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2.3 Ergebnisse der Lautlängenbestimmung: Vokale und Konsonanten

2.3.2 Mediale Konsonanten

2.3.2.1 Plosive

Das Schriftbild des Lexikons gibt für labiale und coronale Plosive eine Unterteilung in drei Kategorien vor: <b, d> vs. <p, t> vs. <pp, tt>. Velare Plosive werden in zwei Kategorien <g>

und <gg> unterteilt, <k> wird für (aspiriertes) k in Lehnwörtern gebraucht. Im Fall der langen Konsonanten wird anhand der coronalen Daten untersucht, ob Muttersprachler die Einteilung der Plosive in drei Kategorien reproduzieren. Velare Langplosive lassen sich aufgrund ihrer

grafischen Darstellung zunächst nicht einordnen, und für labiale Langplosive wurden keine Belegwörter für die mittellange Kategorie abgefragt. Zur Längenbestimmung wurden die Verschlusszeiten (closure duration/CD, s. Kap. 2.1) von intersonoranten Plosiven gemessen.

Die Verteilung in der Kategorie der Kurzkonsonanten <b, d, g> kontrastiert bei Älteren und Jüngeren mit der Verteilung der coronalen Langkonsonanten <tt> (vgl. Abb. 2.16). Die Verteilung der Kategorie <t> befindet sich dazwischen. Die Verteilungen überlappen nur an ihren Grenzen. Die Mittelwerte sind in beiden Altersgruppen ca. eine Standardabweichung getrennt. Die Produktionsdaten unterstützen daher eine Einteilung von coronalen Plosiven in drei phonetische Kategorien. In Tab. 2.9 findet sich eine Aufstellung zu Mittelwerten und Standardabweichungen.

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Tab. 2.9: Mittlere Verschlussdauer und Standardabweichung von intervokalischen Plosiven

Ältere: Anzahl (n): Jüngere: Anzahl (n):

Kurze Plosive <b, d, g> 88 ms ± 27 ms 312 69 ms ± 18 ms 323 Mittellange Plosive <t> 180 ms ± 53 ms 35 133 ms ± 32 ms 41 Lange Plosive <tt> 255 ms ± 59 ms 79 181 ms ± 37 ms 82

Abb. 2.16 b) Jüngere: Verteilung der intervokalischen Plosivlängen (CD) im Histogramm

Abb. 2.16 a) Ältere:

Verteilung der intervokalischen Plosivlängen (CD) im Histogramm

Unterschiede zwischen den Mittelwerten von Älteren und Jüngeren kommen durch die höhere Sprechgeschwindigkeit der Jüngeren zu Stande. In allen Kategorien produzieren die Jüngeren um 25 % kürzere Laute im Vergleich zu den Älteren. Das Verhältnis von Jüngeren zu Älteren ist bei den kurzen Plosiven <b, d, g> 78%, bei den mittellangen Plosiven <t>: 74% und bei den langen Plosiven <tt>: 71%. Die relative Einteilung in drei Längenkategorien ist in den beiden Altersgruppen gleich. Zwischen den Kurzplosiven existiert ein kleiner systematischer Längenunterschied: Verschlusszeit [g] > [b] > [d] (t-Test Ältere: p < 0,0001, Jüngere: p = 0,009). Die Unterscheidung der Kategorien <t> und <tt> ist bei Jüngeren und Älteren höchst signifikant (t-Test, p < 0,0001). Die mittellange Kategorie ist vor allem durch Belegwörter repräsentiert, in denen dem coronalen Plosiv ein (gespannter) Kurzvokal vorausgeht, es wurde nur ein Wort mit Diphthong (vergüete‚ ‚vergüten‘) abgefragt. Die Ergebnisse decken sich jedoch mit den entsprechenden Werten in der Produktionsstudie von Ham, in der nur Wörter mit Diphthongen bzw. Langvokalen als Belegwörter für die mittellange Plosivkategorie berücksichtigt wurden (HAM 2001, 86 ff.). Die drei phonetischen Plosivlängen in Messungen im Oszillogramm von Produktionen eines der Sprecher zeigt Abb. 2.17.

