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2 Rahmendaten der Hörgeschädigtenpädagogik

3.4 Lese-Evaluationsmodelle

Ausgehend von der unter 3.3 beschriebenen Modellvorstellung wird in den adaptierten Studien ein vereinfachtes Lese-Evaluationsmodell genutzt. Zunächst differenzieren Verfahren wie IALS, PISA und IGLU die Textsorten, auf die sich die Evaluationen beziehen:

IALS unterscheidet „prose literacy“, d.h. kontinuierliche Sachtexte, „document literacy“, d.h.

Dokumente, die aus schriftlichen und nicht-schriftlichen Informationen bestehen und

„quantitative literacy“, d.h. Aufgaben, die mathematische Operationen verlangen (Kirsch et al 1998).

PISA untersucht die Bereiche „[m]athematische“ und „[n]aturwissenschaftliche Grundbildung“ (Baumert et al. 2001, 23) sowie „Lesekompetenz“, die sich auf

„kontinuierliche“, „nichtkontinuierliche“ und „literarische Texte“ bezieht (Artelt &

Schlagmüller 2004, 178).

IGLU heißt im internationalen Kontext PIRLS85 und untersucht als internationale Vergleichsstudie nur die Lesekompetenz, die auf zwei Textsorten bezogen wird: „literarischer Text“ und „Informationstext“ (Bos et al. 2003, 90f.). Es gibt jedoch eine deutschlandspezifische Erweiterung mit Untersuchungen zu „Mathematik, Naturwissenschaften, Rechtschreiben und Aufsatz“ (Lankes et al. 2003, 7).

In der vorliegenden Arbeit wird der Bereich der „quantitative literacy“ bzw. der mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundbildung nicht berücksichtigt, sondern nachvollzogen, wie sich die Beschreibungsmodelle des Lesens in rein oder teilweise schriftlichen Texten über die verschiedenen Studien entwickeln und auf welches wissenschaftliche Rahmenmodell sie zurückzuführen sind. In der theoretischen Modellierung wird die Lesekompetenz in verschiedene Teilkompetenzen untergliedert, die die Subskalen zu der übergeordneten Lesekompetenzskala darstellen. Diese Modellierung ist bereits bei der IALS-Vorläuferstudie YALS für den Bereich der „prose literacy“ ausgeführt (Kirsch et al.

1998, 109) und von PISA und IGLU adaptiert worden: Bei YALS wird die „prose literacy“ in drei Teilbereiche unterschieden: „Finden von Informationen“, 86 „Erstellen und Interpretieren von Texten“87 und „Generieren des Themas“.88 Die drei Teilbereiche dienen als Subsklalen der Lesekompetenz und bilden die verschiedenen Stufen des mentalen Modells nach. Die Aufgaben zum „Finden von Informationen“ können als Überprüfung des textbasierten

85 „Progress in International Reading Literacy Study“.

86 „Matching literal and corresponding information”, auch: „matching information in a question or directive with literal or corresponding (synonymous) information in a piece of text” (Kirsch et al. 1998, 109).

87 „Producing and interpreting text“

88 „Generating theme“

Prozesses der Lesekompetenz, also der propositionalen Textbasis und lokaler Kohärenzbildungen, gesehen werden. Die Aufgaben zum „Interpretieren“ und „Generieren eines Themas“ beziehen sich auf wissensbasierte Prozesse und erfassen die Inferenzbildung, die Bildung einer Makrostruktur und einer globalen Textrepräsentation.

PISA organisiert das theoretische Lesekompetenzmodell nach einer ähnlichen Struktur, unterscheidet aber fünf Teilbereiche (Artelt et al. 2001, 82ff.): „Informationen ermitteln“,

„Ein allgemeines Verständnis des Textes entwickeln“, „Eine textbezogene Interpretation entwickeln“, „Über den Inhalt des Textes reflektieren“ und „Über die Form des Textes reflektieren“. Die ersten drei Bereiche gelten als textbasiert, während die letzten beiden Bereiche unter Nutzung externen Wissens bearbeitet werden. Im praktischen Evaluationsmodell werden diese fünf Bereiche auf drei Subskalen reduziert: Die beiden Teilbereiche „Ein allgemeines Verständnis des Textes entwickeln“ und „Eine textbezogene Interpretation entwickeln“ werden als Subskala „Textbezogenes Interpretieren“

zusammengefasst und die beiden Teilbereiche „Über den Inhalt des Textes reflektieren“ und

„Über die Form des Textes reflektieren“ stellen die Subskala „Reflektieren und Bewerten“

dar.

