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Sa, ¯ıd – eine moralische Abhandlung

Luqm¯ans Roman spielt zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in der Ade-ner Oberschicht. Der H¨andler Salm¯an ist im italienisch-¨athiopischen Krieg zu Reichtum gekommen und repr¨asentiert nun das in Aden entstehende B¨ urger-tum. Er vertritt zwar moderne Ideen, ist aber zu etabliert, um eine grund-legende Reform der Gesellschaft voranzutreiben. Seine Frau symbolisiert die traditionellen Werte und den Aberglauben, die einer Modernisierung des Lan-des entgegenstehen. Ihr Sohn Sa,¯ıd, der Held Lan-des Romans, steht f¨ur modernes Denken und Nationalbewusstsein. Er ist mit Zahr¯a- verlobt, die einer armen Familie entstammt. Da Salm¯an strikt gegen die Heirat der beiden ist, verl¨asst Sa,¯ıd die Stadt und vertraut Zahr¯a- der Obhut seines Freundes,Ut

¯m¯an und seiner Schwester ,A-¯ iˇsa an. Sa,¯ıd geht nach Taizz und al-H. udayda, wo er einen Laden er¨offnet und sich eine Existenz aufbaut. Aber seine Gedanken sind immer bei Zahr¯a- und seiner R¨uckkehr nach Aden.

Bald darauf verlangt das Osmanische Reich f¨ur den Krieg auf dem Balkan

5vgl. Kostiner 1984, S. 40; Die Partei forderte die Unabh¨angigkeit Adens und der Pro-tektorate sowie ihre Vereinigung, aber in unbestimmter Zukunft. Außerdem sollte die Regierung ein Gesetz zur¨ucknehmen, das es ausl¨andischen H¨andlern erleichterte, sich in Aden niederzulassen.

6vgl. ,Al¯ı 1/1990, S. 7; Ibr¯ah¯ım gibt an, dass der Roman zwar bei al-H. ibˇs¯ı erw¨ahnt werde, aber verschollen sei (Ibr¯ah¯ım 1977, S. 149).

7Ibr¯ah¯ım 1977, S. 148

8ebd; Orth 1997, S. 39, S. 45-47

Soldaten aus seiner Provinz Jemen. Der Herrscher von al-H. udayda schickt eine Anzahl von M¨annern, darunter auch Sa,¯ıd. Dieser erweist sich als muti-ger Soldat und gewinnt die Sympathie seines Vorgesetzten. Als er verwundet wird, schickt ihn sein Anf¨uhrer zur Genesung nach Berlin. Dort studiert Sa,

¯ıd Philosophie, bevor er seine R¨uckreise durch die verschiedenen osmanischen Provinzen antritt. Dabei predigt er die islamische Einheit, die Bedeutung der Bildung und Erziehung der Kinder und warnt vor den Gefahren, die dem Is-lam von Seiten der Kolonialm¨achte drohen.

Sa,¯ıds Familie lebt unterdessen ihr Leben wie bisher. Der Vater, der aufkl¨ are-rischen Ideen nicht abgeneigt ist, kann sich bei der Erziehung seines Sohnes H. asan nicht gegen dessen traditionsgebundene und abergl¨aubische Mutter durchsetzen. Der Sohn wird verw¨ohnt, verf¨allt dem liederlichen Lebenswan-del und leidet schließlich an Trunksucht und Geschlechtskrankheiten. Er ver-leitet seinen Vater dazu, seine Vergn¨ugungen zu teilen. Als den beiden das Geld ausgeht, bestiehlt H. asan seine Mutter, w¨ahrend der Vater sein Gesch¨aft in den Bankrott treibt. Salm¯an wird zudem Opfer einer Intrige und findet sich schließlich, der Urkundenf¨alschung angeklagt, vor Gericht. W¨ahrend der Verhandlung taucht pl¨otzlich Sa,¯ıd auf, der gerade von seiner Reise zur¨ uck-gekehrt ist, und kann die Unschuld seines Vaters beweisen. Diese Wendung l¨autet das Happy End ein: Sa,¯ıd darf endlich seine geliebte Zahr¯a- heira-ten, seine Schwester ,A-¯ iˇsa hat in ,Ut

¯m¯an den Mann f¨urs Leben gefunden, und H. asan bittet seinen Bruder reum¨utig, ins Ausland gehen zu d¨urfen, um sich zu bilden und zu lernen, den Verlockungen zu widerstehen. Zum Ab-schluss des Romans h¨alt Sa,¯ıd den Umstehenden eine Moralpredigt, in der er zu guten Taten, Fr¨ommigkeit und Nationalismus aufruft sowie Bildung f¨ur M¨adchen und Frauen fordert, bevor er endlich mit Zahr¯a- zusammentrifft.

