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Der ontologische Beweis

2 Das Problem der Phänomenalität und des Seins

5 Der ontologische Beweis

Das transphänomenale Sein auf der Seite des durch das Bewusstsein phänomenalisierten Etwas ist noch nicht aus der Wesensart des intentio­

nalen Bewusstseins selber, so wie Sartre sie versteht, „bewiesen“ worden.

Es ist die Transphänomenalität des Seins des Bewusstseins selber, die nichts anderes übrig lässt, als die Transphänomenalität des Seins des Phänomens anzusetzen. Sartre spricht von einem „ontologischen Be weis“, den er zu diesem Zwecke führen will.

Er geht von der schon häufiger angeführten Formel für das intentionale Bewusstsein aus und behauptet, sie könne in zweifachem Sinne aufgefasst werden: 1. Bewusstsein ist konstitutiv für das Sein seines Objektes. 2. Be­

wusstsein ist nicht­konstitutiv für das Sein seines Objektes. Es ist Bezug zu einem transphänomenalen, transzendenten Sein. Aber Bezug ist es immer­

hin. Wir wissen bisher noch nicht genau, was das besagen soll. Die erste Auffassung soll sich selber aufheben. Intentionales Bewusstsein steht einem Etwas gegenüber, das nicht Bewusstsein ist. Vorgreifend schärfer formu­

liert: Dem Sein des Bewusstseins steht (ein) Sein qua Nicht­Sein des Be­

wusstseins gegenüber; als ein Nicht­Sein, das das Sein des Bewusstseins negiert. Diese merkwürdige Negation sollte noch nicht unmittelbar mit irgendeinem positiv bestimmten Etwas (z. B. Dinghaftem) in Verbindung gebracht werden.

Sartre diskutiert das Gemeinte mittels der Begriffe Anwesenheit und Abwesenheit. Zum Sein gelangt man nur über die Ansetzung von Ab­

wesenheit für das Bewusstsein. Von den phänomenal anwesenden „Ein­

drücken“ (ihren Gliedern und Reihen) her, wie sie sich als Fülle dem Bewusstsein präsentieren, lässt sich nicht zur gleichzeitigen Präsenz von ihnen allen gelangen, wie wir schon gehört haben. Ihre Grundlage, die ihnen ihren Bezug auf Sein sichern würde, bleibt immer absent, kommt nie zu einer geschauten Selbstgegebenheit. Und da jedes erscheinende Glied (existierend) seiend ist, sind sie alle als dem Sein nach absent zu indizieren – als durch das Bewusstsein und für das Bewusstsein nicht­

seiend. „So ist das Sein des Objekts ein reines Nicht­sein. Es definiert sich als ein Mangel. Es ist das, was sich entzieht, was prinzipiell nie gegeben sein wird, was sich in sukzessiven, flüchtigen Profilen darbietet“ (SN 34–5;

EN 28). Was besagt Mangel? Gibt es einen Seinsmangel? Es kann „einem Seienden“ etwas mangeln. Das, was mangelt „ist“ etwas, und dasjenige, dem mangelt, „ist“ auch etwas. In dieser Weise benutzt Sartre den Aus­

druck Mangel nicht. Er spricht vielmehr von einem als Nicht­Sein quali­

fizierten Mangel an Sein, der dem Sein des Phänomens nicht eignet, der

sich vielmehr dem Bewusstsein als sein eigenes Nicht-Sein aufdrängt. So-fern dieses an ein Sein qua Nicht-sein-seiner-selbst gekettet ist, ist es, wie später deutlich wird, diesem sein Sein negierenden Sein so verfallen, als ermangelte es seiner. Im Hintergrund dieser ontologischen Redeweise Sartres steht der später auftretende Gedanke, dass es ein Seinsmangel ist, welcher das Bewusstseinswesen Mensch dazu nötigt, für sein eigenes Sein in Freiheit und Verantwortung aufzukommen. Dass dieses Wesen sein Sein zu sein hat, rückt es in die Nähe der Daseinsanalyse, die sich in Heideggers Sein und Zeit findet. Mit dieser ist jedoch der Gedanke völlig unverträglich, dass die Tätigung des eigenen Seins durch ein ihr ent-gegengesetztes Nicht-Sein ihrer von seiten eines „welthaften Etwas“ er-nötigt sein soll.

Sartre formuliert einige Male „genetisch-ontologisch“ in aller Schärfe sein Verständnis der Seins-Nicht-Seinsverhältnisse der Intentionalität: „Das Bewusstsein ist Bewusstsein von etwas: das bedeutet, dass die Transzendenz konstitutive Struktur des Bewusstseins ist; das heisst, das Bewusstsein ent-steht als auf ein Sein gerichtet, das nicht es selbst ist“ (SN 35; EN 28). Kurz darauf heisst es, dass sich Bewusstsein qua „Bewusstsein-von“ als Enthüllung eines Seins hervorbringen muss, das es nicht selbst ist. (Vgl. SN 36; EN 29).

Dieses „Nicht-Bewusstsein-sein-Sein“ soll sich darbieten, wenn das Bewusst-sein das Sein des Phänomens (als es selber implizierend) intuiert, ohne dass zwischen ihm und jenem Sein irgendein Bezug der Begründung, der Ab-hängigkeit, des Einflusses bestehen soll. All derartiges ist von dem, was Sartre mit der ontologischen Genesis meint, fernzuhalten. Was bleibt, um einen Bezug zwischen beidem zustande zu bringen?

