• Keine Ergebnisse gefunden

2.2 Nationale und internationale Berichterstattungssysteme

2.2.3 Sozialberichterstattung

2.2.4.2 Historische Entwicklung

Entstehung von Krankheit – Pathogenese – beschäftigt. In dem Salutogenesemodell Antonovskys ist das Kohärenzgefühl (lat.: zusammenhängend, zusammenhalten, Halt haben) die entscheidende Komponente für die Gesundheit jedes Menschen. Es besteht aus drei Komponenten: Verstehbarkeit (der Welt, Zusammenhänge begreifen), Handhabbarkeit (Vertrauen, aus eigener Kraft oder mit Unterstützung Lebensaufgaben zu meistern) und Sinnhaftigkeit (es gibt Ziele, Projekte, für die es sich zu engagieren lohnt).

Das Kohärenzgefühl entscheidet darüber, ob äußere Belastungen als bedrohlicher Stress oder als Herausforderung angesehen werden. Es wird besonders in Kindheit und Jugend geformt, lässt sich jedoch lebenslang entwickeln – ein gut entwickeltes Kohärenzgefühl versetzt die Menschen in die Lage, vorhandene Ressourcen zum Erhalt ihrer Gesundheit zu mobilisieren. Die Salutogenese geht von protektiven Faktoren aus, von personalen Ressourcen. Gesundheit kann immer wieder neu erhalten und erarbeitet werden, mit Prävention werden Maßnahmen zur Erhaltung vorhandener Fähigkeiten und Funktionen ergriffen, mit der Prophylaxe Anleitung zu gesundheitsförderndem Verhalten gegeben.133

Mangel des Brods entstehen? Oder durch den Mangel der Hülfs-Mittel, der Artzeney und des Artztes, unterhalten und verbreitet werden?“136

Die institutionellen Wurzeln des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Berichterstattung über die Gesundheit der Bevölkerung Deutschlands gehen auf das Jahr 1849 zurück: In Preußen wurde ein eigenes Ministerium – das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten – für die Belange der öffentlichen Gesundheitspflege eingerichtet. 1863 wurde Hygiene zum Prüfungsfach für alle Ärzte.

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in Deutschland eine sogenannte Medizinalpolizei eingerichtet, an deren Spitze ein Stadt- bzw. Kreisphysicus stand. Sie hatte die Aufgabe, die gesundheitlichen Verhältnisse in ihrem Amtsbereich zu beobachten. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen wurden in den Physicalberichten niedergelegt, die im Laufe der Zeit systematisiert und in Formularform gebracht wurden. Der regelmäßigen Berichterstattung über Geburten, Sterbefälle und Trauungen folgten im Jahr 1874 Aufzeichnungen zu den Todesursachen.

Eine stärkere Systematisierung dieser Berichte begann 1929, als der preußische Minister für Volkswohlfahrt neue Bestimmungen über den Jahresgesundheitsbericht herausgab.

Dieser war aufgeteilt in einen Teil, der sich mit dem Medizinal- und Gesundheitswesen befasste und einem zweiten Teil für die Gesundheitsfürsorge (Sozialhygiene). 1936 wurde festgelegt, dass die Bearbeitung der Formblätter grundsätzlich durch einen Medizinalbeamten des Gesundheitsamtes zu erfolgen hat. Die damaligen Berichte befassten sich vor allem mit Daten zu den übertragbaren Krankheiten, dem Krankenhauswesen, dem Apothekerwesen, der Ortschaftshygiene (Wohnungswesen, Schulhygiene, Wasserversorgung, Abfallbeseitigung usw.) und der Nahrungsmittelhygiene. Die Angaben bezogen sich auf ausgewählte Bevölkerungsgruppen, so wurde über Fürsorge für Schwangere, Säuglinge, Kleinkinder, Schulkinder, Geschlechtskranke, Alkoholkranke, Behinderte und psychisch Kranke berichtet. Die Berichte enthielten auch Angaben über Körperpflege, Badewesen, hygienische Volksbelehrung, Ehe- und Sexualbelehrung, Tätigkeiten der Hebammen und der Gemeindekrankenpflege. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Berichterstattung beschränkt auf die Tuberkulosebekämpfung und den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung. Nach 1945 wiesen die Alliiertenkommandanturen die Gesundheitsämter an, Daten über übertragbare Krankheiten, die Tuberkulosesituation und den Ernährungszustand der Kinder zu sammeln.137

In beiden Teilen Deutschlands entstanden im Auftrag der zuständigen obersten Gesundheitsbehörden ab den 1950er Jahren Berichte über die gesundheitliche Situation der Bevölkerung.

In der ehemaligen DDR erschien jährlich „Das Gesundheitswesen der DDR“, letztmalig 1990 im 25. Jahrgang138. Darüber hinaus wurden aperiodisch sogenannte „Mitteilungen“, beispielsweise mit Sterbetafeln für die DDR oder Informationen über die stationäre

136 Süßmilch (1758) zitiert nach Fischer-Harriehausen (1989:389-390)

137 Schmitt (1991)

138 ISD (1998–1990)

Morbidität in regionaler Differenzierung herausgegeben.139 Gesundheitsberichte der ehemaligen DDR enthielten aus politischen Gründen über viele Jahre systematisch keine Informationen über Suizide, alkoholbedingte Krankheiten und vorzeitige Schwangerschaftsabbrüche. Einer breiten (Fach-)Öffentlichkeit wurden die Ergebnisse der Berichterstattung im Rahmen von Tagungen und Kongressen vorgestellt.

Die Diskussion um die Entwicklung der GBE in der ehemaligen DDR ist in der Literatur nicht systematisch dokumentiert – häufig waren es interne Materialien -, deshalb sei auf die o.g. Ergebnisse der GBE verwiesen, während für die alten Bundesländer im Folgenden der Entwicklungsprozess bis zur Gesamtdeutschen GBE dargestellt wird.

Grundlage der Berichterstattung in den alten Ländern waren die in den Jahren 1955 bis 1959 von der Arbeitsgemeinschaft der leitenden Medizinalbeamten erarbeiteten neuen Formblätter (insgesamt etwa 45) für die Jahresgesundheitsberichte, die in allen Bundesländern erstmals 1961 ihre Anwendung fanden. Das Ziel war ein jährlicher Bericht über die Tätigkeit und das Arbeitsergebnis der öffentlichen Gesundheitsverwaltung und die Datenbeschaffung für vergleichende Untersuchungen über größere Räume, für das Aufdecken zu lösender Gesundheitsprobleme und für die Erstellung verschiedener Gesundheitsprogramme. In den folgenden Jahren wurde die Berichterstattung, d.h. die Formblätter, weiterentwickelt. Kennzeichnend für die Gesundheitsberichterstattung blieb jedoch ihre Funktion des Leistungsnachweises für die Gesundheitsämter.

Die Gesundheitsberichte enthielten – dies gilt für beide Teile Deutschlands - bis Ende der 1960er Jahre keine Erläuterungen und Analysen der Daten sondern lediglich Tabellen, graphische Darstellungen, Definitionen und teilweise kurze Beschreibungen.

Anfang der 70er Jahre wurde in den alten Bundesländern diskutiert, wie den

„blindgesteuerten Systemen“ Gesundheitspolitik und Gesundheitswesen ein Orientierung gegeben werden kann. Auch die Rolle der Gesundheitsberichterstattung wurde auf den Prüfstein gestellt. Im ersten „Programm der Bundesregierung zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Gesundheitswesen“ 1976 sind die drei Begriffe Strukturforschung, Verbesserung der Transparenz und Gesundheitsberichterstattung zu finden.

1986/87 trugen die Enquete-Kommission, die Konzertierte Aktion und deren Sachverständigenrat gleichzeitig und gleichsinnig zu einer besseren Balance zwischen medizinischer, demographischer, ökonomischer und struktureller Orientierung bei. Das Stichwort „medizinische Orientierungsdaten“ setzte für die Entwicklung einer nicht nur in Kassendaten-Routinen erstickenden Gesundheitsberichterstattung ein Zeichen. Zu diesem Zweck wurde 1987 eine Forschungsgruppe Gesundheitsberichterstattung im Auftrag des Bundesministerium für Forschung und Technologie eingesetzt, die eine Bestandsaufnahme und einen Konzeptvorschlag zum Aufbau einer den veränderten Informationsbedürfnissen geeigneten Gesundheitsberichterstattung erarbeitete.140 Ziel war

139 ISD (1987) und (1989)

140 Forschungsgruppe Gesundheitsberichterstattung (1990)

die Ablösung einer weitestgehend als nutzlos eingeschätzten klassischen Medizinalstatistik durch eine lebendige, verschiedene Erkenntnisinteressen aufnehmende und vielseitig nutzbaren Gesundheitsberichterstattung. Sie sollte ein wesentlicher Baustein sein, um bei sektoralisierten und zergliederten, pluralistischen und selbstverwalteten Systemstrukturen zu einer gesundheitspolitischen Gesamtverantwortung zu kommen – das bundesdeutsche Gesundheitswesen Ende der 80er Jahre war gekennzeichnet durch genau so viele Grauzonen der Nichtverantwortlichkeit, wie durch Zonen überregulierter Teilverantwortlichkeit – deshalb galt der Gesundheitsberichterstattung als Medium, insbesondere für eine stärkere Transparenz, ein hoher instrumenteller Stellenwert.141

Gesundheitsberichterstattung sollte entsprechend einer 1987 aufgestellten Forderung des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (SVR) nicht nur eine sektorübergreifende, funktionale Bestandsaufnahme und –analyse durchführen sondern auch problematische Felder identifizieren und ihre Implementation für die Zukunft aufzeigen. Der Sachverständigenrat forderte die systematische Zusammenführung der bislang in Deutschland in verschiedenen Statistiken vorhandenen Informationen über die Gesundheitsversorgung nach den verschiedenen Teilbereichen, Krankheitsarten, Regionen und Bevölkerungsgruppen in ein Berichtssystem. Die Komplexität des aufzubauenden Gesundheitsberichtsystems soll sich an dem Berichtssystem der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung orientieren.142

Der Aufbau der Gesundheitsberichterstattung des Bundes wurde durch ein Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Bundesministeriums für Gesundheit gefördert. Als erstes Produkt des Forschungsvorhabens „Aufbau einer Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ wurde 1998 der Gesundheitsbericht für Deutschland vorgelegt. Der Bericht gibt ein umfassendes Bild vom Gesundheitssystem in Deutschland und wurde von 170 Experten und Institutionen in fünf Jahren erarbeitet. Die lange Erarbeitungsphase machte die Festlegung auf einen einheitlichen Datenhorizont (1980 bis 1995) erforderlich. Trotz der Vielzahl der behandelten Themen kann der Gesundheitsbericht nicht alle Informationsbedürfnisse der Nutzer erfüllen. Als weiteres Produkt gibt es deshalb Spezialberichte. Parallel zur Berichtsform wurde vom Statistischen Bundesamt ein Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bunde (IS-GBE) erarbeitet und 1999 der Öffentlichkeit vorgestellt. Das IS-GBE fungiert als Bindeglied zwischen den anderen Produkten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Es macht Informationen zur Gesundheit auf elektronischem Weg zugänglich und ergänzt bzw. vertieft die angebotenen Informationen.

Damit ist eine Verknüpfung zwischen Print- und Onlineprodukt gegeben. Die Gesundheitsberichterstattung wird vom Robert-Koch-Institut in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt fortgeschrieben. Die kompakte Buchform wurde aufgegeben zugunsten von Themenheften, die schneller und flexibler auf aktuelle Themen der Gesundheit reagieren können. Seit dem Jahr 2000 sind 23 Themenhefte erschienen.143

141 Prehmer (1998:83)

142 Forschungsgruppe Gesundheitsberichterstattung (1990:18-20)

143 Böhm (1999); Eberhardt/Cordes (2000); Böhm/Taubmann (2004)

Parallel zu den Aktivitäten auf der Bundesebene wurde die Gesundheitsberichterstattung der Länder weiterentwickelt. 1991 wurde der „Indikatorensatz für den Gesundheitsrahmenbericht der Länder“ von der 64. Gesundheitsministerkonferenz als Arbeitsgrundlage für die Gesundheitsberichterstattung der Länder angenommen. Die Koordinierung und Erstellung eines Pilotberichts im Jahre 1989 hatte Hamburg übernommen. Die Aufgabe des Gesundheitsrahmenberichts der Länder ist es, eine Zusammenschau von für das Gesundheitswesen bedeutsamen Bereichen zu leisten, Referenzwerte für regionale Untergliederungen der Länder zur Verfügung zu stellen und Vergleiche zwischen den Ländern zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde ein für alle Länder verbindlicher Pflichtteil des Gesundheitsrahmenberichts definiert, der auf möglichst einheitlicher Datenerhebung, Datenverarbeitung und Berichterstattung beruht.

Der Indikatorensatz wurde erstmals in den Jahren 1994/95 überarbeitet, es wurden Veränderungen auf Grund der Erfahrungen der Länder sowie veränderte gesetzliche Grundlagen eingearbeitet. Politische Forderungen nach höherer Transparenz über die gesundheitliche Lage und das Ausmaß sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit, einer besseren Übersicht über das Gesundheitsverhalten sowie eine größere Leistungs- und Kostentransparenz begründeten die im Jahr 2000 von der Arbeitsgruppe GBE der Arbeitsgemeinschaft Oberster Landesgesundheitsbehörden (AOLG) begonnene grundsätzliche Überarbeitung des Indikatorensatzes. Neu erschlossene Datenbestände z.B.

zur Pflegestatistik und zur ambulanten Morbidität sowie die Umstellung aller diagnosebezogenen Statistiken von der ICD-9 auf die ICD-10 waren weitere Begründungen zur notwendigen Überarbeitung des Indikatorensatzes der Länder. Die Systematisierung der Indikatoren wurde an den Standards der Indikatorensätze der WHO, OECD und der EU ausgerichtet. Grundsätzlich wurde der Gender-Aspekt bei der Überarbeitung des Indikatorensatzes als Kriterium berücksichtigt. So werden von 189 Indikatoren 147 geschlechtsspezifisch untergliedert, das entspricht 78 %. Auf nationaler Ebene erfolgte eine Abstimmung zwischen den auf der Bundesebene zuständigen Institutionen für die Gesundheitsberichterstattung (Statistisches Bundesamt, Robert-Koch-Institut) und den Ländern sowie mit den Datenhaltern. Die neu bearbeitete Fassung des Indikatorensatzes wurde 2003 von der AOLG angenommen und dient damit als neue Grundlage für die Gesundheitsberichterstattung der Länder.

Die im Indikatorensatz verwendeten Indikatoren werden nach Determinanten (z.B.

Gesundheitsverhalten, Umweltfaktoren), Ergebnisindikatoren (z.B. Inzidenz, Behandlungsergebnis, Tod) und Prozessindikatoren (z.B. stationäre Behandlung, Verweildauer, ärztliche Konsultationen) unterschieden. Eine neue Qualität stellt die jeden Indikator ergänzende Metadatenbeschreibung dar, sie umfasst die Definition und Bedeutung des Indikators, Datenhalter und –quelle, Periodizität, Validität der Daten (Qualitätsbewertungen), Kommentare (z.B. zur Berechnung) sowie die Vergleichbarkeit mit EU-, WHO- und OECD-Indikatoren. 144

Im Themenfeld 2 „Bevölkerung und bevölkerungspolitische Rahmenbedingungen“ des Indikatorensatzes der Länder werden soziale Indikatoren – schulischer und beruflicher

144 MGSFF (2003)

Bildungsabschluss, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfe, Wohngeld, Einkommen – in der Gesundheitsberichterstattung berücksichtigt. Damit ist die Möglichkeit gegeben, über die Regionen mit Hilfe deskriptiver oder multivariater Statistik eine Verknüpfung der gesundheitlichen und sozialen Lage herzustellen.

Beispielhaft für die Verwendung von Indikatoren aus der Gesundheitsberichterstattung für komplexe Darstellungen des Zusammenhanges von Gesundheit und Sozialem sollen hier zwei Studien genannt werden:145

Die in Berlin mit der Faktorenanalyse durchgeführten Sozialstrukturberechnungen unter Berücksichtigung sozialer und gesundheitlicher Variablen aus den Bereichen Bevölkerung und Haushaltsstruktur, Bildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen und Gesundheitszustand.

Die in Nordrhein-Westfahlen durch Clusteranalyse vorgenommene Charakterisierung der Regionen mit den folgenden Variablen: Prognose der Bevölkerung, Anteil der Kinder unter 15 Jahren sowie der über 65 Jährigen, Lebendgeborene je 1.000 Frauen, Sozialhilfe- sowie Arbeitslosenquote, verfügbares Einkommen, Anteil der Ausländer, Einwohnerdichte, Bevölkerungsveränderung in %, kumulierter Wanderungssaldo pro 1.000 Einwohner, Lebenserwartung und Anteil der Lebendgeborenen unter 2.500 g.

Eine direkte Verknüpfung gesundheitlicher und sozialer Aspekte über die verwendeten Datenquellen ist nicht möglich (vgl. auch Abschnitt 2.2.4.4. Datenquellen). So lassen sich mit dem überarbeiteten Indikatorensatz z.B. Fragen zur sozialen Lage chronisch Kranker und Pflegebedürftiger mit ihren gravierenden – oft multimorbiden - gesundheitlichen Einschränkungen nicht beantworten.

Die GBE ist in den Bundesländern überwiegend durch Gesundheitsdienstgesetze (GDG) geregelt. Das Spektrum der Regelungen reicht dabei von sehr allgemeinen Formen, wie

„Der ÖGD beobachtet und bewertet die gesundheitlichen Verhältnisse von Menschen und Tieren einschließlich der Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf die Gesundheit…“146, während andere Länder, wie Hamburg, Berlin und Nordrhein-Westfalen Inhalte bzw.

Themenfelder der GBE, die Berichtsformen und ihre Periodizität sowie das Zusammenwirken von kommunaler und Landesebene gesetzlich bestimmen.147 Die GDG’s beruhen in den alten Ländern auf dem „Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ von 1934 und seinen drei Durchführungsverordnungen von 1935.148 Seit Ende der siebziger Jahre erließen die Länder eigene GDG’s, Hessen und Niedersachsen haben bis heute kein eigenes GDG. In der ehemaligen DDR wurde noch wenige Wochen vor dem Beitritt zum Bundesgebiet am 8. August 1990 die „Verordnung über den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Aufgaben der Gesundheitsämter in den

145 Meinlschmidt (2004); Bardehle/Annuß/Strohmeier/Kersting (1997)

146 GDVG (2003)

147 GDG Hamburg (2001); GDG Berlin (1994); ÖGDG (1997); AV-ÖGDG (1999)

148 GüVGw (1934)

Landkreisen und kreisfreien Städten“ verabschiedet.149 Die neuen Länder – außer Thüringen150 – erließen nach dem Einigungsvertrag eigene Landesgesetze.

Die GBE Deutschlands und der Länder orientiert sich in den letzten Jahren verstärkt an internationalen Aktivitäten, dies betrifft methodische Aspekte, die Indikatorenauswahl sowie die Vernetzung von Informationssystemen. Nachfolgend wird deshalb der Sachstand auf europäischer Ebene dargestellt. Auf der Grundlage von Beschlüssen des Europäischen Parlaments und des Rates wurde - beginnend 1997 bis ursprünglich 2001, nach Verlängerung bis 31.12.2002 - innerhalb des Aktionsrahmens im Bereich der öffentlichen Gesundheit das Aktionsprogramm der Gemeinschaft für Gesundheitsberichterstattung, auch mit Beteiligung Deutschlands, bearbeitet. Kernstück war die Schaffung eines konsistenten, dauerhaften und kohärenten Systems der Gesundheitsberichterstattung. Dazu wurden vergleichbare Gesundheitsindikatoren aufgestellt und erfasst, die Planung, Begleitung und Bewertung der Programme der Europäischen Gemeinschaft sowie in den Mitgliedsstaaten unterstützen. Zur Übermittlung und Weitergabe der Informationen wurde ein gemeinschaftliches IT-gestütztes Netz entwickelt. Als Ergebnis liegen European Community Health Indicators (ECHI-Projekt) vor, die die Bereiche Bevölkerung und sozio-ökonomische Faktoren, den Gesundheitsstatus, Gesundheitsdeterminanten (persönliche und biologische Faktoren, Gesundheitsverhalten, Lebens- und Arbeitsbedingungen) und das Gesundheitssystem abbilden.151 Die Entwicklung von Verfahren und Instrumenten für Analysen und Berichterstattung über den Gesundheitszustand, Gesundheitstrends und -determinanten dauert noch an.152

Das aktuelle Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit umfasst den Zeitraum 2003 bis 2008 und hat die folgenden Ziele:153

Verbesserung des Informations- und Wissensstandes (Aufbau und Betrieb eines nachhaltigen Systems zur Gesundheitsüberwachung, ausgehend von Indikatoren mit alters- und geschlechtsspezifischen Informationen über den Gesundheitsstatus, die Gesundheitspolitiken und Gesundheitsfaktoren, mit besonderem Augenmerk auf Ungleichheiten im Gesundheitsbereich; verbesserte Zugänglichkeit der Öffentlichkeit zu Informationen und Gesundheitsdaten, auch im Internet unter dem Stichwort

„eEurope“),

Verbesserung der Fähigkeit, auf Gesundheitsgefährdungen (z.B. durch Infektionskrankheiten) schnell und koordiniert zu reagieren (Aufbau eines Überwachungs-, Frühwarn- und Schnellreaktionssystems),

149 VOüÖGD (1990)

150 Gesetz zur Modernisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im Freistaat Thüringen - Gesundheitsdienstmodernisierungsgesetz in Vorbereitung

151 Europäische Kommission (2001); Kramers (2003)

152 Europäisches Parlament/Europäischer Rat (1997) und (2001)

153 Europäisches Parlament/Europäischer Rat (2002)

Förderung der Gesundheit und Verhütung von Krankheiten durch Beeinflussung der Gesundheitsfaktoren, wie Ernährung, körperliche Aktivität oder Tabakkonsum, in allen Politikereichen.