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1.1.4 Zufriedenheit als Wohlbefindenskomponente

1.1.4.4 Pers¨onlichkeitseinfl ¨usse auf das SWB

Eine weitere Erkl¨arung der besagten niedrigen Zusammenh¨ange zwischen Lebenszu-friedenheit und objektiver Lebensqualit¨at liefert ein Trait-Ansatz: SWB bzw. seine

verschie-denen Komponenten, so wurde postuliert (z.B. Costa & McCrae, 1980; 1984; Costa et al., 1983; 1987a; vgl. auch die Reviews von DeNeve & Cooper, 1998; Diener & Lucas, 1999;

Diener et al., 2003) beruht demnach teilweise auf zeitlich stabilen Pers¨onlichkeitsmerkma-len. Eine gewissermaßen radikale Variante des Trait-Ansatzes best¨unde in der Annahme ei-ner weitestgehenden Trait-Abh¨angigkeit und infolgedessen Unabh¨angigkeit von objektiven Lebensbedingungen: Die allgemeine Lebenszufriedenheit erschiene darin als intraindividu-ell invariante Bewertungstendenz – sozusagen als positiv verkl¨arter oder negativ getr¨ubter Blick – welche dann durch einen sogenannten Top-Down-Effekt (vgl. Kapitel 1.1.4.7)

”von Oben nach Unten“ auch die spezifischen Zufriedenheiten determiniert. Eine soziologische Variante dieser Theorie bezeichnet Veenhoven (1996) als

”folklore-theory“: Demnach be-stehen kulturelle Dispositionen zu optimistischen bzw. pessimistischen Sichtweisen, die sich als Top-down-Effekte bei der Generierung von Zufriedenheiten auswirken.

Die empirische Befundlage zum Trait-Ansatz wurde von Veenhoven (1994) metaana-lytisch untersucht und aufgrund der gefundenen Ergebnisse ablehnend beurteilt. Allerdings begr¨undet Veenhoven diese Ablehnung auf eine strikte Definition: Demnach ist SWB dann als Trait aufzufassen, wenn es (1) zeitlich stabil, (2) transsituational konsistent und (3) in-ternal verursacht ist. Die Trait-Theorie, so seine Argumentation, sei leicht damit zu widerle-gen, daß empirisch gezeigt wird, daß SWB weder intraindividuell stabil im Zeitverlauf ist, noch insensitiv gegen¨uber Ver¨anderungen objektiver Lebensbedingungen. Zur Absch¨atzung der Stabilit¨at des SWB wurden von Veenhoven alle bis zum damaligen Zeitpunkt vorliegen-den Ver¨offentlichungen, in vorliegen-denen l¨angsschnittliche Korrelationen von Wohlbefinvorliegen-densindi- Wohlbefindensindi-katoren berichtet wurden, ber¨ucksichtigt – wovon allerdings nur ein kleinerer Teil von ihm als valide befunden wurde (

”I found some hundred studies, of which 26 appeared to have used acceptable indicators of happiness“, ebd., 108). Es zeigten sich ¨uberwiegend positive l¨angsschnittliche Korrelationen von niederen bis mittlerem Niveau (im Mittel ungef¨ahr um 0.35), wobei erwartungsgem¨aß diese Korrelation mit wachsendem Zeitintervall zwischen den Wiederholungsmessungen fiel, so daß Veenhoven folgern konnte, daß in der Extrapola-tion dieses Zusammenhangs bei einer Zeitspanne von 20 Jahren praktisch kein Zusammen-hang zwischen den SWB-Werten mehr bestehen w¨urde. Die insgesamt eher bescheidenen Meßwiederholungskorrelationen wertet Veenhoven als eindeutige Widerlegung des Trait-Ansatzes.

Das Veenhovensche Verdikt kann m.E. jedoch auch angezweifelt werden. Denn sei-ne zugrundegelegte Trait-Definition trifft lediglich f¨ur eisei-ne theoretische Konzeption zu, die SWB selbst als Pers¨onlichkeitskonstrukt auffaßt, nicht dagegen f¨ur die Annahme, daß SWB-Komponenten teilweise von zeitlich stabilen Pers¨onlichkeitsmerkmalen abh¨angen und in diesem Sinne pers¨onliche Dispositionen f¨ur mehr oder weniger SWB bestehen. Letzteres w¨urde lediglich ein gewisses Maß an Stabilit¨at und Konsistenz und d.h. eine teilweise Un-abh¨angigkeit des SWB von situationalen Einfl¨ussen bedingen, wie sie durch verschiedene l¨angsschnittliche empirische Befunde gest¨utzt wird, welche von Diener et al. (1999) refe-riert und zu folgenden Fazit zusammengefaßt werden:

”Based on the large body of evidence

on the correlates of SWB, Veenhoven’s claim that happiness itself is not a trait appears to be correct. However, stable personality traits can influence SWB, and thus SWB has both trait-like and state-like properties“ (ebd., 280).

