• Keine Ergebnisse gefunden

Der Begriff der „Lernenden Organisation“ entzieht sich einer allumfassenden und allgemeingültigen Definition, da es derzeit keine übereinkommenden Vorstellungen davon gibt, was eine Lernende Organisation ist und wie sich allgemein unterscheidbar macht (vgl. Nerdinger, Blickle und Schaper, 2008).

Als lernende Organisation ist in dieser Arbeit keine Bildungseinrichtung gemeint, sondern eine Organisation mit dem Fokus auf einen privatwirtschaftlichen Zusammenhang.

Dies geschieht nicht, um Rogers (1998) nachzueifern, der das Bildungssystem als die traditionellste, konservativste, starrste und bürokratischste Institution bezeichnete, an der Zweifel angebracht seien, ob sie die wirklichen Probleme des modernen Lebens in den Griff bekäme. Vielmehr sind es die privatwirtschaftliche Unternehmen, die im täglichen Wettbewerb stehen, und für die es darum geht, ihre Konkurrenzfähigkeit zu erhalten. Sie sind genötigt, Organisationsstrukturen zu entwickeln, die wesentlich kürzere Entscheidungswege besitzen als traditionelle Bildungsinstitutionen und die demzufolge flexibler und schneller auf Bedürfnisse des Marktes sowie auf technologische Innovationen reagieren müssen.

Bigalk hat einige der Definitionen zur Lernenden Organisation unter Bezugnahme auf verschiedene Ansätze zusammengetragen (vgl. Bigalk, 2006).

Unter dem Begriff des organisationalen Lernens können generell zwei unterschiedliche Vorgänge bzw. Sachverhalte verstanden werden. Auf der einen Seite das des individuellen Lernens, und auf der anderen Seite das des gemeinschaftlichen, kollektiven Lernens. Damit kann sowohl das Lernen in Teams, als auch das Lernen des Systems gemeint sein.

Organisationales Lernen erstreckt sich auf ein ganzes Begriffsumfeld, wobei in allen Fällen das kognitive Lernen als ein Vorgang der reflexiven Auseinandersetzung mit der Umwelt als Lernmodell begriffen wird. Neben dem

„Organisatorischen Lernen“ (vgl. Castiglioni, 1994; Pautzke, 1989) und dem

„Organisationslernen“ (vgl. Geißler, 1993) hat sich, insbesondere im managementorientierten Kontext, der Begriff der „Lernenden Organisation“ im Verständnis nach Probst und Büchel durchgesetzt. Dahinter steht

„der Prozess der Erhöhung und Veränderung der organisationalen Wert- und Wissensbasis, die Verbesserung der Problemlösungs- und Handlungskompetenz sowie die Veränderung des gemeinsamen Bezugsrahmens von und für Mitglieder innerhalb der Organisation“ (Probst und Büchel, 1998, S. 13).

Die Fähigkeit, systematisch Wissensmanagement zu betreiben, ist eine zentrale Voraussetzung, damit eine Organisation auf Veränderungen intern und extern reagieren kann und sie erfolgreich meistert. In der Literatur existiert jedoch keine allgemein gültige Methodik zur Unterstützung des organisationalen Lernens. Vielmehr finden sich Beschreibungen und Erklärungen des Prozesses des Lernens, sei es den eines Individuums, einer Gruppe oder einer ganzen Organisation. Folgende Faktoren beeinflussen das organisationale Lernen: Individuelles Lernen, Kultur und Struktur. Die Struktur einer Organisation kann das Lernen begünstigen, seien es eine zentrale Einheit oder dezentrale Teileinheiten, Matrix- oder Projektorganisationen, stark hierarchische oder flache Organisationseinheiten.

Jedes Unternehmen durchläuft einen Zyklus von der Pionierphase bis zur Auflösung. Der Reifegrad eines Unternehmens entscheidet darüber, wie mit dem Wissen, dass erworben wurde, umgegangen wird oder werden kann.

Dies gilt verstärkt durch die Wechselwirkung mit den anderen beiden Dimensionen, die eine Einzigartigkeit für jede Organisation erzeugen.

