• Keine Ergebnisse gefunden

I Deutschland 2014 – Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsumfrage

4 Die Entwicklung der gesellschaftlichen und politischen Kultur im wiedervereinigten Deutschland seit 1990

4.4 Partizipation und Involviertheit

Politisches Interesse gilt als eine Grundvoraussetzung für politische Partizipation. Der Grad des politischen Interesses erreicht im gesamten Bundesgebiet, betrachtet man die herangezogenen Umfragen, sehr ähnliche Ausprägungen. Trotz gewisser Schwankungen im Zeitverlauf, die unter anderem auf eine in Bundestagswahljahren in der Regel anstei-gende Aufmerksamkeit für politische Vorgänge zurückgehen, äußert sich die überwie-gende Mehrheit in Ost und West interessiert am politischen Tagesgeschehen. Der stu-dienübergreifende Trend zeigt nur sehr geringe, eher zeitpunktabhängige Differenzen zwischen den beiden Untersuchungsgebieten, welche sich gelegentlich sogar über-schneiden und insgesamt einen nahezu deckungsgleichen Kurvenverlauf abbilden (Abbildung 35). Der Meta-Trend über 20 Jahre offenbart ein eher gleichbleibendes Poli-tikinteresse im Osten und ein steigendes politisches Augenmerk im Westen. Dass

politi--1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus West Allbus Ost Politb. West Politb. Ost Eurob. West Eurob. Ost M-Trend West M-Trend Ost

156

sche Desinteressiertheit zugenommen habe, kann aus den Daten nicht abgelesen wer-den.

„Interesse an Politik“; Mittelwerte auf einer Skala (rekodiert) von -2 (sehr Abbildung 35

schwach) bis +2 (sehr stark)

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des Polit- und Eurobarometers und des ESS. ALLBUS:

Wie stark interessieren Sie sich für Politik (1-5)? Politikbarometer: Wie stark interessieren Sie sich für Politik (1-5)? Eurobarometer: Wie oft diskutieren Sie über Politik (1-3)? ESS: Wie sehr interessieren Sie sich für Politik (1-4)?

Obwohl die Fragestellungen identisch und die Kurvenverläufe ähnlich sind, zeigen sich zwischen den Befunden des Allbus und des Politbarometers nicht unerhebliche Niveau-unterschiede (Abbildung 35). Während der Allbus ein eher indifferentes Einstellungs-muster abbildet, in dem der Durchschnitt um null variiert, äußern sich die Befragten des Politbarometers wesentlich politikaffiner. Eine mögliche Erklärung könnte das stärkere politische Framing des Politbarometers sein, welches sich in der Regel ausschließlich politischen Themen widmet. Auch könnte eine bei politischen Umfragen regelmäßig hö-here Verweigerungsrate dazu geführt haben, dass der Anteil politisch interessierter Per-sonen im Politbarometer leicht überrepräsentiert ist.

Seit den 1970er Jahren werden in der sozialwissenschaftlichen Partizipationsforschung die beiden Formen der konventionellen und der unkonventionellen Beteiligung unter-schieden (Barnes/Kaase 1979, Gabriel/Völkl 2005: 543ff.). Im Kern zielt die Unterschei-dung auf einesteils institutionell verfasste und gesellschaftlich allgemein anerkannte Beteiligungsformen (wie z. B. allgemeine Wahlen) und anderenteils auf nichtinstitutio-nalisierte Formen (wie z. B. ´wilde` Streiks), deren Akzeptanz nicht für Alle selbstver-ständlich ist. Konventionelle Partizipation hält sich an die in der Gesellschaft bestehen-den Rechtsregeln und unstrittigen sozialen Normen, während die Legitimation von un-konventioneller Partizipation teilweise nicht für jedermann außer Frage steht. Soweit

-1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus West Allbus Ost Politikb. West Politikb. Ost

Eurob West Eurob Ost

ESS West ESS Ost

M-Trend West M-Trend Ost

157

hier die Grenzen der Legalität überschritten werden (z.B. bei Sitzstreiks oder im äußers-ten Fall durch Anwendung von Gewalt), bewegt sich diese Form der politischen Aktivität in einer Grauzone, die moralisch mindestens umstritten ist und juristisch in jedem Fall sanktioniert wird. Im Zuge des Wandels gesellschaftlicher Werte können sich die Grenz-linien zwischen beiden Partizipationsformen verschieben.

