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Mahd¯ı B¯ asunbul – der Choleriker

Im Dokument Die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen (Seite 157-161)

Im Gegensatz zu seinem rationalen Freund Ah.mad zeichnet sich Mahd¯ı durch sein cholerisches Wesen aus, das ihn immer wieder in Schwierigkeiten bringt.

Der Grund f¨ur seine gef¨ahrlichen Wutanf¨alle ist meist sein starker Gerechtig-keitssinn, der ihn Rechtsbeugung nicht schweigend hinnehmen l¨asst, sondern ihn immer wieder in Rage versetzt. Dann f¨angt er an zu schreien oder ex-plodiert vor Wut(infaˇgara mahd¯ı b¯asunbul s.¯arih

˘an f¯ı waˇghi anwar h

˘¯an bi˙gad. abin ,¯arimin , S. 59, infaˇgara mahd¯ı bi˙gad. ab , S. 66). Auch weinend (S. 9, 10) oder mit den F¨austen auf den Tisch trommelnd (S. 59) ¨außert Mahd¯ı seine Wut und seinen Schmerz. ,Awlaq¯ı w¨ahlt f¨ur die Beschreibung der Gef¨uhle Mahd¯ıs starke Worte. Sein Zorn (h. anaq, S. 11, 66) und seine Wut

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erhalten oft noch Attribute wieheftig(,¯arim, S. 58) lodernd und brennend (bih. anaq yata-aˇgˇgaˇg iˇsti,¯aluh, S. 11) oder gar hysterisch (S. 59). Mahd¯ıs direkte Rede wird h¨aufig mit dem Hinweis versehen, dass er schreit (S. 11, 55, 58) oder gar die Z¨ugel seiner Stimme bis zu ihrer ¨außersten Reichweite schießen l¨asst (wa at.laqa lis.awtihi ’l-,in¯ana il¯a ¯ah

˘iri mad¯ahu , S. 11).

Sogar die BezeichnungFanatismus (,as.ab¯ıya , S. 35) findet ,Awlaq¯ı ange-messen, um das aufbrausende Wesen seiner Figur zu charakterisieren. Mahd¯ı scheint st¨andig unter Strom zu stehen und von seinen – vor allen Dingen negativen – Gef¨uhlen beherrscht zu werden. Der Autor l¨asst keinen Zweifel daran, dass seine Figur an vielen Stellen ¨uberreagiert und damit Schwierig-keiten heraufbeschw¨ort:

Aber Mahd¯ı B¯asunbul verdarb seinen Plan in kindischem Zank, entschlossen, das Gespr¨ach dort fortzusetzen, wo es abgebrochen war, als w¨are der Abschluss der Debatte f¨ur ihn wichtiger als die Befreiung aus dieser strengen Pr¨ufung. (S. 57)

Nachdem die ¨Uberraschung, die der Auftritt des Mannes im blau-en Anzug verursacht hatte, verflogblau-en war, trat ihm Mahd¯ı B¯asunbul entgegen, Unruhe stiftend, wie es seine Gewohnheit war.(S. 80) Wenn seine Angst ¨uberm¨achtig wird und ein Wutausbruch gef¨ahrlich, kehrt sich Mahd¯ıs ¨ubliches Verhalten ins Gegenteil um. Dann erstarrt er und kann nicht mehr sprechen. Dies geschieht w¨ahrend des Verh¨ors, als ˇGibr¯an die Zu-stimmung der drei Nachtplauderer zur Falschaussage verlangt (S. 66), und vor Gericht, als ˇGibr¯an aufspringt und nach seiner Waffe greift, um Mahd¯ı daran zu hindern, die Wahrheit zu sagen (S. 92 f.).

Mit der Darstellung seines Helden kritisiert ,Awlaq¯ı ihn indirekt und stellt ihn als schwierige Pers¨onlichkeit dar, was er bei der Beschreibung Ah.mads vermeidet. Auch dies kann als Indiz daf¨ur gewertet werden, dass sich der Autor in erster Linie mit Ah.mad identifiziert.

