• Keine Ergebnisse gefunden

3 Nachhaltigkeit und Status quo sowie deren Umsetzung in der deutschen Finanzindustrie

3.1 Auswirkungen und Umsetzung in der Finanzindustrie

Die Möglichkeiten der Finanzindustrie zur nachhaltigen Ausrichtung der eigenen Wertschöpfungskette sind durch das Fehlen von CO2-emittierenden Produktionsstät-ten beschränkt. Dennoch sind ihre Geschäftsmodelle und Produkte wie auch die Kun-denbeziehungen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit einem Wandel unterworfen, denn Banken lenken die Geldströme innerhalb von Volkswirtschaften und bestim-men so wesentlich mit, wo und wie die Wirtschaft investiert. Somit können auch ge-zielt nachhaltige Unternehmen und Projekte finanziert werden. Dies gilt für Banken, die Kredite vergeben, wie für Versicherungen, die ihr eingesammeltes Kapital anlegen und damit ebenfalls starken Einfluss auf die Märkte für Eigen- und Fremdkapital neh-men. Weiterhin zu nennen sind Notenbanken, die ebenfalls in großem Umfang Ver-mögensgegenstände wie staatliche Anleihen, aber in zunehmendem Maße auch Un-ternehmensanleihen und im Falle der Bank of Japan sogar ETFs erwerben.

Die von der EU-Kommission entwickelte Taxonomie zur Nachhaltigkeit dient einem einheitlichen Verständnis und führt zu steigenden Anforderungen für Banken, da sich Anpassungsbedarfe der Geschäftsmodelle wie auch Umsetzungsaufwände, insbesondere im Bereich Reporting, ergeben. Erste Umfragen haben jedoch gezeigt, dass die Auswirkungen insbesondere auf die Neuausrichtung der Geschäftsmodelle als positiv einzuschätzen sind (vgl. Neubacher, 2021b, S. 2). Die Ergebnisse scheinen etwas unerwartet, weil neue Vorgaben in der Regel vor allem erhöhten Aufwand be-deuten und die Institute zahlreiche und stetig steigende regulatorische Anforderun-gen umsetzen müssen. Klassischerweise sind auch im Rahmen der Umsetzung der Taxonomie insbesondere die Bereiche Reporting und IT betroffen. Darüber hinaus gelten auch die Produktentwicklung und das Risikomanagement als Aufwandstreiber.

Dies ist nicht verwunderlich, da die Reporting-Anforderungen stetig steigen und auch ad-hoc-Auswertungen zunehmen. Für ein entsprechendes Nachhaltigkeitsreporting müssen meist erst noch neue Strukturen und auch Datenfelder geschaffen werden, um entsprechende Kennzahlen zu erheben. Ein gutes Beispiel ist die Immobilienfi-nanzierung, bei der z. B. Energieausweise als Nachhaltigkeitsindikator genutzt

wer-58 Nachhaltigkeit im Banking

den können. Sofern diese bei Kreditneuzusage nicht erfasst wurden, ist die Nacherfas-sung mit hohem Aufwand verbunden, vor allem da Energieausweise von Gebäuden nicht flächendeckend vorhanden sind. Auch die Produktentwicklung muss sich mit neuen Anforderungen und Umstellungen auseinandersetzen, da neue Produkte zu entwickeln sind, die an Nachhaltigkeitsfaktoren gekoppelt sind. Dies erfordert neue Kalkulationsmethoden, wirkt sich gleichzeitig auch auf das Risikomanagement aus.

Zusätzlich sind im Rahmen des Risikomanagements auch die zuvor beschriebenen Risiken und Auswirkungen auf das Portfolio der Bank zu berücksichtigen.

Erwarteter Aufwand für Banken aus der EU-Taxonomie zur Nachhaltigkeit (Quelle: Neubacher, B. (2021b). Deutschlands Banken reagieren positiv auf EU-Taxonomie. Börsen-Zeitung, 8, 2)

Neben der EU-Taxonomie gibt es zahlreiche weitere Nachhaltigkeitsprinzipien für Fi-nanzdienstleister. In Abb. 3 sind exemplarisch vier unterschiedliche Initiativen darge-stellt, die Bemühungen zeigen, Richtlinien und Standards zu entwickeln. Diese die-nen den Banken als Grundlage für die Operationalisierung.

