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2 Forschungsstand

2.3 Professionsgeschichte: Das Selbstverständnis von Architekten als Profession

2.3.3 Neoliberale Kritik an den Professionsprivilegien

handele, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Dagegen sehe man im Professional einen Altruisten, der sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühle.152

Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs blieben diese Ansichten populär, worauf eine Neuauflage von Parsons Text sowie eine Erstveröffentlichung von Durkheims Vorlesung zur Professionsehtik aus den 1890er Jahren hinweisen.153 Gerade im politischen Klima der Nachkriegszeit wurde der Wert von Professionen endgültig auch vom Staat anerkannt und wertgeschätzt. Der britische Wohlfahrtsstaat war laut Savage Kulminationspunkt professioneller Dominanz.154 Die Professionen stellten nun jene Akteure bereit, die der Staat als Experten benötigte. Die britischen Professionssoziologen Lewis und Maude sahen ein „Age of the Expert“155 gekommen, in der Professionen sich als dominante Form der Berufsausübung erfolgreich durchgesetzt hätten. Man befinde sich nun also in einer Gesellschaft „,run by specialists and experts“.156 In den Vereinigten Staaten wurde eine vergleichbare Sichtweise weiterhin einflussreich von Parsons vertreten.157

wohlwollende „Parsonion conception“159 wurde von Professionssoziologen überprüft, was eine „revisionistische Welle“160 auslöste. Insbesondere wurde der stets wiederholte Verweis auf die Gemeinwohlorientierung zunehmend angezweifelt und als leere Rhetorik diffamiert.

Professionen wurden nun vielmehr als Teil eines rigiden Klassensystems wahrgenommen, das sozialen Aufstieg erschwere. Den Sonderstatus der Professionen, der sich von ihrer vermittelnden Stellung zwischen politischer Macht und Bürger abgeleitet hatte, sowie durch ihre Wissenskultur und Berufsehre legitimiert worden war, wurde folglich in einem gänzlich neuen Licht gesehen. Aus der Perspektive des Neoliberalismus wurden Privilegien der Professionen als Markthindernis verstanden. An der gesellschaftlichen Position interessierte jetzt vielmehr ihre Machtstellung161 und ihre Tendenz zur Monopolbildung.162 Die ethischen Grundsätze der Professionen wurden in dieser Zeit

„questioned as never before in history“,163 gesprochen wurde gar von einer „Tyranny of the Expert“,164 dessen „moral foundations of professional ethics“165 fragwürdig seien.

Der Status der Professionen wurde nun als institutionalisierte Macht begriffen, die Resultat ebenso institutionalisierter Verbindungen zur Staats- und Wirtschaftsmacht sei.

Damit wurde von Kritikern die korporatistischen Eigenschaften der Professionen hervorgekehrt. Die wissenschaftlich-akademische Basis, mit der die eigene Sonderstellung bislang begründet worden war, trat in den Hintergrund.166 In Zweifel gezogen wurden gerade auch die selbstdefinierten Wissensbereiche der einzelnen Professionen, die nun gesehen wurden als „exclusive occupational groups applying somewhat abstract knowledge“.167 Das Allgemeinwohl als Bezugspunkt und Legitimation war derart problematisch geworden, dass es ab den 1980er Jahren aus den Selbstbeschreibungen der

159 Geison, Gerald L.: Introduction, in: Ders. (Hg.): Professions and Professional Ideologies in America, Chapel Hill 1983, S. 3–11, S. 5.

160 Collins, Randall: Changing Conceptions in the Sociology of the Professions, in: Thorstendahl, Rolf /Burrage, Michael (Hgg.): The Formation of the Professions. Knowledge, State and Strategy, London 1990, S. 11–23, S. 13.

161 Johnson, Terence J.: Professions and Power, London 1972.

162 Larson, Magali S.: The Rise of Professionalism. Monopolies of Competence and Sheltered Markets, New Brunswick 1977.

163 Bayles, Michael D.: Professional Ethics, Belmont 1981, S. ix.

164 Lieberman, Jethro K.: The Tyranny of the Experts;. How Professionals are Closing the Open Society, New York 1970.

165 Goldman, Alan H.: The Moral Foundations of Professional Ethics, Totowa 1980.

166 Lo, Ming-Cheng M.: The Professions: Prodigal Daughters of Modernity, in: Adams,Julia /Clemens, Elisabeth S. /Orloff, Ann S. (Hgg.): Remaking Modernity. Politics, History, and Sociology, Durham 2005, S. 381–406, S. 381f.

167 Abbott, Andrew D.: The System of Professions. An Essay on the Division of Expert Labor, Chicago 1988, S. 8.

Professionen nahezu vollständig verschwunden war.168 Sozialer Auftrag und hohe ethische Standards der Professionen waren als Mythen diffamiert.169

Diese Kritik richtete sich auch gegen Architekten. Ihre selbst bekundete Gemeinwohlverpflichtung war bis dahin aus der Tatsache abgeleitet worden, dass die Öffentliche Hand als wichtigster Bauherr der vergangenen Jahrzehnte fungiert hatte. Nicht zuletzt der Watergate-Skandal und die sich daran anschließende Kritik am Establishment hatte aber gerade diese Verbindung zweifelhaft erscheinen lassen. Einige der in den Skandal verwickelte Personen waren, wie auch Nixon selbst, Anwälte – eine Profession mit hoher identifikatorischer Funktion für alle Professionen, die sich im späten 19.

Jahrhundert neu etabliert hatten. Fraglich erschien nun, ob sich die Interessen von Architekten mit denen der Allgemeinheit überhaupt deckten. Auch das American Insitute of Architects hatte mit einzelnen Skandalen zu kämpfen, die ein negatives Bild der eigenen Profession zeichnete:

„During 1973, a few highly publicized incidents of design firm involvement in political corruption cast an unflattering light on the professional ethics of architects and engineers.“170

Die propagierte „Anwaltsfunktion des Architekten“171 in Vertretung des Bürgers als Bauherr wurde nun unglaubwürdig und als leere Floskel gewertet. Kritiker erinnerten sich stattdessen wieder daran, dass der Gentlemen-Architect traditionell dem Adel verpflichtet gewesen war und somit immer schon die politische und ökonomische Macht repräsentiert habe, was ihn auch nun wieder als Komplizen des Establishments erscheinen ließ.172 Im Zeichen von Neoliberalismus und Deregulierung wurde Architekten und anderen Professionen unterstellt, mit ihren Berufskodizes Monopolbildungen zu fördern und Selbstregulierungsmechanismen des freien Marktes zu behindern. In Großbritannien wie auch in den Vereinigten Staaten führte diese Kritik letztlich dazu, dass zahlreiche Berufsgruppen ihre Professionsprivilegien wie Honorarordnungen und Tariffestsetzungen auf Druck der Kartellbehörden abgeschafften. Auch die Abschaffung des Werbeverbots war letztlich eine Art Nebeneffekt dieser von außen aufoktroyierten Entwicklung.

168 Brint 1996, S. 42f.

169 Ebd., S. 40.

170 AIA/509, AIA Annual Report 1973, S. 12.

171 Ricken, Herbert: Der Architekt. Geschichte eines Berufs, Berlin 1977, S. 132.

172 Perkin, Harold J.: The Rise of Professional Society. England Since 1880, London/New York 1989, S. 474.

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