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I Deutschland 2014 – Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsumfrage

4 Die Entwicklung der gesellschaftlichen und politischen Kultur im wiedervereinigten Deutschland seit 1990

4.3 Ökonomische Lebensbedingungen

Trotz weiter schwelender Finanzkrise des europäischen Raumes erreicht die subjektive Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch die Bundesbürger aktuell neue Rekord-höhen. Der ARD-DeutschlandTREND vom Januar 2014 verzeichnete bei dieser Frage sogar ein Jahrhunderthoch. Fast 80 % bezeichneten die wirtschaftliche Lage in Deutsch-land als gut oder sehr gut. Damit lag der Anteil erstmals höher als bei der Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage (74 %).

Die ökonomischen Rahmenbedingungen erklären das positive Stimmungsbild: Stetig zurückgehende Arbeitslosenzahlen, steigende Steuereinnahmen der Gebietskörper-schaften, reale Lohnzuwächse, gute Konjunkturdaten und eine Zunahme der Zahl

sozial--2 -1 0 1 2

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus West Allbus Ost

Trafo/KSPW/KAS West Trafo/KSPW/KAS Ost

ESS West ESS Ost

M-Trend West M-Trend Ost

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versicherungspflichtiger Beschäftigter sorgen für eine zuversichtliche Grundstimmung.

Diese ist zur Zeit so ausgeprägt, dass Problemthemen wie etwa eine gestiegene Armuts-quote, der demografische Wandel oder die soziale Segregation in Städten in den Hinter-grund rücken.

Der insgesamt ausnehmend optimistische Trend spiegelt sich auch in den von uns her-angezogenen Studien wieder. Die Beurteilung der aktuellen Wirtschaftslage Deutsch-lands unterlag starken zyklischen Schwankungen (Abbildung 31), ist jedoch im Jahr-zehnt seit 2002 kontinuierlich besser geworden. Dabei entwickelte sich die Stimmung in Ost und West gleichförmig, wobei der für Ostdeutschland gemessene Mittelwert leicht unter dem für Westdeutschland liegt.

Aktuelle Wirtschaftslage in Deutschland; Mittelwerte auf einer Skala (rekodiert) Abbildung 31

von -2 (Min.) bis +2 (Max.)

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des Politbarometers sowie des ESS. ALLBUS: Wie beurteilen Sie ganz allgemein die wirtschaftliche Lage in Deutschland? Sehr gut, gut, teils gut/ teils schlecht, schlecht oder sehr schlecht? ESS: Und wie zufrieden sind Sie - alles in allem - mit der gegenwärti-gen Wirtschaftslage in Deutschland? Skala von 0 „äußerst unzufrieden“ bis 10 „äußerst zufrieden“. Polit-barometer: Wie beurteilen Sie ganz allgemein die heutige wirtschaftliche Lage in Deutschland? Ist sie gut, teils gut teils schlecht oder schlecht?

Eine konvergente Entwicklung der Einstellungen in Ost und West ist bei langfristiger Betrachtung auch bei diesem Indikator nicht feststellbar, hier allerdings deshalb, weil in der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands in den untersuchten Teilgebie-ten seit 1991 gesamtdeutsch kaum Differenzen bestehen. Die starken Schwankungen, die innerhalb der ökonomischen Stimmung im Land im gleichen Zeitraum beobachtbar sind, zeigen sich seit 1991 sowohl in Ost- wie in Westdeutschland. Sie liegen im gesam-ten Beobachtungszeitraum für beide Landesteile auf einem ähnlichen Niveau. Kleinere Niveauunterschiede scheinen sich über die Zeit auszugleichen.

-2 -1 0 1 2

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus West Allbus Ost

Politb. West Politb. Ost

ESS West Ess Ost

M-Trend West M-Trend Ost

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Die Schwankungen korrelieren tendenziell mit dem Verlauf des Wirtschaftswachstums in Deutschland, das Tiefpunkte in den Jahren 1993 und 2003 hatte. Ebenso bildet sich im Kurvenverlauf der Daten die „Delle“ ab, die in Reaktion auf die 2008 heraufziehende Fi-nanzkrise entstand. Die bis 1991 sehr positiven Einschätzungen können mit der Eupho-rie der Wende und dem damit verbunden Gefühl des Aufschwungs erklärt werden. Das viele dieser Erwartungen alsbald enttäuscht wurden, zeigt der anschließende, allerdings nicht nur in Ostdeutschland eingetretene Abfall der positiven Stimmung weit in den ne-gativen Bereich (vgl. Kap. 3.1.2).