Die einzelnen Varianten konventioneller politischer Partizipation finden in den letzten sehr unterschiedliche Akzeptanz. Einige, eher niedrigschwellige Aktivitäten, wie die Teilnahme an Boykotts, Petitionen oder Unterschriftensammlungen, erhalten wachsen-den Zuspruch. Andere höherschwellige Aktivitäten, wie die Mitgliedschaft in Parteien oder Gewerkschaften, sind seit längerem deutlich rückläufig.

Mitgliedschaft/Mitarbeit politische Partei (Angaben in Prozent) Abbildung 36

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des ESS, des FWS und der KSPW. ALLBUS: Sind Sie derzeit Mitglied einer politischen Partei? ESS: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei (I)? Haben sie in den letzten 12 Monaten in einer Partei mitgearbeitet (II)? KSPW: Sind Sie derzeit Mitglied einer Organisa-tion oder eines Vereines? Gehen Sie jetzt bitte diese Liste durch und sagen Sie mir, wo Sie Mitglied sind.

(K: Politische Partei) Trafo: Sind Sie persönlich in einer Partei?

In Bezug auf die Mitgliedschaft der Deutschen in politischen Parteien seit 1990 lassen sich keine großen Veränderungen feststellen (Abbildung 36). Diese im Verhältnis zu an-deren Aktivitäten mit „etwas“ oder „viel“ (Dalton 2008: S.35) Aufwand verbundene Form der politischen Partizipation nutzt nur ein geringer Anteil der Bevölkerung (vgl.

auch die jährlich aktualisierten Zahlen der Parteimitgliederschaften von Oskar Nieder-mayer in der Zeitschrift für Parlamentsfragen). In Anbetracht der geringen Vertrauens-quoten für Politiker und Parteien und des erforderlichen höheren persönlichen Aufwan-des an Zeit und Überzeugungsintensität überrascht dies wenig. Im Gesamtbild sind heu-te erheblich mehr Westdeutsche als Ostdeutsche Mitglied einer politischen Parheu-tei. In

0 2,5 5 7,5 10

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus West Allbus Ost

ESS West I ESS Ost I

CID/ESS West II CID/ESS Ost II

KSPW West KSPW Ost

Trafo West Trafo Ost

M-Trend West M-Trend Ost

158

Westdeutschland unterliegt die Mitgliederdichte auch größeren Schwankungen. Gleich-zeitig ist in Ostdeutschland die Zahl derjenigen, die das Mitgliedsbuch einer Partei besit-zen, heute erheblich geringer als noch vor gut 20 Jahren.

Was die Mitgliedschaft in Gewerkschaften betrifft, die als formaler Organisationsnach-weis offen lässt, inwieweit eine aktive Mitarbeit oder ein nur passives Mitgehen erfolgt, war im Osten Deutschlands nach dem Systemumbruch ein extremer Schwund gewerk-schaftlich organisierter Personen zu verzeichnen (Abbildung 37).

Mitgliedschaft Gewerkschaft (Angaben in Prozent) Abbildung 37

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des EB, des ESS, des EVS, des PB und des Trafo. ALL-BUS: Sind Sie derzeit Mitglied einer Gewerkschaft? EB: Are you yourself member of a trade union? ESS:

Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft? EVS: Wenn Sie sich einmal sorgfältig diese Liste mit verschiedenen Organisationen und Gruppen durchlesen und mir bitte sagen, welcher davon Sie angehören? (Gewerk-schaften) PB: Sind Sie selbst Mitglied einer Gewerkschaft? Trafo: Sind Sie persönlich in einer Gewerkschaft (1994 auch Berufsvereinigung)?

