• Keine Ergebnisse gefunden

6 Resultierende Kompetenzen und Bildungsherausforderungen

Im Rahmen der Diskussion um die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ent-wickelte de Haan (2008) ein für den Kontext angepasstes und in Bildungskontexten breit rezipiertes Konzept von „Gestaltungskompetenz“. In seinen zehn Teilkompeten-zen zeigt sich eine hohe Übereinstimmung mit Merkmalen und abgeleiteten Kompe-tenzen, die auch im Konzept des homo sustinens relevant sind (s. Tab. 1). Jedoch sind die Bezüge zur Digitalisierung und den Merkmalen eines homo sustinens digitalis we-niger entwickelt, da keine der von de Haan (2008) genannten Kompetenzen konkret

Bernd Siebenhüner 47

auf abgeleitete Kompetenzen für die nachhaltige Gestaltung und Nutzung digitaler Technologien passend erscheint.

Merkmale und Kompetenzen des homo sustinens digitalis und Teilkompetenzen der Gestaltungs-kompetenz für die Bildung für nachhaltige Entwicklung (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 1:

Merkmale

homo sustinens digitalis Kompetenzen des

homo sustinens digitalis Korrespondierende Teilkompeten-zen nach de Haan (2008) Naturbezug Sich als Teil der Natur verstehen

und erfahren können (2) Vorausschauend denken und handeln

(3) Interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln Kooperation Mit anderen nachhaltige

Lösun-gen entwickeln und gemeinsam

Lernen und Kreativität Konstruktiv und kreativ Wissen

entwickeln (1) Weltoffen und neue

Perspek-tiven integrierend Wissen auf-bauen

Verantwortung und

Selbst-bestimmung Eigenes und fremdes Handeln in

Bezug auf ethische Gründe reflek-tieren und motiviert und selbst-bestimmt umsetzen

(7) Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren können

Mensch und digitaler Technik Grenzen zwischen digitalen und realen Welten erkennen und gestalten

Digitale (Gestaltungs- und

Nutzungs-)Kompetenz Digitale Medien reflektiert nutzen und mitgestalten

(Digitale) Suffizienz Nutzung digitaler Technologien für ein suffizientes gutes Leben Datenautonomie und

Daten-schutz Privatsphäre schützen und

ana-loge Schutzräume erhalten Gemeinwohlorientierung Kollaborative Gestaltung und

Nut-zung von digitalen Angeboten und Diensten

(9) Empathie und Solidarität für Benachteiligte zeigen können

In der Schlussfolgerung geht es daher bei der Gestaltung von Bildungsprozessen und -strukturen insbesondere in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung aufgrund der Un-ausweichlichkeit der Digitalisierung um die Hinzunahme solcher Teilkompetenzen, die sich auf einen nachhaltigen oder nachhaltigkeitskonformen Umgang mit digita-len Technologien beziehen. So gilt es, auch und insbesondere im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung in den verschiedenen Phasen von Bildungsprozessen, die Kompetenzen für die nachhaltige Entwicklung um digitale Kompetenzen zu er-weitern und diese in entsprechende Prozesse einzubauen. Hierfür bieten sich z. B. die

48 Homo sustinens als homo digitalis?

Handlungsfelder an, die voranstehend im Rahmen der Integration von Nachhaltigkeit und Digitalisierung benannt wurden, wie die Energiewende, die Verkehrswende oder auch die Konsumwende hin zu Suffizienz und Kreislaufwirtschaft. Inwiefern be-stehende Strukturen und Institutionen für Erziehung und Bildung hierzu in der Lage sind, ist eine offene Frage, die der konstruktiven und gestaltungsorientierten Beant-wortung harrt.

Literatur

Becker, C. (2011). Sustainability ethics and sustainability research. Springer Science & Busi-ness Media.

BUND/Misereor (Hrsg.) (1997). Zukunftsfähiges Deutschland. Berlin u. a. https://doi.org/

10.1007/978-3-0348-5088-9

Capurro, R. (2017). Homo Digitalis: Beiträge zur Ontologie, Anthropologie und Ethik der digita-len Technik. Springer-Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17131-5

Dahrendorf, R. (1968). Homo sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle (7. Aufl.). Campus. https://doi.org/

10.1007/978-3-531-90216-6

Damasio, A. R. (1997). Descartes’ Irrtum: Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn (2. Aufl.). List Verlag.

Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1985). Intrinsic motivation and self-determination in human behav-ior. Springer. https://doi.org/10.1007/978-1-4899-2271-7

De Haan, G. (2008). Gestaltungskompetenz als Kompetenzkonzept der Bildung für nach-haltige Entwicklung. In I. Bormann, & G. De Haan (Hrsg.), Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung (S. 23–43). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

10.1007/978-3-531-90832-8_4

Doob, L. W. (1995). Sustainers and sustainability. Attitudes, attributes and actions for survival.

Westport.

Faber, M., Manstetten, R., & Petersen, T. (1997). Homo oeconomicus and homo politicus.