[d]

80 ms

[t]

186 ms

[t:]

265 ms

Abb. 2.17: Oszillogramme von drei Wörtern aus der Wortliste mit coronalem Plosiv, aus der Aufnahme eines Sprechers der älteren Generation a) (oben) Kurzkategorie <d>: vergüde (vergeuden); b) (unten links) mittlere Kategorie <t>: Schüteler (Fußballspieler) und c) (unten rechts) Langkategorie <tt>: schütte (schütten)

2.3.2.1.1 Die Einteilung der velaren langen Plosive <gg>

Fallen die velaren langen Plosive ebenso in zwei phonetische Kategorien wie die coronalen langen Plosive? Die Daten für die angenommenen mittleren und langen Konsonantkategorien [k] und [k:] werden im Lexikon grafisch ununterscheidbar mit <gg> angegeben. Für Wörter der Form „ungespannter Kurzvokal vor <gg>“ (z.B. sugge, Mugge; std. saugen, Mücke) wird angenommen, dass der velare Plosiv analog zu den coronalen Plosiven den phonetischen Wert [k:] annimmt. Wörter der Form „gespannter Kurzvokal plus <gg>“ (z.B. Pigge, miggerig; std.

Pik(e), mickerig) müssten sich von ihrer Verschlussdauer her den entsprechenden

Konsonanten der mittleren Kategorie [t] zuordnen lassen; hier hätte <gg> den phonetischen Wert [k]. Im Fall von „Langvokal plus <gg>“ (z.B. gmöögget, std. gebrüllt) hat der velare Plosiv ebenfalls den phonetischen Wert [k]. Die Einordnung der Langplosive in die mittlere oder lange phonetische Kategorie kann aufgrund der Vokalqualität der Kurzvokale

vorausgesagt werden. Dies ist bei tieferen Vokalstufen entsprechend aufgrund der Vokallänge möglich. Hier treten die Kombinationen „Kurzvokal vor langer Kategorie“ sowie „Langvokal vor mittellanger Kategorie“ auf. Auch auf Diphthonge folgen immer mittellange Plosive.

Abb. 2.18 a) Ältere (links) und b) Jüngere (rechts): obere Graphik: Mittel- und Langkategorie der coronalen Plosive; untere Graphik: Verteilung der velaren Plosive nach gespanntem Hochzungenvokal/Diphthong (‚<gg1>’, blau; Ältere/Jüngere: n = 20/20) sowie nach ungespanntem Hochzungenvokal (‚<gg2>’, schwarz; n = 36/39)

Die Belegwörter für die velare lange Plosivkategorie fallen ebenso wie jene mit coronalen Langplosiven in zwei Kategorien (vgl. Abb. 2.18; t-Test p < 0,0001 für Jüngere und Ältere).

Die Verschlusszeiten der velaren langen Plosive sind durchschnittlich etwas länger im Vergleich zu ihren coronalen langen „Gegenstücken“ (analog dazu, dass die mittlere

Verschlusszeit von velaren Kurzplosiven etwas höher ist als die der coronalen Kurzplosive).

Der Mittelwert der mittellangen Lautkategorie von <gg> beträgt 200 ms/140 ms

(Ältere/Jüngere), der Mittelwert der Langkategorie 290 ms/202 ms. Die velaren Daten stützen die Einteilung von Plosiven in drei phonetische Kategorien.

2.3.2.1.2 Varianz aufgrund der Stellung im Satz/in Isolation

Wie im Fall der Vokallänge variiert auch die Konsonantdauer in Abhängigkeit davon, ob dieser Konsonant in einem Wort im Satz oder in einem Wort in Isolation vorkommt. Kurze, mittellange und lange Konsonanten werden von Jüngeren und Älteren phrasenmedial um 10% bis 20 % kürzer produziert als in Wörtern, die allein stehen. Dies ist eine Quelle für Varianz in den Daten. Tab. 2.10 stellt die Mittelwerte der Verschlusszeiten für die drei Plosivkategorien getrennt nach ihrem Auftreten im Satz/in Isolation für die zwei Altersgruppen dar.

Ältere: Anzahl (n): Jüngere: Anzahl (n):

Kurze Plosive – im Satz 78 ms ± 19 ms 111 63 ms ± 12 ms 116 – nicht im Satz 96 ms ± 23 ms 127 73 ms ± 15 ms 143

∅ 87 ms ∅ 68 ms

Mittellange Plosive – im Satz 162 ms ± 48 ms 68 120 ms ± 28 ms 69 – nicht im Satz 199 ms ± 40 ms 22 153 ms ± 23 ms 26

∅ 181 ms ∅ 137 ms

Lange Plosive – im Satz 263 ms ± 65 ms 44 168 ms ± 33 ms 44 – nicht im Satz 281 ms ± 60 ms 56 204 ms ± 35 ms 63

∅ 272 ms ∅ 186 ms

Tab. 2.10: Mittlere Verschlussdauer und Standardabweichung von intervokalischen Plosiven in den Konditionen im Satz/nicht im Satz. Die fettgedruckten Werte repräsentieren Mittelungen über beide Konditionen.

