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Erh¨ohte Stabilit¨at der Zufriedenheit im Alter?

1.2 Zufriedenheit im h¨oheren Lebensalter: Stabilit¨at trotz Verlust?trotz Verlust?

1.2.2 L¨angsschnittliche Untersuchungen zum Zusammenhang von h¨oherem Lebensalter und Zufriedenheith¨oherem Lebensalter und Zufriedenheit

1.2.3.4 Erh¨ohte Stabilit¨at der Zufriedenheit im Alter?

Falls das Zufriedenheitsparadox des h¨oheren Lebensalters auf intraindividuelle Merk-malsstabilit¨at zur¨uckzuf¨uhren ist, so w¨are zu fragen, ob sich die H¨oheraltrigen in dieser Hinsicht von den J¨ungeren unterscheiden, d.h. ob Zufriedenheit im Alter stabiler wird. Die Annahme stabilisierender Einfl¨usse von Pers¨onlichkeitsfaktoren (vgl. Kapitel 1.1.4.4) und die Annahme adaptiver Stabilisierung von Zufriedenheit gelten prinzipiell f¨ur alle Alters-gruppen und sind ohne weiteres nicht als Argumente f¨ur eine im Alter erh¨ohte Merkmals-stabilit¨at zu gebrauchen.

Ein Aspekt, der in dieser Hinsicht jedoch bedeutsam sein k¨onnte und m.E. im Zu-sammenhang mit der Lebenszufriedenheit im h¨oheren Lebensalter wenig beachtet wurde (vgl. z.B. die Zusammenfassung von Staudinger, 2000), k¨onnte die m¨oglicherweise sich ver¨andernde subjektive zeitliche Orientierung bzw. Zeitperspektive der alternden Personen sein. Es erscheint durchaus plausibel, daß Menschen, wenn sie solche Bewertungen vorneh-men, nicht nur ¨uber die Summe ihrer gegenw¨artigen Lebensumst¨ande hinweg generalisie-ren, sondern sozusagen auch retrospektiv ¨uber die Zeitachse, so daß ihr Urteil im Extremfall eine subjektive Bilanz ihrer gesamten Lebensspanne, und nicht nur der aktuellen Episode enth¨alt. Diese retrospektive Sichtweise k¨onnte gerade f¨ur ¨altere Menschen besonders wich-tig sein, die ja gewissermaßen den gr¨oßeren Teil ihrer Lebenszeit bereits verbraucht haben und denen nur noch wenig Zeit zum Erreichen pers¨onlicher Selbstverwirklichungs- oder Entwicklungsziele bleibt. Deshalb k¨onnte f¨ur die ¨Alteren die Frage, was in der Vergan-genheit verwirklicht oder verpaßt wurde, mehr Gewicht haben, als bei J¨ungeren, welche zumindest subjektiv noch ¨uber mehr Zukunft verf¨ugen und folglich bei der Bewertung ih-res Lebens weniger eindeutig auf tats¨achlich realisierte Qualit¨aten verwiesen sind, sondern hierbei auch die aktuelle Situation unter dem Aspekt der darin enthaltenen M¨oglichkeiten f¨ur zuk¨unftige Lebensqualit¨at in Betracht ziehen k¨onnen. F¨ur eine retrospektive Bilanz ¨uber l¨angere Lebenszeitr¨aume hinweg ist aber m¨oglicherweise selbst eine aktuelle Katastrophe nur von untergeordneter Bedeutung: Beispielsweise wird vielleicht ein Mensch, der auf ein erfolgreiches und erf¨ulltes Leben, in dem ihm wenig Schlimmes widerfahren ist, zur¨uck-blickt, dieses insgesamt auch dann noch positiv bewerten, wenn er aktuell von schwerer Krankheit oder dem Tod des Lebenspartners betroffen ist. Die Annahme einer solchen

Re-trospektivit¨at“ ¨alterer Menschen f¨uhrt direkt zu der Vermutung, daß mit dem Lebensalter die Merkmalsstabilit¨at der Lebenszufriedenheit w¨achst, weil gewissermaßen das Objekt der Bewertung bei ¨Alteren – n¨amlich eben v.a. das Leben, das sie gelebt haben – zum gr¨oßten Teil feststeht und in der R¨uckschau durch aktuelle, kurzfristige Ereignisse kaum noch ver¨andert wird. Wenn aber das Merkmal selbst bei den ¨Alteren weitgehend stabil bzw.

nur gering ver¨anderlich ist, so folgt daraus auch Stabilit¨at in den Durchschnittswerten von Altersgruppen aus dem Segment der H¨oheraltrigen.