Wie seitens der Bevölkerung die wirtschaftliche Lage beurteilt wird, ist für die politische Einstellungsforschung von besonderer Bedeutung, da diese Messgröße auch ein wichti-ger erklärender Faktor für die Zufriedenheit mit der Funktionsweise der Demokratie, das Institutionenvertrauen, die Einschätzung der Responsivität des politischen Systems und andere politische Einstellungen ist und diese Größen direkt oder indirekt beein-flusst (u.a. Holtmann/Jaeck/Völkl 2009, 2012).

Zukünftige wirtschaftliche Lage in Deutschland; Mittelwerte auf einer Skala (reko-Abbildung 32

diert) von -2(negativ) bis +2 (positiv)

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des Euro- und des Politbarometers. ALLBUS „Was glauben Sie, wie wird die wirtschaftliche Lage in Deutschland in einem Jahr sein?“ Wesentlich besser als heute, etwas besser, gleichbleibend, etwas schlechter oder wesentlich schlechter? Eurobarometer: Welche Erwartungen haben Sie an die nächsten 12 Monate? Werden die nächsten 12 Monate besser, schlechter oder gleich sein in Bezug auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland? Politbarometer: Und wie wird es in einem Jahr sein? Erwarten Sie, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland im Allgemeinen dann besser, gleichbleibend oder schlechter sein wird?

Deutlicher als bei der Bewertung der allgemeinen aktuellen Wirtschaftslage zeigt sich eine konvergierende Entwicklung bei der Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Landes (Abbildung 32).

-2 -1 0 1 2

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus West Allbus Ost

Politb. West Politb. Ost

Eurob. West Eurob. Ost

M-Trend West M-Trend Ost

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Waren zunächst zwischen Ost- und Westdeutschland deutliche Niveauunterschiede er-kennbar, hat sich die Schere im Verlauf der letzten 25 Jahre weitestgehend geschlossen.

Seit Mitte der 1990er Jahre verlaufen die Zeitreihen für beide Gebiete fast kongruent.

Diese Entwicklung lässt sich auch an den berechneten Metatrends ablesen, die sich 2012 auf einem Punkt treffen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsniveaus („peak of op-timism“ im Osten nach dem Systemwechsel gegenüber einer seinerzeit eher nüchternen Betrachtungsweise im Westen), ergibt sich bezogen auf das Startjahr der Einigung für den Westen ein leicht steigendes und für den Osten ein leicht abfallendes Niveau (Abbildung 32).

Der starke Einbruch der optimistischen Einschätzung der zukünftigen ökonomischen Entwicklung zu Beginn der 1990er Jahre in Ostdeutschland begründet sich mit letztlich häufig überhöhten Erwartungen in Bezug auf die Währungsunion und die wirtschaftli-che Privatisierung. Als das wahre Ausmaß der ökonomiswirtschaftli-chen und gesellschaftliwirtschaftli-chen Umbruchskrise in Ostdeutschland offenkundig wurde, ist schnell Ernüchterung und Ent-täuschung eingekehrt (vgl. Kap. 3.1.2). Auch die Daten des Politbarometer stützen diese Beobachtungen, verzeichnen jedoch generell größere Schwankungen. Das könnte an der gegenüber dem Allbus geringeren Anzahl von Antwortmöglichkeiten liegen (vgl. auch die hier mit abgebildete Zeitreihe des Eurobarometer mit ähnlichen Antwortkatego-rien).

Die positive Einschätzung der künftigen ökonomischen Entwicklung des Landes fällt im Vergleich zur Bewertung der aktuellen ökonomischen Bedingungen in Deutschland nach 2002 in der Spitze allerdings verhaltener aus. Auch bei der prognostischen Aussage hat die weltweite Finanzkrise von 2008 eine vorübergehende Eintrübung zur Folge gehabt (siehe auch Abbildung 31).

Ergänzend wird im Folgenden untersucht, ob sich diese Ergebnisse auch dann feststel-len lassen, wenn sich die Betrachtung der persönlichen wirtschaftlichen Situation ähnlich darstellt. Es entspricht einer demoskopischen Erfahrungsregel, dass die Einschätzung der privaten wirtschaftlichen Lebensumstände vorteilhafter ausfällt als die Bewertung der generellen wirtschaftlichen Situation. Bei Betrachtung der Daten wird zunächst er-kennbar, dass eine Mehrheit der Deutschen, gleich ob Ost oder West, die eigene wirt-schaftliche Lage seit 1990 durchwegs positiv beurteilt. Zu keinem Zeitpunkt schwenkt die Bewertung in den negativen Bereich über (Abbildung 33).

