten zwei Jahre).

chen durch den Täter (Schuldner) führt häufig zu der besonderen Problematik, dass der Versuch einer Schuldenregulierung wegen der finanziell angespannten Lage des Schuldners im Zusammenhang mit § 46 a Nr. 2 StGB, die keine Möglichkeit für Schuldenabtrag gegenüber allen Gläubigern lässt, scheitert. In der Regel wird wegen mangelnder Mittel des Schuldners eine Wiedergutmachung nicht möglich sein, da der Schuldner den Betrag aus seiner pfändbaren Gehaltszahlung nicht auf-bringen kann, andererseits aus seinem nichtpfändbaren Einkommen wegen seiner sonstigen Belastungen keine Sonderzahlungen abzweigen kann.