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1.2 Zufriedenheit im h¨oheren Lebensalter: Stabilit¨at trotz Verlust?trotz Verlust?

1.2.2 L¨angsschnittliche Untersuchungen zum Zusammenhang von h¨oherem Lebensalter und Zufriedenheith¨oherem Lebensalter und Zufriedenheit

1.2.3.3 Lebenslange Stabilit¨at von Zufriedenheit?

In Ver¨offentlichungen zum Zufriedenheitsparadox wird meist explizit oder implizit die Mittelwertsstabilit¨at mit der Merkmalsstabilit¨at gleichgesetzt bzw. von ersterer auf letztere geschlossen. Diese Schlußfolgerung kann zwar die zitierten Befunde erkl¨aren, umgekehrt jedoch kann sie keineswegs als allein durch dieselben empirisch gesichert gelten. Viel-mehr bedarf sie noch ausreichender empirischer Best¨atigung: Es muß untersucht werden, ob ¨uber einen großen Teil der hochaltrigen Lebensspanne hinweg tats¨achlich eine hohe in-traindividuelle Merkmalsstabilit¨at von Zufriedenheit besteht. Ein solcher Befund kann, wie vorne bereits gesagt wurde, nur in l¨angsschnittlicher Untersuchung und nicht allein auf der Basis des Vergleichs altersspezifischer Durchschnittswerte gewonnen werden. In Kapitel 1.2.2 wurden entsprechende Befunde kurz dargestellt bzw. daraus das Fazit abgeleitet, daß die tats¨achliche intraindividuelle Merkmalsstabilit¨at von Zufriedenheit bislang nur

unzurei-chend empirisch erforscht ist.

Theoretische Gr¨unde f¨ur die Annahme einer relativ hohen intraindividuellen Stabi-lit¨at von SWB nicht nur bei hochaltrigen Menschen wurden bereits gegeben: Die trait-theoretischen Ans¨atze in der Wohlbefindenstheorie postulieren diese Stabilit¨at geradezu als Wesensmerkmal des SWB (vgl Kapitel 1.1.4.4). Es wurde bereits dargelegt, daß aus dem”Stand der Dinge“ in der Wohlbefindensforschung v.a. bez¨uglich affektiver Wohlbe-findenskomponenten ein starker Einfluß stabiler Pers¨onlichkeitsmerkmale anzunehmen ist, w¨ahrend eine solche Trait-Abh¨angigkeit der Lebenszufriedenheit in der Zusammenschau diesbez¨uglicher Ver¨offentlichungen nicht ebenso deutlich erscheint. Immerhin aber impli-ziert die Annahme affektiver Inferenzen bei der Bildung von Zufriedenheitsurteilen auch eine mittelbare stabilisierende Wirkung derjenigen Pers¨onlichkeitsdimensionen, von denen affektives Wohlbefinden in starkem Maße beeinflußt scheint.

Zudem sollten auch die in Kapitel 1.1.4.3 diskutierten kognitiven Relativierungsme-chanismen bei der Generierung von Zufriedenheitsurteilen zwangsl¨aufig eine gewisse Sta-bilit¨at bewirken: Diese bedeuten Adaptation dergestalt, daß infolge – negativer oder positi-ver – Ver¨anderungen objektipositi-ver Lebensumst¨ande eine entsprechende Angleichung subjek-tiver Bewertungsstandards stattfindet, die den Effekt objeksubjek-tiver Verluste oder Gewinne auf SWB gewissermaßen abfedert oder ausgleicht. Die Theorie des SWB liefert somit starke Gr¨unde f¨ur die Annahme, daß Zufriedenheiten bis zu einem gewissen Maße ¨uber das ge-samte Erwachsenenalter hinweg intraindividuell stabil sind und auch bleiben, wenn es am Ende dieser Lebensspanne vermehrt zu negativen Erfahrungen kommt.

Wenn das Zufriedenheitsparadox des h¨oheren Alters durch Adaptationseffekte erkl¨art werden soll, dann ist v.a. auch zu ber¨ucksichtigen, daß die alterstypischen Verluste bzw.

Verschlechterungen objektiver Lebensumst¨ande oft nicht als langsam und allm¨ahlich ablau-fende Entwicklung, sondern als kurzfristig sich vollziehende und somit intensive Ver¨ande-rung der allt¨aglichen Lebenssituation erlebt werden. Typische Beispiele wie der Austritt aus dem Erwerbsleben, der Tod eines nahen Angeh¨origen oder der Ausbruch einer schwe-ren Krankheit bedeuten f¨ur die betroffene Person gravieschwe-rende Einschnitte, die deschwe-ren Leben gewissermaßen

”von einem Tag auf den anderen“ grundlegend ver¨andern. D.h. also, daß viele alterstypische Verluste aus kritischen Lebensereignissen resultieren, und es ist kaum anzunehmen, daß SWB dadurch nicht beeinflußt w¨urde. Vielmehr ist zu fragen, wie solche Ereignisse verarbeitet bzw. bew¨altigt werden k¨onnen, und wie sich SWB in solchen Ver-arbeitungsprozessen entwickelt. Es geht also dabei nicht nur um die unmittelbaren Effekte der kurzfristigen problematischen Ver¨anderungen, die im h¨oheren Alter h¨aufig stattfinden, sondern v.a. um deren l¨angerfristige, dauerhafte Auswirkungen auf das Wohlbefinden der davon Betroffenen, – um Adaptation in der Folge von Verlusterlebnissen, die einen vor¨uber-gehenden Einbruch des SWB bewirken k¨onnen.

