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2.3 Ergebnisse der Lautlängenbestimmung: Vokale und Konsonanten

2.3.3.4 Plosive und Frikative im Auslaut

Ein Beleg dafür, dass im Berndeutschen die Phrase die bestimmende prosodische Einheit darstellt, nicht das Wort, ist das Verhalten von Obstruenten im Auslaut: Zwischen ihrer Dauer in der Stellung am Ende eines Wortes innerhalb der Phrase und ihrer Dauer in der Position am Ende eines Wortes am Phrasenende existiert ein signifikanter Unterschied.

Intervokalische kurze und mittellange Plosive, die in betonten Monosyllaben wortfinal, aber phrasenmedial produziert werden, behalten den Dauerkontrast in der Verschlusszeit bei (vgl.

Tab. 2.17). Auch die Pluralendung -ed wird wortfinal, aber phrasenmedial mit Kurzplosiv ausgesprochen. Die mittlere Verschlusszeit der mittellangen Plosive entspricht der ihrer mittellangen Gegenstücke in phrasenmedialer Stellung (vgl. Tab. 2.10 in Kap. 2.3.2.1.2 auf S. 99). Für wortfinale, phrasenmediale Geminaten wurden in intervokalischer Stellung keine Daten erhoben, es wird aber davon ausgegangen, dass der Kontrast hier ebenso aufrecht erhalten wird (wie es in Disyllaben der Fall ist, s. Tab. 2.10). Damit wird die phonetische Dreiteilung der Plosive im Auslaut innerhalb der Phrase reproduziert.

Ältere: Anzahl (n): Jüngere: Anzahl (n):

b, d, g / V_V 74 ms ± 16 ms 31 64 ms ± 16 ms 28

-ed / V_V 89 ms ± 17 ms 14 76 ms ± 21 ms 16

p, t / V_V 173 ms ± 28 ms 14 131 ms ± 21 ms 12

b, d, g / V_# 118 ms ± 31 ms 75 99 ms ± 25 ms 84

-ed# 201 ms ± 73 ms 62 148 ms ± 28 ms 63

t, tt, gg / V_# 293 ms ± 72 ms 55 195 ms ± 35 ms 57 Tab. 2.17: Mittlere Verschlussdauer und Standardabweichung von intervokalischen Plosiven wortfinal phrasenmedial und wortfinal im absoluten Auslaut (gekennzeichnet durch #)

Im absoluten Auslaut, d.h. wort- und phrasenfinal, werden die kurzen Plosive mit deutlich längerer Verschlussdauer artikuliert (vgl. die unteren Zeilen in Tab. 2.17), im Vergleich um 35 % bis 37 % länger als in der Kondition wortfinal und phrasenmedial. Dabei ist die mittlere Verschlussdauer von Monosyllaben mit Langvokal am Phrasenrand nochmals länger als die der restlichen Beispiele: Ältere: 139 ms (n = 21), Jüngere 110 ms (n= 24). Der Pluralmarker -ed erscheint im absoluten Auslaut gedehnt und hat die Verschlusszeit eines mittellangen [t].

Monosyllaben am Phrasenrand mit gespanntem und ungespanntem Kurzvokal vor mittel-langem und Langplosiv (z.B. Z[i]t, ‚Zeit‘, l[ʊ]gg, ‚locker‘) unterscheiden sich in der

Verschlussdauer nicht (mehr) signifikant voneinander (t-Test Ältere: p = 0,66, Jüngere: p = 0,84). Phonetisch gesehen gehören sie zur Kategorie der Langplosive: Z[it:] bzw. l[ʊk:].

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Intervokalische Frikative im phrasenmedialen Auslaut (vgl. Tab. 2.18) entsprechen in ihrer Segmentlänge ebenfalls ihren Gegenstücken im phrasenmedialer, wortmedialer Position:

Kurzfrikative in wortfinaler, aber phrasenmedialer Stellung haben eine ähnliche mittlere Dauer wie die Kurzfrikative in medialer Position (Ältere: 115 ms, Jüngere: 102 ms, nach Tab.

2.12 in Kap. 2.3.2.2). Lange Frikative werden aber kürzer produziert als ihre Entsprechungen in der „Satz“-Kondition wortmedial (Ältere: 233 ms, Jüngere: 180 ms, nach Tab. 2.12 auf S. 102, d.h. sie sind etwa um 25 % länger). Die Datenbasis ist hier recht klein,9 die Daten selbst zeigen aber deutlich, dass der phonetische Kontrast zwischen kurzen und langen Frikativen im phrasen-medialen Auslaut bestehen bleibt.