Befunde zur subjektiven zeitlichen Orientierung bzw. Zeitperspektive liefern nicht im-mer Hinweise darauf, daß tats¨achlich ¨altere Menschen in st¨arkerem Maße vergangenheits-orientiert sind, als j¨ungere (Fingerman & Perlmutter, 1995; Shmotkin 1991). Eine gewisse Uneindeutigkeit der Befundlage k¨onnte hier schlicht das Resultat unterschiedlicher Opera-tionalisierungen zeitlicher Orientierung in den ohnehin nicht sehr zahlreichen Untersuchun-gen sein. So scheint es mir zumindest fraglich, ob beispielsweise Selbsteinsch¨atzunUntersuchun-gen der H¨aufigkeit vergangenheits- oder zukunftsbezogener Gedanken, wie sie von Fingerman &

Perlmutter (1995) verwendet wurden, dasselbe erfassen, wie die in einem Satzerg¨anzungs-verfahren inhaltsanalytisch gewonnenen H¨aufigkeiten solcher lebenszeitbezogener Kogni-tionen in der Untersuchung von Dittmann-Kohli (1995). Letztere fand zum Teil sehr deutli-che Unterschiede in der Frequenz lebenszeitbezogener Kognitionen beim Vergleich zweier Stichproben junger (16 bis 34) und alter (60 bis 90) Erwachsener, die f¨ur die Jungen eine sehr starke Zukunfts- und eine geringe Vergangenheitsorientierung, f¨ur die Alten dagegen genau das gegenteilige Schema, d.h. einen weitgehenden kognitiven Vergangenheitsbezug bei geringer ausgepr¨agter Zukunftsperspektive, anzeigen. Hinsichtlich der oben dargestell-ten ¨Uberlegungen zur Bedeutung von

”Retrospektivit¨at“ f¨ur die Bildung von Urteilen der Lebenszufriedenheit liefert allerdings die bloße H¨aufigkeit, mit der an Vergangenes gedacht wird, im Grunde nur Anhaltspunkte, es geht dabei eigentlich um die Frage des Gewichts, das solche Inhalte f¨ur die Selbstbeurteilung des eigenen Lebens besitzen.4

Eine direkte Untersuchung dieser Frage versuchte Shmotkin (1991) vermittels Struk-turgleichungsmodellen, in denen Lebenszufriedenheit als latenter Faktor modelliert wur-de, der drei beobachteten Indikatoren zugrundeliegt, n¨amlich der retrospektiven Bewertung des eigenen Lebens vor f¨unf Jahren, der Bewertung des eigenen Lebens zum gegenw¨arti-gen Zeitpunkt und der prospektiven Bewertung des eigegenw¨arti-genen Lebens in f¨unf Jahren. Durch den Vergleich der drei Faktorladungen kann dann die relative Wichtigkeit jedes Indikators (eigentlich: die jeweilige Korrelation des Indikators mit dem Lebenszufriedenheitsfaktor)

4Stock et al. (1986) trugen dieser Frage dadurch Rechnung, daß sie eine konzeptionelle Differenzierung des Konstrukts SWB hinsichtlich des zeitlichen Fokus entsprechender Urteile vorschlugen: Das Subkonstrukt

life satisfaction“ w¨are demnach exklusiv Selbstbeurteilungen der Vergangenheit vorbehalten, w¨ahrend

hap-piness“ auf die Gegenwart und

morale“ auf die Zukunft bezogene Urteile ¨uber SWB umfaßt. Dieser interes-sante Vorschlag deckt sich begrifflich – v.a. in der Benennung des vergangenheitsfokussierten SWB als Le-benszufriedenheit – allerdings nur unzureichend mit dem in der SWB-Forschung insgesamt vorherrschenden Zufriedenheitskonstrukt, welches im Allgemeinen den temporalen Bezug vernachl¨assigt oder zumindest nicht explizit mitber¨ucksichtigt bzw. implizit Lebenszufriedenheit als Urteil ¨uber die aktuelle Situation auffaßt.

