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4.2. Intrazelluläre Signalwege der proctolinergen Modulation

4.2.2. Der Phospholipase C-InsP 3 -Ca 2+ -Weg

Da das Neuropeptid Proctolin die intrazelluläre cAMP-Konzentration der Extensormuskulatur von Idotea unter unterschiedlichsten Versuchsbedingungen nicht verändert, wird Proctolin in diesen Zellen über einen anderen Signalweg als den cAMP/PKA-Weg wirken.

In verschiedenen Arthropoden-Muskeln konnte gezeigt werden, dass Proctolin die InsP3 -Konzentration erhöht und somit über den PLC-InsP3-Ca2+-Weg wirkt (Lange, 1988; Baines et al., 1990; Hinton & Osborne, 1995; Mazzocco-Manneval et al., 1998). Falls Proctolin in der Idoteen-Muskulatur die PLC aktiviert, sollte neben einer Konzentrationserhöhung der sekundären Botenstoffe DAG und InsP3 auch die intrazelluläre Ca2+-Konzentration ansteigen. Um dies zu testen, wurden an den Extensormuskelfasern von Idotea Koffein-Kontrakturen ausgelöst und die Effekte von Proctolin auf diese Kontrakturen gemessen. Proctolin verstärkt dabei signifikant die Amplitude der Koffein-Kontrakturen um 27 % und beschleunigt den Anstieg der Kontrakturen (Abb. 15-16). Koffein-Kontrakturen entstehen ohne eine Depolarisierung der sarkolemmalen Membran und werden nicht von einem spannungsgesteuerten Einstrom von extrazellulärem Ca2+

durch L-Typ Ca2+ Kanäle begleitet (Huddart, 1969; Chiarandini et al., 1970). Da Koffein an Ryanodin-Rezeptoren des SR bindet (Lea, 1996; Zhang et al., 1999), wird angenommen, dass die Kontrakturen allein durch intrazelluläres, aus dem SR freigesetztes Ca2+ ausgelöst werden. Die Ergebnisse der Potenzierung von Koffein-Kontrakturen durch Proctolin deuten darauf hin, dass

sarkolemmale Ionenkanäle, auch die Ca2+-Freisetzung aus dem SR und/oder die Ca2+-Sensitivität von sarkoplasmatischen Proteinen moduliert.

Um zu untersuchen, ob Proctolin über eine Erhöhung des intrazellulären InsP3-Spiegels die Freisetzung von Ca2+ aus dem SR auslöst, wurde nach Stimulation der intakten Idoteen Extensormuskelfasern mit Proctolin direkt die Menge der Inositolphosphate in diesen Muskelzellen gemessen. Dabei verändert Proctolin (10-6 M) die Menge der Inositolphosphate in den Muskeln nicht signifikant (Abb. 17). Auch in der Mandibularmuskulatur von Locusta migratoria zeigt Proctolin keinen signifikanten Effekt auf den Spiegel der einzelnen Inositolphosphate, obwohl die Mandibularmuskulatur als Positivkontrolle zur Messung einer erhöhten InsP3-Menge durch Proctolin dienen sollte (Abb. 18-19). Für den Mandibularmuskel beschrieben Baines et al. (1990), dass Proctolin den intrazellulären Spiegel von InsP3 um 32 % erhöht. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ergebnisse bei den Messungen von InsP3 nach Proctolin-Stimulation in der Mandibularmuskulatur kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Stimulation der Muskelmembranen von Idotea der Proctolin-Signalweg schon unterbrochen war.

Eine Abkopplung des Proctolin-Rezeptors von seiner intrazellulären Signalkette kann bei der Präparation der Muskelmembranen geschehen.