Letztere Formulierung, wie auch die Veenhovensche Metaanalyse, bezieht sich aller-dings auf SWB insgesamt, und im Kontext der Darstellung der Theorie der Lebenszufrie-denheit w¨are hier nat¨urlich v.a. zu fragen, ob alle diese Aussagen f¨ur die verschiedenen Wohlbefindenskomponenten in gleicher Weise gelten bzw. wie nun der Trait-Ansatz f¨ur die Zufriedenheit zu bewerten ist. In der Untersuchung von Veenhoven (1994) – die einen guten Uberblick ¨uber die bis zu ihrem Ver¨offentlichungszeitpunkt vorhandenen L¨angsschnittstu-¨ dien zum SWB liefert – bezogen sich beispielsweise nur 6 der einbezogenen 65 Korre-lationswerte auf die kognitive Komponente (

”contentment“) und die Mehrzahl auf Maße der”overall happiness“ oder des affektiven Wohlbefindens. Insgesamt erlauben die vorlie-genden Befunde m.E. keine abschließende Bewertung der

”Trait-Stabilit¨at“ von Lebens-zufriedenheit, da die aus den einzelnen Studien ableitbaren Aussagen zur l¨angsschnittli-chen Stabilit¨at meist auf unterschiedlil¨angsschnittli-chen Erhebungsintervallen zwisl¨angsschnittli-chen den Zufrieden-heitsmessungen und v.a. auch auf unterschiedlichen Operationalisierungen von SWB – d.h.

Meßinstrumenten unterschiedlicher Reliabilit¨at und Validit¨at – begr¨undet werden.

Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, daß f¨ur die Erforschung pers¨onlichkeits-spezifischer Anteile an Zufriedenheit bzw. SWB der Nachweis der Stabilit¨at allein nicht ausreicht. Oft wird mehr oder weniger explizit die intraindividuelle Stabilit¨at von SWB-Konstrukten mit deren Trait-Abh¨angigkeit gleichgesetzt bzw. als g¨anzlich auf Trait-Ein-fl¨usse zur¨uckf¨uhrbar betrachtet (z.B. Ferring & Filipp, 1997). Es lassen sich aber leicht Gr¨unde anf¨uhren, um dem zu widersprechen: Zun¨achst einmal k¨onnte nat¨urlich Stabilit¨at von Zufriedenheit auch schlicht aus entsprechend stabilen objektiven Lebensbedingungen resultieren, so daß immer dann, wenn aus empirischen Zufriedenheitsmessungen errechnete Stabilit¨at als Nachweis von Trait-Einfl¨ussen gewertet wird, zu fragen w¨are, inwieweit das Ausmaß der Ver¨anderungen in relevanten objektiven Variablen dabei statistisch ber¨ucksich-tigt wurde (ein durchaus schwieriges Unterfangen, denn es setzt wiederum entsprechende

”objektive“ Messungen voraus, und zwar m¨oglichst zu allen jeweils m¨oglicherweise rele-vanten Lebensbedingungen). Dar¨uber hinaus kann aber Stabilit¨at auch aus der Relativit¨at von Zufriedenheit begr¨undet werden: Ver¨anderung objektiver Lebensbedingungen f¨uhrt zu entsprechender Adjustierung subjektiver Standards und in der Folge zur Adaptation der Zu-friedenheit in Richtung des Ausgangsniveaus, welches vor der Ver¨anderung bestanden hat.

Trait-Einfl¨usse stellen somit eine zwar hinreichende, jedoch nicht notwendige Bedingung f¨ur Stabilit¨at von Zufriedenheit dar. Das Ausmaß intraindividueller Stabilit¨at von Zufrie-denheit ist deshalb ein Forschungsgegenstand per se, der losgel¨ost von Trait-Theorien des SWB untersucht werden sollte – als solcher wird er auch in den im folgenden dargestellten eigenen empirischen Untersuchungen behandelt, bei denen die M¨oglichkeit hoher Zufrie-denheitsstabilit¨at hypothetisch zugrundegelegt wurde (vgl. die Kapitel 1.2.3.3 und 1.2.3.4).