beurteilt werden. Auf diese Weise wurde also untersucht, wie eng eine allgemeine,

” zeit-lich indifferente“ Lebenszufriedenheit, als

”common factor“ retrospektiver, aktueller und prospektiver Bewertungen, an eben diese jeweils gekoppelt ist, und es wurden in dieser Hinsicht Altersgruppen (querschnittlich) verglichen: Die gr¨oßte Bedeutung besaß in allen Altersgruppen die Bewertung des gegenw¨artigen Lebens, dagegen war die Wichtigkeit re-trospektiver Bewertungen bei den j¨ungeren Gruppen relativ gering, jedoch stieg sie ¨uber die Altersgruppen hinweg fast linear an und ¨ubertraf schließlich sogar in der h¨ochstaltrigen Gruppe die Bedeutung der prospektiven Bewertungen, welche genauso, wie die der gegen-wartsbezogenen, ¨uber die Altersgruppen hinweg weder bedeutsam zu- noch abnahm. Damit also existiert zumindest ein empirischer Beleg f¨ur eine mit dem Alter wachsende Relevanz retrospektiver Bewertungen f¨ur die allgemeine Lebenszufriedenheit.5

Explizit wurde die entwicklungspsychologische Bedeutung subjektiver zeitlicher Ori-entierung bzw. Zeitperspektive von der Forschergruppe um Laura Carstensen mit der For-mulierung einer Theorie sozioemotionaler Selektivit¨at thematisiert (Carstensen, 1993; 1998;

Carstensen et al., 1999): Soziales Verhalten wird als zielreguliertes Handeln erkl¨art, wo-bei grunds¨atzlich zwei funktionale Kategorien handlungsmotivierender Ziele angenom-men werden, n¨amlich zum einen informations- bzw. wissensbezogene und zum anderen emotionsbezogene Ziele. Es kann also demnach motiviert sein durch Bestrebungen nach Informationsgewinn und/oder danach, emotionale Zust¨ande durch den Kontakt mit ande-ren m¨oglichst vorteilhaft zu regulieande-ren. F¨ur die jeweilige Gewichtung informations- versus emotionsbezogener Ziele ist nun aber die Zeitwahrnehmung des Individuums von entschei-dender Bedeutung: Die Informationsgewinnung dient prim¨ar der

”preparedness“, d.h. es wird Wissen gesucht, das zur Bew¨altigung zuk¨unftiger, antizipierter Aufgaben bef¨ahigt, w¨ahrend die emotionale Befriedigung, die vermittels sozialer Kontakte gewonnen werden kann, unmittelbar und gegenw¨artig stattfindet. Die beiden Typen sozialer Motivation sind also auch durch den Gegensatz ihrer l¨angerfristigen versus kurzfristigen zeitlichen Perspek-tive gekennzeichnet und eine der Kernaussagen dieser Theorie besteht somit darin, daß die Wichtigkeit informationsbezogener Ziele in dem Maße w¨achst, wie zuk¨unftige Zeit anti-zipiert wird, w¨ahrend die Wahrnehmung eines nahen Endes (nicht notwendigerweise des gesamten Lebens, sondern z.B. auch bestimmter sozialer Beziehungen) zu einer gr¨oßeren Relevanz kurzfristiger emotionaler Ziele f¨uhrt. Die Theorie sozioemotionaler Selektivit¨at