Abb. 14 zeigt die Modelle der beiden Studien im Vergleich: Mit der Subskala „Informationen ermitteln“ in PISA ist ähnlich wie bei YALS ein Evaluationsbereich vertreten, der eindeutig auf der untersten Ebene des Textverstehens angesiedelt ist, sowie zwei Bereiche, die höhere Strukturmerkmale erfassen.

YALS „prose literacy“ PISA (Theorie) PISA (Praxis)

Finden von Informationen Informationen ermitteln Informationen ermitteln Ein allgemeines Verständnis des

Textes entwickeln Erstellen und Interpretieren

von Texten

Eine textbezogene Interpretation entwickeln

Textbezogenes Interpretieren

Über den Inhalt des Textes reflektieren

Generieren des Themas

Über die Form des Textes reflektieren

Reflektieren und Bewerten

Abb. 14: Lesekompetenzmodell der YALS-Studie und der PISA-Studie

Das Evaluationsmodell und die daraus folgenden Subskalen der Lesekompetenz der IGLU-Studie sind in Abb. 15 zu sehen. Auch hier werden klar text- von wissensbasierten Prozessen getrennt, so dass in der Analyse beide Bereiche als Subskalen fungieren können (Bos et. al 2003, 75ff.).

IGLU (Theorie/Praxis) IGLU (Theorie) IGLU (Praxis)

Abb. 15: Lesekompetenzmodell der IGLU-Studie

Für die Normierung der Aufgaben bilden alle bisher beschriebenen Studien (YALS, IALS, PISA und IGLU) eine metrische Schwierigkeitsskala, auf der die einzelnen Aufgaben einem Punktwert zugeordnet werden. Während für PISA diese Skalierung mit einer zufälligen Teilstichprobe ermittelt worden ist (Baumert et al. 2001, 51), wird bei IGLU die gesamte Stichprobe an der Kalibrierung der Aufgaben beteiligt, nach teilnehmenden Ländern gleichmäßig gewichtet (Martin et al. 2003, 160). Auf der Skalierung aufbauend werden bei IALS, PISA und IGLU fünf „Kompetenzstufen“ etabliert (Shillington 1998, 194; Artelt et al.

2001, 89; Bos et al. 2003, 88ff.). Sie haben zunächst nur den statistischen Aussagewert einer Schwierigkeitsstufe, werden aber mit einer inhaltlichen Bestimmung gefüllt: So verläuft bei IGLU die Kompetenzstufe I von 375 bis 450 Punkten und wird mit der Kompetenz „Gesuchte Wörter in einem Text erkennen“ gleichgesetzt. In der Modellierung von PISA und IGLU ergibt sich deshalb ein Raster, in dem jede Aufgabe einerseits einer Subskala (Teilkompetenz des Lesens) zugeordnet wird, andererseits einer inhaltlich gefassten, aber statistisch gefundenen Kompetenzstufe. Für IGLU ist diese Struktur in Abb. 16 als Raster dargelegt und mit Beispielaufgaben gefüllt, zu denen sowohl der Punktwert als auch die Subsklala veröffentlicht worden sind und der dahinter liegende Entscheidungsprozess erläutert wird89 (Bos et al. 2003, 90f.; Gonzalez & Kennedy 2001). Die Struktur von PISA ist in ähnlicher Form darstellbar, nur mit anderen Subskalen und einer anderen Einteilung der Kompetenzstufen.

89 Diese Angaben müssen aus verschiedenen Quellen zusammengetragen werden und sind nur für acht

Beispielfragen vollständig zu finden. Für den in der vorliegenden Arbeit gewählten Text „Mäuse auf dem Kopf“

sind die Zuordnung zu den Kompetenzstufen nicht veröffentlicht worden, weshalb in der eigenen Analyse von den Subsklalen und den Lösungswahrscheinlichkeiten der Aufgaben ausgegangen wird.