Andererseits zeigt sich auch bei den Messungen mit intakten, noch im Tier befindlichen und mit intakten, isolierten Muskelfasern keine Erhöhung der Inositolphosphate nach Proctolin-Stimulation in der Idoteen-Muskulatur. Auch Experimente an einem anderen Skelettmuskel, dem Hyperneuralmuskel der Schabe Periplaneta americana, deuten darauf hin, dass die Wirkung des Proctolins nicht, oder nur unter bestimmten Bedingungen, an den Botenstoff InsP3 gekoppelt ist, da eine Erhöhung von intrazellulärem Ca2+ durch Proctolin nur in Anwesenheit von extrazellulärem Ca2+ gemessen werden konnte (Wegener & Nässel, 2000). Für die Vorderdarmmuskulatur von Blaberus craniifer konnten Mazzocco-Manneval et al. (1998) zeigen, dass in Abwesenheit von extrazellulärem Ca2+ die durch Proctolin induzierte Erhöhung der InsP3 -Konzentration an den isolierten Membranen stark abnimmt. Die Proctolin-induzierte PLC Aktivität ist in diesem Muskel somit Ca2+-abhängig. Eine solche Ca2+-Abhängigkeit der PLC Aktivität könnte auch in der Extensormuskulatur von Idotea vorhanden sein und die Entstehung von InsP3 und DAG regulieren.

Weiterhin könnte die Proctolin-induzierte Verstärkung der Koffein-Kontrakturen auch durch eine Proctolin-vermittelte Erhöhung der Sensitivität des Ryanodin-Rezeptors für Koffein entstehen.

Eine Erhöhung der Sensitivität des Ryanodin-Rezeptors für Koffein wird in Skelettmuskelzellen

durch Ca2+ vermittelt (Rousseau et al., 1988; Zhang et al., 1999). In einem Insekten-Skelettmuskel konnte gezeigt werden, dass durch die Wirkung von Proctolin die intrazelluläre Ca2+-Konzentration ansteigt (Wegener & Nässel, 2001). Die Proctolin-vermittelte Zunahme der intrazellulären Ca2+-Konzentration ist jedoch von der Anwesenheit von extrazellulärem Ca2+

abhängig. Eine Erhöhung dieses Ca2+-Einstroms in Gegenwart von Proctolin würde zu einer Erhöhung der Ca2+-induzierten Ca2+-Freisetzung (CICR) und damit zu einer verstärkten Kontraktion führen. Falls dieser Mechanismus auch in der Extensormuskulatur von Idotea vorliegt, könnte Proctolin einen Einstrom von Ca2+ über bisher nicht identifizierte Ca2+ Kanäle des Sarkolemmas bewirken und darüber sowohl die Ryanodin-Rezeptoren sensitivieren wie einen CICR bewirken.

Da InsP3 nicht die einzige Substanz ist, die in Muskelzellen Ca2+ aus dem SR freisetzt, wurden an der Extensormuskulatur von Idotea Messungen der ADPribosyl-Zyklase Aktivität durchgeführt.

Das Enzym ADPribosyl-Zyklase synthetisiert cADPribose und NAADP, welche in verschiedenen Zellen nach Bindung an einen Rezeptor die Freisetzung von Ca2+ aus intrazellulären Speichern induzieren (Guse, 1999; Lee, 2000). Im Vertebraten-Herzmuskel konnte gezeigt werden, dass die Aktivität der ADPribosyl-Zyklase auch durch extrazelluläre Peptide reguliert werden kann (Higashida et al., 2000). So erhöht das Peptid Angiotensin II die Aktivität der ADPribosyl-Zyklase in Herzmuskelzellen neugeborener Ratten um 40-90 % und stimuliert damit die Synthese von cADPribose. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass β-adrenerge Rezeptoren der Herzmuskelzellen über ein G-Protein an die membranständige ADPribosyl-Zyklase gekoppelt sind und nach deren Stimulation eine Erhöhung der cADPribose-Konzentration gemessen werden kann (Higashida et al., 1999). Auch das Neuropeptid Proctolin könnte in den Extensormuskelfasern von Idotea die Aktivität der ADPribosyl-Zyklase verstärken und über eine erhöhte Konzentration von cADPribose und NAADP eine Ca2+-Freisetzung aus intrazellulären Speichern auslösen.

