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3 Werbeverbot von Architekten

3.2 Britische Ablehnung gegenüber der Werbebranche

1953 für zwanzig Jahre in unveränderter Form maßgebend. Dies bedeutete jedoch nicht, dass in dieser Zeit Einigkeit bezüglich des Regelkatalogs bestanden hätte.

Wie die Sitzungsprotokolle des Architects Registration Board beweisen, wurde gerade zwischen 1953 und 1973 über zahlreiche strittige Punkte des Werbeverbots intensiv debattiert. Es gab allerdings so viele Details zu beachten, unterschiedliche Positionen zu berücksichtigen und Parteien zufrieden zu stellen, dass sich die Verantwortlichen erst zwanzig Jahre später auf eine Fassung einigen sollten. 1973 wurde dann auch die restriktivste Version des britischen Werbeverbots vorgelegt, die ausführlichste und Variante wiederum stammt aus dem Jahr 1978 und zählte ganze 3.500 Zeichen.199 Damit hatte sich die Zeichenzahl gegenüber der Erstauflage mehr als verhundertfacht.

Erst jetzt wurde es RIBA-Mitgliedern ausdrücklich gestattet, einen professionellen PR-Agenten zu engagieren. Die Entscheidung des RIBA erscheint durchaus konsequent, denn die aufgestellten Regeln waren mittlerweile so komplex geworden, dass sie vermutlich nur noch von Experten überblickt werden konnten. Damit erlaubte das RIBA allerdings 1978 erstmals eine Praxis, die von den Kollegen des AIA bereits seit 1949 nicht nur geduldet, sondern auch bewusst gefördert worden war.

Auch 1981200, 1982201 und 1984202 wurden weitere Neuauflagen veröffentlicht. In der letzten Version von 1986 war das Werbeverbot dann faktisch abgeschafft. Erhalten blieb lediglich ein offen formuliertes Prinzip, das Betrugsabsichten untersagte. Damit hatten die Regelungen 1986 etwa wieder den ursprünglichen Umfang angenommen:

„A member may make his availability and experience known by any means provided that the information given is in substance and in presentation factual, relevant and – neither misleading nor unfair to others – nor otherwise discreditable to the profession.“203

institutionelle Reklame zu betreiben. So wurde die Frage verhandelt, ob die Professionsorganisation für sich und für Architektur werben solle. Deutlich wird dabei ein grundlegendes Dilemma, das den gesamten Untersuchungszeitraum prägen sollte, wobei das RIBA stets an der Unterscheidung zwischen „Propaganda and Publicity“ festhielt.

Unter diesem Titel hielt Reilly seinen Vortrag, wobei er die plumpe Reklame großer Firmen kategorisch als unprofessionell ablehnte. Polemisch stellte er die Frage, ob der Architekt denn zu einem „Mr. Dunlop“ oder „Johnny Walker“ werden solle und gab auch sogleich eine deutliche Antwort:

„No, we cannot proclaim the virtues of ourselves or our buildings in the mass.

Propaganda we must leave to the market-place and those who work there. But that does not mean that we cannot do anything to educate the public as to what is good architecture […]. The educated layman would be ashamed to have no views about painting, music and the drama; but he is quite prepared to fall back on his personal likes and dislikes when it comes to architecture.“204

Damit forderte Reilly die erwähnte Abgrenzung zum Unternehmertum ein, die für das RIBA als Professionsorganisation den Kern des eigenen Selbstverständnisses darstellte.

Während Reilly ‚Werbung‘ kategorisch ablehnte, betrachtete er gleichzeitig

‚Öffentlichkeitsarbeit‘ als wichtigen Aufgabenbereich des RIBA und forderte, Architektur müsse im öffentlichen Diskurs eine größere Bedeutung erlangen. Derlei Ansichten waren schon vor der Jahrhundertwende und bis in die 1920er Jahre hinein gleichermaßen in den Vereinigten Staaten, Deutschland und vermutlich vielen anderen Ländern verbreitet.205 In all diesen Ländern finden sich in Architekturzeitschriften nahezu austauschbare Lamenti darüber, dass Maler, Bildhauer, Musiker und Literaten ihren festen Platz in den Feuilletons der Zeitungen hätten, während die Architektur als Kunst nicht die gebührende

