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3 Werbeverbot von Architekten

3.4 Position freiberuflicher Architekten im RIBA

3.4.2 Dominanz der Baubeamten

government department“, dessen Vorsitzende mehrheitlich ehemalige Freiberufler im Staatsdienst gewesen seien.283 Einiges spricht dafür, dass sich unter britischen Architekten innerhalb des RIBA im Untersuchungszeitraum aber auch schon in den 1950er Jahren eine Konfrontation zwischen Staatsangestellten und Privatunternehmern abzeichnete. Die untersuchten Quellen legen offen, dass die beiden Gruppen unterschiedliche Ziele verfolgten und sich nur noch bedingt als Kollegen betrachteten. Deutlich ablesbar wird dieser Prozess an den Neuformulierungen des Werbeparagraphen in den 1950er Jahren und insbesondere ihrer strikten Auslegung.

In den 1950er Jahren häuften sich Fälle, in denen sich Baubeamte beim RIBA über Berufskollegen beschwerten, von denen sie angeschrieben worden waren. Als das RIBA 1949 die bereits erwähnte Zunahme unzulässiger Inserate festgestellt hatte, war gleichzeitig eine steigende Zahl solcher an Planungsbehörden gerichteten Anschreiben konstatiert worden, mit denen sich lokal ansässige Architekten auf der Suche nach Arbeit empfahlen.284 Mit diesen Initiativbewerbungen fragten Architekten auf der Suche nach Arbeit in den Planungsabteilungen lediglich nach, ob in der näheren Zukunft Bauprojekte geplant seien und empfahlen dafür ihre Dienste. Von den Architekten, die in diesen Behörden arbeiteten, wurde diese Form der Kontaktaufnahme häufig als eine dem Ehrenkodex zuwiderlaufende Strategie gewertet und beim RIBA gemeldet. Insgesamt beschäftigte sich der Architects Registration Board zwischen 1949 und 1958 mit elf solcher Fälle.285 Ähnlich wie bei den bereits diskutierten Kleinanzeigen gaben die Beschuldigten auch hier häufig an, sich der Verwerflichkeit ihres Handelns gar nicht bewusst gewesen zu sein.286 Und auch hier trafen die vom RIBA ausgesprochenen Verwarnungen oft solche Architekten, die in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen steckten.

Ein dokumentierter Fall betraf einen älteren Herrn, der nach eigener Aussage Ende des Krieges Schwierigkeiten hatte, sein Büro neu zu beleben. Nun hatte er in der Lokalzeitung vom geplanten Umbau eines Gebäudes gehört. Er habe diesen Bau seit langem gekannt

283 Crinson, Mark /Lubbock, Jules: Architecture. Art or Profession? Three Hundred Years of Architectural Education in Britain, Manchester/New York 1994, S. 154

284 RIBA/CNCL/1.2.2, Report of the Professional Conduct Committe, 10.03.1949, S. 3, RIBA Council Minutes vom 05.04.1949, Anlage K.

285 RIBA/CNCL/1.2.2, Professional Conduct Case No. 274, 282, 308, 309, 315, 316, 348, 350, 352, 407, 410, Sitzungsprotokolle des RIBA Council von 1949-1958.

286 RIBA/CNCL/1.2.2, Professional Conduct Case No. 274, RIBA Council Minutes vom 11.10.1949, Anlage O, S. 1; Professional Conduct Case No. 282, RIBA Council Minutes vom 21.06.1949, Anlage P, S. 1; Professional Conduct Case No. 315 , RIBA Council Minutes vom 09.10.1951, Anlage L, S. 1;

Professional Conduct Case No. 290, RIBA Council Minutes vom 23.06.1953, Anlage J, S. 3.

und geschätzt, weshalb er an dem Bauprojekt gerne partizipiert hätte. Daher habe er sich auch bei der lokalen Planungsbehörde gemeldet. Er gab weiter an, „that he has been carried away by his pleasure at the initiative of the county council in acquiring a beautiful building, with which he has for many years been familiar, for a purpose in which he had deep interest.“287