Textimmanente

375–450 I „Gesuchte Wörter in einem Text erkennen“

526–600 III „Implizit im Text enthaltene

Abb. 16: Aufgabenstruktur der IGLU-Studie

Aus dieser Struktur ergibt sich eine gewisse Konkurrenz der beiden Beschreibungsebenen, da die als Kompetenzstufen gefassten Schwierigkeitsintervalle und die Subskalen, also die Kompetenzbereiche des Lesens, mit ähnlichen Begriffen beschrieben werden. Eine Aufgabe wie „Papageientaucher 3“, die zur Subskala „Erkennen & Wiedergabe explizit angegebener Informationen“ und zur Kompetenzstufe I („Gesuchte Wörter in einem Text erkennen“) gehört, ist in ihrer theoretischen Modellierung evident. Genauso verhält es sich mit einer Aufgabe wie „Hase 10“,90 die der Subskala „Begründete komplexe Schlussfolgerungen

90 Das lässt sich auch an den Fragen und ihrer inhaltlichen Beschreibung sehen (alle Textbeispiele aus Bos et al.

2003, 86f.): In „Papageientaucher 3“ muss eine Information in dem Text gefunden werden (Frage: „Weshalb kommen die Papageientaucher zu Insel?“ – Textstelle: „(...) kehren sie zurück (...), um Eier zu legen (...)“), weshalb die obige Zuordnung zur einfachsten Kompetenzstufe und der entsprechenden Subskala überzeugend ist. In „Hase 10“ (Frage: „Beschreibe, wie sich der Löwe und der Hase unterscheiden und an welchem Verhalten sich dieses jeweils zeigt?“ Antwort in etwa: Hase ist ängstlich, weil er wegläuft, und Löwe mutig, weil er das nicht tut) ist die interpretatorische Leistung deutlich und die Beschreibung, es müsse „das Verhalten der Akteure

ziehen; Interpretieren“ und der Kompetenzstufe III („Implizit im Text enthaltene Sachverhalte“) zugeordnet wird. Anders sieht es bei Aufgabe „Hase 6“, die der Kompetenzstufe I („Gesuchte Wörter in einem Text erkennen“) und der Subskala

„Begründete komplexe Schlussfolgerungen ziehen; Interpretieren“ zugewiesen ist. Es ist unklar, wie eine Aufgabe zwei so unterschiedliche Teilaspekte des Lesens evaluieren kann.91 Ähnlich gelagert ist die Zuordnung von „Papageientaucher 2“ zur Subskala „Erkennen &

Wiedergabe explizit angegebener Informationen“ und der Kompetenzstufe III („Implizit im Text enthaltene Sachverhalte“). Auch diese beiden Bereiche können eigentlich nicht in einer Frage miteinander kombiniert werden.92

Soweit es sich also aus den wenigen veröffentlichen Beispielaufgaben93 entnehmen lässt, gibt es einen Widerspruch zwischen inhaltlicher Beschreibung der Kompetenzstufen und den Subskalen des Lesens. Er kann nur dadurch aufgehoben werden, dass eine der beiden Beschreibungen als dominierend erachtet wird. Voss et al. (2005, 27ff.) führen eine Überprüfung des IGLU-Rahmenmodells mithilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse durch und bevorzugen ein Erklärungsmodell, bei dem die Textgattungen im Mittelpunkt stehen und von den Subskalen nur „Prüfen & Bewerten bei literarischen Texten“ einen hohen Erklärungswert hat. Wenn man die Textsorten unbeachtet lässt, ist ein Modell, das nur zwischen textimmanenten und wissensbasierten Aufgaben unterscheidet, zutreffender als eine Unterscheidung in die vier Subskalen bzw. Teilprozesse des Lesens (Voss et al. 2005, 31).

Dass die Teilprozesse des Lesens relativ wenig zur Aussagekraft des Gesamtmodells

erschlossen werden“ (Bos et al. 2003, 89), zutreffend. Dies wiederum passt zur Kompetenzstufe III und der wissensbasierten Subskala.

91 In der Aufgabe „Hase 6“ muss von einer direkten Rede auf ihren Sprecher geschlossen werden (Frage: „Wie fühlte sich der Hase (...)?“ Textstelle: „’Was war ich bloß für ein dummer Hase’“ [Herv. i. Org.]). Zu der Aufgabe wird erläutert: Es „gelingt die Lösung, wenn man die emotionale Situation nachvollziehen kann und entsprechend das im Text hervorgehobene Wort ‚dumm’ erkennt“ (Bos et al. 2003, 89). Dass für die

Beantwortung dieser Frage tatsächlich eine empathische Interpretation notwendig ist, kann jedoch so nicht vorausgesetzt werden. Den SchülerInnen genügt im Zweifelsfall das Finden des unterstrichenen Wortes, also eine textimmanente Verstehensleistung.