Den ganzen Roman durchzieht ein moralisierender und belehrender Ton, der die eigentliche Absicht des Autors erkennen l¨asst: Er wollte eine lehrreiche Abhandlung schreiben und w¨ahlte dazu die Romanform, um ein m¨oglichst breites Publikum zu erreichen. Diesem Zweck opfert er immer wieder das eigentliche Ziel des Erz¨ahlens und nimmt Br¨uche und Ungereimtheiten im Handlungsverlauf in Kauf.9 Oft wendet sich der Autor selbst direkt an seine

9

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Der Autor versucht, eine bestimmte geistreiche Abhandlung vorzulegen, und benutzt da-bei die Romanform. Aber er versucht dada-bei st¨andig, in die Struktur des Erz¨ahlens ein-zudringen, um eine zus¨atzliche historische Ausf¨uhrung auf lehrreiche und unmittelbare Weise zu geben, die das Bestreben des Autors best¨atigt, diese Informationen zu vermit-teln, auch wenn diese manchmal vom Ziel der Erz¨ahlung abweichen.(,Al¯ı, 1/1990, S. 11, vgl. auch ebd. S. 12)

Leser oder benutzt ,Ut

¯m¯an ¨uber weite Strecken als sein Sprachrohr, indem er ihn zum Beispiel Zahr¯a- einen seitenlangen Vortrag ¨uber die Bedeutung der Erziehung halten l¨asst.

Der Vermittlung moralischer und nationaler Werte ordnet Luqm¯an auch die Gestaltung der Personen unter. Sie sind entweder nur gut (Sa,¯ıd) oder nur schlecht (S¯alim) und dienen lediglich als leuchtendes Vorbild oder ab-schreckendes Beispiel. Dialoge sind selten und wirken gek¨unstelt.10

Großen Wert legt Luqm¯an auf historische Ereignisse. Der Roman ist voller Anspielungen auf die alte Geschichte des Jemen, auf die Feierlichkeiten in Aden anl¨asslich der Kr¨onung Georges V von England, auf Kriege und an-dere wichtige Geschehnisse, um die der Autor die Handlung baut. Auch sie dienen dem Zweck, die Leser zu unterrichten und ihnen ein Sittengem¨alde Adens zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts vor Augen zu f¨uhren. Hiˇs¯am , Al¯ı entschuldigt Luqm¯ans Realit¨atstreue mit der Unerfahrenheit der Le-ser, die mit der Romanform noch nicht vertraut gewesen seien und deshalb nicht bereit, sich auf eine rein erfundene Handlung einzulassen. Luqm¯an als Pionier sei hier in die Zwickm¨uhle zwischen den literarischen Anforderungen und den Anspr¨uchen des Publikums geraten. Zudem habe er nicht an die alte arabische Literaturtradition ankn¨upfen k¨onnen, in der Magie und Phantasie wichtige Elemente gewesen seien.11

Bei der Bewertung des Romans sind sich seine Kritiker einig, dass sein gr¨oßtes Verdienst darin bestehe, der erste Roman eines jemenitischen Autors zu sein und somit diese neue literarische Gattung eingef¨uhrt zu haben. Dies ent-schuldige zumindest zum Teil die Schw¨achen, die der Roman in Form und Stil aufweise.12 Interessanter Weise ordnet Ibr¯ah¯ım sa,¯ıd in die Romantik ein, w¨ahrend ,Al¯ı in ihm eine Mischung aus Autobiographie und Bildungs-roman sieht, die ber¨uhmte Vorbilder in der arabischen Literatur habe.13 S a,¯ıd zeigt deutlich, dass der Roman im Jemen in den 40er Jahren noch in seinen Kinderschuhen steckte. Obwohl Luqm¯an in England ausgebildet war, waren seine Fertigkeiten als Romanautor sehr bescheiden. Wie andere jeme-nitische Autoren auch machte er keinen klaren Unterschied zwischen dem Roman und anderen Prosaformen.

Deshalb war man gezwungen, alles zu akzeptieren, was unter der Bezeichnung Roman ver¨offentlicht wurde, einschließlich dessen, was in Form von Memoiren, langer Erz¨ahlung oder

hi-10vgl.,Al¯ı 1/1990, S. 16

11ebd., S. 13 f.

12vgl. ebd., S. 15 f.; at.-T.¯ahir 1988, S 8 f., Ibr¯ah¯ım 1977, S. 149 f.

13ebd.

storischer Erz¨ahlung daher kam.14

3.3 Yawm¯ ıy¯ at mubarˇ sit – ein Kriminalroman