5Die Aussagekraft dieses Belegs ist allerdings zum einen dadurch eingeschr¨ankt, daß es sich wiederum um einen

nur“ querschnittlich untersuchten Alterseffekt handelt, und zum anderen dadurch, daß hier auch die Frage der Generalisierbarkeit der Ergebnisse gestellt werden muß: Es handelt sich um eine israelische Un-tersuchung und der Autor selbst verweist auf m¨oglicherweise gerade in der Grundgesamtheit der israelischen Alten besonders stark wirksame Kohorteneffekte, da es sich bei dieser Generation zu einem sehr großen Teil um europ¨aische Juden handelt, die die versuchte Vernichtung durch die nationalsozialistische Gewaltherr-schaft traumatisch er- und ¨uberlebt haben, sowie auch als Pioniere der israelischen Staatsgr¨undung in ihrem Lebenslauf besonderen historischen Belastungen ausgesetzt waren. Es wurde deshalb weiter vorne auch dar-auf verzichtet, das in dieser Studie gefundene Absinken durchschnittlicher Zufriedenheitswerte mit dem Alter als empirischen Befund gegen das Zufriedenheitsparadox aufzuz¨ahlen.

postuliert darum f¨ur Menschen im h¨oheren Lebensalter einen st¨arkeren Gegenwartsbezug in ihren sozialen Motiven, als f¨ur die (normal gesunden) J¨ungeren, denen mehr zukunftsori-entiertes Handeln unterstellt wird — und es werden daf¨ur auch eindrucksvolle empirische Belege geliefert (¨ubersichtlich dargestellt bei Carstensen et al., 1999). Sie widerspricht da-mit den oben dargelegten ¨Uberlegungen insofern zumindest teilweise, als hier gerade die Alten als diejenigen erscheinen, die

”in der Gegenwart leben“, so daß damit eher vermutet werden k¨onnte, daß auch die Lebenszufriedenheit der ¨Alteren st¨arker durch diesen Ge-genwartsbezug gekennzeichnet ist. Insbesondere wird von den Vertretern der Theorie der Annahme widersprochen, ¨altere Menschen zeichneten sich durch verst¨arkten Vergangen-heitsbezug aus (vgl. Carstensen et al., 1999, 168: Fußnote 1)

Die oben erw¨ahnten empirischen Befunde (Dittmann-Kohli, 1995; Shmotkin, 1991) zeigen allerdings ein dazu kontr¨ares Bild: Von verst¨arktem Gegenwartsbezug ausgerechnet

¨alterer Menschen kann dort nicht die Rede sein. Diese Diskrepanz ist m¨oglicherweise damit zu erkl¨aren, daß in jenen Untersuchungen die zeitliche Orientierung anders konzeptualisiert ist, als in der sozioemotionalen Selektivit¨atstheorie: N¨amlich in ersteren letztlich als bloße Pr¨avalenz von Gedanken an Vergangenes, Gegenw¨artiges oder Zuk¨unftiges gegen¨uber der zeitlichen Ausrichtung sozialer Motive in letzterer. Der Zeitbezug handlungsregulierender Ziele aber ist a priori auf Gegenwart und Zukunft beschr¨ankt und die eigentliche Unter-scheidung, die dem zugrundeliegt und in der sozioemotionalen Selektivit¨atstheorie gemeint ist, ist die zwischen kurz- und langfristig zu realisierenden Zielen – wenn also ¨Altere mo-tivational sehr gegenwartsbezogen sind, so muß das nicht bedeuten, daß sie nicht h¨aufig an Vergangenes denken und dieses bei ihren Bewertungen z.B. der Lebenszufriedenheit ber¨ucksichtigen. Die sozioemotionale Selektivit¨atstheorie enth¨alt darum m.E. keinen echten Widerspruch zu der Annahme, daß retrospektive Bewertungsaspekte im Alter zunehmend wichtiger werden.

