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Neben den behavioristischen Ansätzen, die die Beobachtung des Verhaltens in den Vordergrund stellen und sich nicht so sehr mit den Leistungen des Gehirns beschäftigen, gibt es auf der anderen Seite die kognitiven Konzepte, die gerade diesen Aspekt stark betonen, erforschen und hinterfragen. Die Kognitivisten wollen die Denkprozesse des Lernens erkennen und erklären;

sie versuchen, die inneren Vorgänge in einem Individuum zu erfassen.

Unabhängig davon wird in der Psychologie unter Lernen eine relativ dauerhafte Änderungen in Verhalten, Gedanken oder Gefühlen, die durch Erfahrungen verursacht werden, verstanden.

Albert Bandura hat im Zuge der Weiterentwicklung seines Modellernens die sozial-kognitive Lerntheorie erweitert (vgl. Gadow, 2003). Gemeinsam mit Julian B. Rotters (vgl. Schwertfeger, 2007) ist er sich einig, dass sich das menschliche Verhalten weder allein durch äußere Reize (wie es das behavioristische Paradigma postuliert) noch allein durch kognitive Prädispositionen (wie es die Kognitionspsychologie sieht) determiniert sind, sondern durch die Interaktion von Situation (äußeren Reizen) und Person.

Diese Haltung wird gemeinhin als Interaktionismus bezeichnet. Nach Albert

Bandura ist das Modelllernen ein Lernprinzip, das gleichrangig mit der klassischen Konditionierung (Pawlow) und der operanten Konditionierung (Skinner) ist (vgl. Schwertfeger, 2007).

3.1.3.1 Grundannahmen

Individuelles Lernen wird in der traditionellen Lernpsychologie bekanntlich durch drei verschiedene Konzepte charakterisiert (vgl. Lefrancois, 1994).

Unter der klassischen Konditionierung (dem Signallernen) wird ein Lernprozess verstanden, in dessen Folge ein ursprünglich neutraler Reiz mit spezifischen physiologischen und/oder emotionalen Reaktionen verbunden wird, die der Reiz ursprünglich nicht auslöste.

Bei der operativen Konditionierung folgt einer aktiven Handlung einer Person zwingend eine Konsequenz. Dem Lerner wird durch Belohnung oder Bestrafung vermittelt, dass eine bestimmte Tätigkeit zu einem bestimmten Resultat führt.

Das komplexe Modelllernen geht über das Bilden von Assoziationen oder das Reagieren auf die Folgen eigenen Handelns hinaus. Umfassendere Wirkzusammenhänge sollen erfasst und bewertet, Konsequenzen und Entscheidungen getroffen werden: z.B. die Anwendung einer systematischen Strategie bei einer Problemlösung (Durchspielen mehrerer Möglichkeiten).

Folgt man Gagnés Modell der Lernarten, dann ergeben sich weitere Untergruppierungen, denen unterschiedliche psychologische Erkenntnisse zu Grunde liegen:

ƒ Signallernen

ƒ Reiz-Reaktions-Lernen

ƒ Lernen motorischer Ketten

ƒ Lernen sprachlicher Assoziationen

ƒ Lernen multipler Diskrimination

ƒ Begriffslernen

ƒ Regellernen

ƒ Problemlösen (vgl. Neidorf, 2006).

In der Vorstellung Gagnés sind diese Lernarten hierarchisch organisiert, insofern als jede Kategorie auf der vorhergehenden aufbaut. Wobei Gagné den Lernprozess des Problemlösens als den Komplexesten ansieht und die Beherrschung aller anderen Lernprozesse voraussetzt.

Nach dem genannten Signallernen und der operativen Konditionierung (Reiz-Reaktions-Lernen) käme als nächste Stufe das Lernen motorischer Ketten.

Dies ist insofern interessant, weil es für das Lernen sportlicher Fertigkeiten von Bedeutung ist. Es entspricht der Vorstellung des Lernens durch Zeigen einer Bewegung, die durch ständige Wiederholung vom Lerner motorisch verankert wird. Das Lernen sprachlicher Assoziationen bedeutet bei Gagné die Verbindung einfacher sprachlicher Ketten kausaler, temporärer oder modaler Natur. Beim Lernen multipler Diskriminationen wird gelernt, zwischen hochgradig ähnlichen Reizinputs zu unterscheiden. Das Lemen von Diskriminationen ist im Wesentlichen eine Sache der Bildung einer Reihe verschiedener Ketten (vgl. Neidorf, 2006), also das Erfassen der Unterschiedlichkeit.

