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3.2 Mehrpersonale Modelle

3.2.2 Gruppenlernen als Organisationsform

In den letzten Jahren sind in den produzierenden Unternehmen die Hierarchien immer flacher geworden und die Verantwortlichkeiten damit auch in bis dato unselbstständige Gruppen verlagert worden. Einzelnen Gruppen wurden Aufgaben übertragen, die sie selbstverantwortlich zu lösen haben, sei es in der Ablaufgestaltung von Fertigungsprozessen, sei es in der Verwaltung von administrativen Aufgaben die Gruppe betreffend. Die Ziele sind der Gruppe klar vorgegeben oder mit ihr verhandelt worden; der Weg und damit der Gestaltungsspielraum hingegen sind in die Verantwortung der Gruppe gegeben. Die Gruppenarbeit ist ausgerichtet auf Qualität, Kostenreduzierung und Termintreue. Es gilt das Primat der Optimierung aller Prozesse. Das Lernen von- und miteinander in einer Gruppe hat dadurch eine umfänglichere Bedeutung bekommen, zumal es von Seiten der Organisation gewünscht ist, dass sich die Autonomie der Gruppen in den vorgegebenen Strukturen verstärkt und äußere Kontrolle zunehmend abgebaut werden kann. Nach außen kommuniziert die Gruppe durch Gruppensprecher, die die Ansprechpartner für die Meister sind, die „eine wichtige Schnittstelle zwischen den Teams und dem Management“ darstellen (Jöns, 2008, S. 97).

Unter Gruppenlernen soll der Prozess der Aneignung und Erarbeitung von Wissen, Qualifikation und Kompetenz verstanden werden, der sich in einem Prozess und explorativ in der gemeinsamen Problemlösung der Arbeitsvorgabe vollzieht. Im Gruppenlernen zeigen sich die unterschiedlichen Zugänge zum Lerngegenstand und das Lernen und das Verstehen findet in der Übereinkunft, in der Auseinandersetzung und im Rahmen von Bedeutungs- und Sinnstrukturen statt (vgl. Wrede, 2007). Die Übernahme der erzielten Resultate dieses Prozesses führt zu Korrekturen und

Neujustierungen der bestehenden individuellen und gemeinschaftlichen Muster und Vorstellungen, die einerseits das Denken und Handeln leiten und andererseits die Grundlage für den Transfer in bestimmte Handlungssequenzen bilden (vgl. Bäppler, 2008).

Auf einer allgemein beschreibenden Ebene kann zum Gruppenlernen gesagt werden, dass individuelles Lernen zu einem gemeinschaftlichen Lernen wird, wenn es gelingt, die von den einzelnen Gruppenmitgliedern akzeptierten Lernprozesse und Lernergebnisse in sozialen Interaktionen auf die gemeinschaftliche Ebene zu tragen und dort wirksam werden zu lassen (vgl.

Wrede, 2007). Diese Vorgänge gestalten sich selbstregulierend und schließen sach-, organisations- und beziehungsbezogene Aspekte ein. Dehnbostel hat darauf aufmerksam gemacht, dass beim Gruppenlernen nicht die gebräuchlichen pädagogischen Methoden der Gruppen- und Kleingruppenarbeit und das damit in Zusammenhang stehende Lernen relevant seien, wenngleich die unterschiedlichen betrieblichen Gruppenarbeitsstrukturen zunehmend Lernmethoden erforderlich machten, die mit diesen pädagogischen Methoden bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen würden (vgl. Dehnbostel, 1995).

Vielmehr seien die Lernprozesse in der Gruppenarbeit oft durch den Austausch von Erfahrungen geprägt und dadurch eher als informell anzusehen. Eine Erweiterung der Lernangebote fände aber zunehmend mittels intentionaler Lernprozesse statt (vgl. Dehnbostel, 1995). Durch sie sollen fachliche, methodische und soziale Qualifizierung initiiert werden und zielen auf den Erwerb von Kompetenzen ab.

Die in den Arbeitsaufgaben vorhanden Handlungsspielräume können dabei ständig im Umgang mit der Organisation, ihren Strukturen und in der Zusammenarbeit mit den anderen Gruppenmitgliedern erfahren und ausgebaut werden. Es entwickelt sich aus neuen individuellen Erfahrungen ein Ausbau von Wissen, Qualifikation und Kompetenz, Dadurch entsteht eine höhere Handlungssicherheit im Umgang mit den eigenen Kompetenzen, den Anforderungen und Bedingungen und mit der Gruppe. Parallel mit der Entwicklung der Fähigkeiten aller Beteiligten erfährt sich die Gruppe selbst im

Gestalten gemeinsamer Auseinandersetzungen und Lösungsanstrengungen.