Genauso eigenwillig und unkonventionell wie Mahd¯ıs Charakter ist seine be-rufliche Laufbahn. Sein Studium bricht er ab, um zun¨achst in einigen Ver-waltungs¨amtern t¨atig zu sein, bis ihn die Wellen ans Ufer des Theaters sp¨ulten (S. 36). In diesem Metier findet er schließlich seine Berufung und schafft es, sich einen Namen zu machen. Nie scheint Mahd¯ı Kompromisse einzugehen, obwohl er bereits dreimal verhaftet wurde und dem Druck der Justiz ausgesetzt war. Erst als ˇGibr¯an die drei Nachtplauderer massiv be-droht und sie ihr Leben in Gefahr sehen, gibt er nach.

In seinen Dramen ¨außert sich Mahd¯ıs Aufbegehren gegen die bestehenden

Zust¨ande. Doch auch ihm sind die H¨ande gebunden und er darf nicht all das ausdr¨ucken, was es ihn zu sagen dr¨angt, denn die Zensur schr¨ankt die jemeni-tischen Dramatiker stark ein. Der Versuch, mit der Auff¨uhrung ausl¨andischer St¨ucke das Gew¨unschte auszudr¨ucken, ist aber zum Scheitern verurteilt.

Dann kann niemand von etwas anderem ¨uberzeugt sein, als dass die Handlungen dieses dramatischen Werkes nicht im Zusammen-hang mit uns stehen, und dass die Geschehnisse, die es enth¨alt, importiert sind, welche M¨uhe auch immer aufgewandt wurde, um sie einheimisch zu machen. Ich finde kein St¨uck, das mit seinem Fett, seinem Fleisch und seinen Knochen wirklich einheimisch ist, das mein Verlangen befriedigt h¨atte, und ich kenne keinen einzigen einheimischen Autoren, den seine Dummheit dazu qua-lifizieren w¨urde, die Zeit und die M¨uhe aufzuwenden, ein St¨uck zu schreiben, dessen unab¨anderliches Schicksal w¨are, verboten zu werden.(S. 15)

Wie seine beiden Freunde f¨uhrt die Einschr¨ankung seiner k¨unstlerischen Ar-beit Mahd¯ı in eine Krise, aus der er auszubrechen versucht, indem er in der Geburtsstadt seines Vaters nach seinen Wurzeln und seiner Identit¨at sucht.

Er fragt sich, ob die Opfer der Vorfahren gerechtfertigt waren, um das herr-schende System zu erreichen, oder ob sie den nachfolgenden Generationen eine Last aufgeb¨urdet haben, die zu groß ist. Doch Mahd¯ı findet keine Ant-wort und fragt sich resigniert:

Was glaubte ich in ˇSih. r finden zu k¨onnen? Was ist ˇSih. r selbst nach all dem? Tats¨achlich – wie der Korrespondent vonNewsweek sagte – nicht mehr als eine kleine K¨ustenstadt, voller Fische und H. adramiten? (S. 34)

Verwirrt wie sein Seelenzustand ist auch sein neuestes Drama, das in ˇSih.r uraufgef¨uhrt wird. Innere Zerrissenheit, verworrene Gedanken und ein st¨ andi-ges Auf und Ab der Gef¨uhle pr¨agen das St¨uck, irritieren das Publikum und erz¨urnen den Kulturkommissar, der Mahd¯ı nach der Auff¨uhrung zur Rede stellt. Mahd¯ı muss feststellen, dass er mit seinem Versuch, aus den engen Schranken des Kulturbetriebs auszubrechen und zu sich selbst zu finden, ge-scheitert ist, und dass er mit seinem St¨uck nichts erreicht hat. Wieder war ihm seine Kompromisslosigkeit im Weg.