Das Begriffslernen ist das Gegenteil des Diskriminationslemens. Es umfasst das Ordnen von Dingen zu Klassen und das Zusammenfassen auf Klassen zum Ganzen. Unter Regellernen versteht Gagnè den Erwerb von Wissen über Regeln. Dabei handelt es sich nicht nur um Merksätze wie in der Mathematik, sondern um Aussagen jeder Form. Regeln sind Begriffsketten bzw.

Kombinationen von Begriffen, die sich aufgrund ihrer Komplexität unterscheiden.

Durch die Kenntnis über Regeln wird das Individuum in die Lage versetzt, das Gelernte durchzuführen. Voraussetzung dafür ist, dass die verknüpften Begriffe bereits vorher gelernt wurden. Das eigentliche Regellernen stellt somit das Erfassen der Beziehungen zwischen den einzelnen Begriffen und damit eine erste Ordnung dar.

Beim Problemlösen wird über die Anwendung von Regeln ein Regelwerk höherer Ordnung erzeugt. Für Gagné bedeutet die Anwendung von Regeln auf Probleme die unausweichliche Schaffung von neuen, übergeordneten Regelsystemen (vgl. Neidorf, 2006).

Modelllernen ist die von Albert Bandura eingeführte Bezeichnung für einen kognitiven Lernprozess, der vorliegt, wenn ein Individuum als Folge der Beobachtung des Verhaltens anderer Individuen sowie der darauf folgenden Konsequenzen sich neue Verhaltensweisen aneignet oder schon bestehende Verhaltensmuster weitgehend verändert. Der Lernende wird dabei Beobachter (observer) und der Beobachtete Modell (model) oder Leitbild genannt. Wichtig für diesen Lernprozess, der nur unter bestimmten Voraussetzungen (z. B.

weitgehende Identifikation des Beobachters mit dem Modell) stattfindet, ist die stellvertretende Verstärkung. Bandura bezeichnet den Vorgang des Lernens am Modell als

„...das Auftreten einer Ähnlichkeit zwischen dem Verhalten eines Modells und dem einer anderen Person unter Bedingungen, bei denen das Verhalten des Modells als der entscheidende Hinweisreiz für die Nachahmungsreaktionen gewirkt hat" (Bauer, 2007, S.

16).

Wie für Piaget steht auch für Bandura fest, dass zwischen Reiz und Reaktion höhere Prozesse ablaufen und das menschliche Verhalten mehrdimensional gesteuert wird. Im Gegensatz zu anderen Lernpsychologen beschäftigt sich Bandura gezielt mit der Frage, wie Verhaltensweisen speziell im sozialen und sprachlichen Bereich erworben werden.

Die drei genannten Lernmodelle beschreiben ein Lernen, welches durch extrinsische Anreize ausgelöst wird. Diese Anreize eignen sich besonders zum Lernen bei Routineaufgaben (vgl. Harkins, 2001). Für komplexere Aufgaben muss ein anderer Lernbegriff zu den „klassischen" drei ergänzt werden, bei dem Lernen keine Anpassung an die Umwelt bedeutet, sondern eine Selbst- und Umweltveränderung einschließt.

Es ist zu vermuten, dass sich bei diesem Lerntypus eher intrinsische als extrinsische Lernmotivation findet, obwohl er – wie zu zeigen sein wird – externer, d. h. struktureller Voraussetzungen bedarf.

Unter Problemlösungslernen soll hier ein Lernen des Lernens verstanden werden, bei dem alte Lernroutinen aufgebrochen und verändert werden. Es ist eine lernende Veränderung bisheriger Lernvorgänge, die meistens dann eintritt, wenn alte Lern- und Lösungsroutinen nicht mehr greifen. Die so zu erzielenden qualitativen Sprünge im Lernfortschritt sind mit der behavioristischen Lernpsychologie nicht zu erklären (vgl. Winkel et al., 2006).

Beim Problemlösungslernen wird die bisherige Wissensbasis in Frage gestellt.

Miller spricht auch vom „fundamentalen Lernen" im Gegensatz zum „relativen Lernen" (Brodowski, 2006, S. 49), bei dem das Wissenssystem auf Problemfälle angewandt wird. Problemlösungslernen tritt also dann auf, wenn in Problemlösungssituationen die grundlegenden Prämissen eines Wissenssystems hinterfragt und verändert werden (vgl. Klimecki, Laßleben und Thomae, 1999).