Hardwig fokkusiert in diesem Zusammenhang auf die Frage, inwieweit der einzelne Beschäftigte in einer Organisation vom Prozess des organisationalen Lernens abhängig ist bzw. davon profitiert. Er fragt: „Unter welchen Bedingungen führt Organisationslernen auch zu einer umfassenden Entwicklung, Erhaltung und Nutzung von Kompetenzen der Beschäftigten?“

(Hardwig, 2004, S. 163). Zu Recht verweist er damit auf den vernetzten Prozess und die gegenseitige Beeinflussung zwischen allen beteiligten Dimensionen. Hardwig geht allerdings im weiteren Verlauf seiner Darlegungen

von der Grundannahme aus, dass das Individuum die Basis des organisationalen Lernens darstelle. Seines Erachtens nach können die Wertschätzung des individuellen Wissens und deren Nutzung somit entscheidende Impulse für die Entwicklung einer Organisation sein (vgl.

Hardwig, 2004).

Der Wegbereiter zum Lernen einer Organisation ist zunächst also der einzelne Mitarbeiter selbst, sein Lernen und seine Entwicklung. Jedoch wird der Lernfortschritt eines Einzelnen je nach Gestaltung der Rahmenbedingungen einen völlig anderen Lernfortschritt für die Organisation bedeuten. Individuelles Lernen kann zu einer Verhaltensänderung oder einer Erweiterung des Verhaltensrepertoires des Mitarbeiters führen. Geschieht das, so beeinflusst dieser indirekt immer auch das vorherrschende Weltbild der Organisation bzw.

die Weltbilder der Kollegen. Diese erhalten wechselseitige Lernimpulse, die wieder eine bestimmte Rückbezüglichkeit zu den verschiedenen Mitarbeitern auslösen. In der Summe kann sich somit ein Lernfortschritt für die Organisation ergeben, da die Aktionen im organisationalen Bezugsrahmen passieren und auf den Arbeitskontext ausgerichtet sind. Zu dem potenziert sich dieser Fortschritt noch einmal um die diversen Rückwirkungen der einzelnen Reaktionen. Natürlich beeinflusst die Lernende Organisation wieder rückwirkend die einzelnen Individuen, womit ein wechselseitiger Lernzyklus aus Impulsen der Mitarbeiter, ihrem Wirken untereinander und der Rückkoppelung durch die Organisation entsteht. Die Mobilisierung des gemeinsamen Lernens erhöht die Wahrnehmungsoberfläche von Organisationen und dient einer größeren gemeinsamen Wissensbasis. Gerade in der Verquickung der beiden Ansätze liegt der Schlüssel im Zusammenhang von individuellem Lernen und Organisationslernen. Das lernende Individuum kann als Einzelnes zum Organisationslernen durch Impulse beitragen und eine Organisation, die lernt, wirkt durch ihre Kultur und Struktur des Lernens wieder auf das Individuum zurück. Zur Differenzierung von individuellen und kollektiven Lernkontexten im Bezug zu einem organisationalen Rahmen schreibt Probst:

„Organisationales Lernen erfolgt über Individuen und deren Interaktionen, die ein Ganzes mit eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften schaffen. Das Lernen eines sozialen Systems ist also nicht der Summe der individuellen Lernprozesse und Ergebnisse gleichzusetzen, auch wenn diese Voraussetzung und wichtige Basis für ein institutionelles Lernen ist“ (Bach, 2005, S. 51ff.).

Das Individuum lernt möglicherweise außerhalb der Organisation für sich allein und trägt sein Wissen dann in das Unternehmen. Ob diese Lernzuwächse zu einem Teil des Wissens der Organisation werden, entscheidet sich am organisatorischen Bezug hinsichtlich der Verwertbarkeit des Wissens. Damit schafft die Organisation eine Brennweite der Betrachtung und Klassifizierung von Wissen, in dessen Rahmen Wissenserwerb gefördert und das individuelle Lernen im Sinne des Unternehmens unterstützt wird. Das Individuum, auf den organisationellen Einsatz und Nutzen von Wissen ausgerichtet, lernt somit stets a priori „organisatorisch“ (Schreyögg, 1999, S. 535). Wichtig für tatsächliches organisationales Lernen ist jedoch das Bewusstmachen dieser Lernprozesse, das Wahrnehmen von Lernfortschritten und deren Dokumentation und die von allen gestützte und gelebte Idee der Weiterentwicklung der darunter liegenden „Lernkultur“ (Jünger, 2004 S. 1).

Erst wenn das Lernen reflektiert wird, fest in eine Organisation eingebunden ist, gelebt und tradiert wird, besteht die Chance einer tatsächlichen Veränderung im Sinne einer Lernenden Organisation. Dieser Prozess kann seine eigene Dynamik entfalten und sich langfristig als eine spezielle, organisationelle Kultur etablieren.