Unternehmen sind stets bestrebt, ihre nachhaltigen Aktivitäten zu forcieren, doch besteht auch das Erfordernis, die eigenen Erfolge an die relevanten Stakeholder zu kommunizieren. Dazu wurden zum einen die Nachhaltigkeitsberichte eingeführt und zum anderen gibt es zahlreiche Gütesiegel, z. B. Sustainalytics, Climetrics, Fair Finance Guide, mit denen Standards signalisiert werden können. Ein gutes Beispiel für die wachsende Bedeutung solcher Siegel ist Sustainalytics, deren Wurzeln zur Be-wertung der Nachhaltigkeits-Performance im Jahr 1992 liegen (vgl. Sustainalytics, o. J.). Nach kontinuierlichem Wachstum und der Gewinnung von Partnern erwarb Morningstar als global führendes Finanzinformations- und Analyseunternehmen im Jahr 2017 zunächst 40 % der Anteile und übernahm das Unternehmen schließlich 2020 komplett, wobei der Wert auf ca. 100 Mio. EUR taxiert wurde (vgl. Institutional Money, 2020).

Abbildung 2:

Johannes Klein, Carsten Küst, Heike Jahncke, Florian Berding 59

Beispiele für Nachhaltigkeitsprinzipien für Finanzdienstleiter (Quelle: eigene Darstellung)

Für Banken gilt, dass sie sich selbst als Unternehmen nachhaltig aufstellen müssen, aber auch ein entsprechendes Produktportfolio benötigen sowie ihre Aktivitäten ge-zielt lenken müssen. Zahlreiche Banken arbeiten mittlerweile gege-zielt daran, ihren CO2-Fußabdruck zu minimieren und CO2-Neutralität zu erreichen. Allerdings zeigt das WWF-Rating zur „Integration von Nachhaltigkeit in Kerngeschäftsfeldern“ deut-lichen Nachholbedarf, da es weder im Private noch im Corporate Banking einer der 14 untersuchten deutschen Banken gelingt, eine der beiden höchsten vergebenen Ka-tegorien zu erreichen (WWF Deutschland, 2020).

Ein ähnliches Bild zeigt die Untersuchung „Stresstest Nachhaltigkeit – Wie gut sind die 25 größten deutschen Banken?“ der Nachhaltigkeits-Ratingagentur imug | rating, bei der es keiner der 25 untersuchten Banken gelingt, ein sehr positives Rating (AAA bis A) zu erlangen, sondern die mittlere Note BB im positiven Bereich (BBB bis B) das beste Ergebnis ist, das erzielt wird. Hier ist zusätzlich anzumerken, dass es sich beim führenden Institut mit der KfW um eine Förderbank handelt, deren Fokus beim Thema Nachhaltigkeit durch den staatlichen Eigentümer induziert ist (Imug Impuls, 2019).

Die Deutsche Bank hat sich neben dem Ziel der Klimaneutralität auch den The-men Governance und Social Responsibility gewidmet (vgl. Deutsche Bank, o. J.). Die Bank hat sich das Ziel gesetzt, klimaneutral zu sein, und steigt dazu bis 2025 weltweit auf 100 % Ökostrom um, minimiert Dienstreisen, ermöglicht Homeoffice und gleicht nicht vermeidbare Emissionen aus. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass sich der

Abbildung 3:

60 Nachhaltigkeit im Banking

Geschäftsbetrieb auch mit Homeoffice und maximal reduziertem Reisen aufrecht-erhalten lässt. Diese Erkenntnis legt mit den Grundstein für weitere CO2 -Reduktions-potenziale. Neben den Klimaaspekten adressiert die Bank aber auch Governance und soziale Aspekte und ermöglicht Diversität von Rasse, Herkunft, Ethnie, Geschlecht etc.

Auch die ING hat sich Vorgaben zur Nachhaltigkeit gemacht und eine Umwelt-und Sozialrichtlinie definiert (vgl. ING-DiBa, o. J.). Sämtliche Geschäftsvereinbarun-gen werden an dieser Richtlinie gemessen. Darüber hinaus gibt es auch eine Negativ-liste zur Finanzierung von Unternehmen, die die Finanzierung von Kohlekraftwerken ausschließt, und auch Einschränkungen für Unternehmen, die einen Teil ihres Ge-schäfts mit Kohle machen, impliziert. Zusätzlich hat sich die ING zur Einhaltung der Equator Principles und der IFC-Nachhaltigkeitskriterien der Weltbank verpflichtet.