Der Anteil sinkt von ca. 55 Prozent im Jahr 1990 auf etwa 7 Prozent 1999. Diese Ent-wicklung erklärt sich nicht etwa daraus, dass es einen massenhaft Protest bekundenden Austritt aus dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) der DDR nach der kor-porativen Übernahme seiner Mitglieder in die freien Branchengewerkschaften gegeben hätte. Ausschlaggebend für den Mitgliederschwund waren vielmehr die Folgen des in-dustriellen Rückbaus und Umbaus, wobei Arbeitskräfte in großer Zahl freigesetzt wur-den, sowie der die erneuerte ostdeutsche Wirtschaftslandschaft kennzeichnende Faktor, dass die Tarif- und Organisationsbindung vergleichsweise gering ist und die Unterneh-mensstruktur durch Klein- und Mittelbetriebe geprägt ist.

0 10 20 30 40 50 60

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus West Allbus Ost

EB West EB Ost

ESS West ESS Ost

EVS West EVS Ost

PB West PB Ost

Trafo West Trafo Ost

M-Trend West M-Trend Ost

159

Außerdem wird erkennbar, dass nach einer Phase der Konvergenz bis ca. 1997, im Laufe derer das Anteilsniveau in Ostdeutschland unter das von Westdeutschland fällt, die Mit-gliederentwicklung in beiden Teilen Deutschlands synchron verläuft. Insgesamt fällt die Bilanz für die Mitgliedschaft in beiden Teilen Deutschland negativ aus. Dieser Trend ist im Osten auf Grund des wesentlich höheren Ausgangsniveaus natürlich wesentlich stär-ker ausgeprägt, dürfte sich aber in den nächsten Jahren weiter anpassen. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Entwicklung der Mitgliederzahlen stabilisiert.

Die bekundete Teilnahme sowie die generelle Bereitschaft, für politische Überzeugun-gen auf die Straße zu gehen, hat sich seit 1990 mit einiÜberzeugun-gen Ausnahmen ebenfalls insge-samt verringert (Abbildung 38). Dabei hat sich die in Ostdeutschland während der Be-schleunigungsphase des Systemwechsels sehr viel höhere Demonstrationsbereitschaft und -erfahrung an westdeutsche Zahlen weitestgehend angeglichen. Trotz zum Teil starker Niveauunterschiede zwischen den Umfragen kann dieser Trend über alle Erhe-bungen hinweg beobachtet werden. Der hohe ostdeutsche Anteil an Menschen mit De-monstrationserfahrung ist sicherlich ein Erbe der Montagsdemonstrationen, an denen sich vor dem Fall der Mauer ein großer Teil der Ostdeutschen beteiligt hatte.

Teilnahme an genehmigter Demonstration (Angaben in Prozent) Abbildung 38

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des ESS, des EVS und der KSPW. ALLBUS I: Wenn Sie politisch in einer Sache, die Ihnen wichtig ist, Einfluss nehmen, Ihren Standpunkt zur Geltung bringen wollten: Welche der Möglichkeiten würden Sie dann nutzen? (Demonstration genannt) ALLBUS II: Sagen Sie mir bitte, ob Sie sich bereits einmal an einer genehmigten Demonstration beteiligt haben. CID/ESS:

Haben sie im Verlauf der letzten 12 Monate an einer genehmigten Demonstration teilgenommen? EVS:

Könnten Sie mir sagen, ob Sie sich schon einmal an einer genehmigten Demonstration beteiligt haben?

