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3.2. Proctolin-induzierte Signalketten in der Muskelzelle

3.2.1. Messung der cAMP-Konzentration

Erste Untersuchungen mit einem cAMP-Analogon und einem Proteinkinase-Inhibitor an der Extensormuskulatur von Idotea wiesen darauf hin, dass kontraktionsverstärkende Effekte auf die Membrankanäle durch cAMP und PKA vermittelt werden (Erxleben et al., 1995; Rathmayer et al., 2002b). Um festzustellen, ob Proctolin die cAMP-Konzentration in der Extensormuskulatur von Idotea direkt erhöht, sollte nun die intrazelluläre cAMP-Konzentration nach Stimulation mit Proctolin im Muskel gemessen werden.

3.2.1.1. cAMP-Konzentrationen nach einer Stimulationszeit von 15 min

Aufgrund der Experimente von Erxleben et al. (1995) ist bekannt, dass nach Inkubation der dorsalen Extensormuskelfasern von Idotea mit 10-9 M - 10-6 M Proctolin für eine Zeitdauer von 13 min die Kontraktionskraft der Muskelfasern potenziert wird. Weiterhin wurde beobachtet, dass die Effekte von Proctolin so lange andauern, wie Proctolin anwesend ist, wobei Inkubationszeiten bis zu 30 min getestet wurden (Erxleben et al., 1995).

In Anlehnung an die Durchführung dieser Experimente wurden die cAMP-Konzentrationen nach einer Inkubationszeit von 15 min gemessen und eine Proctolin-Konzentration von 10-6 M eingesetzt. Nachdem die Extensormuskelfasern von Idotea für 15 min mit 10-6 M Proctolin

inkubiert wurden, enthielten die Fasern 0,267 pmol cAMP pro mg Protein (SD ±0,062 pmol/mg, n=8). Dieser Wert unterschied sich nicht signifikant von dem Wert der cAMP-Konzentration der Fasern unter Kontrollbedingungen (0,255 pmol/mg cAMP, SD ±0,087 pmol/mg, n=9) (Abb. 11).

Da bei einer solch hohen Konzentration von Proctolin die Möglichkeit besteht, dass der Rezeptor desensibilisiert wurde, kann ein Effekt des Proctolins auf die intrazelluläre cAMP-Konzentration möglicherweise nur bei geringeren Proctolin-Konzentrationen gemessen werden.

In der Mandibularmuskulatur von Locusta wurde gezeigt, dass durch 10-9 M Proctolin der Spiegel an intrazellulärem InsP3 signifikant anstieg. Nach Einsatz von höheren Proctolin-Konzentrationen konnte dieser Anstieg jedoch nicht mehr gemessen werden (Baines et al., 1990). Die Autoren gingen davon aus, dass es durch die hohen Proctolin-Konzentrationen zu einer Desensibilisierung der Rezeptoren kommen konnte. Um eine Desensibilisierung des Proctolin-Rezeptors in der Extensormuskulatur von Idotea ausschließen zu können, wurden in der vorliegenden Arbeit die cAMP-Konzentrationen der Extensormuskelfasern auch nach einer Inkubation mit 10-9 M Proctolin gemessen. Eine Inkubation der Fasern für 15 min mit 10-9 M Proctolin ergab ebenfalls keinen signifikant unterschiedlichen cAMP-Wert zur Kontrolle (0,237 pmol/mg cAMP, SD

±0,119 pmol/mg, n=2). Wurden die Fasern jedoch mit 10-5 M Octopamin stimuliert, stieg die cAMP-Konzentration in der Muskulatur auf einen Wert von 0,739 pmol/mg an (SD ±0,164 pmol/mg, n=5). Dies ist eine signifikante Erhöhung der cAMP-Konzentration um den Faktor 2,9 im Vergleich zum Kontrollwert (p<0,01). Wurden die Fasern gleichzeitig mit 10-5 M Octopamin und 10-6 M Proctolin stimuliert, blieb der Wert im Bereich der gemessenen cAMP-Konzentration nach Stimulation mit 10-5 M Octopamin allein (0,856 pmol/mg cAMP, SD ±0,187 pmol/mg, n=3). Dieser Wert unterscheidet sich signifikant von dem Kontrollwert (p<0,01), ist jedoch nicht signifikant verschieden von dem cAMP-Wert nach Stimulation nur mit 10-5 M Octopamin.