Allerdings k¨onnte diese Theorie in anderer Hinsicht zur Erkl¨arung des Zufriedenheits-paradoxes beitragen: Sie postuliert eine im Alter steigende Wichtigkeit emotionsbezogener Ziele sozialen Handelns. Wenn man damit also annimmt, daß ¨altere Menschen in st¨arkerem Maße durch das Streben nach positivem affektivem Erleben motiviert sind, als j¨ungere, so k¨onnte auch gefolgert werden, daß sie ihren gegenw¨artigen Zustand mehr danach bewerten, ob diese Ziele erreicht werden. Dieses w¨urde bedeuten, daß im Alter affektive Inferenzen die Zufriedenheitsurteile st¨arker beeinflussen. Wenn somit Zufriedenheit im Alter

” affek-tiver“ wird, so k¨onnte sie darum auch intraindividuell stabiler werden, wenn, wie vorne bereits dargelegt (vgl. Kapitel 1.1.4.4), eine starke Abh¨angigkeit der affektiven Wohlbe-findenskomponente von stabilen Pers¨onlichkeitsmerkmalen besteht. Es wurde allerdings auch bereits darauf hingewiesen, daß empirische Befunde zu affektivem Wohlbefinden kein ebenso klares Bild

”paradoxer“ Mittelwertsstabilit¨at in Altersgruppenvergleichen zeigen, wie diejenigen zur Lebenszufriedenheit (wobei jedoch auch hier wiederum gilt, daß quer-schnittliche Befunde allenfalls einen Hinweis auf entsprechende Merkmalsstabilit¨at liefern k¨onnten). Es ist also nicht klar, ob bzw. in welchem Ausmaß affektives Wohlbefinden im

Alter ¨uberhaupt intraindividuell stabil ist, so daß auch die Hypothese einer im h¨oheren Al-ter aufgrund

”gr¨oßerer Affektivit¨at“ gesteigerten Stabilit¨at von Zufriedenheiten einstweilen auf unsicherem Grund stehen bleiben muß. Es handelt sich immerhin um eine M¨oglichkeit, die zuk¨unftig vielleicht noch speziell erforscht werden k¨onnte.

Von den noch wenig untersuchten Vermutungen m¨oglicher

”stabilisierender“ Ver¨ande-rungen der zeitlichen Perspektive bzw. Affektbezogenheit von Zufriedenheitsurteilen abge-sehen, k¨onnte mit Blick auf die Adaptivit¨at von Zufriedenheitsurteilen auch gefragt werden, ob ¨altere Menschen nicht sogar

”mehr“ bzw.

”besser“ adaptieren, als j¨ungere: Vielleicht werden mit fortschreitendem Alter Urteile h¨aufiger und schneller relativiert. Auch wenn eine explizite Er¨orterung entsprechender Alterseffekte z.B. bez¨uglich H¨aufigkeit und Ge-schwindigkeit der Adjustierung internaler Soll-Zust¨ande oder der Selektion bewertungsre-levanter Information m.E. in den vorliegenden Ver¨offentlichungen zum Thema nicht statt-fand, so lassen sich doch Argumente finden, die zumindest in diese Richtung weisen. So k¨onnte ganz allgemein vermutet werden, daß gerade f¨ur diejenigen Urteilsheuristiken, die vorne im Zusammenhang mit der Relativit¨at von Zufriedenheitsurteilen besprochen wurden (Kapitel 1.1.4.3), auch ¨Ubungseffekte relevant sein k¨onnen. M¨oglicherweise

”funktioniert“

die Adaptation immer besser, je ¨alter die Person wird und je mehr Ver¨anderung sie erlebt hat, welche Neubewertungen und entsprechende Adaptationen hervorrief. Der Gedanke, daß Adaptation gewissermaßen im Lebenslauf ge¨ubt wird, erscheint v.a. auch dann plau-sibel, wenn man, wie bereits dargestellt, diese Adaptation unter dem Gesichtspunkt der Resilienz als zielgerichtet protektive Funktion betrachtet: Wenn Adaptation in dieser Weise f¨ur das Individuum sinnvoll und wichtig ist, so macht auch die Annahme Sinn, daß diese Funktion best¨andig verbessert und, mit anderen Worten, die adaptive Kompetenz gest¨arkt wird.