Basierend auf den individuellen und kollektiven Lernprozessen, stehen die Interaktionen von Gruppen und Individuen im Mittelpunkt. Gruppen sind hier nicht als geschlossene Systeme anzusehen, bestehen sie doch auch wiederum aus einzelnen Individuen, die neben dem kollektiven Wissen der Gruppe jedes noch individuelles Können und Wissen besitzen und weitergeben können.

Eine über längere Zeit bestehende Gruppe und das Lernen in dieser Gruppe bildet das verbindende Subsystem zwischen dem individuellen Lernen und dem organisationalen Lernen und erhält damit eine besondere Bedeutung.

Das individuelle Wissen wird in die Gruppe und somit auch in die Organisation

getragen und von ihr wiederum beeinflusst und verbessert, wenn sie eine

„Netzwerkgeschlossenheit“ bildet (Riemer, 2005, S. 186). Gruppen haben, resultierend aus den jeweiligen Einzelerfahrungen ein breites Wissensspektrum, besitzen aber auch ein selbst erarbeitetes und erlebtes Kollektivwissen. Von der Vorstellung geleitet, dieses Gruppenwissen sei für die Organisation von Richtung weisendem Wert, wird eine Gruppe versuchen, auf die Organisation einzuwirken. Korrespondieren Gruppe und Organisation in der Überzeugung der Richtigkeit des Gruppeneinflusses, so kann die Organisation in diesem Punkt anfangen zu lernen und sich eventuell verändern. Idealer Weise kommt es dabei zu Synergieeffekten zwischen den Gruppen der Organisation, aber auch zu bilateralen und mehrdimensionalen Beziehungen untereinander. Wichtig ist dabei die Balance der Partikularinteressen der Gruppe und Gruppen mit dem Gesamtinteresse der Organisation.

Die Zielsetzung auf dem Weg zum organisationalen Lernen muss es sein, das Erfahrungswissen der Mitarbeiter und der Gruppen möglichst umfangreich der Organisation zu erhalten, auszubauen und zu nutzen. Auch wenn sämtliche Lernprozesse innerhalb einer Organisation von Individuen als kleinste Einheit des Systems getragen werden, so ist der Bezugspunkt stets ein institutioneller, nämlich die Organisation. Ihr sollen das Wissen und das Erlernte von Individuen und Gruppen zu Gute kommen und zukünftig nutzbar sein. Wissen und Datenbanken sind der Versuch, diese Informationen fest zu halten, zu systematisieren und zielgerichtet einsetzbar zu machen. Von organisationalem Lernen kann erst dann gesprochen werden, wenn es auch bewusst und dauerhaft in dem Unternehmen verankert wurde bzw. eine Sensibilisierung dahingehend stattfand. Dieses bedarf jedoch eines hohen Maßes an Flexibilität in den verschiedenen Bereichen der Unternehmenskultur. Gerade die kleinsten gemeinsamen Nenner dieses Systems, die Individuen und dort übergeordnet die Gruppen, müssen ständig lern- und veränderungsbereit sein.

Es ist ein Teil der Konzeption der Lernenden Organisation, sich stets verbessern zu wollen und damit erworbenes Wissen zu vervollständigen.

Denn Lernen bedeutet in dieser Überzeugung auch eine stetige Verunsicherung bisheriger Denk- und Verhaltensmuster, für den Einzelnen, die Gruppe und die Organisation. Diese gemeinsame Haltung, der Wille zur Veränderung als kontinuierlicher Zielsetzung, gewährleistet eine nachhaltige Unternehmenskultur, die die Lernende Organisation nicht zu einer Modeerscheinung degradiert, sondern zu einem sinnhaften Ziel werden lässt, dass zum Überleben des Unternehmens einen wesentlichen Beitrag leistet.

3.3.2 Beitrag und Grenzen

Zusammenfassend sei festgestellt, dass die formal-prozessualen Anforderungen (vgl. Hennemann, 1996) einer Lernenden Organisation dann gewährleistet sind, wenn drei Kriterien erfüllt werden. Zum einen sind individuelles und gruppenspezifisches Können und Wissens allein zunächst von untergeordneter Bedeutung. Sie werden zweitens erst identifiziert und längerfristig wahrgenommen, wenn sie eine unternehmensrelevante Verwendung finden. Erst wenn sie nachhaltig auf die Organisation einwirken, wenn sie dokumentiert sind und als Grundlage für eine ständige Verbesserung aller Prozesse im Unternehmen dienen, werden sie drittens zum Teil der Organisationskultur.

3.4 Handlungsorientiertes Lernen