In der Psychologie ist jedoch das Problemlösen bisher häufig nur als Denksportaufgabe operationalisiert worden (vgl. Myers et al., 2005). Deren Aufgaben zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr komplex sind, und für die Lösung und den Lösungsweg erst Entscheidungskriterien sowie neue Wege zur Gewinnung von Information gefunden werden müssen. Die alten Lernroutinen müssen zur Lösung dieser Aufgaben durchbrochen werden. Die Assimilation unter gegebene Strukturen hilft nicht mehr weiter. Hierbei hat sich gezeigt, dass das Problemlösen die Ebene des individuellen Lernens übersteigt und nur als gemeinschaftliches Lernen begriffen werden kann.

Problemlösung setzt somit das Erlernen sozialer Prozesse zur gemeinsamen Problembearbeitung voraus (vgl. Badke-Schaub, 2008). Lernen lenkt in diesem Fall den Blick nicht nur auf die Inhalts-, sondern auch auf die Beziehungsebene der Interaktion. Das Problemlösungslernen bezeichnet den Übergangsbereich zwischen individuellem und kollektivem Lernen, da es an eine Gruppeninteraktionssituation gebunden ist.

An einem Fallbeispiel konnte Miller zeigen, dass Kinder bei technischen Problemen nicht durch empirische Erfahrung, sondern durch Interaktion über diese Erfahrung lernen (vgl. Brauchlin und Heene, 1995). Das bestehende Wissenssystem wird durch die Unlösbarkeit der Problemsituationen in Frage gestellt, und fordert die kollektive Argumentation heraus.

Problemlösungslernen ist somit an die Form des „kollektiven Lernens“

gebunden (Brodowski, 2005, S. 59). Problemlösungslernen darf deshalb nicht mehr nur ausschließlich unter dem Blickwinkel der individuellen Kognition betrachtet werden, sondern muss als kollektiver Prozess im Sinne der „sozio-cognition" verstanden werden (vgl. Gruenfeld und Hollingshead, 1993; Levine, Resnik und Higgins, 1993). Lösungen kommen dadurch zustande, dass in der Gruppendiskussion gelernt wird verschiedene Perspektiven auszutauschen um sie später zu einer gemeinsamen Anschauung wieder zu integrieren.

Beim Problemlösungslernen wird die Interdependenz zwischen individueller Kognition und sozialen Faktoren deutlich. Kognitiver Wandel entsteht durch Konflikte (Levine et al., 1993). Sozio-kognitive Konflikte treten dann auf, wenn Individuen verschiedene Antworten zu einem Problem besitzen und gleichzeitig motiviert sind, auch eine gemeinsame Lösung zu finden. Dabei ist es jedoch nicht gleichgültig, ob eine konsensuale Majoritäts- oder hierarchische Lösung zur Anwendung kommt. Nur kooperative Lösungstypen durchbrechen alte Lernroutinen. Wird eine Person einfach überstimmt oder wird ihr eine neue Lösung gegen ihren Willen vorgesetzt, so ändert sich ihre Lernroutine nicht. Sie kann sie zwar in öffentlicher Bekundung akzeptieren, nicht aber nachvollziehen.

Die einzelnen Teilnehmer einer kollektiven Argumentation müssen deshalb die Logik der Argumentation beherrschen, d. h., sie müssen einander widersprechen und dennoch ein gemeinsames Ziel verfolgen (vgl. Klimecki et al., 1999). Das zweite Kriterium der „konsensualen Lösung“ (Aden, 2004, S.

233) liegt dann vor, wenn in einer Argumentation eine Aussage nicht bestritten werden kann, sie sich dabei auf die kollektiv akzeptierte Wissensbasis stützt und nicht in sich widersprüchlich ist (vgl. Klimecki et al., 1999).

Kollektive Argumentation darf sich nicht in einem faktischen Konsens erschöpfen, sondern stellt einen argumentativen Konsens dar (vgl. Klimecki et al., 1999). Daraus folgt auch, dass die beteiligten Akteure zu einem

„Standortwechsel" bereit sind. Gegebene Präferenzen werden nicht wechselseitig bestätigt, sondern in Frage gestellt. Lernen bedeutet hier also, dass sich in dem Prozess die Präferenzen der einzelnen Akteure durch Einsicht wandeln können. Nicht Belohnungs- oder Bestrafungsanreize, sondern Einsicht ermöglicht in diesem Falle das Lernen. Damit ist das Problemlösungslernen als intrinsisch motivierte Aktion und nicht als extrinsisch motivierte Reaktion zu klassifizieren. Problemlösungslernen impliziert die Möglichkeit eines Diskurses über die kollektive Argumentation. Die kollektive Argumentation bringt also das hervor, was das Problemlösungslernen auszeichnet: neue Information, neue Bewertungsanforderungen, neue Perspektiven, eben neue Lösungswege und -muster, die die Einzelperson bisher nicht im Blick hatte.