Empirische Befunde zur l¨angsschnittlichen Stabilit¨at erlauben also kein

abschließen-des Urteil ¨uber die relative St¨arke pers¨onlichkeitsspezifischer Anteile an den Zufrieden-heitsurteilen. Dar¨uber hinaus existiert eine Vielzahl von Befunden, die substantielle kor-relative Zusammenh¨ange zwischen verschiedenen Pers¨onlichkeitsindikatoren und Wohlbe-findensmaßen zeigen – eine Zusammenfassung liefern DeNeve & Cooper (1998) (neuere Arbeiten: Hayes & Joseph, 2003; Creed & Evans, 2002; Steel & Ones, 2002; Schimmack et al., 2002). Die dabei herausragenden

”Kandidaten“ wohlbefindenskorrelierter Pers¨onlich-keitsdimensionen scheinen allerdings eher affektrelevant:

”. . . many researchers have sug-gested that extraversion and neuroticism provide the primary links between personality and SWB“ (Diener et al., 2003, 407). Tats¨achlich kann v.a. ein starker Zusammenhang zwi-schen Extraversion und positivem Affekt, sowie Neurotizismus und negativem Affekt als mittlerweile empirisch gesichert gelten (DeNeve & Cooper, 1998; Diener et al., 2002) und verschiedene theoretische Entw¨urfe betrachten Extraversion und Neurotizismus als dieje-nigen Pers¨onlichkeitsdimensionen, welche maßgeblich das Erleben positiver und negativer Affekte regulieren und somit in hohem Maße relevant f¨ur affektives SWB sind. Ein Einfluß dieser Traits auf Zufriedenheitsurteile k¨onnte demnach mittelbar dadurch bestehen, daß in solche Bewertungen eigener objektiver Lebensumst¨ande auch affektives Erleben einfließt (vgl. Schimmack et al., 2002), wie es in dem nachfolgend diskutierten Aspekt der affek-tiven Inferenz thematisiert wird. In ihrer metaanalytischen Untersuchung fanden DeNeve

& Cooper (1998) zudem einen Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Lebenszufrie-denheit.

Unter den sonstigen Pers¨onlichkeitskonstrukten, deren Wohlbefindensrelevanz disku-tiert wurde, sind wenige, deren m¨oglicher direkter Einfluß eher die kognitive Wohlbefin-denskomponente betrifft. So wurde von Scheier & Carver (1985) ein Optimismus-Trait po-stuliert, n¨amlich als dispositionelle Erfolgszuversicht, welche verst¨arkten Einsatz zur Errei-chung pers¨onlicher Ziele und damit auch nach Art einer self-fulfilling-prophecy tats¨achlich mehr Erfolg bedingt. Demnach sollten optimistischere Personen deshalb zufriedener sein, weil sie eben tats¨achlich ihre Lebensumst¨ande vorteilhafter gestalten konnten. In ¨ahnli-cher Weise wurden generalisierte Kontroll¨uberzeugungen zur Erkl¨arung von SWB bzw.

Zufriedenheit herangezogen (Lachman & Weaver, 1998; Kozma & Stones, 1978). Aller-dings warnen Diener et al. (1999, 281) bez¨uglich dieser Theorien:

”It is difficult to disen-tangle, however, whether the cognitive processes associated with optimism and expectancy for control are the cause or the result of higher well-being.“ Insgesamt, so l¨aßt sich wohl die Lage zusammenfassen, liefert die vorhandene Theorie zur

”Traithaftigkeit“ des SWB gute und deutlich belegte Gr¨unde f¨ur die Annahme gewichtiger Trait-Einfl¨usse auf die affekti-ve Wohlbefindenskomponente, w¨ahrend die Abh¨angigkeit der kognitiaffekti-ven Komponente von zeitlich stabilen Pers¨onlichkeitsanteilen zumindest weniger theoretisches Interesse gefun-den zu haben scheint. Es kann also, nun schon eher im Sinne des Veenhovenschen Fazits, gesagt werden, daß die gegenw¨artige SWB-Theorie nur wenige Gr¨unde zur Annahme di-rekter Trait-Einfl¨usse auf Zufriedenheit liefert. Gleichwohl erscheinen solche nicht ausge-schlossen und v.a. ist auch mit indirekten Trait-Einfl¨ussen zu rechnen, die aus dem Einfluß

des st¨arker pers¨onlichkeitsabh¨angigen affektiven Wohlbefindens auf Zufriedenheitsurteile resultieren.

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