Ein Beispiel f¨ur eine derartige Argumentation gibt Staudinger (2000), wenn sie vor-schl¨agt, das Entwicklungsmodell der selektiven Optimierung mit Kompensation (Modell; Baltes & Baltes, 1989, 1990) auf die Genese des SWB anzuwenden. Das SOK-Modell wurde von seinen Autoren als prototypische Beschreibung einer erfolgreichen Al-ternsstrategie entwickelt, es impliziert die Konzentration des alternden Menschen auf le-bensweltliche Bereiche hoher Priorit¨at (Selektion), in denen best¨andig Verbesserung an-gestrebt (Optimierung) wird, wobei dann, wenn bestimmte Wege zur Optimierung nicht mehr offen sind (d.h. Wegfall von Handlungsressourcen), auf andere Mittel zur Zielerrei-chung ausgewichen wird (Kompensation). Bezogen auf Zufriedenheit k¨onnte dieses bedeu-ten, daß das Individuum bestrebt ist, positive Zufriedenheit zu erlangen durch m¨oglichst g¨unstige Selektion zufriedenheitsrelevanter Information, Bem¨uhung um tats¨achliche Opti-mierung in den ausgew¨ahlten Bereichen und Kompensation ung¨unstiger Information z.B.

durch Neuadjustierung von Soll-Zust¨anden. Die dargestellten M¨oglichkeiten relativieren-der Urteilsstrategien und auch die affektive Inferenz w¨aren gem¨aß dieser Sichtweise also sozusagen als Instrumente selektiver Optimierung mit Kompensation von Zufriedenheit im Alter anzusehen und Staudinger (2000) argumentiert, daß es m¨oglicherweise f¨ur das

Gelin-gen dieses SOK-Prozesses (d.h. f¨ur die Herstellung hoher Zufriedenheit) von Vorteil sein k¨onnte,

”auf das mit Weisheit verbundene Wissens- und Urteilssystem der fundamentalen Pragmatik des Lebens zur¨uckgreifen zu k¨onnen“ (ebd., 195). Damit aber ist die M¨oglichkeit einer im Alter verbesserten Kompetenz zur Adaptation von Zufriedenheitsurteilen zumin-dest angedacht. In dieselbe Richtung weist auch das Modell entwicklungsregulativen Han-delns, das Brandtst¨adter (1990, vgl. dort: Abb. 3, S. 341) vorschl¨agt: Die dort aufgezeig-ten”akkomodativen Bew¨altigungsprozesse“ beinhalten im Grunde die adaptive Bewertung der pers¨onlichen Entwicklungssituation, wenn diese urspr¨unglich nicht zufriedenstellend ist und infolge fehlender Handlungs- und Kontrollm¨oglichkeiten prim¨ar auch nicht ver¨andert werden kann. Sind nun ¨altere Menschen h¨aufig von einschneidenden Verlusterlebnissen betroffen, so d¨urfte – zieht man die f¨ur das h¨ohere Alter typische Einschr¨ankung von Hand-lungsressourcen in Betracht (vgl. Brandtst¨adter & Rothermund, 1998) – meist genau dieser Fall das Resultat sein und somit h¨aufiger der akkomodative Modus gew¨ahlt werden. Dieses w¨urde bedeuten, daß im h¨oheren Lebensalter zwangsl¨aufig

”mehr adaptiert“ wird.

Es k¨onnte somit sein, daß ¨altere Menschen aufgrund einer ¨uber die Lebensspanne verbesserten adaptiven Kompetenz und/oder verringerter regulativer Handlungsressourcen beim Eintreten von Ver¨anderungen ihrer objektiven Lebensumst¨ande schlicht mehr Adap-tation in ihren Zufriedenheitsurteilen zeigen, als j¨ungere bzw. als sie selbst noch in ihren j¨ungeren Jahren in diesen F¨allen gezeigt h¨atten. Das Resultat w¨are eine im Alter ausge-pr¨agtere Merkmalsstabilit¨at von Zufriedenheit ¨uber l¨angere Zeitintervalle hinweg, durch welche die Befunde

”paradox“ stabiler Zufriedenheitsmittelwerte erkl¨arbar w¨aren.

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