92 In „Papageientaucher 2“ muss eine Information aus dem Text entnommen werden, die eigentlich nicht als

„implizit im Text enthalten“ betrachtet werden kann, sondern recht explizit ist (Frage: „Wo verbringen die Papageientaucher den Winter?“ – Textstelle: „Sie kommen gerade von hoher See zurück, wo sie den Winter verbracht haben“ oder „(...), wie sie sich aufmachen, um den Winter auf See zu verbringen“), so dass die Einschätzung, es müsse „aus zwei Textstellen generalisierend geschlossen werden, wo die Vögel den Winter verbringen“ (Bos et al. 2003, 89), die Strategien von SchülerInnen in diesem Fall wohl nicht zutreffend beschreibt, sondern auch hier das Finden einer Textstelle zur Antwort genügt.

93 Aufgrund der acht veröffentlichten Beispielaufgaben kann über die Gewichtung beider Beschreibungsebenen nicht genauer entschieden werden. Dies gilt insbesondere, da eine der Aufgaben, „Papageientaucher 10“

(R011N10M) in der deutschen Erläuterung dem Punktwert „606“ und somit der Kompetenzstufe IV „Mehrere Textpassagen sinnvoll miteinander in Beziehung setzen“ sowie der Subskala „Textimmanente

Verstehensleistung“ zugeordnet wird (Bos et al. 2003, 90), in den technischen Erläuterungen der Gesamtstudie jedoch dem Leseprozess „Interpret and Integrate Ideas and Information“ (Gonzalez & Kennedy 2001). Hier liegt ein Widerspruch vor, da dieser Prozess als „Begründete komplexe Schlussfolgerungen ziehen; Interpretieren“

zur Subsklala „Wissensbasierte Verstehensleistung“ gehört (Bos et al. 2003, 85), so dass eine der acht Beispielaufgaben nicht zur Analyse herangezogen werden kann.

beitragen, könnte auch auf den oben beschriebenen immanenten Widerspruch in der Aufgabengestaltung zurückzuführen sein.

Für die vorliegende Adaption der IGLU-Aufgabe werden zum Vergleich der eigenen Daten von hörgeschädigten SchülerInnen mit der hörenden IGLU-Stichprobe die Lösungswahrscheinlichkeiten der einzelnen Aufgaben herangezogen94 und dann in einer differenzierten qualitativen Analyse auf die Modellierung der Aufgaben nach den Subskalen, den darin enthaltenen Leseprozessen und den Beschreibungsebenen der mentalen Modelle eingegangen.

Die nationalen Vergleichsarbeiten überführen die zweidimensionale Struktur von PISA und IGLU in eine eindimensionale Skala, in der Aufgabenschwierigkeiten und inhaltliche Anforderungen innerhalb eines Fähigkeits- oder Kompetenzniveaus zusammengefasst werden: So geht das Projekt VERA (2005b, 5) von einem Modell aus, in dem hierarchieniedrige Verarbeitungsprozesse, wie das „Erkennen von Einzelinformationen“, das Verstehen lokal beschränkter „Textstellen“ und das Ziehen „[e]infacher Schlussfolgerungen“, zum „Fähigkeitsniveau 1“ der „[e]lemetare[n] Fähigkeiten“ zusammengefasst werden, während das „Fähigkeitsniveau 2“ die Bildung von Kohäsionsprozessen beschreibt und das

„Fähigkeitsniveau 3“ wissensbasierte Prozesse in der Aneignung des Textgegenstands evaluiert (Abb. 17).

