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4.2. Intrazelluläre Signalwege der proctolinergen Modulation

4.2.1. Der Adenylatzyklase-cAMP-PKA-Weg

Elektrophysiologische Untersuchungen mit einem cAMP-Analogon und dem Proteinkinase-Inhibitor H7 gaben erste Hinweise darauf, dass die Effekte von Proctolin auf die Membrankanäle der Extensormuskulatur von Idotea möglicherweise durch cAMP und PKA vermittelt werden (Erxleben et al., 1995; Rathmayer et al, 2002b). Dabei könnte die durch cAMP aktivierte PKA, wie in der Vertebraten-Herzmuskulatur, die spannungsabhängigen L-Typ Ca2+ Kanäle phosphorylieren und so deren Öffnungswahrscheinlichkeit erhöhen (Campbell & Strauss, 1995;

Keef et al., 2001). Auch eine durch cAMP/PKA-induzierte Phosphorylierung spannungsunabhängiger K+ Kanäle, wie dies aus Aplysia Neuronen bekannt ist (Siegelbaum et al., 1982), könnte die Erklärung für das beschriebene Schließen der K+ Kanäle sein (Erxleben et al., 1995).

Direkte Messungen der cAMP-Konzentration nach Stimulation der Idoteen-Muskelfasern mit Proctolin haben jedoch ergeben, dass Proctolin die Konzentration von cAMP in der Extensormuskulatur von Idotea nicht signifikant verändert (Abb. 11). Auch nach unterschiedlichen Stimulationszeiten (von 20 Sekunden bis 15 Minuten), bei Einsatz unterschiedlicher Proctolin-Konzentrationen (10-5 M, 10-6 M, 10-9 M) und in Gegenwart oder Abwesenheit des Phosphodiesterase-Hemmstoffs IBMX können nach Proctolin-Stimulation keine gegenüber den Kontrollen signifikant veränderten cAMP-Konzentrationen gemessen werden (Abb. 12-14). IBMX alleine erhöht jedoch die intrazelluläre cAMP-Konzentration der Muskelfasern, was auch schon in anderen Crustaceen-Präparaten gezeigt werden konnte (Goy et al., 1984). Dies lässt darauf schließen, dass in der Extensormuskulatur von Idotea cAMP-spezifische Phosphodiesterasen vorhanden sind, Proctolin jedoch keinen Einfluss auf diese Signalkaskade hat.

Die Abnahme der cAMP-Konzentration über die Zeitdauer zwischen Präparation und Messung, die in den Experimenten beobachtet wurde, kann durch die Abwesenheit von Neuromodulatoren, die im lebenden Tier freigesetzt werden und die cAMP-Konzentration in den Fasern aufrecht erhalten, erklärt werden. Ein solcher Neuromodulator, dessen Rezeptor an die intrazelluläre Adenylatzyklase gekoppelt ist, ist das Octopamin (Lange & Nykamp, 1996). Von Arbeiten mit Insekten ist bekannt, dass die Konzentration von Octopamin in der Hämolymphe durch Stresseinwirkungen und während bestimmter physiologischer Zustände, in denen sich die Tiere befinden, stark ansteigt (Davenport & Evans, 1984; Harris & Woodring, 1992). Auch in der Extensormuskulatur von Idotea erhöht Octopamin die Konzentration von cAMP signifikant.

Somit könnte endogen abgegebenes Octopamin kurzzeitig den intrazellulären cAMP-Spiegel nach der Präparation erhöhen und aufrecht erhalten. Mit der Zeit sinkt jedoch die endogene Octopamin-Konzentration im Präparat ab und es entsteht weniger cAMP.

Octopamin erhöht in der Extensormuskulatur von Idotea die Konzentration von cAMP signifikant um den Faktor 2,9 und in Anwesenheit von IBMX um den Faktor 8,2 (Abb. 11, Abb. 13). Eine dreifache Erhöhung der cAMP-Konzentration durch Octopamin konnte ebenfalls in der Eileitermuskulatur von Locusta migratoria gemessen werden. In diesem Muskel ist nach einer Stimulation von 5 Minuten mit Octopamin und in Anwesenheit von IBMX die intrazelluäre cAMP-Konzentration um das 20fache erhöht (Lange & Orchard, 1986; Nykamp & Lange, 2000).

Der Unterschied in der Erhöhung der cAMP-Konzentration durch Octopamin in Anwesenheit von IBMX liegt zum einen sicher an den unterschiedlichen Muskeltypen und zum anderen daran, dass die Eileitermuskulatur 2 Minuten länger stimuliert wurde und sich so mithilfe von IBMX mehr cAMP ansammeln konnte. Auch in Herzmuskeln und in anderen Skelett- und glatten Muskeln von Arthropoden erhöht Octopamin signifikant die intrazelluläre cAMP-Konzentration (Goy et al., 1984; Lange & Orchard, 1986; Groome & Watson III, 1989).