Gab es 1991 noch deutliche Unterschiede zwischen Ost und West und bis 1999 zum Teil noch gegenläufige Entwicklungen - Westdeutsche beurteilten ihre Situation zunehmend schlechter, während die persönliche Situation in den ostdeutschen Ländern, ausgehend von einem niedrigen Niveau, immer positiver beurteilt wurde – , haben sich bis heute die Trendverläufe in der Betrachtung der persönlichen ökonomischen Lage einander angenähert, ohne allerdings gänzlich zu verschmelzen. Ostdeutsche wie Westdeutsche beurteilen ihre wirtschaftliche Lage ähnlich gut, wobei der Anteil für Ostdeutschland seit 2000 konstant leicht unter dem für Westdeutschland liegt. Langfristig zeigt sich für den

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Osten eine eher gleichbleibende Entwicklung, während die Einschätzung der persönli-chen Wirtschaftssituation im Westen zunehmend skeptischer ausfällt. Das könnte auf eine Konvergenz auch dieser Einstellungsmuster hindeuten.

„Persönliche Wirtschaftslage“; Mittelwerte auf einer Skala (rekodiert) von -2 (Min.) Abbildung 33

bis +2 (Max.)

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS und des Eurobarometers. ALLBUS: Und Ihre eigene wirtschaftliche Lage? Politbarometer (1991-2011): Wie beurteilen Sie heute Ihre eigene wirtschaftliche Lage? Ist sie gut, teils gut/ teils schlecht oder schlecht?

Dieser stetig fortschreitende Prozess einer Vereinheitlichung der Urteile in Ost- und Westdeutschland über die eigene ökonomische Situation zeigt sich auch bei der per-spektivischen Betrachtung der zukünftigen Entwicklung (Abbildung 34). Hier lagen die Vorhersagen der Bevölkerung zur Zeit des politischen Umbruchs 1990 nicht nur weit auseinander, sondern sie streuten auch über den positiven und negativen Messbereich.

Auch hier zeigt die Wellenbewegung für Ost und West die gleichen zyklischen Aufs und Abs. Im Jahr 2012 sind Differenzen kaum noch messbar.

Wie schon bei den Erwartungen an die wirtschaftliche Lage generell, zeigen sich die Ostdeutschen in den Jahren des Systemumbruchs zunächst optimistischer, was ihre ei-gene künftige wirtschaftliche Situation angeht. Auch hier liegen die Erwartungen inner-halb der nächstfolgenden Jahre eng beieinander, wobei der Wert für den Westen erst seit 1999 wieder über dem ostdeutschen Niveau liegt.

-2 -1 0 1 2

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Allbus West Allbus Ost Politb. West

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„Erwartungen persönliche Wirtschaftslage “; Mittelwerte auf einer Skala (reko-Abbildung 34

diert) von -2(negativ) bis +2 (positiv)

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des ALLBUS, des Polit- und des Eurobarometers. Allbus: Was glau-ben Sie, wie wird Ihre wirtschaftliche Lage in einem Jahr sein? Wesentlich besser als heute, etwas besser, gleichbleibend, etwas schlechter oder wesentlich schlechter? Politbarometer: Was glauben Sie, wie wird Ihre eigene wirtschaftliche Lage in einem Jahr sein? Erwarten Sie, dass Ihre wirtschaftliche Lage dann besser, gleichbleibend oder schlechter sein wird? Eurobarometer: Welche Erwartungen haben Sie an die nächsten 12 Monate? Werden die nächsten 12 Monate besser, schlechter oder gleich sein in Bezug auf die finanzielle Situation Ihres Haushaltes?

Der Tiefpunkt im Verlauf liegt in den Jahren 2003/2004, in denen auch das Wirtschafts-wachstum in Deutschland einen Tiefpunkt erreichte. Demgegenüber kann für 1993, dem ersten Rezessionsjahr nach der Wende, dieser Zusammenhang nicht so deutlich festge-stellt werden. Nach dem Einbruch von 2003 erfolgte in beiden Teilen Deutschlands in den letzten 10 Jahren, analog zur Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage, an-schließend ein leichtes Ansteigen der persönlichen ökonomischen Zuversicht.

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