204 Reilly, Charles H.: Propaganda and Publicity, in: RIBA Journal 28 (1921), S. 547f.

205 Fritsch, Karl: Die Architektur auf Kunstausstellungen, in: Deutsche Bauzeitung 14 (1880), S.161f; Zur Stellung der Architektur in der öffentlichen Meinung; in: Deutsche Bauzeitung 20 (1886), S.416;

Walker, C. H.: The Attitude of the Architect and of the Public, in: Architectural Review (Boston) 2 (1893/Nov), S. 65f; Hofmann, Albert: Zur Stellung der Architektur im öffentlichen Kunstleben Deutschlands, in: Deutsche Bauzeitung 35 (1901), S.226f; Architects, the Public, and the Future, in:

British Architect 59 (1903), S. 201; Warren, Sidney: The General Public and Architects, in:

Architecture (New York) 20 (1909), S. 110–111; Hofmann, Albert: Die Stellung des Baukünstlers im Leben und in der Gesellschaft, in: Deutsche Bauzeitung 53 (1919), S. 457–460, 465–468, 475–478;

Architects and the Public, in: American Architect 117 (1920), S. 359–362; Pelt, J. V. van: The Question of Public Information About Architecture, in: AIA Journal 10 (1922), S. 362–365; Taylor, Howell:

Publicity for the Architect, in: Architectural Forum 39 (1923), S. 185–188; Harrison, Merritt /Elwell, S.

B.: Advertising, Architecture and the Architects, in: Octagon 1 (1929), S. 9f.

Anerkennung erfahre. Wie Reilly zogen die Autoren dabei häufig den Schluss, die Öffentlichkeit müsse diesbezüglich ‚erzogen‘ werden. Reilly schlug drei Möglichkeiten vor, das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken und den Bürger zu ‚erziehen‘. Zunächst einmal sollten Architekten anfangen, journalistisch tätig zu werden und selbst Bauten zu rezensieren. Des Weiteren sollten sie nach Vorbild amerikanischer Museen mehr Architekturausstellungen lancieren. Und zu guter Letzt könnte die Verleihung von Preisen für gute Bauten, wie sie in Amerika und Frankreich schon länger vergeben würden, das Interesse des Laien schüren.206

In den Ausführungen Reillys wird deutlich, dass die Öffentlichkeitsarbeit von US-amerikanischen Architektenvertretungen als vorbildlich galt. Oberflächlich betrachtet vertraten beide Organisationen die gleiche Haltung insofern sie Werbung kategorisch ablehnten und Öffentlichkeitsarbeit als etwas positives ansahen. Tatsächlich war eine Abgrenzung beider Bereiche voneinander aber nicht immer einfach. Zugespitzt ausgedrückt gab das AIA in solchen Fällen stets der Öffentlichkeitsarbeit den Vorzug. Die Priorität des RIBA lag dagegen auf dem Werbeverbot. Dies war wohl zu einem Großteil auch einer ausgeprägten britischen Abneigung gegenüber der Werbebranche geschuldet, die seit dem 19. Jahrhundert gepflegt wurde. In dieser Zeit waren zahlreiche Fälle missbräuchlicher Werbepraktiken bekannt geworden. In der Presse wurde Werbung als unehrenhaftes Betätigungsfeld für respektable Bürger dargestellt und mit Quacksalbern assoziiert, die mit falschen Behauptungen und maßlosen Übertreibungen betrügerische Absichten verfolgten.207

Die Werbebranche galt als ‚amerikanisch‘ und Werbefachleute der USA als unangefochtene Experten ihres Berufsstandes. In den 1920er Jahren gründeten etablierte Werbeagenturen Niederlassungen in Übersee und dominierten damit auch den europäischen Markt.208 Laut Grazia war die europäische Abneigung gegenüber persuasiven US-amerikanischen Werbepraktiken noch nach Ende des Zweiten Weltkriegs ubiquitär und wurde erst mit den kulturellen Veränderungen der 1960er Jahre allgemein akzeptiert.209 So war wohl auch die Aversion des RIBA gegenüber der Werbung von einem zeitgenössischen Anti-Amerikanismus befördert, der in den 1950er und 1960er Jahren eine