Das Neuropeptid Proctolin zeigte unter diesen Versuchsbedingungen keinen Effekt auf die Konzentration in der Extensormuskulatur von Idotea. Eine Erhöhung der cAMP-Konzentration konnte jedoch nach Stimulation mit Octopamin in der Extensormuskulatur gemessen werden, was die Aussagekraft der verwendeten Methodik belegt.

Abb. 11 Effekt von Proctolin und Octopamin auf die cAMP-Konzentration der Extensormuskulatur von Idotea. Nach Stimulation der Muskelfasern für 15 Minuten mit 10-6 M bzw. 10-9 M Proctolin veränderte sich die cAMP-Konzentration im Vergleich zum Kontrollwert nicht signifikant. 10-5 M Octopamin erhöhte die cAMP-Konzentration im Vergleich zum Kontrollwert signifikant um den Faktor 2,9. Nach gleichzeitiger Stimulation mit 10-5 M Octopamin und und 10-9 M Proctolin lag der cAMP-Wert im Bereich des cAMP-Werts nach Stimulation mit 10-5 M Octopamin.

3.2.1.2. cAMP-Konzentrationen nach unterschiedlichen Stimulationszeiten

Da die Erhöhung von Signalmolekülen (wie z.B. von cAMP) in Zellen sehr schnell eintritt und Signalmoleküle durch Enzyme auch schnell wieder abgebaut werden, besteht die Möglichkeit, dass nach einer Stimulationszeit von 15 min ein Effekt von Proctolin auf die cAMP-Konzentration schon nicht mehr messbar war. Deshalb wurden die cAMP-Konzentrationen der Extensormuskulatur von Idotea nach verschiedenen, kurzen Proctolin-Stimulationszeiten gemessen.

Wurden die Fasern direkt nach der Präparation für 1 min mit 10-6 M Proctolin stimuliert und im Anschluss daran die cAMP-Konzentration gemessen, lag der cAMP-Wert bei 13,51 pmol cAMP pro mg Protein (SD ± 6,21 pmol/mg, n=2). Die cAMP-Konzentration der Kontroll Fasern nach einer Stimulation von 1 min betrug 13,41 pmol/mg (SD ± 4,31 pmol/mg, n=2). Diese

cAMP-Konzentrationen, die im Vergleich zu den cAMP-Konzentrationen nach einer Stimulationszeit von 15 min (siehe 3.2.1.1.) sehr hoch sind und auch stark voneinander abweichen, könnten durch den physiologischen Zustand des Tieres und durch im Präparat noch vorhandene endogene Peptide verursacht worden sein. Von den biogenen Aminen Octopamin und 5-HT ist bekannt, dass die Konzentrationen dieser Amine in der Hämolymphe von Insekten durch Stresseinwirkungen um ein Vielfaches ansteigen (Davenport & Evans, 1984; Harris & Woodring, 1992). Da Octopamin die Konzentration von cAMP in der Extensormuskulatur von Idotea signifikant erhöht, könnten die hohen cAMP-Konzentrationen durch endogenes Octopamin mit verursacht werden. Um Stresseinwirkungen durch die Präparation zu vermeiden und den physiologischen Zustand der Präparate anzugleichen, wurden die Fasern vor der Stimulation für 10 min in ASW inkubiert.

Danach lag der cAMP-Wert nach einer Stimulation der Fasern mit 10-6 M Proctolin für 0,5 min bei 0,905 pmol cAMP pro mg Protein (SD ±0,376 pmol/mg, n=3). Ohne Stimulation mit Proctolin enthielten die Extensormuskulatur nach 0,5 min 0,911 pmol cAMP pro mg (SD ±0,331 pmol/mg, n=4) (Abb. 12). Diese Werte unterscheiden sich nicht signifikant voneinander. Nach einer Stimulation von 1 min mit 10-6 M Proctolin erhielt man einen cAMP-Wert von 0,719 pmol/mg (SD ±0,152 pmol/mg, n=3). Der entsprechende Kontrollwert nach einer gleichlangen Stimulation ohne Proctolin lag bei 0,523 pmol/mg (SD ±0,141 pmol/mg, n=4). Wurde die Muskulatur 3 min mit 10-6 M Proctolin stimuliert, war die cAMP-Konzentration bei 0,559 pmol/mg (SD ±0,146 pmol/mg, n=3). Die cAMP-Konzentration der Kontroll Fasern nach einer Stimulation von 3 min lag bei 0,488 pmol/mg (SD ±0,095 pmol/mg, n=4). Die cAMP-Werte nach einer Stimulationszeit von 15 min lagen bei den mit 10-6 M Proctolin inkubierten Fasern bei 0,267 pmol/mg (SD ±0,062 pmol/mg, n=8), bei den Kontroll Fasern bei 0,255 pmol/mg (SD ±0,087 pmol/mg, n=9). Keiner der cAMP-Werte nach Stimulation mit 10-6 M Proctolin unterschied sich signifikant von den Kontrollwerten der entsprechenden Stimulationszeiten. Proctolin veränderte auch nach kürzerer Stimulationszeit die cAMP-Konzentration der Extensormuskulatur von Idotea nicht. Zu beobachten war lediglich eine konstante Abnahme der cAMP-Konzentration mit Erhöhung der Zeitdauer zwischen Präparation und Messung der cAMP-Konzentration.