Bei der Wahl seiner beiden Ehefrauen schwankt Mahd¯ı ebenfalls zwischen zwei Extremen. , Atika ist jung, verf¨¯ uhrerisch und erf¨ullt die traditionelle Frauenrolle. Ihr einziges Interesse scheint zu sein, Mahd¯ı zu umsorgen und zu verf¨uhren. Immer wieder wird sie als Teufelin bezeichnet, deren Reize sich ihr Mann nicht erwehren kann. Doch Mahd¯ı vermisst den geistigen Aus-tausch mit ihr. Seine Fragen nach ihrer Meinung zur aktuellen Politik kann sie nicht beantworten und lenkt ihn stattdessen mit einem Verf¨ uhrungsver-such ab:

Unter ihrem gr¨unen, durchsichtigen Morgenrock waren die Einzel-heiten ihres K¨orpers deutlich zu sehen und innerhalb seines Blick-feldes. Jedes Detail, jede Kurve und jede Linie. Mahd¯ı war 22 Jahre alt und ,Atika noch keine 17, und der Teufel war auf dem¯ H¨ohepunkt seiner Verschlagenheit und Reife. [...] Sie benutzte den Kaugummi absichtlich mit dem gr¨unen, durchsichtigen Morgen-rock, als w¨aren sie untrennbar zusammengeh¨orige Dinge, und sie f¨ugte einige Bewegungen, Kurven und Suggestionen hinzu. Sie blieb in st¨andiger Bereitschaft f¨ur jeden Gef¨uhlsapparat Mahd¯ıs.

Wie sch¨on ist doch diese kleine dumme Teufelin! (S. 39)

Bereits nach einem Jahr wird Mahd¯ıs Ehe mit ,Atika geschieden, ohne dass¯ der Grund daf¨ur genannt wird. Drei Jahre sp¨ater heiratet Mahd¯ı Zaynab, die das krasse Gegenteil zu ,Atika darstellt. Streng, b¨¯ osartig und kalt ist sie in Mahd¯ıs Augen nach einigen Jahren Ehe. Dabei ist sie ihm ¨ahnlich, denn auch in ihrem Wesen spielt der Zorn eine große Rolle:

Ihr Gesicht ist immer streng, als h¨atte ihr die hochehrw¨urdige Azhar-Universit¨at den Auftrag gegeben, den Zorn des Barmher-zigen zu verk¨orpern. (S. 39)

Auch ihre Wut außert sich mit Heftigkeit (ˇsidda ; S. 76) und mit aller Wucht (bikulli at

¯q¯al ˙gad. abih¯a , ebd.). Sie ist bei seiner R¨uckkehr nach dem Verh¨or so außer sich, dass Mahd¯ı sich vorstellt, wie sich ihr Atem in einen Feuerstrahl verwandeln w¨urde, wenn er ein Streichholz daran hielte (ebd.). Wahrscheinlich weil sie sich in ihrer Unbeherrschtheit so ¨ahnlich sind, kommen die beiden so schlecht miteinander aus.

Als berufst¨atige Frau und Mutter passt sich Zaynab ins sozialistischen Sy-stem ein. Sie ist nicht in erster Linie auf ihren Mann ausgerichtet mit der

Aufgabe, eine gute Hausfrau und Mutter zu sein, sondern soll ihren Anteil an der wirtschaftlichen Produktivit¨at des Landes und am Aufbau einer prospe-rierenden Gesellschaft leisten. Aber mit diesem Typ Frau wird Mahd¯ı noch weniger gl¨ucklich als mit der Verf¨uhrerin, so dass sich das Verh¨altnis der beiden Ehegatten schließlich zum offenen Hass entwickelt. Einer Scheidung stehen allerdings die neuen Familiengesetze des S¨udjemen im Wege, die, im Vergleich zurˇsar¯ı,a , der Frau viel mehr Rechte einr¨aumen. Diese machen ei-ne Scheidung f¨ur Mahd¯ı unm¨oglich, und nur m¨uhsam findet er zusammen mit dem Scheidungsrichter einen Kompromiss, der ihn in seinem eigenen Haus stark einschr¨ankt.

Im Dokument Die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen (Seite 157-161)