‚Amerikanisierung‘ britischer Kultur und Geschäftswelt kritisierte, die durch eine

206 Reilly, Charles H.: Propaganda and Publicity, in: RIBA Journal 28 (1921), S. 547f.

207 Nevett, Terence R.: Advertising in Britain. A History, London 1982, S. 110f.

208 Grazia, Victoria de: Das unwiderstehliche Imperium. Amerikas Siegeszug im Europa des 20.

Jahrhunderts, Stuttgart 2010, S. 267f.

209 Ebd., S. 285.

wachsende Präsenz US-amerikanischer Firmen – darunter auch Werbeagenturen – beflügelt war. Kritisiert wurde eine „amerikanische Art des Verkaufens“.210

In den USA hatte sich die Werbebranche dagegen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgreich professionalisiert und genoss damit im eigenen Land auch soziale Anerkennung. Seit den 1890er Jahren hatten sich Werbeleute in den USA um Professionalisierung bemüht, um die Vorstellung zu entkräften, sie seien als Unternehmer primär am eigenen Profit interessiert.211 Erreicht werden sollte eine fachkundig-professionelle Ausrichtung durch quantitative Analysemethoden, die Zielpublikum und Auflagenzahlen von Zeitungen und Zeitschriften feststellten. Damit wurden dem potentiellen Kunden Erfolgsaussichten anhand sachlich fundierter Fakten garantiert.212 Außerdem übernahmen Werbefachleute zunehmend auch kreative Funktion und erweiterten damit ihre ursprüngliche Ausrichtung als Vermittler zwischen Werbung betreibenden Kunden und potentiellen Werbeplattformen.213 Mit steigender Nachfrage nach Originalität und Kreativität etablierten Werbefachleute eine eigene Kernkompetenz, die zwischen Wissenschaft und Kunst verortet war. In der Folge verbreitete sich auch die allgemeine Auffassung, den Erfolg von Werbeanzeigen steigern zu können, indem ihre Konzeption und Verbreitung einem Experten überlassen werde.214 In den 1880ern wurden Zeitschriften wie Printer’s Ink von George P. Rowell gegründet und zu Beginn des 20.

Jahrhunderts auch erste akademische Kurse und Ausbildungsmöglichkeiten eingerichtet.215 Werbung wurde in den USA somit nach wissenschaftlichen Grundsätzen betrieben, wie es für die Anerkennung als Profession nötig war. Es wurden Marktforschungsstudien durchgeführt, sowie Markt- und Produktentwicklung auf Grundlage von Verbraucherbefragungen und psychologischen Prinzipien betrieben.216 Ganz anders als in Europa schafften es Werbeleute in den USA damit, das eigene Image von „fahrenden Händlern mit ihren marktschreierisch angepriesenen Universalheilmittel“ zu einer

„legitimen Wirtschaftsbranche“ zu verändern.217 Trotz ausgewiesener Abneigung gegenüber der Werbebranche in Großbritannien erlebte sie zu Beginn der 1950er Jahre

210 Nixon, Sean: Hard Sell. Advertising, Affluence and Transatlantic Relations, c. 1951–69, Manchester 2013, S. 37.

211 Laird, Pamela W.: Advertising Progress. American Business and the Rise of Consumer Marketing, Baltimore 2001, S. 312.

212 Ebd., S. 162, 312.

213 Ebd., S. 313.

214 Ebd., S. 314-317.

215 Ebd., S. 320.

216 Grazia 2010, S. 271.

217 Ebd., S. 272.

auch hier einen Aufschwung und eine Aufwertung.218 Unterstützung suchend wandten sich nun auch britische Unternehmer immer öfter an Werbeagenturen.219 Diese Offenheit setzte sich im RIBA jedoch nur bedingt durch.

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