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Machtk¨ ampfe innerhalb der NLF

Uber die Gestalt des neuen Staatswesens stritten sich nun der rechte NLF-¨ Fl¨ugel um Qah.t.¯an aˇs-ˇSa,b¯ı und der linke, der vor allem im W¯ad¯ı H. ad.ramawt

¨uber starken R¨uckhalt verf¨ugte. Beim vierten Parteikongress im M¨arz 1968 stellten beide Parteifl¨ugel ihr Programm f¨ur die Zukunft des Landes vor. Die Linke sah die Klassenstruktur des Staates als Hauptproblem an und woll-te einen komplett neuen, nicht kapitalistischen Staat aufbauen. Sowohl die Armee als auch die Staatsbediensteten sollten entlassen und durch NLF-Partisanen ersetzt werden. Eine radikale Wirtschaftspolitik sollte unter an-derem das ausl¨andische Kapital verstaatlichen und den Landbesitz begren-zen. Ziel war es, die Macht der Arbeiterklasse zu geben, die durch

Arbeiter-Bauern- und Partisanenr¨ate sowie den Obersten Volksrat vertreten w¨aren.33 Das Land sollte mit revolution¨arer Literatur regelrecht ¨uberschwemmt wer-den, um eine neue Kultur aufzubauen.34 Diesen Pl¨anen stand Qah.t.¯an mit dem rechten Parteifl¨ugel entgegen. In seiner Rede warf Qah.t.¯an seinen Geg-nern vor, die Diktatur einer Klasse ¨uber die anderen statt Harmonie zwi-schen den Klassen anzustreben, und die eigene Gesellschaft mit der Europas im 19. Jahrhundert zu vergleichen, ohne die fundamentalen Unterschiede in Geschichte, Religion, Tradition und Wirtschaft zu sehen. Der vom lin-ken NLF-Fl¨ugel angestrebte Staat sei weitab von der s¨udjemenitischen Rea-lit¨at.35 Da der Kongress erst nach der Erlangung der Unabh¨angigkeit tagte und Qah.t.¯an die Armee auf seiner Seite hatte, gelang es der Linken nicht, sich durchzusetzen, obwohl die Mehrheit der Kongressteilnehmer deren Pl¨ane favorisierte. Das Milit¨ar bef¨urchtete einen zu starken kommunistischen Ein-fluss und reagierte, indem es bei einem großen Treffen der NLF in Aden am 20. M¨arz acht NLF-Kader festnahm. Die darauf folgenden Demonstratio-nen zwangen Qah.t.¯an, die GefangeDemonstratio-nen wieder frei- und die verantwortlichen Milit¨ars festnehmen zu lassen. Trotzdem hatte die Armee der Linken einen schweren Schlag versetzt, weitere Verhaftungen folgten und viele Kader flo-hen ins W¯ad¯ı H. ad.ramawt, das die Beziehungen zur Hauptstadt abbrach. Der Versuch, einen weiteren Guerillakrieg zu f¨uhren, scheiterte, und viele linke NLF-Mitglieder wurden get¨otet oder flohen in den Nordjemen.

Nicht nur von innen, sondern auch von außen war die junge Republik bedroht.

Die Herrscher der ehemaligen F¨oderation waren 1967 außer Landes geflohen und fanden in Saudi-Arabien und im Nordjemen Unterst¨utzung im Kampf gegen die neue Regierung. Von beiden L¨andern aus griffen sie die Volksrepu-blik an und konnten einige St¨amme f¨ur ihren Kampf gewinnen. Sogar Teile der Armee desertierten, um nicht gegen Angeh¨orige des eigenen Stammes k¨ampfen zu m¨ussen. Mitte August 1968 hatte die Regierung in Aden wieder die Oberhand gewonnen. Aber die Unruhe im Land hielt weiter an.

Die NLF-Linke nutzte die Schw¨ache Qah.t.¯ans und seiner Regierung und ver-suchte, die Macht innerhalb der Partei zu erobern. Im April 1969 gab Qah.t.¯an das Amt des Premierministers ab, setzte aber seinen Cousin Fays.al als seinen Nachfolger durch, der bereits Generalsekret¨ar der NLF war. Bereits am 22.

Juni traten beide zur¨uck und wurden 1970 ganz aus der NLF ausgeschlossen.