Abb. 12 Effekt von Proctolin auf die cAMP-Konzentration der Extensormuskulatur von Idotea bei unterschiedlichen Stimulationszeiten. Die cAMP-Konzentration unterschied sich nach einer Stimulation von 0,5 min, 1 min, 3 min und 15 min mit 10-6 M Proctolin nicht signifikant von der cAMP-Konzentration der jeweiligen Kontrolle. Die 3 kurzen Stimulationen wurden 10 min nach der Präparation und die Stimulation von 15 min wurde direkt nach der Präparation durchgeführt. Insgesamt nahm die cAMP-Konzentration mit der Zeitdauer zwischen Präparation und Messung der cAMP-Konzentration konstant ab.

3.2.1.3. Auswirkungen des Phosphodiesterase-Hemmstoffs IBMX auf die cAMP-Konzentrationen

IBMX ist ein unspezifischer Hemmstoff der Phosphodiesterasen und verhindert den Abbau von cAMP und cGMP in verschiedenen Systemen (Goy et al., 1984; Beavo & Reifsnyder, 1990;

Johnson & O`Day, 1995). Auch in den Muskelfasern von Idotea war die cAMP-Konzentration nach einer Stimulationszeit von 3 min mit 0,5 mM IBMX im Vergleich zum Kontrollwert um den Faktor 2,3 erhöht (Abb. 13A). Der Kontrollwert der cAMP-Konzentration lag bei 0,488 pmol/mg (SD ±0,095 pmol/mg, n=4), die cAMP-Konzentration nach Inkubation in 0,5 mM IBMX lag bei 1,097 pmol/mg (SD ±0,526 pmol/mg, n=7). Durch den Einsatz des Phosphodiesterase-Hemmstoffs konnte verhindert werden, dass eine mögliche Konzentrationserhöhung von cAMP durch das Neuropeptid Proctolin schon vor Durchführung der cAMP-Messung wieder abgebaut wurde. Stimulierte man die Fasern von Idotea für 3 min mit 10-6 M Proctolin in Anwesenheit von 0,5 mM IBMX, erhielt man eine cAMP-Konzentration von 1,383 pmol pro mg Protein (SD

±0,609 pmol/mg, n=8). Dieser Wert unterschied sich nicht signifikant von der cAMP-Konzentration nach Inkubation in 0,5 mM IBMX von 3 min unter Kontrollbedingungen (1,097 pmol/mg; SD ±0,526 pmol/mg, n=7) (Abb. 13B). Auch nach Stimulation mit 10-5 M Proctolin und 0,5 mM IBMX lag der Wert der cAMP-Konzentration in diesem Bereich (1,711 pmol/mg;

n=1). 10-5 M Octopamin erhöhte in Anwesenheit von 0,5 mM IBMX jedoch die cAMP-Konzentration im Vergleich zur Kontrolle um den Faktor 8,2. Der Wert der cAMP-cAMP-Konzentration lag nach einer Stimulation von 3 min mit 10-5 M Octopamin und 0,5 mM IBMX bei 8,996 pmol/mg (n=1).

Abb. 13 Auswirkung des Phosphodiesterase-Hemmstoffs IBMX auf die cAMP-Konzentration der Extensormuskulatur von Idotea. (A) Stimulation der Muskelfasern für 3 Minuten mit 0,5 mM IBMX erhöhte die cAMP-Konzentration im Vergleich zur Kontrolle um den Faktor 2,3. (B) In Anwesenheit von 0,5 mM IBMX veränderte sich die cAMP-Konzentration nach einer Stimulation von 3 min mit Proctolin (10-6 M, 10-5 M) nicht vom Kontrollwert. 10-5 M Octopamin erhöhte in Anwesenheit von 0,5 mM IBMX die cAMP-Konzentration um den Faktor 8,2 verglichen mit der cAMP-Konzentration der Kontrolle.