Ältere: Anzahl (n): Jüngere: Anzahl (n):

V(:) /_<f, s> 103 ms ± 20 ms 28 98 ms ± 20 ms 32 V(:) / _<ff, ss> 171 ms ± 39 ms 14 136 ms ± 24 ms 16 V: /_<f, s> # 234 ms ± 63 ms 42 195 ms ± 38 ms 43 V(:) /_<ff, ss> # 303 ms ± 77 ms 37 238 ms ± 49 ms 42 Tab. 2.18: Mittlere Dauer und Standardabweichung von intervokalischen Frikativen wortfinal phrasenmedial und wortfinal im absoluten Auslaut (gekennzeichnet durch #)

In wortfinaler, phrasenfinaler Stellung werden alle Frikative im Vergleich durchschnittlich sehr viel länger artikuliert (vgl. die unteren Zeilen in Tab. 2.18). Die Kurzfrikative in dieser Position entsprechen mit ihrer mittleren Dauer der der medialen Langfrikative (Ältere: 233 ms, Jüngere: 180 ms, nach Tab. 2.12 auf S. 102). Die Monosyllaben mit langem oder kurzem Vokal vor Langfrikativ (z.B. Sch[ʊ]ss, Gsch[i:]ss, ‚Getue‘) werden am Phrasenrand

signifikant länger artikuliert als phrasenmedial. Nach statistischer Analyse ist die

Segmentdauer dabei unabhängig von der Vokallänge. Der phonetische 2-fach-Kontrast bleibt dabei auch im absoluten Auslaut gewahrt: Die Segmentdauer von kurzen (lang artikulierten) und langen (überlang artikulierten) Plosiven unterscheidet sich bei Älteren und Jüngeren jeweils höchst signifikant (t-Test Ältere, Jüngere: p < 0,0001).

9 Verglichen wurden die Sätze D’Müü[s] hei... und rübi[s] u... gegen wii[s:] wi... und D’Wö[ʃ:] isch ...

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2.3.3.5 Fazit

Die phonetische Dreiteilung von Plosiven und die Zweiteilung von Frikativen, die für die mediale Stellung gilt, reproduziert sich zum Teil auch in Positionen im Anlaut und Auslaut:

Im Anlaut existieren 3 Plosivtypen, die sich über ihre Verschlusszeiten unterscheiden: Kurze Plosive, die in ihrer Dauer den Kurzplosiven in medialer Stellung gleichen; mittellange Plosive (die in dieser Stellung etwas kürzer produziert werden als phrasenmedial) sowie lange Plosive. Lange Plosive, deren mittlere Verschlussdauer ebenfalls kürzer ist als die ihrer Gegenstücke in phrasenmedialer Stellung, entstehen nur durch Sandhi und Betonung. Die Geminierung wurde nur unregelmäßig von verschiedenen Personen vorgenommen und war nicht lexikalisch fixiert. Bei den Plosiven konnte nur die Anlautposition in phrasenmedialer Stellung getestet werden, weil für die Bestimmung der Verschlussdauer ein definierter Anfangspunkt benötigt wird. Im Fall der Frikative, wo die Segmentdauer bestimmt wurde, konnten die Konditionen „im Satz“ und „nicht im Satz“ miteinander verglichen werden. Die mittlere Dauer der Frikative im Satz ist signifikant kürzer, und liegt um 15 % unter der mittleren Dauer in Isolation. Dies entspricht den Ergebnissen der vergleichenden Messungen phrasenmedial. Im Anlaut können 2 phonetische Frikativ-Kategorien unterschieden werden:

Kurze Frikative und Langfrikative, die ausschließlich durch Sandhi und Betonung entstehen.

Die wenigen Geminaten, die meist „spontan“ durch Assimilationen des anlautenden Frikativs mit einem eingefügten bestimmten neutralen Artikel s entstanden, entsprechen von ihrer Dauer in etwa den Geminaten in wortmedialer, phrasenmedialer Stellung.

Obstruenten im Auslaut unterscheiden sich in ihrer mittleren Dauer je nach Stellung in der Phrase. Für die wortfinale, phrasenmediale Position von Plosiven ließen sich Hinweise darauf finden, dass sich die phonetische Dreiteilung aufgrund der Verschlussdauer, die wort- und phrasenmedial zu beobachten war, reproduziert. Wortfinal am Phrasenrand werden alle Kategorien gedehnt. Die gedehnten Kurzplosive in Monosyllaben kontrastieren mit einer Langkategorie aus mittellangen und langen Plosiven. Kurzplosive, wie etwa der Pluralmarker -ed, werden gedehnt und entsprechen mit ihrer Verschlussdauer den Plosiven der mittellangen Kategorie. Zwischen mittellangen und langen Plosiven nach Kurzvokal in Monosyllaben besteht in dieser Position kein Dauerunterschied mehr. Für Frikative gilt, dass wortfinal und phrasenmedial der Kontrast zwischen Kurz- und Langfrikativen bestehen bleibt, wortfinal und phrasenfinal werden beide Kategorien stark gedehnt. Die Kurzkategorie nimmt die Dauer der medialen Langfrikative an, die Langkategorie wird „überlang“ – aber nach wie vor

unterscheiden sich beide Kategorien signifikant. Für eine Interpretation der Befunde s. Kap. 4.

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