Man beachte den folgenden Punkt, der zu Missverständnissen führen kann. Die das Sein des Bewusstseins betreffende Genesis erweckt den An-schein, als sei das Sein des Phänomens (als ein Objektives) gegenüber dem Sein des Bewusstseins (als einem Subjektiven) vorgängig, „dass sich als bereits existierend darbietet, wenn es es offenbart“ (SN 36; EN 29). Muss das nicht der Fall sein, wenn das Bewusstsein sich seinem Sein nach im

„Rückstoss“ von einem Sein hervorbringt, das sein eigenes Nicht-Sein besagt? Eine endgültige ausführliche Antwort auf diese Frage steht noch aus. Aber der Begriff der Vorgängigkeit des Einen vor dem Anderen wird sich im Endeffekt als deplaziert erweisen, weil er auf diejenige „Seinsein-heit“, welche die Seins-Nicht-Seins-Verhältnisse der Intentionalität bil-den, nicht passt.

Vertiefen wir uns weiter in die fragwürdige Zentralthese der Sartreschen Ontologie, deren befriedigende Formulierung nicht nur Sartre Schwie-rigkeiten bereitet.

35 2 Genesis des Seins des intentionalen Bewusstseins

Das Sein des Bewusstseins muss sich qualifizieren, da es sonst nichts ist (vgl. SN 34–5; EN 28). Sich zu qualifizieren ist Seinsbestimmtheit des Bewusstseins nur, sofern es enthüllende Intuition des Seins ist, dessen

„Sinn“ ihm als sein eigenes Nicht-Sein einleuchtet. Zu ihm transzendiert Bewusstsein. Es ist sein Transzendentes. Kann ihm das so erschlossene Transzendente das sein eigenes Sein mit-bestimmende Nicht-Sein „im-plantieren“? Ist dieses dann nicht von einem Sein des Bewusstseins über-griffen?

In einem normalen Sinn des Wortes setzt „sich zu qualifizieren“ zu sein voraus. Aber in unserem Kontext kann es sich nicht darum handeln, dass das Sein sich sozusagen eigenschaftlich qualifiziert. Vom Sein sind selbst-verständlich eigenschaftliche Bestimmungen fernzuhalten. Bei der hier zur Debatte stehenden Qualifikation muss es sich um etwas dem Sein des Bewusstseins Innewohnendes handeln, das durch ein Nicht-Sein des Seins des Bewusstseins inzitiert wird – unter der Voraussetzung, dass Bewusst-sein zu dem transzendiert, was sich ihm als Bewusst-sein Sein mit-bestimmendes Nicht-Sein offenbart.

Ein solches Verhältnis könnte sich nicht einstellen, wenn das Sein des Phä-nomens sich dem Bewusstsein als existierend Seiendes darböte und sich er-kennend aufschliessen liesse, ohne das Bewusstsein ins Nicht-Sein zu stürzen.

Dem Sein des Phänomens kommt es nicht zu, zu qualifizieren und zu enthüllen. Rückt es nicht nur durch diese bewusstseinsontologischen

„Tätigkeiten“ als Seins-Nicht-Seins-Moment in das Sein des Bewusst-seins ein? Sollte es etwa, abgesehen davon, dass dies geschieht, ein Sein qua An-sich-sein aufweisen?

Am Ende vom fünften Abschnitt akzentuiert Sartre den Begriff der Im-plikation um die Zusammengehörigkeit des Seins des Bewusstseins und des Seins des Phänomens zu charakterisieren. Der Begriff der Implikation wird dabei in einem logisch nicht diskutablen Sinn benutzt. Eine Implika-tion des Einen im Anderen soll vorliegen, obwohl das Eine dadurch be-stimmt ist, das Andere nicht zu sein. Eines ist, indem es das Andere als dasjenige, was es nicht ist, von sich ausschliesst. Sein Sein ist also im Her-zen seiner selbst ein Nicht-Sein. Dieses Nicht-Sein aber ist das Sein des-sen, woraufhin das Bewusstsein transzendiert; so transzendiert, dass es im Transzensus sein Sein hat. Die Implikation betrifft von der Seite des Be-wusstseins aus das Sein des Phänomens, das sich als nicht konstituierbar offenbart, das aber gleichwohl das Sein des Bewusstseins (mit-)bedingt. Es der Erkenntnis zugänglich zu machen und es dadurch dem Bewusstsein gemäss zu machen, besagte, es zu verfehlen und damit zugleich den Seins-charakter des Bewusstseins zu verfehlen.

Sartre glaubt, zur Bestätigung dessen, was er Bewusstsein nennt, auf Heideggers Bestimmung des Daseins zurückgreifen zu können. Dem-nach wäre das Dasein ein Sein, dem es in seinem Sein um sein Sein geht.

(Es ist an dieser Stelle des Werks noch nicht einsichtig, mit welchem Recht das intentionale Bewusstsein so gekennzeichnet wird.) Sartre ver-vollständigt Heideggers Definition für seine Zwecke folgendermassen:

„Das Bewusstsein ist ein Sein, dem es in seinem Sein um sein Sein geht, insofern dieses Sein ein Anderes-sein als es selbst impliziert“ (SN 37;

EN 29). Diese Formulierung ist sowohl für Heidegger wie für Sartre un-glücklich. Das Wort „anderes“ drückt das Gemeinte nicht präzise aus. Es handelt sich vielmehr um die das Sein des Bewusstseins betreffende Nichtung durch ein Sein, das aufgrund dieser Nichtung „Seinsmoment“

des Bewusstseins ist, mit ihm ontologisch synthetisch geeint ist. Das Wort

„anderes“ in diesem Kontext zu benutzen legt sich für Sartre nahe, weil er von verschiedenen Arten des Seins zu sprechen pflegt. Das verführt dazu, dem einen und dem anderen Sein „das Sein“ überzuordnen. Aber eine solche Denkweise passt nicht zur Konzeption der Sein und Nicht-Sein implizierenden Einheit des intentionalen Bewusstseins, dessen „Anderes seiner“ sein eigenes Seinsmoment ist.