In der Eileitermuskulatur von Locusta konnte weiterhin gezeigt werden, dass durch die Wirkung von Proctolin (10-9 M) die durch Octopamin (5x10-6 M) erhöhte cAMP-Konzentration um 60 % reduziert wurde (Nykamp & Lange, 2000). Ein solches Zusammenspiel der beiden Neuromodulatoren auf der Ebene der Adenylatzyklase und der cAMP-Konzentration scheint in der Extensormuskulatur von Idotea nicht vorhanden zu sein, da die cAMP-Konzentration nach gleichzeitiger Stimulation mit 10-5 M Octopamin und 10-9 M Proctolin im Bereich der cAMP-Konzentration nach einfacher Stimulation mit Octopamin (10-5 M) liegt (Abb. 11). Die in der

10-8 M Proctolin, konnte durch den α-adrenergen Rezeptor Antagonisten Phentolamine blockiert werden (Nykamp & Lange, 2000). Daraus schließen die Autoren, dass die Erhöhung der cAMP-Konzentration nicht durch Proctolin selbst, sondern durch neuronal freigesetztes Octopamin ausgelöst wurde.

Wie in der Extensormuskulatur von Idotea wurde auch in einem Extensormuskel der Heuschrecke Schistocerca gregaria nach Experimenten mit cAMP-Analoga davon ausgegangen, dass das Neuropeptid Proctolin auf den cAMP-Weg wirkt (Evans, 1984). Nach direkter Messung der cAMP-Konzentration konnte jedoch in diesem Muskel keine Erhöhung der cAMP-Konzentration durch Proctolin beobachtet werden (Evans & Myers, 1986). Auch in allen anderen Muskeln in denen die intrazelluläre cAMP-Konzentration nach Stimulation mit Proctolin direkt gemessen wurde, konnte keine Proctolin-induzierte Erhöhung der cAMP-Konzentration beobachtet werden (Goy et al., 1984; Groome & Watson III, 1989; Baines & Downer, 1992; Mazzocco-Manneval et al., 1998). Die in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse an den Idotea-Muskeln stehen mit diesen Befunden im Einklang.

Wurden die Extensormuskelfasern von Idotea bei einer Stimulation mit Proctolin (10-6 M) gleichzeitig mit dem Neuropeptid CCAP (10-6 M) stimuliert, wurden ebenfalls keine erhöhten intrazellulären cAMP-Konzentrationen beobachtet (Abb. 14). Präsynaptisch verstärkt CCAP die Erhöhung der Transmitterfreisetzung durch Proctolin (pers. Mitteilung S. Djokaj). Hinweise darüber, inwieweit die Peptide postsynaptisch zusammenwirken und ob das Zusammenspiel über die Adenylatzyklase und den cAMP/PKA-Weg reguliert wird, sollten diese ersten Messungen der cAMP-Konzentrationen ergeben. Auch die Stimulation der Idoteen Muskelfasern mit dem Neuromodulator 5-HT, der in manchen Arthropoden-Muskeln über die Adenylatzyklase wirkt, in anderen aber nicht (Goy et al., 1984; Lange & Orchard, 1986; Baines et al., 1990; Baines &

Downer, 1991), führt zu keiner signifikanten Erhöhung der cAMP-Konzentration in Idotea (Abb.

14). In der Extensormuskulatur von Idotea scheint auch die Wirkung von 5-HT nicht über die Adenylatzyklase und den cAMP/PKA-Weg vermittelt zu werden.

Die in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse legen nahe, dass die durch Proctolin induzierte Signalkaskade in der Extensormuskulatur von Idotea, wie auch in einigen anderen Arthropoden-Muskeln, nicht an die Adenylatzyklase und somit an den cAMP/PKA-Weg gekoppelt ist. Die Effekte von Proctolin auf die L-Typ Ca2+ Kanäle und auf K+ Kanäle in der sarkolemmalen Membran der Extensormuskulatur von Idotea (Erxleben et al., 1995) können ebenfalls durch die PKC oder die PKG vermittelt werden. Eine Phosphorylierung von L-Typ Ca2+ Kanälen durch

PKC, wie sie in der Herzmuskulatur zu beobachten ist, erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit dieser Kanäle (Keef et al., 2001). Auch eine cGMP/PKG-vermittelte Erhöhung des Einstroms von Ca2+ durch L-Typ Ca2+ Kanäle wurde in Herzmuskelzellen beschrieben (Han et al., 1998). Bei den Experimenten, bei denen an der Extensormuskulatur von Idotea gezeigt werden konnte, dass die durch Proctolin induzierte Potenzierung der Ca2+-Ströme nach Einsatz des Proteinkinase-Inhibitors H7 nicht mehr messbar war (Erxleben & deSantis, 1998; Rathmayer et al., 2002b), können die Effekte von Proctolin auf die Aktivität anderer Proteinkinase zurückgehen. Der unspezifische Proteinkinase-Inhibitor H7 hemmt nicht nur die PKA, sondern auch weitere Proteinkinasen. Die Ergebnisse der Experimente mit H7 deuten jedoch darauf hin, dass bei der Wirkung von Proctolin in der Extensormuskulatur von Idotea eine oder mehrer Proteinkinasen beteiligt sind.