Political economy, constitutional interest and ecological interest. Kyklos, 50(4), 457–483. https://doi.org/10.1111/1467-6435.00026

Fehr, E., & Schurtenberger, I. (2018). Normative foundations of human cooperation. Nature Human Behaviour, 2(7), 458–468. https://doi:10.1038/s41562-018-0385-5

Ferrari, A. (2013). Digital Competence in Practice: An Analysis of Frameworks. Publications Office of the European Union. https://doi.org/10.2791/82116

Hilty, L. (2020). Software und Nachhaltigkeit. Von der informationellen zur materiellen Selbstbestimmung. In M. Göpel, H. Leitschuh, A. Brunnengräber, P. lbisch, R. Loske, M. Müller, J. Sommer, & E. U. von Weizsäcker (Hrsg.), Jahrbuch Ökologie: Die Ökologie der digitalen Gesellschaft (S. 182–193). S. Hirzel Verlag Stuttgart.

Jackson, T. (2002). Evolutionary psychology in ecological economics: consilience, con-sumption and contentment. Ecological Economics, 41(2), 289–303. https://doi.org/

10.1016/S0921-8009(02)00040-X

Joas, H. (1996). Die Kreativität des Handelns. Suhrkamp.

Bernd Siebenhüner 49

Kant, I. (1798/1980). Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Meiner.

Kirchgässner, G. (1991). Homo oeconomicus. Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Mohr.

Lange, S., & Santarius, T. (2018). Smarte grüne Welt. Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit. oekom.

Manstetten, R. (1996). Zukunftsfähigkeit und Zukunftswürdigkeit – Philosophische Bemerkungen zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung. GAIA, 5(6) , 291–298.

https://doi.org/10.14512/gaia.5.6.5

Maslow, A. H. (1996). Motivation und Persönlichkeit. Reinbek.

Montag, C. (2018). Homo Digitalis. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20026-8 Paech, N. (2012). Befreiung vom Überfluss. oekom-Verlag.

Peris-Ortiz, M., Bennett, D. R., & Yábar, D. P. B. (2017). Sustainable Smart Cities. Innovation, Technology, and Knowledge Management. Springer International Publishing Switzer-land. https://doi.org/10.1007/978-3-319-40895-8

Santarius, T. (2015). Der Rebound Effekt. Ökonomische, psychische und soziale Herausforderun-gen für die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch. Metropolis.

Scherhorn, G. (1994). Pro- und postmaterielle Werthaltungen in der Industriegesellschaft.

In G. Altner, B. Mettler-Meibom, U. E. Simonis, & E. U. von Weizsäcker (Hrsg.), Jahr-buch Ökologie 1995 (S. 186–198). C. H. Beck.

Scherhorn, G., & Reisch, L. (1997). Wege zu nachhaltigen Konsummustern. Metropolis.

Schneidewind, U. (2018). Die Große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesell-schaftlichen Wandels. Fischer.

Schor, J. (2020). After the Gig: How the Sharing Economy Got Hijacked and How to Win It Back. University of California Press. https://doi.org/10.2307/j.ctv125jrwn

Schunk, D. H. (1996). Learning Theories: An Educational Perspective (2. Aufl.). Prentice Hall.

Siebenhüner, B. (2001). Homo sustinens. Auf dem Weg zu einem Menschenbild der Nachhaltig-keit. Metropolis.

Steffen, W., Richardson, K., Rockström, J., Cornell, S. E., Fetzer, I., Bennett, E. M., & Sörlin, S. (2015). Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet.

Science, 347(6223). https://doi.org/10.1126/science.1259855 Ulrich, P. (1993). Transformation der ökonomischen Vernunft. Paul Haupt.

UN (2015). Sustainable development goals. Sustainable Development Knowledge Plat-form. https://sdgs.un.org/goals

Van Dijk, J. (2020). The Digital Divide. Polity Press.

Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (1987). Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht. Greven.

Welzer, H. (2016). Die smarte Diktatur: der Angriff auf unsere Freiheit. Fischer Verlag.

Williamson, B., Eynon R., & Potter, J. (2020). Pandemic politics, pedagogies and practices:

digital technologies and distance education during the coronavirus emergency. Learn-ing, Media and Technology, 45(2), 107–114. https://doi.org/10.1080/17439884.2020.

1761641

50 Homo sustinens als homo digitalis?

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Prinzipien einer zukunftsfähigen Digitalisierung . . . . 46

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Merkmale und Kompetenzen des homo sustinens digitalis und Teilkompeten-zen der Gestaltungskompetenz für die Bildung für nachhaltige Entwicklung . . 48

Autor

Prof. Dr. Bernd Siebenhüner ist Professor für ökologische Ökonomie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. In transdisziplinären Forschungsprojekten arbeitet er zu Klimaanpassung, Global Governance, Internationalen Organisationen, gesell-schaftlichem Lernen und zu konzeptionellen Fragen der Nachhaltigkeit.

Kontakt: bernd.siebenhuener@uol.de

Bernd Siebenhüner 51

Nachhaltigkeit im Banking – Wie ein globaler