Neben den Anforderungen zur Nachhaltigkeit an die eigenen Kunden, bietet die ING auch ihren Kunden nachhaltige Geldanlagen an. Für die Bank an sich gelten Umwelt-standards für den eigenen Geschäftsbetrieb, um Ressourcen zu schon und möglichst CO2-neutral zu arbeiten. Dies erfolgt über Reduktionsmaßnahmen wie auch Aus-gleichsmaßnahmen.

Diese beiden Beispiele zeigen bereits, dass sich die Banken mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, aber die getroffenen Maßnahmen zeigen noch Lü-cken. Gerade die Themen Social Responsibility und Governance scheinen oft unter-repräsentiert und der Fokus sehr stark auf Klimaaspekten zu sein.

3.2 Neue Nachhaltigkeitsprodukte und -geschäftsmodelle

Ein Blick auf die deutschen Bankinstitute zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit unter-schiedlich stark verankert und auch umgesetzt wird. Dabei reicht die Bandbreite von einem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit bis hin zur Nachhaltigkeit als wesentlicher As-pekt der Strategie. Nachhaltigkeit kann aber auch in unterschiedlichen Dimensionen untergebracht werden. Es reicht von „das eigene Institut nachhaltig ausrichten“, z. B.

durch CO2-Neutralität, Ökostrom, über ein Angebot grüner Produkte und die Emis-sion von „Green Bonds“ bis hin zur kompletten Ausrichtung der Bank auf das Thema Nachhaltigkeit.

Dadurch, dass Banken einen Großteil der Finanzströme überwachen und leiten, können sie einen maßgeblichen Einfluss darauf nehmen, wo Investitionen getätigt werden und wo nicht. Da die Bedeutung von Nachhaltigkeit stetig zunimmt, steigt auch die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Das führt dazu, dass „grüne Inves-titionsprodukte“ angeboten werden, und auch, dass Kreditnehmer die Zinsen oder Kreditbedingungen an konkrete Nachhaltigkeitsziele koppeln wollen.

Das Segment der Nachhaltigkeitsanleihen sowie Nachhaltigkeits-ETFs gewinnen zunehmend an Bedeutung. Green Bonds oder noch weitergedacht Sustainability-Linked Bonds haben immer einen konkreten Bezug zum Thema Ökologie oder Nach-haltigkeit und werden seit 2007 emittiert (vgl. LBBW, o. J.). Wichtig bei allen grünen Anlagen ist der Nachweis, dass das Geld entsprechend eingesetzt wird. Da es keine einheitliche Definition oder verbindliche Standards gibt, ab wann eine Anleihe „grün“

oder „nachhaltig“ ist, kommt es häufig zu Diskussionen, ob es sich trotz „grünem“

Johannes Klein, Carsten Küst, Heike Jahncke, Florian Berding 61

Produktlabel nicht eher um ein sog. Greenwashing handelt. Abhilfe bieten hier die zahlreichen Rating- oder Gütesiegelanbieter. Neben den Vorgaben bzgl. des Einsatzes des Kapitals kann auch eine Verknüpfung mit konkreten Nachhaltigkeitszielen festge-legt werden. Dabei werden die Zinsen einer Finanzierung an das Erreichen konkreter, unternehmensspezifischer Nachhaltigkeitsziele gekoppelt, deren Verfehlen in der Re-gel mit einem höheren Zins oder vice versa deren Übererfüllen mit einem geringeren Zins einhergeht. Die Verknüpfung mit den Zielen erfolgt entweder an Kennzahlen, die durch das Unternehmen selbst definiert werden, oder über die Bewertung durch objektive Dritte. Die Produkte, die nicht nur den grünen Aspekt, sondern Nachhaltig-keit an sich im Fokus haben, werden als „Sustainability-Linked Bonds“ bezeichnet.