Es fällt auf, dass bei den Jüngeren der Durchschnittswert der mittellangen Plosive in der Kondition „nicht im Satz“ in etwa dem der langen Plosive „im Satz“ (153 ms vs. 169 ms) entspricht. Allerdings sind die Längenverhältnisse zwischen den Kategorien innerhalb der Kontexte „im Satz“ und „nicht im Satz“ bei Jüngeren und Älteren konstant: Mittellange Plosive sind etwa 2 Mal so lang wie kurze Plosive, lange Plosive etwa 3 Mal so lang wie Kurzplosive.

2.3.2.1.3 Korrelation von Plosivdauer und Gespanntheit

In Abb. 2.19 sind die Verschlussdauern derjenigen Plosive im Histogramm aufgetragen, denen ein (kurzer) ungespannter bzw. gespannter Vokal vorausgeht. Dazu wurde ein ausgeglichenes Verhältnis von Wörtern in Isolation und im Satz hergestellt. Auf die Dauer von Kurzplosiven hat die Vokalqualität des vorhergehenden Vokals keinen Einfluss. Die Mittelwerte der beiden Verteilungen unterscheiden sich bei Älteren und Jüngeren kaum (und sind wenig bzw. nicht signifikant: Ältere t-Test p = 0,03, Jüngere p = 0,78). Bei den zwei Kategorien der Langplosive [p, t, k] und [p:, t:, k:] ist die Dauer abhängig von dem Vokal, der ihm vorangeht: die „mittellangen“ Plosive [p, t, k] folgen auf gespannte Kurzvokale, die

„langen“ Plosive [p:, t:, k:] folgen auf ungespannte Kurzvokale. Der Unterschied zwischen den beiden Kategorien ist signifikant bei Älteren und Jüngeren (t-Test: p < 0,0001). Lange Plosive sind nach ungespannten kurzen Hochzungenvokalen deutlich länger als nach gespannten kurzen Hochzungenvokalen. Bei Älteren und Jüngeren beträgt die Mittelwert-Differenz 79 ms bzw. 47 ms. Ein solcher Unterschied ist perzeptiv gut wahrnehmbar.

Abb 2.19 a) Ältere: Histogramm der Plosivlänge (Verschlussdauer) nach Qualität des vorangehenden Hochzungenvokals

Abb 2.19 b) Jüngere: Histogramm der Plosivlänge (Verschlussdauer) nach Qualität des vorangehenden Hochzungenvokals

Ältere: Anzahl (n): Jüngere: Anzahl (n):

Plosivdauer V ugsp/_CC 288 ms ± 63 ms 56 196 ms ± 39 ms 62 Plosivdauer V gesp/_CC 198 ms ± 45 ms 41 141 ms ± 31 ms 44 Tab. 2.11: Mittlere Verschlussdauer und Standardabweichung von intervokalischen langen Plosiven

In Tab. 2.11 finden sich Mittelwerte und Standardabweichungen der Verschlusszeiten der

„nicht-kurzen Plosiven“, differenziert nach Qualität der Hochzungenvokale, die ihnen vorausgehen (‚V gesp’ bezeichnet gespannte, ‚V ugsp’ ungespannte Vokale).

Die Dauer langer Plosive nach kurzen Vokalen tieferer Vokalstufen liegt mit Mittelwerten von 236 ms bzw. 172 ms (Ältere: n = 44/Jüngere: n = 43) zwischen den Werten in Tab. 2.11.

Allerdings beziehen sich diese Durchschnittswerte auf Verschlusszeitmessungen von Plosiven, die überwiegend in Wörtern im Satzkontext vorkamen, d.h. dieser Wert ist im Vergleich zu den Werten der Tabelle 2.11 etwas zu niedrig. Diese langen Plosive sind daher der Geminatkategorie [p:, t:, k:] zuzuordnen.

2.3.2.1.4 Fazit

Die phonetische Analyse der Produktion deutet auf eine Dreiteilung des Kategoriensystems der medialen Plosive in eine phonetische Kurz- und zwei Langkonsonantkategorien hin, die von jüngeren und älteren Sprecher/-innen des Berndeutschen reproduziert wird. Die

Zuordnung der langen Plosive zu einer der beiden Langkategorien hängt mit Qualität und Quantität des vorausgehenden Vokals zusammen: nach ungespannten kurzen

Hochzungenvokalen gehören lange Plosive der Langkategorie an, nach gespannten kurzen Hochzungenvokalen der mittellangen Kategorie. Auf Langvokale und Diphthonge folgen nur mittellange Plosive. Zur Stellung von Plosiven im An- und Auslaut vgl. Abschnitt 2.3.3.1. Die phonologische Interpretation des phonetischen Befundes folgt in Kapitel 4.