Trafo/KSPW: Wenn Sie in einer für Sie wichtigen Sache politischen Einfluss nehmen und Ihren Stand-punkt zur Geltung bringen wollten, würden Sie dann bestimmt, wahrscheinlich, vielleicht, wahrscheinlich nicht oder bestimmt nicht an einer genehmigten Demonstration teilnehmen? bzw. Welche der Folgenden Möglichkeiten würden Sie nutzen? (Nennungen ‚bestimmt’/‚nutzen‘)

Der Anteil Demonstrationserfahrener nimmt im Laufe der Zeit kontinuierlich ab. Unter-schiedliche Fragestellungen einzelner Umfragen sind gewiss ein Grund für die

differie-0

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus I West Allbus I Ost Allbus II West Allbus II Ost CID/ESS West CID/ESS Ost

EVS West EVS Ost

Trafo/KSPW West Trafo/KSPW Ost M-Trend West M-Trend Ost

160

renden Anteilskurven. Der ESS beispielsweise gibt für die Antwort einen genauen Zeit-raum von 12 Monaten vor. Hingegen fragt der EVS lediglich, ob schon einmal demons-triert wurde. Den in Abbildung 38 abgetragenen Daten lässt sich kein geradlinig auf- oder absteigender Trend in Bezug auf die Bereitschaft zur Teilnahme an genehmigten Demonstrationen als Ausdrucksform politischer Partizipation entnehmen. Zudem diffe-rieren teilweise die empirischen Erhebungen. Während der EVS eine über 10 Prozent höhere Demonstrationsbereitschaft in Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland feststellt, ist der Unterschied in den Daten des Allbus und des Trafo minimal. Für die Zeitspanne zwischen 1995 und 1996 entdeckte die KSPW einen starken Anstieg der Be-reitschaft, gegebenenfalls an genehmigten Demonstrationen teilzunehmen. Dieser An-stieg ist möglicherweise auf ein erhöhtes Demonstrationsbewusstsein aufgrund der deutschlandweiten Proteste gegen die Castor-Transporte ab April 1995 zurückzuführen.

Generell folgt die Bereitschaft, durch Teilnahme an einer Demonstration öffentlich Pro-test oder Unterstützung zu bekunden, äußeren Anstößen. Der vom Allbus festgestellte Anstieg der Demonstrationsbereitschaft im Jahre 2002 könnte auf die deutschlandwei-ten Proteste gegen die Politik von George W. Bush und den drohenden Irakkrieg zurück-zuführen sein, die 2003 ihren Höhepunkt erreichten.

Beteiligung an einer Unterschriftensammlung (Angaben in Prozent) Abbildung 39

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des EVS und der KSPW. ALLBUS 1: Sagen Sie mir bit-te, ob Sie sich bereits einmal an einer Unterschriftensammlung beteiligt haben. ALLBUS 2: Wenn Sie poli-tisch in einer Sache, die Ihnen wichtig ist, Einfluss nehmen wollten: Welche der Möglichkeiten auf diesen Karten würden Sie dann nutzen? (Beteiligung an einer Unterschriftensammlung)EVS: Ich lese Ihnen jetzt verschiedene Arten von politischen Aktionen vor, an denen man sich beteiligen kann. Könnten Sie mir sagen, ob Sie sich schon einmal an einer Unterschriftensammlung beteiligt haben? KSPW: Wenn Sie poli-tisch in einer Sache, die Ihnen wichtig ist, Einfluss nehmen, Ihren Standpunkt zur Geltung bringen wollen, welche der folgenden Möglichkeiten würden Sie nutzen (Unterschriften sammeln; „nutzen“)?

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

Allbus 1 West Allbus 1 Ost Allbus 2 West Allbus 2 Ost

EVS West EVS Ost

KSPW West KSPW Ost

M-Trend West M-Trend Ost

161

Andererseits widersprechen die Daten des Trafo dieser Annahme. Allgemein nehmen mit Abstand weniger Menschen an Demonstrationen tatsächlich teil (siehe Befunde des ESS), als sich dafür prinzipiell offen zu erklären. Größeren Schwankungen unterliegt die Bereitschaft zur Beteiligung an Unterschriftensammlungen. Der letzte gemessene Wert für das Jahr 2012 stimmt für Ost und West nahezu exakt überein (Abbildung 39).

Insgesamt hat diese Form zivilen Engagements seit 1990 zugenommen, sie ist jedoch nach der Jahrtausendwende in Ost wie West wieder weniger nachgefragt. Eine Mehrheit der Deutschen würde sich gegebenenfalls an einer Unterschriftensammlung beteiligen, um den eigenen Standpunkt zur Geltung zu bringen – dies geht aus den drei herangezo-genen Studien übereinstimmend hervor (Abbildung 39). Im Übrigen lässt sich bei dieser Frage kein Trend über den Beobachtungszeitraum feststellen, da die Studien teilweise zu abweichenden Ergebnissen kommen.