Unternehmen, die also ihre Ziele bei einem Green Bond nicht erfüllen, bestrafen sich somit selbst über höhere Zinsen (vgl. Kögler, 2020). Dabei können die Ziele z. B. an alle ESG-Faktoren oder auch nur einzelne gekoppelt werden. Novartis hat bspw. 2020 einen Sustainability-Linked Bond mit Fokus auf soziale Zielen emittiert (vgl. Novartis, 2020).

Analog zu den Anleihen gibt es auch Sustainability-Linked Loans, die klassische Kreditfinanzierung bzw. Schuldscheindarlehen darstellen, deren Kreditbedingungen um konkrete Nachhaltigkeitsziele ergänzt werden. Die Nachfrage nach solchen Kredi-ten steigt immer weiter an. 2019 hat z. B. der Automobilzulieferer Continental eine nachhaltige Finanzierung einer revolvierenden Kreditlinie aufgenommen (vgl. Conti-nental, 2019). Diese orientiert sich nicht an klassischen ESG-Zielen, sondern an ei-gens definierten Nachhaltigkeitskennzahlen, deren Nichterreichen zu Strafzinsen führt, wohingegen eine höhere Nachhaltigkeitsleistung, gemessen über z. B. die Nut-zung regenerativer Energie, Frauenquote in Führungspositionen und den Recycling-anteil, die Zinsen verringert. Ein weiteres Beispiel ist ein Konsortialkredit an den LKW-Hersteller Traton, bei dem die Marge an das ESG-Rating des Unternehmens ge-koppelt ist (vgl. Harder, 2020). Telefónica ist denselben Weg gegangen und nutzt für die Kopplung das Nachhaltigkeitsrating von Sustainalytics (vgl. Kögler, 2019).

Des Weiteren gibt es auch Banken, deren Geschäftsmodell und Handeln sich strategisch komplett auf Nachhaltigkeit ausrichten.

Die Triodos Bank ist eine niederländische Bank, die die Einlagen ihrer Kunden ausschließlich für die Förderung nachhaltiger Projekte nutzt. Dabei geht es vor allem darum „langfristig positive Veränderungen für Mensch und Umwelt (zu) bewirken“

(Triodos, o. J.). Die Bank hat entlang des ESG-Frameworks klare Kriterien aufgestellt, in welche Bereiche sie investiert und welche nicht. Kunden können sowohl in die Bank selbst als auch in ausgewählte nachhaltige Fonds zu investieren.

Die Umweltbank ist eine Direktbank, die sich selbst als „Deutschlands grünste Bank“ bezeichnet (Umweltbank, o. J.). Der Fokus liegt auf ökologischen Projekten, aber auch das Thema soziale Verantwortung ist wichtig. Die Geschäftstätigkeit wird an einer Liste an Positiv- und Ausschlusskriterien ausgerichtet. Zusätzlich hat die Bank ein eigenes Bewertungssystem, das „UmweltRanking Geldanlagen“ entwickelt, mit dem jede Geldanlage bewertet und somit dem Kunden ein Vergleich ermöglicht wird (Umweltbank, o. J.).

62 Nachhaltigkeit im Banking

Auch im genossenschaftlichen Sektor gibt es mit der GLS Bank ein nachhaltiges Institut, das als die erste Bank mit sozial-ökologischem Fokus gilt und ausschließlich in ökologische und soziale Projekte investiert. Dabei werden auch nachhaltige Immo-bilien, Bau- oder Modernisierungsprojekte finanziert. Darüber hinaus veröffentlicht die Bank in ihrem Magazin Bankspiegel quartalsweise sämtliche Kreditvergaben und ist damit ein Vorreiter in Sachen Transparenz (vgl. GLS Bank, o. J.).

Einen alternativen Ansatz verfolgt die Evangelische Bank, die eine 100 % Tochter-gesellschaft für nachhaltige Investments aufgesetzt hat. Deren Portfoliomanager:in-nen werden bis zum Frühjahr 2021 das Trainingsprogramm Certified Environmental, Social and Governance Analyst durchlaufen und eine entsprechende Prüfung ablegen (vgl. Ecoreporter, 2020). Zu den Inhalten zählen u. a. die fundierte Bewertung von ESG-Einflüssen auf Risiko und Rendite sowie deren systematische Einbindung in den Investmentprozess.

4 Marktentwicklung und Implikationen für Geschäfts- und