Adaptivit¨at des SWB und insbesondere der Lebenszufriedenheit wurde vielfach theo-retisch begr¨undet und empirisch gezeigt (vgl. Kapitel 1.1.4.3). Es erscheint darum geradezu als Selbstverst¨andlichkeit, daß Menschen jeglichen Alters auf Verschlechterungen ihrer

Le-bensumst¨ande – ob sie nun abrupt und krisenhaft eintreten, oder als langwierige, allm¨ahli-che Ver¨anderungen – mit einem gewissen Maß an Adaptation reagieren, welallm¨ahli-ches Einbußen ihres SWB entgegen- bzw. dessen zumindest teilweise Aufrechterhaltung bewirkt. In der Gerontologie bzw. der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne wurde dieses ausgiebig unter dem begrifflichen Label der

”Resilienz“ thematisiert und mit entsprechenden Resili-enzmodellen beantwortet. Gemeint ist psychologische Widerstandskraft, die in gravieren-den Krisensituation zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung eines (positiven) SWB bef¨ahigt, und das Interesse gilt hier den psychologischen Ressourcen der Person, die hierf¨ur funktional sein k¨onnen. Die oben zitierte emotionale Kompetenz ¨alterer Menschen kann als ein Beispiel f¨ur eine derartige psychische Ressource zur St¨utzung der affektiven Wohlbe-findenskomponente angesehen werden. Es soll hier kein umfassender ¨Uberblick ¨uber die Resilienzforschung gegeben werden (siehe z.B. Staudinger et al., 1995; Tesch-R¨omer et al., 1997), sondern lediglich auf die explizite theoretische Begr¨undung einer sozusagen zielge-richtet protektiven Adaptivit¨at des SWB hingewiesen werden, die in diesen Resilienzmodel-le enthalten ist: Es ist grunds¨atzlich anzunehmen, daß kurzfristige Einbußen des SWB in-folge objektiver Verluste durchaus adaptiv reguliert bzw. zur¨uckgewonnen werden k¨onnen – wenn auch, je nach den jeweiligen pers¨onlichen Ressourcen der Betroffenen einerseits und nat¨urlich der tats¨achlichen Schwere der zu bew¨altigenden Ver¨anderung andererseits, in jeweils unterschiedlichem Maße.

Wenn man also annimmt, daß im hohen Alter h¨aufig abrupte Verschlechterungen der objektiven Lebensqualit¨at eintreten, so kann auch durchaus davon ausgegangen werden, daß ¨altere Menschen sich h¨aufig subjektiv unwohl befinden, d.h. w¨ahrend solcher akut kri-tischer Phasen sowohl verst¨arkt negative Emotionen durchleben, als auch ihr Leben eher negativ bewerten. Es liegt jedoch auf der Hand, daß die Befunde einer angesichts solcher h¨aufigen negativen Ausschl¨age des SWB

”paradox“ erscheinenden hohen Durchschnittszu-friedenheit ¨alterer Menschen auch mit deren Resilienz, d.h. mit einer protektiven Adap-tation der subjektiven Bewertungen bei alterstypischen Verlusterlebnissen erkl¨arbar sein k¨onnten: L¨angerfristig w¨urden dadurch die negativen Effekte vieler Verlusterlebnisse ge-wissermaßen abgemildert bzw. g¨anzlich annulliert, so daß sie in Durchschnittswerten von Stichproben h¨oheraltriger Personen nur vermittels derjenigen F¨alle zu Buche schlagen, die zum Befragungszeitpunkt aktuell von solchen Negativereignissen betroffen sind. Der An-teil dieser F¨alle d¨urfte aber jeweils eher gering sein, sofern der Modus der Stichprobenge-nerierung nicht eine disproportional hohe Wahrscheinlichkeit der Auswahl von Personen in solchen kritischen Phasen bedingt (z.B. durch das Sampling von Personen, die sich in sta-tion¨arer Krankenhausbehandlung befinden). Wenn ¨uberhaupt, so k¨onnen f¨ur Zufallsstich-proben ¨Alterer aus nicht weiter selektierten Grundgesamtheiten wohl eher positive Selek-tivit¨atseffekte vermutet werden, insofern gerade die aktuelle Konfrontation mit Negativer-eignissen eine Ursache f¨ur Teilnahmeverweigerung sein k¨onnte.

Insgesamt also liefern sowohl die trait-theoretischen Sichtweisen des SWB, als auch die Annahmen hoher Adaptivit¨at von Zufriedenheit gute Gr¨unde daf¨ur, Zufriedenheit als

ein Merkmal anzusehen, welches in hohem Maße intraindividuell stabil aufrechterhalten wird. Diese Gr¨unde gelten prinzipiell f¨ur alle Altersgruppen, d.h. es kann deshalb ver-mutet werden, daß Zufriedenheit sozusagen lebenslang hoch stabil ist. Diese lebenslang gleichermaßen hohe Stabilit¨at k¨onnte ein Ausmaß an Unabh¨angigkeit der kognitiven SWB-Komponente von objektiven Umst¨anden erzeugen, welches in den erw¨ahnten Befunden zu diesem Zusammenhang im Alter nur besonders deutlich zutage treten kann, weil dort eine gewisse Divergenz zwischen der Instabilit¨at sich h¨aufig abrupt verschlechternder Leben-sumst¨ande und der Stabilit¨at ihrer subjektiven Bewertungen besteht.

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