So kommt es zum einen zum unmittelbaren Lernen von Inhalten und zum anderen zum Verstehen notwendiger Anpassungen des Denkens und Handelns im Arbeitskontext der Gruppe. Beides geschieht prozesshaft und das Lernen vollzieht sich, im Sinne einer tradierten Pädagogik, über die individuell handelnde Auseinandersetzung mit der umgebenden Welt. Lernen bleibt somit ein individueller Prozess, der an eine Situation gebunden ist und einer spezifischen Wahrnehmung und Sinninterpretation unterliegt (vgl. Kriz und Nöbauer, 2006). Gleichzeitig ist es für den Einzelnen in der Gruppe notwendig, Beziehungsstrukturen aufzubauen, um der Gruppe eine spezifische Interaktionsstruktur zu verleihen, in der sich ihre Lernprozesse weitestgehend eingeübt entfalten können. In diesem Zusammenhang sind sowohl Selbst- als auch Fremdreflexion die wesentlichen methodischen Unterstützer der interaktiven Kommunikationsprozesse.

Eine Herausforderung beim Gruppenlernen besteht zudem darin, eine Balance zwischen dem individuellen und kollektiven Lernen zu finden (vgl. Kriz und Nöbauer, 2006). Die Gruppe sollte um die Tatsache wissen, dass jedes Mitglied der Gruppe seinen persönlichen Lernstil hat und gegensätzliche Lerntypen nicht unbedingt zusammen arbeiten sollten. Die Homogenität in Lerngruppen kann Konflikte vermeiden helfen, die sich an der unterschiedlichen Präferenz von Lernakten entzünden könnte, wenn diese in Konkurrenz zueinander treten. Der Erfolg kollektiven Lernens wäre dadurch gefährdet (vgl. Faulstich und Zeuner, 2006). Anders dazu Zülsdorf (2008, S.

343) der die Unterschiedlichkeiten in Lerngruppen „ [...] zunehmend als Quelle von Flexibilität, von Kreativität und von Problemlösungskompetenz“ sieht.

Dort, wo Gruppen sich mittels ihrer Reflexionsprozesse stabilisieren, kann der Bedarf von Kontinuität und Fortschreibung der Gruppenexistenz entstehen.

Die Sicherheit, die die Gruppe ihren Gruppenmitgliedern durch die Verlässlichkeit des Umgangs miteinander gewährt, kann dem Einzelnen mehr Selbstvertrauen hinsichtlich seines Leistungsvermögens verschaffen. Dadurch entstehen Effekte der sich selbst verstärkenden Autonomie der Gruppe, sodass die gewünschte Entwicklung zur Selbstverantwortung und

Zurücknahme von Außenkontrolle durch Vorgesetzte eintreten können. Dies hat Auswirkungen auch auf die Meisterausbildung, da das Führen und Leiten von Gruppen in der spezifischen Form der Gruppenarbeit abweicht vom traditionellen Bild eines Meisters, der seine Gruppe führt im Sinne der Definition von Lay (1997).

3.2.3 Beitrag und Grenzen

In der Erwachsenenbildung ist das Prinzip inzwischen verbreitet, die Erfahrung aller am Lernprozess Beteiligter zur gemeinsamen Weiterentwicklung und Veränderung zu nutzen. Dies zeigt sich in den Forderungen, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen, sie somit in das Gesamtunternehmen partizipativ zu integrieren (vgl. Philipp, Osmetz und Winter, 2004).

Das Lernen und die Weiterentwicklung Einzelner, des Teams und in der Gruppenarbeit hängt auch stark von der Bereitschaft ab, aneinander Feedback zu geben. Dieser Austausch ermöglicht eine Veränderung des individuellen Verhaltens und schafft eine Bereicherung des jeweiligen Verhaltensrepertoires im und mit dem Team.

Feedback als Teil einer offenen Kultur erhält das Teamwissen, weil Lernchancen erhalten bleiben, wenn das Team lernfähig bleibt und auf die Herausforderungen flexibel reagiert. Denn erst durch den Umgang mit Problemen und Widrigkeiten können neue Verhaltensmuster erarbeitet und somit gelernt werden. Die Teammitglieder sind dazu besonders in der Lage, wenn sie ihre Konflikte gelöst haben, die auf ihre Rollen und deren Erfüllung abzielen. Bei „der Übernahme bestimmter Funktionen ihrer Mitglieder“ (Witt, 1999, S. 72ff.) haben die Teamer deshalb darauf zu achten, wer welche Rolle oder Funktion akzeptiert.

Da Lernen in Ziel- und Sinnzusammenhängen gesehen werden kann, ist in betrieblichen Zusammenhängen von der Konkurrenz unterschiedlicher Zielkategorien auszugehen. Wenn die betrieblich-organisationellen einerseits und die persönlichen Entwicklungsziele andererseits harmonisiert werden können, wird schrittweise die individuelle und gemeinschaftliche Wissensbasis und Kompetenzausstattung erweitert.

3.3 Die Lernende Organisation