VERA (Theorie) VERA (Praxis) Erkennen von Einzelinformationen Beurteilung von Texten (auch formal)

Fähigkeitsniveau 3: Fortgeschrittene

Fähigkeiten: Komplexere Schlussfolgerungen ziehen

Abb. 17: Lesekompetenzmodell der VERA-Deutscharbeit 2005

In ähnlicher Form geht das ISB (2004a, 2) bei der Orientierungsarbeit für die zweite Klasse vor, die in Kap. 8 der vorliegenden Arbeit im Zusammenhang der bilingualen Klasse

94 Die Wahl für das Beschreibungsmodell in PISA und IGLU erfolgt primär aufgrund von statistischen Erwägungen: Verwendet wird das statistische Modell der „Item Response Theory“ (Kunter et al. 2002, 27ff.), dem die Annahme der lokalen stochastischen Unabhängigkeit zugrunde liegt, wonach die Ergebnisse innerhalb einer Teilaufgabe nicht von den Ergebnissen innerhalb der anderen Teilaufgaben abhängt (Schnell et al. 1995, 191). Wegen dieses Modells müssen nicht alle SchülerInnen mit allen Aufgaben evaluiert werden und können dennoch einem Zahlenwert zugeordnet werden (Jablonka 2006, 171). Studien mit vollständigen Stichproben zu allen Aufgaben können hingegen auch durch die Lösungswahrscheinlichkeit beschrieben werden.

berücksichtigt wird. Dazu werden die vier Subskalen der IGLU-Studie explizit als Ausgangspunkt genommen, jedoch zu vier Kompetenzniveaus umgewertet. In einer weiteren modellhaften Vereinfachung werden die drei schwierigeren Kompetenzniveaus zu einer Evaluationskategorie zusammengefasst (Abb. 18). Damit stimmt dieses Modell weder mit dem der IGLU-Studie überein noch bildet es die unter 3.3 beschriebenen grundlegenden mentalen Modelle ab. Die beiden Ebenen in ISB (2004a, 2) unterteilen sich nämlich nicht in text- und wissensbasierte Prozesse, sondern die erste Ebene beschreibt nur den hierarchieniedrigsten Prozess des Lesens, während alle hierarchiehöheren text- und wissensbasierten Prozesse auf der zweiten Ebene angesiedelt sind.

OE (Theorie) OE (Praxis) Kompetenzniveau 1: Erkennen und Wiedergeben

explizit angegebener Informationen Ebene I: Entnahme expliziter Information Kompetenzniveau 2: Einfache Schlussfolgerungen

ziehen

Kompetenzniveau 3: Komplexe

Schlussfolgerungen ziehen und begründen / Interpretieren des Gelesenen

Kompetenzniveau 4: Prüfen und Bewerten von Sprache, Inhalt und Textelementen (Metaebene)

Ebene II: Schlussfolgerungen aus dem Text ziehen

Abb. 18: Lesekompetenzmodell der Orientierungsarbeit (OE) 2003/04

Die Modelle haben bereits Eingang in die Bildungsstandards gefunden, etwa für das Fach Deutsch am Ende der vierten Klasse (KMK 2004, 17): Dort werden drei Anforderungsbereiche für das Bearbeiten von Beispielaufgaben genannt und zwar

„Wiedergeben“, „Zusammenhänge herstellen“ und „Reflektieren und beurteilen“. Auch wenn darauf verwiesen wird, dass „Anforderungsbereiche (...) nicht aus empirisch validierten Testverfahren, sondern aus der beruflichen Erfahrung von Lehrkräften und einschlägigen Aufgabenformaten“ resultierten (KMK 2004, 17), so sind sie stark von den Bildungsstudien zur Lesekompetenz beeinflusst.

In der Erfassung der Lesekompetenz zeigt sich eine Tradition von Testmodellen, die sich auf ähnliche Grundlagen stützen, in der konkreten Modellierung jedoch den jeweiligen evaluationspraktischen Erwägungen folgen. Die Ähnlichkeiten zwischen den Modellen sind in der Kategorie des Findens einfacher bzw. eindeutiger Informationen am größten, die in allen Modellen als Überprüfung des semantischen propositionalen Gehalts des Textverständnisses verstanden werden kann. Alle Modelle fassen höher anzusiedelnde Aspekte des Verarbeitungsprozesses, indem sie Kohäsionsbildung, Inferenzbildungen und die Etablierung einer Makrostruktur abbilden. Aufgrund der deutlichen Unterschiede in den

Teilkompetenzen der aufgeführten Studien ist nur bedingt ein gemeinsames Verständnis von Lesekompetenz zu erkennen. Die Verschiedenartigkeit der Konzeptionen innerhalb der internationalen Studien und Vergleichsarbeiten führt vermutlich zu Unterschieden in der Aufgabenstellung, die nicht ohne Einfluss auf die Ergebnisse bleiben können, was bei einem Vergleich verschiedener Studien zur Lesekompetenz berücksichtigt werden muss.