Ihre Nachfolge trat ein f¨unfk¨opfiger Pr¨asidialrat an, dem Pr¨asident S¯alim Ru-bay, ,Al¯ı, Premierminister Muh.ammad H.ayt¯am, NLF-Generalsekret¨ar,Abd al-Fatt¯ah. Ism¯a,¯ıl, Verteidigungsminister,Al¯ı N¯as.ir Muh.ammad und

Muh.am-33vgl. Halliday 1974, S. 230

34Dabei ließen die Revolution¨are die hohe Analphabetenrate außer Acht, die der breiten Masse – vor allem außerhalb Adens – den Zugang zu entsprechenden Schriften verwehrte.

35vgl. Halliday 1974, S. 234

mad S.¯alih. ,Awlaq¯ı angeh¨orten. Dieser Rat versuchte nun, die Beschl¨usse des vierten Parteikongresses umzusetzen, die Qah.t.¯an bisher blockiert hatte. Mit der neuen F¨uhrung vollzog die NLF politisch einen deutlichen Ruck nach links, der sich in diversen Reformen in Wirtschaft und Parteiorganisation manifestierte.

Beim f¨unften Parteikongress 1972 wandte sich die NLF weg vom arabischen Nationalismus und verfolgte einen strengen Sozialismus nach sowjetischem Vorbild. Sie gab sich auch einen neuen Namen,Politische Organisation, die Nationale Front (at-tanz.¯ım as-siy¯as¯ı al-ˇgabha al-qawm¯ıya ), und glich ihre Parteistruktur der des großen Vorbilds an. Doch auch nach diesem Kon-gress blieb die Partei in sich gespalten und wurde von inneren K¨ampfen ge-schw¨acht. Generalsekret¨ar,Abd al-Fatt¯ah. Ism¯a,¯ıl und seine Anh¨anger woll-ten eine engere Anbindung an die UdSSR, sein Gegner, Pr¨asident S¯alim Ru-bay, ,Al¯ı, einen geringeren F¨uhrungsanspruch der Partei und gute Beziehun-gen auch zu westlich orientierten Staaten. Dank S¯alim Rubay,s Bem¨uhungen besserten sich w¨ahrend der 70er Jahre die Beziehungen zu den Golfstaaten, zum Nordjemen und zu Saudi-Arabien.

1975 nannte sich die Partei erneut um inVereinigte Politische Organisation, die Nationale Front(at-tanz.¯ım as-siy¯as¯ı al-mu-ah. h. ad al-ˇgabh. a al-qawm¯ı-ya ). S¯alim Rubay, ,Al¯ı versuchte am 26. Juni 1978 einen Staatsstreich, um zu verhindern, dass die VPONF zur Partei neuen Typs nach Lenins Vor-stellungen w¨urde. Doch der Coup scheiterte und S¯alim Rubay, ,Al¯ı sowie mehrere seiner Anh¨anger wurden noch am selben Tag hingerichtet. Außer-dem wurden in der Folgezeit alle seine politischen Mitstreiter aus wichtigen Partei¨amtern entfernt. ,Abd al-Fatt¯ah. Ism¯a,¯ıl wurde Staatschef und ,Al¯ı N¯as.ir Muh.ammad Pr¨asident.

Im Oktober 1978 wurde schließlich die Jemenitische Sozialistische Partei (JSP al-h. izb al-iˇstir¯ak¯ı al-yaman¯ı ) ins Leben gerufen, die im folgenden Jahr einen auf zwanzig Jahre angelegten Kooperations- und Freundschaftsvertrag mit der UdSSR schloss. Pr¨asident ,Abd al-Fatt¯ah. Ism¯a,¯ıl trat 1980 zur¨uck und ging ins Exil nach Moskau. Seine Hoffnung, durch eine besonders mos-kautreue Politik mehr Hilfe vom großen Bruder zu bekommen, hatte sich nicht erf¨ullt. Seine Nachfolge trat,Al¯ı N¯as.ir Muh.ammad an. Er verfolgte eine gem¨aßigte Politik und verbesserte die Beziehungen der Republik zu anderen L¨andern. Durch seine erfolgreiche Wirtschaftspolitik konnte er zudem seine Macht st¨arken. Nach weiteren Streitigkeiten in der Partei gab ,Al¯ı N¯as.ir 1985 das Amt des Premiers an H. aydar Ab¯u Bakr al-,At.t.¯as ab, blieb aber Pr¨asident und Generalsekret¨ar. Doch trotz ¨Anderungen in der Staats- und Parteif¨uhrung spitzten sich die Konflikte innerhalb der F¨uhrungsriege erneut

zu, und im Mai 1985 wurde von aufmarschierenden Truppen berichtet.36

1.6 Reformen und Umstrukturierung