3.2.1.4. Messung der cAMP-Konzentrationen in Einzelfaserpräparten nach sehr kurzen Stimulationszeiten

Um auszuschließen, dass durch die Präparationsart und die Probenvorbereitung kleine, jedoch

Kontroll Fasern und Proctolin-stimulierten Fasern nicht gemessen werden konnten, wurden die Fasern vor der Stimulation intakt herauspräpariert, und die Dauer der Probenvorbereitung wurde verkürzt.

Nach einer Stimulation der Extensormuskelfasern von Idotea von 20 sec mit 10-6 M Proctolin in Anwesenheit von 0,5 mM IBMX betrug die cAMP-Konzentration 3,625 pmol pro mg Protein (SD ±0,213 pmol/mg, n=3). Unter Kontrollbedingungen mit 0,5 mM IBMX lag der cAMP Wert nach 20 sec bei 2,624 pmol/mg (SD ±0,685 pmol/mg, n=3). Auch hier lließ sich kein signifikanter Unterschied in der cAMP-Konzentration zwischen Proctolin-stimulierten Fasern und unstimulierten Fasern feststellen (Abb. 14). Wurden die Extensormuskelfasern 45 sec mit 10-6 M Proctolin stimuliert, ergab sich eine cAMP-Konzentration von 3,032 pmol/mg (SD ±0,569 pmol/mg, n=4, 0,5 mM IBMX). Ohne Stimulation mit Proctolin erhielt man nach 45 sec einen Kontrollwert von 4,119 pmol cAMP pro mg Protein (SD ±0,841 pmol/mg, n=4, 0,5 mM IBMX).

Abb. 14 Messung der cAMP-Konzentration der Extensormuskulatur von Idotea in Einzelfaserpräparaten und nach sehr kurzen Stimulationszeiten. Wurden die Muskelfasern 20, 45 bzw. 90 sec mit 10-6 M Proctolin (+0,5 mM IBMX) stimuliert, veränderte sich die cAMP-Konzentration nicht signifikant gegenüber der cAMP-Konzentration der jeweiligen Kontrollen. Auch eine gleichzeitige Stimulation der Fasern für 90 sec mit 10-6 M Proctolin und 10-6 M CCAP (+0,5 mM IBMX) oder eine Stimulation der Fasern mit 10-6 M 5-HT (+0,5 mM IBMX) für 90 sec veränderte die cAMP-Konzentration nicht signifikant.

Nach einer Stimulationszeit von 90 sec mit 10-6 M Proctolin betrug die cAMP-Konzentration 3,911 pmol/mg (SD ±1,177 pmol/mg, n=4, 0,5 mM IBMX). Die cAMP-Konzentration ohne Stimulation mit Proctolin (Kontrollbedingungen) betrug nach 90 sec 4,078 pmol/mg (SD ±0,851 pmol/mg, n=4, 0,5 mM IBMX). Wurden die Fasern 90 sec gleichzeitig mit 10-6 M Proctolin und 10-6 M CCAP stimuliert, lag die cAMP-Konzentration bei 2,974 pmol/mg (SD ±0,711 pmol/mg, n=2, 0,5 mM IBMX). Eine Stimulation der Fasern mit 10-6 M 5-HT führte zu einer cAMP-Konzentration von 4,707 pmol/mg (SD ±0,682 pmol/mg, n=2, 0,5 mM IBMX). Keiner der cAMP-Konzentrationswerte nach Stimulation mit einem Agonisten wich signifikant von den cAMP-Konzentrationswerten unter Kontrollbedingungen ab. Auch unter diesen Versuchsbedingungen zeigte das Neuropeptid Proctolin keinen signifikanten Effekt auf die cAMP-Konzentration der Extensormuskulatur von Idotea.

Zusammenfassung:

Applikation von Proctolin veränderte die cAMP-Konzentration in der Extensormuskulatur von Idotea nicht signifikant. Die cAMP-Konzentration blieb bei Stimulationszeiten zwischen 20 sec und 15 min und bei unterschiedlichen Proctolin-Konzentrationen im Bereich der cAMP-Konzentration in Abwesenheit von externem Proctolin. Auch nach Einsatz des Phosphodiesterase-Hemmstoffs IBMX und unter veränderten Versuchsbedingungen konnte keine Erhöhung bzw. Erniedrigung der cAMP-Konzentration durch Proctolin gemessen werden. Im Gegensatz hierzu erhöhte der Neuromodulator Octopamin signifikant die cAMP-Konzentration in der Extensormuskulatur von Idotea.