Eine Aktivität der ADPribosyl-Zyklase wurde in Muskelzellen von Invertebraten schon gemessen.

In SR-enthaltenden Homogenaten des quergestreiften Schließermuskels der Muschel Pecten jacobaeus lag die durch eine spezielle Fluoreszenz-Methode gemessene Aktivität der ADPribosyl-Zyklase bei 2,75 ± 0,3 (SE) nmol cGDPribose/min mg Protein (Panfoli et al., 1999). Wurden nach der gleichen Methode aus den Extensormuskelfasern von Idotea SR-haltige Muskelhomogenate hergestellt und die ADPribosyl-Zyklase Aktivität in gleicher Weise fluorimetrisch gemessen, wurde jedoch keine Aktivität der ADPribosyl-Zyklase beobachtet (Abb. 21). Wäre die Aktivität

man nach 10 Minuten einen Anstieg der Fluoreszenz um etwa 67 Einheiten beobachten müssen.

Die Fluoreszenz nahm jedoch nach Zugabe des Substrats zum Idoteen-Muskelhomogenat nicht zu. Somit war unter diesen Bedingungen in den Muskelhomogenaten von Idotea, wie auch in den untersuchten Muskelhomogenaten der Extensormuskulatur von Procambarus keine ADPribosyl-Zyklase aktiv. Auch in Membranen anderen Zellen, wie speziellen Eileiterzellen chinesischer Hamster, wurde unter vergleichbaren Bedingungen keine Aktivität der ADPribosyl-Zyklase beobachtet (Higashida et al., 1999). Ebenfalls bestätigt die Durchführung von Kontrollmessungen mit der von der Firma Sigma erworbenen Aplysia ADPribosyl-Zyklase, dass mit der in dieser Arbeit verwendeten Methode die erwartete Aktivität des Enzyms tatsächlich gemessen werden kann. Das aus der Meeresschnecke Aplysia isolierte Enzym hat nach der Literatur eine Aktivität von 62,3 ± 19,0 (SE) µmol cGDPribose/min mg Protein (Lee & Aarhus, 1991). Bei den hier durchgeführten Kontrollen zeigt die Aplysia ADPribosyl-Zyklase eine durchschnittliche Aktivität von 73,3 ± 25,1 (SD) µmol cGDPribose/min mg Protein (Abb. 20), was in etwa dem Literaturwert entspricht.

Um eine möglicherweise doch vorhandene ADPribosyl-Zyklase in den Muskelhomogenaten von Idotea zu stimulieren, wurden aus der Literatur bekannte Aktivatoren des Enzyms wie GTP, cAMP, MgCl2 (Morita et al., 1997; Higashida et al., 1999) eingesetzt. Auch nach Inkubation der Membranen mit diesen Substanzen wurde keine ADPribosyl-Zyklase Aktivität gemessen. Dies lässt darauf schließen, dass das Enzym in der Extensormuskulatur von Idotea entweder nicht expremiert wird oder aber erst unter anderen Bedingungen aktivierbar ist. Durch die Stimulation mit dem Neuropeptid Proctolin konnte ebenfalls keine ADPribosyl-Zyklase Aktivität gemessen werden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Proctolin in der Extensormuskulatur von Idotea nicht über die Aktivierung der ADPribosyl-Zyklase und über eine intrazelluläre Ca2+-Freisetzung durch cADPribose und/oder NAADP wirkt.

Die beobachtete Verstärkung der Koffein-Kontrakturen durch die Wirkung von Proctolin wird mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht über die sekundären Botenstoffe cADPribose und NAADP vermittelt. Ebenfalls konnte keine Beteiligung von InsP3 am Proctolin-Effekt gefunden werden.

Aufgrund der wegen der fehlenden Positivkontrolle unklaren Ergebnisse bei den Messungen der Inositolphosphate, sollte nun der zweite Wirkungsmechanismus der PLC-Signalkaskade, der PLC-DAG-PKC-Weg, näher untersucht werden.