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2 Anforderungen aus ESG/Nachhaltigkeit an Banken

Um einen Überblick über die Wirkung des Themas Nachhaltigkeit zu erhalten, ist es zunächst erforderlich, sich einen Überblick über die relevanten Anforderungen zu verschaffen. Diese können von offiziellen Stellen kommen und verpflichtender Natur sein, aber auch von den Kunden, deren Wünsche zu erfüllen sind, um erfolgreich am Markt tätig sein zu können.

1 Bei einem ETF handelt es sich um ein passives Investment, dass einen vordefinierten Index von Aktien oder Anleihen nachbildet, z. B. den Dax oder den MDax für ein Investment in deutsche Aktien, den Nikkei für japanische Aktien oder den Dow Jones Industrial Average für US-Aktien.

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2.1 Anforderungen aus Gesetzgebung und Regulatorik

Mit Blick auf die relevante internationale und nationale Gesetzgebung (z. B. durch EU und Nationalstaaten) sowie regulatorische Vorgaben jenseits der Legislative (z. B. von Baseler Ausschuss, BaFin, EBA, EZB, EIOPA) ist festzuhalten, dass es eine Vielzahl von Vorgaben gibt, die schon verpflichtend sind oder aber dies absehbar werden. Hier-bei ist zu unterscheiden zwischen direkt umzusetzenden Vorgaben und übergreifen-den Verträgen, Abkommen und Regelwerken mit einer indirekten Wirkung auf die Banken. Ein erstes Beispiel hierfür ist das 2015 getroffene und 2016 von der EU ratifi-zierte Pariser Abkommen, das das Ziel definiert, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Spezifisch mit Blick auf den Finanzsektor wurde dort beschlossen, die „Finanzmittelflüsse in Einklang [zu bringen] mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderun-gen widerstandsfähiKlimaänderun-gen Entwicklung“ und damit weg von kohlenstoffintensiven In-vestitionen (Pariser Klimakonferenz, 2015, Art. 2, Abs. 1, Nr. c, S. 4), was eine entspre-chende direkte Gesetzgebung und Regulatorik erwarten lässt. Ein weiteres Beispiel sind die Social Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen mit 17 Zielen nach-haltiger Entwicklung und 169 Unterzielen für Staaten, Zivilgesellschaft und Privatsek-tor.

Im Kontext der SDG ist auch der European Green Deal der Europäischen Kom-mission zu sehen, auf dessen Basis aktuell die EU-Taxonomie für Nachhaltigkeit auf-und ausgebaut wird. Auf diese einigten sich das Europäische Parlament auf-und die Mit-gliedstaaten Mitte Dezember 2019, um eine verbindliche Definition für ökologisch nachhaltige Aktivitäten und Investitionen vorzugeben. Im Amtsblatt der EU wurde sie am 22.06.2020 veröffentlicht und ist ab dem 01.01.2022 anzuwenden (vgl. Maak-Heß, 2020), wobei der Konsultationsprozess für die technischen Kriterien seit Novem-ber 2020 läuft (vgl. Europäische Kommission, 2020). Die Bedeutung für den Finanz-sektor liegt dabei insbesondere auf der Komponente der „Investitionen“, da diese typischerweise durch Banken oder den Kapitalmarkt (mit-)finanziert werden und so-mit auch in den Risikomodellen der Banken abzubilden sind.

Hier schließt sich die Brücke zur direkten Aufsicht, wie das im Dezember 2019 veröffentlichte „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ der BaFin ver-deutlicht, mit dem die deutsche Banken- und Versicherungsaufsicht „den von ihr beaufsichtigten Unternehmen eine Orientierungshilfe im Umgang mit dem immer wichtiger werdenden Thema ‚Nachhaltigkeitsrisiken‘ geben“ (BaFin, 2019, S. 9) möchte. Wie breit das Thema verstanden wird, macht dabei der Inhalt des Merkblattes von der „Verantwortliche[n] Unternehmensführung“ über die „Geschäftsorganisa-tion“ und das „Risikomanagement“ bis hin zu „Stresstests einschließlich Szenario-analysen“ sowie der „Verwendung von Ratings“ deutlich. Zu bedenken ist, dass es sich zwar formell um ein unverbindliches Merkblatt handelt, dieses aber mutmaßlich zügig auch in die aufsichtliche Praxis überführt werden wird.