Mitarbeit in einer Bürgerinitiative (Angaben in Prozent) Abbildung 40

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des EVS, der KSPW und des Trafo. ALLBUS 1: Wenn Sie politisch in einer Sache, die Ihnen wichtig ist, Einfluss nehmen, Ihren Standpunkt zur Geltung bringen wollten: Welche der Möglichkeiten auf diesen Karten würden Sie dann nutzen, was davon käme für Sie in Frage? (Mitarbeit in einer Bürgerinitiative) ALLBUS 2: Sagen Sie mir bitte, ob Sie sich bereits einmal an einer Bürgerinitiative beteiligt haben? (1998 mitgearbeitet in einer B.) KSPW: Wenn Sie politisch in einer Sache, die Ihnen wichtig ist, Einfluss nehmen, Ihren Standpunkt zur Geltung bringen wollen, welche der folgenden Möglichkeiten würden Sie dann nutzen? (In einer Bürgerinitiative mitarbeiten) Trafo: Wenn Sie in einer für Sie wichtigen Sache politischen Einfluss nehmen und Ihren Standpunkt zur Geltung bringen wollten, würden Sie dann bestimmt, wahrscheinlich, vielleicht, wahrscheinlich nicht oder bestimmt nicht in einer Bürgerinitiative mitarbeiten? (‚bestimmt’)

Die Ergebnisse des Allbus lassen die Schlussfolgerung zu, dass nach der Wende zunächst etwas mehr Ostdeutsche bereit waren, sich in einer Bürgerinitiative zu beteiligen, als Westdeutsche (Abbildung 40). Der unmittelbare Eindruck eines friedlichen politischen Umschwungs, an dem zahlreiche oppositionelle Bürgergruppen mitwirkten, hat sicher-lich zu der hohen Wertschätzung dieser Beteiligungsform in Ostdeutschland, aber abge-schwächt auch in Westdeutschland, wo Bürgerinitiativen im Umfeld der Neuen Sozialen

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008

Allbus 1 West Allbus 1 Ost Allbus 2 West Allbus 2 Ost

KSPW West KSPW Ost

Trafo West Trafo Ost

M-Trend West M-Trend Ost

162

Bewegungen bereits Teil des politischen Alltags waren, geführt. Der geografische Unter-schied hat sich jedoch schnell nicht nur eingeebnet, sondern umgedreht. Bereits 1994 stellt der Trafo eine deutlich niedrigere Bereitschaft, in Bürgerinitiativen mitzuarbeiten, für Ostdeutschland fest, während die westdeutsche Zahl zunächst konstant bleibt.

Teilnahme Boykott (Angaben in Prozent) Abbildung 41

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des ESS und des EVS. ALLBUS : Sagen Sie mir bitte, ob Sie sich bereits einmal an einem Boykott beteiligt haben? ESS: Haben sie im Verlauf der letzten 12 Monate bestimmte Produkte boykottiert? EVS: Könnten Sie mir sagen, ob Sie sich schon einmal an einem Boykott beteiligt haben?

Seit 1990 lässt sich ein wachsender Trend der Nutzung des Boykotts und des Sympathi-sierens mit diesem Mittel des Protests feststellen (Abbildung 41). Aus allen hier heran-gezogenen Umfragen geht eine Steigerung von mindestens fünf Prozent hervor. Dies gilt sowohl für Ost- als auch für Westdeutschland. Über den gesamten Beobachtungszeit-raum hinweg liegt die Boykottbejahung im Westen um durchschnittlich 10 Prozent-punkte höher. Dieser deutliche Unterschied erklärt sich möglicherweise durch ein stär-ker „saturiertes“ Konsum- und Kapitalmarktbewusstsein in Westdeutschland.

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE