• Keine Ergebnisse gefunden

2.2 Nationale und internationale Berichterstattungssysteme

2.2.5 Integrierte Berichterstattung

2.2.5.4 Kritik und Perspektiven

zukunftsfähigeren Konstellation beschreiben. Das Projekt knüpft an das in den 70er Jahren von Richard Stone für die Vereinten Nationen entwickelte System of Social and Demographic Statistics sowie die in einigen europäischen Ländern verwendeten Sozialrechnungsmatrizen an.189

Inhalt des sozio-ökonomischen Berichtssystems soll die gesamte Bevölkerung einer Region mit allen ihren Aktivitäten sein. Die Aktivitäten werden durch die dafür aufgewendete Zeit, Mengen sowie Finanzen charakterisiert. Input-Output-Tabellen, wie sie im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verwendet werden, bilden die Grundlage für das Berichtssystem. Sie sollen jedoch wesentlich erweitert werden, um Personen in schwierigen Lebenslagen – Alleinerziehende, kranke und pflegebedürftige Personen, Obdachlose, Sozialhilfeempfänger, Personen in Heimen und Gefängnissen – abbilden zu können. Dazu werden verschiedene Statusmerkmale, wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Ausbildungsniveau, Gesundheitszustand, Beteiligung am Erwerbsleben und die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen aufgenommen. Schließlich sollen auch physische Vorgänge der Menschen, wie Ernährungs- und Stoffwechselvorgänge und die unmittelbaren Auswirkungen dieser, wie Anfall von Hausmüll, Abwässern sowie Luftemission durch Heizung und Nutzung von privaten Pkw einbezogen werden.190

Eine besondere methodische Herausforderung stellt nicht die Abbildung der sozio-ökonomischen Aktivitäten der Bevölkerung zu einem bestimmten Stichtag dar, sondern die Darstellung der Übergänge von einer Lebensphase (Veränderungen des Familienstandes, des Bildungs- und Einkommensniveaus; passiver und aktiver Lebenszyklus) in eine andere. Obwohl bereits auf einige methodische Erfahrungen im Zusammenhang mit den Bevölkerungsprognosen, der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der umweltökonomischen Berichterstattung zurückgegriffen werden kann, müssen erhebliche Forschungsaktivitäten investiert werden, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden und das Modell in die Praxis zu überführen. Angedacht ist bei knapper werdenden Mitteln für die sozio-ökonomische Forschung die Kooperation der an diesem Themenkreis arbeitenden und die Bildung eines Forschungsverbundes.191

1. Kritische Betrachtung zur Struktur der IBE:

Berichterstattungssysteme werden parallel zur Implementierung der Programme entwickelt. Geht man allein von der Entwicklung des Instruments Berichterstattungssystem aus, muss für integrierte Programme von Beginn an eine lange Laufzeit kalkuliert werden. Die verschiedenen Phasen der Entwicklung einer adäquaten Berichterstattung – Aufstellung wissenschaftlicher Kriterien, Prüfung des Vorhandenseins geeigneter Daten und/oder die Erhebung von Daten für die Messung einer nachhaltigen Entwicklung und letztlich der eigentliche Aufbau der Berichterstattung – müssen realisiert sein, bevor konkrete Ziele aufgestellt werden und Maßnahmen initiiert werden.

Viele Initiativen und Programme laufen in den Ländern und Kommunen parallel (z.B. in Berlin Agenda 21, Gesunde Städte), die Abstimmung auch hinsichtlich der Berichterstattung bleibt unbefriedigend. Ursachen sind unterschiedliche Ressortanbindung und unterschiedliche politische Interessen. Für jedes einzelne integrierte Programm sind für die Entwicklung und den Aufbau eines Berichtssystems personelle und institutionelle Kapazitäten erforderlich, es müssen wissenschaftliche und technologische Voraussetzungen geschaffen werden. Hier ist vor dem Hintergrund der insgesamt knappen Ressourcen für Berichterstattung eine abgestimmte Basisvariante der Berichterstattung zu entwickeln, auf die alle in einer Region laufenden Projekte zurückgreifen können.

Integrierte Berichterstattung hat trotz unterschiedlicher Programmansätze viele Gemeinsamkeiten, das sind vor allem die Nachhaltigkeit, d.h. ein Zeit-Raum-Aspekt und der multisektorale Ansatz, d.h. die Sichtbarmachung der Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Dimensionen.

Ohne die Besonderheiten jedes einzelnen Programmansatzes zu vernachlässigen, erscheint es deshalb sinnvoll, sich über universell einsetzbare Lösungsansätze zu verständigen. Dazu gehören der Austausch von Informationen und ihre gemeinsame (öffentliche) Nutzung, die Verknüpfung elektronischer Informationssysteme bzw. die Schaffung von Schnittstellen, die Bereitstellung von Technologien und die gemeinsame Nutzung von Kapazitäten. Vereinbart werden muss die regelmäßige Pflege und Aktualisierung der Berichterstattungssysteme.