3.1.3.2 Beitrag und Grenzen

Die Arbeiten der frühen Behavioristen (Pawlow, Watson, Guthrie, Thorndike u.a.), zur klassischen Konditionierung sind kaum auf den hier zu betrachteten Kontext zu übertragen. Klassische Konditionierung braucht aufgrund ihrer geringen Reichweite für das Arbeitshandeln nicht weiter analysiert zu werden.

Beim outdoor action learning geht es nicht um die Vermittlung von Faktenwissen, sondern es wird ein Verstehen von Prozessen und Zusammenhängen intendiert, das aus eigenem Gestalten entsteht.

Bedeutsamer für die Unternehmensorganisation sind die beiden anderen Lernmodelle. Das Lernen nach Belohnung und Bestrafung bzw. dem Nachahmen erfolgreichen Verhaltens von Vorbildern stellt in der klassischen Unternehmensorganisation sicherlich die häufigste und meist einzige Form des Lernens dar. Die Struktur der Arbeitsorganisation prägt eine Arbeitskultur, in der Vorstellungen über Handlungen tradiert werden, die zu einem erfolgreichen Arbeiten und zu einem Aufstieg in der Hierarchie führen. Das

jeweilige Anreizsystem entscheidet darüber, was gelernt werden soll.

Potentiell ist zu erwarten, dass die Mitarbeiter die Handlung wählen, die am meisten belohnt wird bzw. die Handlung meiden, die am meisten bestraft wird.

So entstehen in der Organisation Erfolg versprechende Verhaltensmuster:

„Lernroutinen, die reproduziert werden“ (Wilkesmann, 2003, S. 134). Insofern stärkt das Lernen in der kognitivistischen Form den Lehrenden, der Ziel und Sinn des Lernens definiert, strukturiert und möglichst viele Anknüpfungspunkte zu bekanntem Wissen anbietet.

Das Problemlösungslernen stellt bereits eine Mischform zwischen kognitiven und konstruktivistischen Lernmodellen dar und bedarf einer offenen Kultur in der Organisation. Damit ist gemeint, dass Routinepfade verlassen werden dürfen, auch wenn dadurch Umwege entstehen oder Fehler auftreten. In Unternehmen müssen Lösungen oft unter Zeitdruck, der durch die „Just-in-Time-Vorgaben und die hohe Arbeitsverdichtung“ entsteht (Bigalk, 2006, S.

92), gefunden werden, weshalb sie nur selten „ausdiskutiert" werden können.

Des Weiteren setzt der Versuch einer gemeinsamen Lösungsfindung schon voraus, dass es ein gemeinsames Verständnis von dem gibt, was diskutiert oder bearbeitet wird (Levine et al., 1993, S. 599). Problemlösungslernen benötigt somit neben der Input- auch die „Prozess-Variable“ (Bültel, 2009, S.

107). Inputvariablen sind definiert als Fähigkeiten, die die einzelnen Gruppenmitglieder in die Gruppe einbringen, wie individuelles Wissen und Sachverstand. Die Prozessvariable ist definiert als die Intragruppenleistung, d.

h. die Kommunikation innerhalb der Gruppe (Wilkesmann, 2003, S. 134).

Problemlösungslernen ist durch das Merkmal des gemeinsamen Lernens an komplexen Aufgaben jedoch noch nicht hinreichend bestimmt. Dazu bedarf es des zweiten Kriteriums der konsensualen Lösung, denn bei allen anderen Lösungstypen wird das Lernen durch Adaption erzielt. Erst durch das Auftreten des zweiten Kriteriums kann Lernen als Präferenzenwandel durch Einsicht ermöglicht werden.

Das Problemlösungslernen bedarf demnach Organisationsstrukturen, die kollektive Argumentation ermöglichen (vgl. Bültel, 2009). Es bedarf dazu

Gruppen, in denen verschiedene Perspektiven austauschbar und wieder zu einer gemeinsamen Position integrierbar sind, sowie einer konsensualen Gestaltung dieses Prozesses.

Die Vielschichtigkeit des Problemlernens zeigt Wege auf, wie die bereits erwähnten Schlüsselkompetenzen, die in der Gruppe genutzt und weiterentwickelt werden können. Durch Hypothesenbildung über die Konsequenzen verschiedener Handlungsalternativen und deren argumentativer Untermauerung entstehen erste Betrachtungen von Wechselwirkungen und deren Auswirkungen. Sie sind allerdings weniger personaler Natur, sondern richten sich auf die verschiedenen Lösungsansätze.

Dennoch wird im Problemlösen bereits ein Horizont sichtbar, der weit umspannender ist, als die klassischen psychologischen Lernmodelle des reinen Behaviorismus oder der Kognition.