Weiter zu nennen ist die am 10.03.21 in Kraft tretende Offenlegungsverordnung der EU, die Finanzmarktteilnehmer zu mehr Transparenz beim Thema Nachhaltig-keit gegenüber Anlegern verpflichtet (vgl. Sailer, 2020). Sie betrifft alle

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schaften, Versicherungen, Kreditinstitute mit Portfolioverwaltung und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung und etabliert umfassende ESG-Berichtspflichten und sieht für die Umsetzung derzeit 32 verpflichtende und 18 optionale Indikatoren aus den Bereichen Energieeffizienz Treibhausgasemissionen, Biodiversität, Wasser, Abfall, Soziales und Mitarbeiter, Menschenrechte sowie Korruption vor (vgl. Frühauf, 2021, S. 30). Eines der Ziele ist es, Investoren eine Vergleichbarkeit von Anlagepro-dukten anhand konkreter ESG-Kennzahlen zu ermöglichen, z. B. anhand des Anteils der Kapitalanlagen an Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in festen fossilen Brenn-stoffen.

Weiter gehende, künftig zu erwartenden Anforderungen lassen sich aus Äuße-rungen von Aufsichtsbehörden wie EBA und EZB herauslesen, denen zufolge z. B. zu erwarten ist, dass die regelmäßig durchgeführten Stresstests künftig um Risiken aus den Bereichen ESG oder Klima ergänzt werden. Die genauen Anforderungen sind zwar noch unklar, doch bereits heute ergeht die Aufforderung an die Industrie, sich hierauf vorzubereiten, und erste Piloten laufen bereits. Somit wird klar, dass derzeit die primär qualitativen Reportings nicht mehr ausreichen werden, sondern quantita-tive Aspekte entweder in die bestehenden Risikomodelle zu integrieren oder neue, eigene Risikomodelle zum Thema Nachhaltigkeit zu entwickeln sind, die sowohl di-rekte als auch indidi-rekte Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen.

Als indirekte Risiken sind zum einen physische und zum anderen Transitions-risiken zu sehen. Die physischen Risiken ergeben sich aus Umwelt- und Klimaverän-derungen, wie z. B. Schäden durch extreme Wetterphänomene, den Anstieg des Mee-resspiegels, sich verschlechternde Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Transitions-risiken sind Risiken aus der Veränderung und der Transformation in eine nachhaltige Zukunft, z. B. Anstieg von Preisen für fossile Energieträger durch eine gezielte Ver-teuerung oder Haftungsrisiken für Umweltverschmutzung.

Die direkten Risiken sind zum einen Kredit- und Adressenausfallrisken, z. B.

neue und bisher nicht berücksichtigte Ausfallrisiken bei Finanzierungen und Kredit-engagements. Zum anderen auch gesamthafte Marktrisiken, die sich durch die Verän-derung von Märkten insbesondere durch das Wegbrechen von Ressourcen ergeben, z. B. Zerstörung von nachwachsenden oder fossilen Rohstoffen, Rückgang des Wirt-schaftswachstums, Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Mit der Berücksichtigung dieser Risiken sollen Auswirkungen von Klimaverän-derungen, aber auch Veränderungen innerhalb der Regulatorik bzw. Verhaltensände-rungen der Nachfrager berücksichtigt und deren Einfluss auf die Kapitalposition der Banken simuliert werden.