Die Umsetzung der Agenda 21 gilt hinsichtlich der Abstimmung und Arbeitsteilung zwischen den Ressorts in Deutschland als kritikwürdig. Nach Ansicht des Forums Umwelt & Entwicklung ist eine Zersplitterung der Zuständigkeiten und mangelnde Kohärenz der Entscheidungen zu beobachten. In den Kommunen fehlt häufig eine entsprechende Finanzierung der Projekte, sie ist überwiegend auf den Umweltbereich begrenzt. Die organisatorische und politische Anbindung der Agendabüros an den Umweltbereich erschwert oft die Einbindung anderer Ressorts. Zahlreiche divergierende Interessen verzögern die eingeleiteten Prozesse und den erfolgreichen Abschluss der Projekte.192

192 Wolf/Philippsen/Fehr (2001:29-30)

Beim Aufbau von Berichtssystemen sind Berichtspflichten auf internationaler, nationaler und kommunaler Ebene zu berücksichtigen.

2. Kritische Betrachtung zum Inhalt der IBE:

Kriterien für die Berichterstattung innerhalb integrierter Programme sind häufig sehr allgemein gehalten, es fehlen darüber hinaus präzise Zielwerte und Zeithorizonte. Die vorgeschlagenen Indikatoren der internationalen Programme sind nicht für alle beteiligten Länder gleichermaßen relevant. So zeigte sich beispielsweise in der Testphase der CSD-Indikatoren zur Agenda 21, dass ein Teil der Indikatoren für einzelne Länder bzw. Regionen keine Relevanz hatte oder eine Vielzahl der Indikatoren nicht verfügbar ist. Die Indikatorenliste soll deshalb durch praktische Erfahrungen der einzelnen Länder und wissenschaftliche Untersuchungen weiterentwickelt werden.193

Grundsätzlich besteht immer die Schwierigkeit für integrierte Programme ein Berichtswesen zu entwickeln, das belastbare Daten hinsichtlich regionaler und zeitlicher Aspekte enthält und Wirkungszusammenhänge aufzeigt. Die Vielzahl der zu betrachtenden Aspekte innerhalb einzelner Dimensionen - z.B. Ökonomie, Ökologie und Soziales in der Agenda 21 – darf nicht zur Unübersichtlichkeit der Berichterstattung führen. Es wird empfohlen, aggregierte Kenngrößen zu verwenden und diese gegebenenfalls durch Einzelinformationen zu ergänzen.194 Damit verbunden ist eine weitere Schwierigkeit integrierter Berichterstattung: Die

verschiedenen Adressaten und Nutzergruppen der Berichterstattung haben unterschiedliche Informationsbedürfnisse. Der administrative und politische Bereich benötigt verdichtete, überschaubare Informationen um daraus Handlungsempfehlungen oder Maßnahmen ableiten zu können, für die Öffentlichkeit müssen die Informationen allgemeinverständlich sein und die Wissenschaft fordert sehr detaillierte Daten. Dies betrifft sowohl einzelne in den integrierten Programmen enthaltene Themenbereiche als auch die Reflexion des Gesamtprogramms.195

Für den Bereich Ökologie der Agenda 21 wird eingeschätzt, dass bisher keine operationalisierten empirisch erfassten Indikatoren vorliegen, die repräsentative Aussagen zu Wirkungszusammenhängen und Belastungsgrenzen für Mensch und Natur erlauben. Derzeit fällt die Entscheidung für Indikatoren weniger aus Sicht eines wissenschaftlichen Ansatzes, sondern aus Zeit- und Kostenaspekten eher aus einem bottom-up-Verfahren heraus. Es wird auf vorhandene Einzelindikatoren zurückgegriffen, die sich häufig schlecht in ein aufzubauendes System integrieren lassen. Die eingeschränkte Belastbarkeit einzelner Indikatoren wird in einem Indikatorensystem potenziert.196

193 Baumann (2001:45)

194 Wiggering (2001:13-14)

195 Wiggering (2001:14-15)

196 Wiggering (2001:17-19)

Der Kernindikatorensatz für das Projekt „Gesundheit als integrierendes Leitziel in der Konzeption und Erprobung eines regionalen Berichtssystems nachhaltiger Entwicklung“ enthält Indikatoren, deren Datenquellen entweder nicht für alle in das Projekt einbezogenen Städte vorliegen (z.B. Lärm- und Luftbelastung sind abhängig vom Vorhandensein von Messstationen) oder noch nicht durchgängig für die Berichterstattung erschlossen sind (z.B. Selbsthilfegruppen). Für Vergleiche verschiedener Regionen sollten Indikatoren gewählt werden, die für alle aus der gleichen Datenquelle verfügbar sind. Darüber hinaus ist die Verwendung relativer Zahlen zu empfehlen.

Gender-Aspekte spielten in den Entwürfen der Dokumente zur Rio-Konferenz kaum eine Rolle. Im Rahmen zweier internationaler Konferenzen wurden die Vorstellungen einer nachhaltigen Entwicklung aus Frauensicht diskutiert. Darauf aufbauend enthält nahezu jedes Kapitel der Agenda 21 Gender-Aspekte, explizit Maßnahmen, Ziele und Forderungen, die auf eine Verbesserung der Lage von Frauen in den Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales abzielen. Für Frauen in Entwicklungsländern werden eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes und bessere Bildungschancen gefordert, global geht es um die stärkere Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen auf verschiedenen Ebenen. Ausdrücklich wird im Kapitel 6 der Agenda 21 die Durchführung von Basiserhebungen zum Thema Gesundheit und Ernährung von Frauen während ihres gesamten Lebenszyklus gefordert. Für die Berichterstattung heißt dies:

Aufbau geschlechtsspezifischer Datenbanken und Informationssysteme sowie Berücksichtigung des Lebenslagenansatzes.197

197 Wolf/Philippsen/Fehr (2001:51-54)

3 Instrumente und Methoden zur Darstellung und