Durchaus glaubhaft wirkt die Begründung des angeschwärzten Architekten, von dem Verbot nichts gewusst zu haben. Aus heutiger Sicht ist zunächst auch unbegreiflich, weshalb die Baubeamten derart empfindlich auf diese Anschreiben reagierten. Nachweisen lässt sich, dass auch die meisten im öffentlichen Dienst beschäftigten vom Verbot dieser Praxis nichts wussten. Denn in einigen Fällen hatten sich Architekten auf Anraten eines bekannten Beamten an die Planungsabteilungen gewandt. Ein im Schulbau erfahrener Planer hatte beispielsweise von einem Freund im Bildungsministerium die Empfehlung bekommen, sich an das lokale Planungsamt zu wenden.288 Andere waren dem Rat von Bekannten aus der technischen Abteilung289 oder dem Parlament290 gefolgt. Ein etwas ausführlicher dokumentierter Fall betraf den Architekten Sergei Kadleigh im Jahr 1953. In einem fiktiven Projekt für den Londoner Stadtteil Paddington hatte er erstmals seine innovativen Konzepte für eine ‚vertikale Stadt‘ dargelegt. Er hatte seinen Entwurf bereits erfolgreich in der internationalen Architekturpresse verbreitet.291 Nun war ihm daran gelegen, seine Pläne zu verwirklichen. Zu diesem Zweck hatte er seine Zeichnungen und Pläne mit Unterstützung der Zeitschrift Architect & Building News in einem eleganten und sorgfältig gestalteten Buch mit dem Titel „High Paddington“ drucken lassen.292

Damit war er bei Beamten der regionalen Planungsbehörde London County Council (LCC) und der Stadtteilvertretung Paddington Borough Council vorstellig geworden. Auch war er mit Robert Allen in Kontakt getreten, der zu diesem Zeitpunkt als Wahlkreisvertreter von South Paddington im House of Commons fungierte. Für London hielten die angesprochenen Personen das Gezeigte zwar für unpassend, empfahlen

287 RIBA/CNCL/1.2.2, Professional Conduct Case No. 352, RIBA Council Minutes vom 03.01.1950, Anlage J, S. 2.

288 RIBA/CNCL/1.2.2, Professional Conduct Case No. 308, RIBA Council Minutes vom 06.03.1951, Anlage M.

289 RIBA/CNCL/1.2.2, Professional Conduct Case No. 316, RIBA Council Minutes vom 11.12.1951, Anlage J.

290 RIBA/CNCL/1.2.2, Professional Conduct Case No. 350, RIBA Council Minutes vom 23.06.1953, Anlage J.

291 High Paddington, in: Architect & Building News 202 (1952), S. 479–482; Das High Paddington Projekt, in: Neue Stadt 7 (1953/11), S. 498–503; High Paddington. Una ciudad para 8,000 habitantes, in: Revista Nacional de Arquitectura 13 (1953), S. 12–18; Kadleigh, Sergei: The High Paddington Scheme, in: Architect & Building News 203 (1953), S. 336–340.

292 Kadleigh, Sergej: High Paddington. A Town for 8000 People, London 1952, BL/Cup.1246.c.84.

Kadleigh aber seine Pläne doch an die verantwortlichen Beamten in anderen Großstädten zu schicken. Diesen Rat befolgend schrieb Kadleigh an verschiedene Gemeinden. In Birmingham war man vom aggressiven Auftreten Kadleighs jedoch wenig begeistert und meldete ihn beim RIBA, wo auch er sich zu verantworten hatte.293

Das High-Paddington-Projekt diente ein Jahr später auch als Basis für die ersten Zeichnungen zum Barbican in London, mit dem sich Kapitel 4.1 ausführlich beschäftigen wird. Aus seinem hier dargelegten Konflikt mit dem RIBA hatte Kadleigh vermutlich einiges über das Werbeverbot dazu gelernt. Jedenfalls wählte er für seinen Entwurf „High Barbican“ eine Publikationsstrategie, die nicht nur im Sinne der RIBA-Regeln, sondern auch in aufmerksamkeits-ökonomischer Hinsicht weitaus effektiver war.

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