2.2 Anforderungen aus dem Markt und von Kunden

Neben verpflichtenden Vorgaben von Gesetzgeber und Aufsehern sind die Ziele der Offenlegungsverordnung aber auch ein erster Indikator, dass marktseitig zuneh-mende Anforderungen an Finanzinstitute gestellt werden, die z. T. deutlich über die aufsichtlichen Anforderungen hinausgehen. Das Muster, dass Wandel staatlich bzw.

aufsichtlich initiiert wird, um dann unter Markterwartungen Fahrt aufzunehmen,

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konnte auch bei anderen Industrien bereits beobachtet werden, auch wenn die Fi-nanzwelt auf dieser Transformationskurve heute noch nicht so weit fortgeschritten ist. Für die Finanzindustrie zeigt sich dieser Wandel daran, dass 65 % der Anleger in Deutschland es wichtig oder sehr wichtig finden, dass ihr Geld in sozial- und umwelt-verträgliche Projekte investiert wird.

Entwicklung „Nachhaltigkeit in der Geldanlage in Deutschland“ (Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlagen (2020), S. 8)

Daher verwundert es nicht, dass allein von 2018 auf 2019 das in nachhaltigen Invest-mentfonds angelegte Vermögen einen Zuwachs um 41 Prozent auf 63,2 Milliarden Euro erlebte und nachhaltige Vermögensverwaltungsmandate in diesem Zeitraum um 36 Prozent auf 120,3 Milliarden Euro wuchsen. Dieses Wachstum spiegelt sich auch bei der Anzahl der Anbieter wider, denn während im Jahr 2010 nur 37 und auch 2015 erst 54 ESG-Fonds neu aufgelegt wurden, waren es 2020 bereits 168. Noch beein-druckender sind die globalen Zahlen, denn allein von Januar bis November 2020 ha-ben nach Auskunft von Larry Fink (Fink zit. n. Köhler, 2021, S. 36), dem Chef des welt-größten Investors Blackrock, Investoren weltweit 288 Milliarden Dollar in aktiv gemanagte Nachhaltigkeitsfonds und entsprechende Indexfonds (ETFs) gesteckt, was einen Anstieg von 96 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Darüber hinaus zeigte eine Umfrage von Blackrock unter 425 institutionellen Anlegern aus 27 Ländern mit einem verwalteten Vermögen von ca. 25 Billionen Dollar, dass 54 Prozent nachhaltiges Inves-tieren als von grundlegender Bedeutung für ihre Anlageprozesse und -ergebnisse an-sehen. Diese Einsicht wird noch verstärkt davon, dass für 86 Prozent der Befragten aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika nachhaltiges Investieren schon jetzt – oder in naher Zukunft – im Mittelpunkt ihrer Anlagestrategien steht. Positiv ist dabei aus Sicht der Anbieter zu bewerten, dass viele vermögende Kunden bereit sind, für nach-haltige Investments und anspruchsvolle ESG-Produkte mehr zu zahlen (vgl. Böh-mert, 2021, S. 4).

Abbildung 1:

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Ein Einfluss der Nachhaltigkeitsziele beschränkt sich aber keineswegs auf das Geschäft mit Privatkunden und Wertpapiere bzw. Investments, denn auch im Fir-menkundengeschäft und der Kreditvergabe ist zusehends eine Verknüpfung des Zin-ses mit Zielen für CO2-Emissionen, Recycling oder dem Frauenanteil im Manage-ment zu beobachten (vgl. Ruhkamp, 2021, S. 12). Ein Beispiel hierfür ist eine 350 Mil.

Euro schwere, an Nachhaltigkeit gebundene Anleihe des französischen Klinikbetrei-bers C2S, deren Verzinsung an die Steigerung der Patientenzufriedenheit, die Redu-zierung der medizinischen Abfälle und die Verbesserung der Arbeitsqualität der Mit-arbeiter:innen geknüpft ist.

3 Nachhaltigkeit und Status quo sowie deren Umsetzung